Bundespatentgericht:
Urteil vom 29. Oktober 2008
Aktenzeichen: 1 Ni 32/07

(BPatG: Urteil v. 29.10.2008, Az.: 1 Ni 32/07)

Tenor

I. Das deutsche Patent 103 24 454 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 2, 4, soweit auf die Patentansprüche 1 oder 2 rückbezogen, und 6, soweit auf die Patentansprüche 1, 2 und/oder 4 rückbezogen, für nichtig erklärt.

II. Der weitergehende Antrag der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des deutschen Patents 103 24 454 (Streitpatent), das am 28. Mai 2003 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist bezeichnet mit "Rohrverteiler und Verfahren zur Herstellung eines Rohrverteilers". Es umfasst 15 Patentansprüche; die Ansprüche 1 bis 9 betreffen den Rohrverteiler, die Ansprüche 10 bis 15 betreffen Verfahren zur dessen Herstellung. Die Verfahrensansprüche sind nicht Gegenstand der Klage. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung wie folgt:

1. Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind.

Wegen der weiter angegriffenen Patentansprüche 2, 4 und 6 und des durch die Nebenintervenientin zusätzlich angegriffenen Patentanspruchs 8 wird auf die Streitpatentschrift DE 103 24 454 B3 verwiesen.

Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand vom Patentanspruch 1 durch den Inhalt der europäischen Patentschrift EP 1 108 190 B1, die bereits in der Streitpatentschrift erörtert worden ist, vorweggenommen, zumindest jedoch nahegelegt. Dem schließt sich die Nebenintervenientin an und beruft sich zusätzlich auf die Schweizer Patentschrift CH 651 908 A5. Die Nebenintervenientin verweist -insbesondere zu den Patentansprüchen 2 und 6 -auf eine offenkundige Vorbenutzung der T... GmbH in S.... Diese habe ab dem Jahr 2000 Heizkreisverteiler an die N... AG in H... geliefert. N... habe die Heizkreisverteiler seit Oktober 2000 unter der Kennzeichnung "Delphistherm" vertrieben. Die Nebenintervenientin bezieht sich hierzu auf eine Anzeige im Heizungsjournal vom Oktober 2000 (K4) sowie auf zwei Prospektblätter (K5 und K6) und bietet Beweis durch Vernehmung des Zeugen B... an.

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 103 24 454 im Umfang der Patentansprüche 1, 2, 4 soweit auf Patentanspruch 1 oder 2 rückbezogen, und 6, soweit auf die Patentansprüche 1, 2 und/oder 4 rückbezogen, für nichtig zu erklären.

Die Nebenintervenientin beantragt, das deutsche Patent 103 24 454 im Umfang der Patentansprüche 1, 2, 4 soweit auf Patentanspruch 1 oder 2 rückbezogen, und 6, soweit auf die Patentansprüche 1, 2 und/oder 4 rückbezogen, und 8, soweit auf die Patentansprüche 1, 2 und/oder 4 und/oder 6 rückbezogen, für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er tritt der gegnerischen Auffassung zum druckschriftlichen Stand der Technik entgegen. Zur offenkundigen Vorbenutzung meint er, dass aus den vorgelegten Unterlagen keine Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des dort gezeigten Rohrverteilers möglich seien.

Hilfsweise verteidigt der Beklagte das Streitpatent in der Fassung des Patentanspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 (in dieser Reihenfolge). Der jeweilige Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 lautet wie folgt:

Hilfsantrag 1 1. Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind, und dass die Abflachungen (5, 6) im Wesentlichen über die gesamte Länge des Grundkörpers (8) vorgesehen sind.

Hilfsantrag 2 1. Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind, dass die Abflachungen (5, 6) im Wesentlichen über die gesamte Länge des Grundkörpers (8) vorgesehen sind und dass die Aushalsungen (9, 11) durch Tiefziehen aus dem Material der Wand des Grundkörpers (8) herausgebildet sind.

Hilfsantrag 3 1. Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, welche sich über mindestens zwei sekundäre Anschlüsse (3, 4) erstrecken und an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind.

Die angegriffenen Unteransprüche sind auf den jeweils hilfsweise beschränkten Patentanspruch 1 rückbezogen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 PatG), ist begründet.

I.

