Landgericht Köln:
Urteil vom 8. Februar 2012
Aktenzeichen: 26 O 70/11

(LG Köln: Urteil v. 08.02.2012, Az.: 26 O 70/11)

Tenor

I.

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen für die Einbeziehung in Verträge über die Reinigung von Textilien mit Verbrauchern zu empfehlen, soweit sich diese Empfehlung nicht zur ausschließlichen Verwendung gegenüber Unternehmern (§ 14 BGB) bezieht.

1. "Der Textilreiniger haftet für den Verlust des Reinigungsgutes unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes"

2. "Für Bearbeitungsschäden haftet der Textilreiniger nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes."

3. "Ansonsten ist die Haftung auf das 15 fache des Bearbeitungspreises begrenzt".

Klausel 3 auch wenn diese in Verbindung mit folgender Regelung

verwendet werden soll:

"Sie können aber unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes, z. B. durch Abschluss einer Versicherung vereinbaren."

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.03.2011 zu zahlen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland, begehrt von dem Beklagten die Unterlassung der Empfehlung bestimmter Geschäftsbedingungen sowie Ersatz der für die ausgesprochene Abmahnung entstandenen Aufwendungen.

Der Beklagte hatte beim Bundeskartellamt eine sogenannte Konditionen-Empfehlung angemeldet. Diese Anmeldung wurde im Bundesanzeiger am 09.08.1997 veröffentlicht. Wegen des Inhaltes der Empfehlung wird auf Anlage K1, Bl. 11 GA, verwiesen. Weiter hat der Beklagte eine "Zeitwerttabelle für Textilien und Leder" (Anlage K3, Bl. 13 ff. GA) unter seiner Internetadresse veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 12.11.2010 (Anlage K 4, Bl. 17 ff. GA) rügte der Kläger die Unwirksamkeit einzelner von dem Beklagten empfohlener Geschäftsbedingungen und forderte die Beklagte auf, eine dem Schreiben beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anlage K 5, Bl. 21 f. GA) abzugeben. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23.11.2010, in welchem er die Wirksamkeit der angegriffenen Bedingungen verteidigte, ab.

Der Kläger ist unter näherer Darlegung im Einzelnen der Ansicht, die Klauseln seien nach §§ 307 ff. BGB unwirksam.

Der Kläger beantragt,

I.

den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen für die Einbeziehung in Verträge über die Reinigung von Textilien mit Verbrauchern zu empfehlen, soweit sich diese Empfehlung nicht zur ausschließlichen Verwendung gegenüber Unternehmern (§ 14 BGB) bezieht.

1. "Der Textilreiniger haftet für den Verlust des Reinigungsgutes unbe-

grenzt in Höhe des Zeitwertes"

2. "Für Bearbeitungsschäden haftet der Textilreiniger nur bei Vorsatz

oder grober Fahrlässigkeit unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes."

3. "Ansonsten ist die Haftung auf das 15 fache des Bearbeitungspreises

begrenzt".

Klausel 3 auch wenn diese in Verbindung mit folgender Regelung

verwendet werden soll:

"Sie können aber unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes, z.B.

durch Abschluss einer Versicherung vereinbaren."

II.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,00 Euro nebst Zinsen in

Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechts-

hängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin beanstandeten Klauseln seien verbraucherfreundlich. Auch die Bezugnahme auf die Zeitwerttabelle diene dem Verbraucherschutz. Die Kunden würden durch die Begrenzung auf den Zeitwert nicht benachteiligt. Die Zeitwerttabelle lasse genügend Spielraum für den Einzelfall.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Dem gemäß §§ 3, 4 UKlaG klagebefugten und aktivlegitimierten Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 1 UKlaG auf Unterlassung der Empfehlung der streitgegenständlichen Klauseln zu.

Die Klauseln sind wegen Verstoßes gegen §§ 307 ff. BGB unwirksam.

Klageantrag zu I. 1:

Die Klausel

"Der Textilreiniger haftet für den Verlust des Reinigungsgutes unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes"

verstößt gegen § 309 Nr. 7 b) BGB. Nach dieser Vorschrift sind, auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, unwirksam.

