Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 351/04

(BPatG: Beschluss v. 12.12.2007, Az.: 19 W (pat) 351/04)

Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt hat für die Anmeldung vom 23. Oktober 2001 ein Patent mit der Bezeichnung "Elektrische Kunststoffspritzmaschine" erteilt, und die Patenterteilung am 6. Mai 2004 veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die Fa. S... mit Schriftsatz vom 28. Juli 2004, eingegangen am 31. Juli 2004, Einspruch erhoben. Zur Begründung hat sie eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht und vorgetragen, der Gegenstand des Patents sei nicht neu bzw. beruhe unter Berücksichtigung des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende stellte den Antrag, das Patent zu widerrufen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Patentinhaberin stellte den Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten.

Der geltende, erteilte (mit einer eingefügten Gliederung versehene und in Merkmalsgruppen unterteilte) Patentanspruch 1 lautet:

"Elektrische Kunststoffspritzgießmaschinea) mit einem verfahrbaren Zylinder (4) mit einer innenliegenden drehbaren Schnecke (6), einer Schließeinheit (12) und einem Auswerfer (14), b) wobei diese Maschinenteile (4, 6, 12, 14) jeweils mit einem elektrischen Motor (24, 16, 18, 20, 22) gekoppelt sind, c) die eingangsseitig jeweils mit Ausgängen eines Wechselrichtermoduls (34, 26, 28, 30, 32) verknüpft sind, d) die ihrerseits gleichspannungsseitig mit Ausgängen eines netzseitigen Stromrichtermoduls (36) verbunden sind, das wechselspannungsseitig mit einem Versorgungsnetz (38) verknüpft ist, dadurch gekennzeichnet, e) dass das netzseitige Stromrichtermodul (36) ein selbstgeführtes Pulsstromrichtermodul (40) ist, f) dass die Wechselrichtermodule (26, 28, 30, 32, 34) und das netzseitige selbstgeführte Pulsstromrichtermodul (40) nebeneinander auf einer Montageplatte lösbar befestigt sindg) und die Montageplatte als Kühlkörper ausgebildet ist."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, die bekannte elektrische Kunststoffspritzgießmaschine derart zu verbessern, dass eine kompakte Bauweise einer Einspeisevorrichtung, bestehend aus Wechselrichtermodul und einem selbstgeführten Pulsstromrichter zu erreichen ist (Patentschrift, Absatz 0011).

Die Patentinhaberin ist der Meinung, die Einspruchsbegründung stütze sich zum einen in Kapitel II auf Seite 3 auf die angeblich vorbenutzte Spritzmaschine der Fa. Engel, die gemäß Anlage 6.2 einen hydraulischen Antrieb, keine elektrischen Einzelantriebe habe und deren elektrische Anschlusspläne keine der Merkmale des Anspruchs 1 zeigten. Der Verweis auf einen - nach dem Lieferdatum gedruckten - Katalog (Anlage 7) könne den fehlenden Vortrag nicht ersetzen.

Zum anderen stütze sich der Einspruch in Kapitel II auf Seite 4 auf den Katalog nach Anlage 8, der aber keine Spritzgussmaschine betreffe, und im Übrigen die Übereinstimmung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 im Einzelnen offen lasse.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Einspruch in Kapitel II von einer Spritzmaschine mit den Merkmalen a) und b) ausgehe, die nicht nur im Absatz 0002 der Patentschrift, sondern auch im Prüfungsverfahren als im Handel erhältlich, bzw. platt selbstverständlich bezeichnet werde. Die elektrische Verschaltung der Spritzgießmaschine ergebe sich aus den mit Anlage 6.1 vorgelegten Schaltplänen. Die entsprechende Feststellung sei zwar etwas mühsam, aber reiche letztlich doch aus, damit sich Gericht und Beteiligte ein Bild von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes - hier nicht nur der direkt angegebenen mangelnden Neuheit, sondern implizit auch der mangelnden erfinderischen Tätigkeit - machen könnten. Im Übrigen sei zwar knapp, aber doch ausreichend substantiiert dargelegt, was wann, wie, wo und durch wen offenkundig vorbenutzt worden sei.