1. Das Streitpatent betrifft -soweit angegriffen -einen Rohrverteiler zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder Funktionselementen in einem Rohrleitungssystem. Rohrverteiler werden als zentrale Verteiler in Rohrleitungssystemen eingesetzt. Beispielsweise werden sie in Heizungssystemen zum Verbinden einer Hauptleitung mit Abzweigrohren und zum Anschließen von Funktionselementen wie z. B. Entlüftungsventilen, Durchflussmessern oder Druckmessgeräten verwendet. Die bekannten Rohrverteiler weisen einen rohrförmigen Grundkörper auf, der mit einem oder zwei primären Anschlüssen für die Hauptleitung ausgestattet ist. Nach dem Stand der Technik, der in der Streitpatentschrift dargestellt ist, können die Abzweigrohre direkt an den Grundkörper angeschweißt oder angelötet werden. Sie können auch bei einem Rohrverteiler, der beispielsweise aus Messing durch Gießen, Fließpressen oder Ziehen hergestellt ist, in Gewindelöcher eingeschraubt werden, die in Verdickungen des Grundkörpers angeordnet sind. Bekannt ist nach der Streitpatentschrift weiter, an der Längsseite des Grundkörpers sekundäre Anschlüsse vorzusehen, an die die Abzweigrohre oder die Funktionselemente montierbar sind. Die Streitpatentschrift erwähnt u. a. die Europäische Patentschrift 1 108 190 B1 (D1), aus der ein Rohrverteiler bekannt sei, der aus einem relativ dünnwandigen rohrförmigen Grundkörper bestehe. In Bereich der Abzweigungen seien lokale Querschnittserweiterungen mit Aushalsungen vorgesehen, in die Abzweigrohre eingeschraubt werden könnten. Diese bekannten Rohrverteiler seien nur mit erheblichem Aufwand herzustellen.

Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, in einfacher Weise und kostengünstig einen Rohrverteiler (sowie ein Verfahren zur seiner Herstellung: insoweit ist das Streitpatent nicht angegriffen) bereitzustellen, der strömungstechnisch wie auch hinsichtlich der Dichtigkeit verbessert ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung einen Rohrverteiler zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, vor.

a) Der Rohrverteiler hat einen rohrförmigen Grundkörper. b) Der rohrförmige Grundkörper weist mindestens einen primären Anschluss auf. c) Der rohrförmige Grundkörper weist eine Mehrzahl von sekundären Anschlüssen auf.

d) Die sekundären Anschlüsse sind mit Aushalsungen für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen.

e) Der rohrförmige Grundkörper besteht aus einem Rohrprofil. f) Das Rohrprofil ist relativ dünnwandig. g) Das Rohrprofil ist im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrisch. h) Das Rohrprofil weist zwei durchgängig parallele und einander gegenüberliegende Abflachungen auf. i) An den Abflachungen sind die sekundären Anschlüsse vorgesehen.

2. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem Gegenstand des Streitpatents ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Rohrleitungssystemen. Nach dem Verständnis dieses Fachmanns, das Maßstab sowohl für die Auslegung des Patentanspruchs als auch für die Beurteilung der erfinderischen Leistung ist, stellt sich der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt dar:

Der Grundkörper des Rohrverteilers besteht aus einem relativ dünnwandigen Rohrprofil, das im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrisch ist. Er ist zusammen mit den Abflachungen und den Aushalsungen der sekundären Anschlüsse fast vollständig durch Umformen herstellbar. Ein Abtragen von Material, Ausfräsen oder zeitaufwendiges Bohren von Öffnungen in den dickwandigen Bereichen des Rohrverteilers ist nicht erforderlich (vgl. Streitpatentschrift Absatz [0009]).

II.

1. Der beanspruchte Rohrverteiler nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist nicht patentfähig.

1.1 Der mit Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchte Rohrverteiler ist in einer seiner möglichen Ausführungsformen nicht neu.

Der mit dem Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Rohrverteiler weist eine "Mehrzahl" von sekundären Anschlüssen auf. Die Angabe "Mehrzahl" umfasst auch zwei sekundäre Anschlüsse, wobei jeweils einer an einer der gegenüberliegenden Abflachungen angeordnet ist. Diese Ausführungsform ist bereits aus der EP 1 108 190 B1 (D1) bekannt.