Mit § 309 Nr. 7 b) BGB sind auch summenmäßige Beschränkungen bzw. Fixierungen eines Höchstbetrages nicht in Einklang zu bringen (MüKo/Kieninger, 5. Aufl. 2007, § 309 Nr. 7 BGB, Rdn. 23, 31 m.w.N.). Durch die Begrenzung auf den - durch die "Zeitwerttabelle" näher zu bestimmenden "Zeitwert" - wird jedoch ein solcher Höchstbetrag bestimmt.

Die Klausel gilt allgemein "für den Verlust" und damit ohne Beschränkung auf eine bestimmte Schuldform, so dass auch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erfasst sind, weshalb § 309 Nr. 7 b) auch im Übrigen einschlägig ist.

Darüber hinaus verstößt die Klausel gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verankerte Transparenzgebot. Die Klausel ist nicht klar und verständlich, sondern widersprüchlich. Einerseits wird eine "unbegrenzte" Haftung zugesagt, andererseits wird die Haftung auf die "Höhe des Zeitwertes" beschränkt. Bei der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung ist nicht klar, was von beidem gelten soll.

Schließlich verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB:

Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ein entstandener Schaden ist daher umfassend zu ersetzen. Die Bestimmung des Schadens hat individuell zu erfolgen.

Dem steht die Klausel durch die Begrenzung auf den "Zeitwert" entgegen.

Klageantrag zu I. 2:

Die Klausel

"Für Bearbeitungsschäden haftet der Textilreiniger nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes."

verstößt aus den oben genannten Gründen (Begrenzung auf den "Zeitwert") ebenfalls gegen § 309 Nr. 7 b) BGB.

Weiterhin liegt aufgrund des Widerspruches "unbegrenzt"/"in Höhe des Zeitwertes" ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor.

Klageantrag zu I. 3:

Die Klausel

"Ansonsten ist die Haftung auf das 15 fache des Bearbeitungspreises begrenzt".

auch in Verbindung mit:

"Sie können aber unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes, z.B. durch Abschluss einer Versicherung vereinbaren."

verstößt bei kundenfeindlichster Auslegung gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Unter dem "Bearbeitungspreis" ist - worauf der Kläger zu Recht hinweist - nicht zwingend der vereinbarte Reinigungspreis zu verstehen. "Bearbeitungspreis" könnten vielmehr auch die Kosten sein, die dem Reinigungsbetrieb selbst, etwa durch die Hinzuziehung von Subunternehmern, entstehen.

Offen bleiben kann danach, ob eine Begrenzung der Haftung auf den 15-fachen Reinigungspreis (unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei gleichzeitigem, deutlichem Verweis auf Versicherungsmöglichkeit) möglich ist (verneinend wohl: LG Osnabrück, Urt. v. 3.12.2002, 7 S 94/02; AG Prüm, Urt. v. 20.6.1990, 6 C 184/89; auch OLG Köln, NJW-RR 1998, 997, 998, MüKo, a.a.O, Rdn. 31; bejahend wohl: BGH, Urt. v. 12.5.1980, VII ZR 166/79).

Denn vorliegend wird zwar auf die Möglichkeit einer Versicherung verwiesen, jedoch nur, um wiederum "eine unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes" zu erhalten. Dies ist aus den oben aufgeführten Gründen jedoch unwirksam.

Es ist auch jeweils, d.h. bezüglich aller Klageanträge vom Vorliegen der nach § 1 UKlaG kraft ungeschriebener Voraussetzung erforderlichen Wiederholungsgefahr auszugehen, da unstreitig eine Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den Beklagten nicht erfolgt ist.

Klageantrag zu II.

Der mit dem Klageantrag zu Ziffer II. verfolgte Zahlungsanspruch steht dem Kläger gegen den Beklagten nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 9.000,00 Euro






LG Köln:
Urteil v. 08.02.2012
Az: 26 O 70/11


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