Auch in Kapitel III des Einspruchsschriftsatzes zur erfinderischen Tätigkeit sei von der handelsüblichen Spritzgießmaschine mit den Merkmalen a) und b) auszugehen. Zu den Merkmalen c) und d) des Oberbegriffs werde im Zusammenhang mit den kennzeichnenden Merkmalen im Einspruchsschriftsatz auf Seite 4, Zeile 18 bis 22 Stellung genommen, wo der netzseitige Stromrichtermodul und die Verbindung zu den Wechselrichtermodulen über die Zwischenkreisverschienung ausdrücklich erwähnt seien. Zu dem kennzeichnenden Merkmal e) werde auf das Prüfungsverfahren verwiesen, in dem bereits festgestellt wurde, dass gepulste Netzstromrichtermodule durch die Entgegenhaltungen nahegelegt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Gemäß § 147 Abs. 3 PatG in der letztgültigen Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über den vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG noch anhängigen Einspruch bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts (vgl. Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 344/04, PMZ 2007, 332).

Die Einsprechende hat ihren Rechtsbehelf zwar in rechter Frist erhoben (PatG § 59 Abs. 1, Satz 1) und zulässigerweise auch auf mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit als Widerrufsgründe des PatG § 3,4 und 21 gestützt (PatG § 59 Abs. 1 S. 3).

Der Einspruch ist jedoch hinsichtlich der den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen unsubstantiiert und deshalb unzulässig.

Nach PatG § 59 Absatz 1 Satz 2 ist der Einspruch gegen ein Patent zu begründen. Nach Satz 4 dieser Vorschrift sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Darunter ist die Gesamtheit der Tatsachen zu verstehen, aus denen die von der Einsprechenden begehrte Rechtsfolge, nämlich der Widerruf des Patents, hergeleitet wird.

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BlPMZ 1988, 289 - Messdatenregistrierung) hervorgehoben, es sei keineswegs in das Belieben des Einsprechenden gestellt, was und in welchem Umfang er zur Stützung seines Einspruchsbegehrens vorträgt. Danach genüge die Begründung des Einspruchs den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes - hier: mangelnde Patentfähigkeit - maßgeblichen Umstände so vollständig darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl. BGH - Messdatenregistrierung, mit Hinweis auf BGH - Streichgarn). Zwar könne eine Auseinandersetzung mit dem Kern der Erfindung ausreichend sein, wobei es dann unschädlich sein könne, wenn nicht alle Merkmale des Anspruchs abgehandelt werden (Schulte Patentgesetz 7. Aufl. § 59, Rdn. 83). Eine Einspruchsbegründung genüge den gesetzlichen Anforderungen aber dann nicht mehr, wenn sie sich nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasse (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250 - Epoxidation).

Werden die Textstellen der Vorveröffentlichungen, aus denen sich die Entsprechungen mit den Merkmalen des Anspruchs ergeben sollen, nicht angegeben, so hat die Einsprechende nicht ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen eines der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliegen (vgl. BGH - Messdatenregistrierung).

Der Einspruch stützt sich im Kapitel II/Seite 3 auf die Behauptung einer offenkundig vorbenutzten Spritzgießmaschine. Der Lieferschein von 1997 nennt eine "Engel Spritzgießmaschine ES 1050/200 HL". Diese Typbezeichnung findet sich wieder auf den Blättern 0.1 bis 0.3 (Inhaltsverzeichnis) des Stromlaufplans - Anlage 6.1 -, erstellt am 21./24. Januar 2000, sowie auf dem Leistungsschild auf Blatt 2.0, erstellt - wie alle übrigen Blätter - am 14./17. März 1997. Die Einsprechende verweist auf Bl. 37.0, den LT Modul "Simodrive", zu dessen Beschreibung sie den Katalog Sinumerik & Sinudrive - Anlage 7 - heranzieht. Anhand dieses Katalogs erläutert sie die Verbindung der Module sowie die Wärmeabfuhr über eine gemeinsame Kühlplatte entsprechend Merkmal f) und g) des Anspruchs 1.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit Einzelheiten einer 1997 gelieferten Maschine in einem Katalog aus dem Jahr 2000 "näher erläutert" sein können, wie der Einspruchsschriftsatz angibt, und ob man in dem Vorbringen dazu auch eine indirekte Stellungnahme zu dem Merkmal d) sehen könnte, denn es fehlt jedenfalls eine Stellungnahme zu den Merkmalen a) bis c) und e).

Das Merkmal a) für sich kann zwar noch als implizit abgehandelt angesehen werden, denn nach dem Lieferschein, Anlage 6.2, handelt es sich ersichtlich um eine Kunststoffspritzgießmaschine, wobei man deren Komponenten Zylinder, Schnecke, Schließeinheit, und Auswerfer mitlesen kann. Das gilt aber nicht mehr im Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen. Hier ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Merkmale a) bis c) eine Spritzgießmaschine beschreiben, bei der die einzelnen Komponenten Zylinder, Schnecke, Schließeinheit, und Auswerfer jeweils mit einem elektrischen Motor gekoppelt (Merkmal b)) und jeweils mit Ausgängen eines Wechselrichtermoduls verknüpft sind (Merkmal c)). Auf dieses in der Beschreibung Absatz 0003, letzter Satz und Abs. 0020 als "modulares Mehrmotoren-Antriebskonzept" vorgestellte Konzept mit Einzelantrieben geht der Einspruchsschriftsatz nicht ein. Der Stromlaufplan nach Anlage 6.1 zeigt zwar einen Motor für eine Pumpe 1 auf der im Einspruchsschriftsatz genannten Seite 37.0 und einen weiteren Motor für eine Pumpe 2 auf den nicht genannten Seiten 38.0 und 38.2, jeweils mit einem Siemens "Simodrive" LT-Modul. Ob und wie diese Pumpen aber mit den einzelnen Komponenten Zylinder, Schnecke, Schließeinheit, und Auswerfer verbunden sind, und ob es sich um Einzel - oder Sammelantriebe handelt, ist weder aus der Anlage 6.1 ersichtlich noch im Einspruchsschriftsatz vorgetragen. Auch zu dem Merkmal e) findet sich im Kapitel II des Einspruchsschriftsatzes nichts. Der Katalog nach Anlage 7 zeigt zwar auf S. 9/8 eine "geregelte Rückspeisung". Es hätte aber der Darlegung bedurft, warum diese Einspeisung auch bei dem in Bezug genommenen Simodrive LT-Modul auf Seite 37.0 des Stromlaufplans nach Anlage 6.1 vorausgesetzt und dafür ein selbstgeführtes Pulsstromrichtermodul unterstellt werden kann. Das wäre insbesondere deshalb nötig gewesen, weil dort von Netzeinspeisung nicht die Rede ist, sondern ein gesondertes Ein und Rückspeisemodul - auf Seite 34.0 - angegeben ist.

Dass in Kapitel II auch die erfinderische Tätigkeit abgehandelt ist, wie die Einsprechende meint, kann der Senat nicht erkennen.

Erst das Kapitel III auf Seite 4 des Einspruchsschriftsatzes befasst sich mit der erfinderischen Tätigkeit. Hier wird unter wörtlicher Zitierung des Oberbegriffs ausgeführt, dass dieser "aus der Patentschrift selbst, insbesondere Figur 1 und Absatz 0002 und 0003" bekannt sei. Im Weiteren wird ein Katalog der Firma S..., Movidyn - Anlage 8 - genannt und ausgeführt, dass es angesichts der klaren und offensichtlichen Aufgabe nahegelegt sei, die Elektromotoren des Standes der Technik mit Movidyn-Umrichtern der Firma S... zu versorgen. Auch hier fehlt ei- ne Stellungnahme zu den Merkmalen a) bis c) und e) des Anspruchs 1.

In Ausnahmefällen hat zwar das Bundespatentgericht eine pauschale Bezugnahme auf die dem Oberbegriff zugrunde liegende Vorveröffentlichung zugelassen, wenn ein kurzer Oberbegriff nicht weiter diskussionswürdigen herkömmlichen Stand der Technik betraf und die erfindungswesentlichen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu finden waren (z. B. 19 W (pat) 28/95). In einem solchen Fall kann auch ein pauschaler Verweis auf Patentschriften oder andere Druckschriften als Tatsachenvortrag anerkannt und bei einfachen Sachverhalten auf die Angabe der relevanten Textstellen in der Vorveröffentlichung verzichtet werden (Schulte Patentgesetz, 7. Aufl. § 59, Rdn. 95), wenn sich der Zusammenhang aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser von selbst ergibt und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund geradezu aufdrängt (BGH GRUR 1972, 593 "Sortiergerät").

Der vorliegende Fall liegt aber anders. Hier liegt dem Oberbegriff des Anspruchs 1 kein in der Patentschrift genannter druckschriftlicher Stand der Technik zugrunde. Die dort in Absatz 0006 bis 0010 zitierten Entgegenhaltungen beziehen sich ersichtlich nicht auf die in Absatz 0001 bis 0005 ohne druckschriftlichen Beleg beschriebene Spritzgussmaschine nach Oberbegriff. Somit kann der Verweis auf die Patentschrift auch nicht als pauschaler Verweis auf diesen Stand der Technik verstanden werden.

Zwar kann auch hier unterstellt werden, dass eine Spritzgussmaschine nach Merkmal a) allgemein bekannt und handelsüblich ist. Aus den vorstehend genannten Gründen gilt das aber nicht für das mit den Merkmalen a) bis c) beschriebene "modulare Mehrmotoren-Antriebskonzept". Ein diesbezüglich relevanter Stand der Technik wurde vielmehr erst nach Ablauf der Einspruchfrist mit der DE 43 34 134 A1 nachgewiesen.

Ein netzseitiges Stromrichtermodul in der Verschaltung nach Merkmal d) wird zwar im Zusammenhang mit dem Katalog nach Anlage 8 auf Seite 4, Zeile 18 des Einspruchsschriftsatzes erwähnt. Es fehlen jedoch Angaben dazu, ob es sich um ein rückspeisefähiges, selbstgeführtes Pulsstromrichtermodul nach Merkmal e) handeln soll. Der Verweis auf den Katalog nach Anlage 8 hilft hier auch nicht weiter, denn dort sind sowohl rückspeisefähige als auch nicht rückspeisefähige Stromrichtermodule angegeben (s. z. B. S. 43), und selbstgeführte Pulsstromrichter jedenfalls nicht ausdrücklich erwähnt. Auch der pauschale Hinweis auf das Prüfungsverfahren auf Seite 3, Zeile 2 des Einspruchsschriftsatzes kann die fehlende Stellungnahme zu Merkmal e) nicht ersetzen.

Damit fehlt eine Stellungnahme zu den Merkmalen a) bis c) und e).

Sowohl die Merkmale a) bis c) als auch das Merkmal e) rechnet der Senat zum Kern der Erfindung, denn ausgehend von dem "modularen Mehrmotorenantrieb" stellt sich erst die Aufgabe, die Stromversorgungen der Einzelantriebe zu einer kompakten Baueinheit zusammenzufassen. Die Relevanz des selbstgeführten Pulsstromrichters für die Wärmeabfuhr, und damit für die Auslegung der Kühl- und Montageplatte nach Merkmal f) und g) wird in den Absätzen 0013 und 0014 der Patentschrift ausführlich erläutert.

Damit befasst sich der Einspruchsschriftsatz sowohl in Kapitel II als auch in Kapitel III nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre, ist somit nicht ausreichend substantiiert im Sinne des § 59 Absatz 1 Satz 4 PatG, der Einspruch damit unzulässig.

Für die beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass, denn weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 100 Absatz 2 PatG). Die vorliegende Entscheidung beruht vielmehr lediglich auf einer Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Kriterien auf die Umstände des Einzelfalls.

Bertl Gutermuth Groß

Dr. Scholz Be






BPatG:
Beschluss v. 12.12.2007
Az: 19 W (pat) 351/04


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