Aus der EP 1 108 190 B1 (D1) ist ein Rohrverteiler zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen in einem Rohrleitungssystem bekannt (Absatz [0001] der D1).

Der Rohrverteiler weist einen rohrförmigen Grundkörper (Rohr 1) auf, wie der Figur 1 Mitte und den Schnitten B-B auf der rechten Seite der Figur 1 unmittelbar zu entnehmen ist -Merkmal a).

Der rohrförmige Grundkörper 1 weist auf jeder Seite einen primären Anschluss und somit "mindestens einen primären Anschluss" auf, der in Figur 1 und im Detail in Figur 2 dargestellt ist -Merkmal b).

Am rohrförmigen Grundkörper 1 ist eine Mehrzahl von sekundären Anschlüssen mit Öffnungen 5 angeordnet, die als domartige Erweiterungen 2a, 2b, 2c ausgebildet sind (vgl. Figur 1, Schnitt A-A, Figur 3b und Figur 5 mit Absatz [0031] der D1) -Merkmal c).

Die sekundären Anschlüsse sind mit Aushalsungen 3 und darin angeordneten Gewinden für eine lösbare Befestigung von Abzweigrohren 12, 13 oder von Funktionselementen versehen (Figur 1 und Spalte 6, Zeilen 9, 10 der D1) -Merkmal d).

Der rohrförmige Grundkörper besteht aus einem Rohr 1 und damit einem Rohrprofil, wobei das Rohrprofil relativ dünnwandig ist (Spalte 2, Zeilen 48 bis 52 der D1) -Merkmale e) und f).

Das im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrische Profil des Rohres ergibt sich unmittelbar aus dem Schnitt B-B in Figur 1 der D1 -Merkmal g).

Das Rohrprofil weist Abflachungen auf, die einander gegenüberliegen und an denen die sekundären Anschlüsse vorgesehen sind (Spalte 2, Zeilen 48 bis 57, und domartige Erweiterungen 2c im Schnitt A-A der Figur 1) -Merkmale i) und teilweise Merkmal h).

Soweit stimmen die Parteien in der Bewertung des Offenbarungsgehalts der EP 1 108 190 B1 (D1) überein. Der Beklagte sieht einen Unterschied des beanspruchten zu diesem aus der EP 1 108 190 B1 (D1) bekannten Rohrverteiler allein darin, dass letzterer keine durchgängig parallelen Abflachungen aufweise.

Diese Form der Abflachungen ist jedoch ebenfalls bereits aus der EP 1 108 190 B1 (D1) bekannt. Denn diese Schrift lehrt eine beliebige Anzahl von sekundären Anschlüssen am Rohrverteiler und somit auch einen Rohrverteiler mit lediglich zwei sekundären Anschlüssen, die wie im unteren Beispiel der Figur 1 dargestellt einander gegenüber liegen können. Die Abflachungen sind entweder unmittelbar am Grundkörper oder in einer domartigen Erweiterung des Grundkörpers vorgesehen (Spalte 2, Zeilen 48 bis 57 und domartige Erweiterungen 2c im Schnitt A-A der Figur 1 der D1). In beiden Fällen sind die beiden einander gegenüberliegenden Abflachungen durchgängig parallel zueinander, da sie als Dichtfläche für die in den sekundären Anschlüssen angeordneten Abzweigrohre eben sein müssen.

Somit ergibt sich aus der EP 1 108 190 B1 (D1) auch das verbleibende Teilmerkmal h) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zumindest für die Ausführungsform mit lediglich zwei einander gegenüberliegenden sekundären Anschlüssen.

1.2 Die mit Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruchten weiteren Ausführungsformen des Rohrverteilers werden dem Fachmann durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahe gelegt, so dass diese nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Wenn unter dem Begriff "Mehrzahl" im Patentanspruch 1 des Streitpatents zu verstehen ist, dass an den zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen mehr als jeweils ein einziger sekundärer Anschluss angeordnet ist, wird diese Lehre dem Fachmann durch eine Zusammenschau der EP 1 108 190 B1 (D1) mit der CH 651 908 A5 (D2) nahe gelegt.

Dem Beklagten ist zuzustimmen, dass beim Rohrverteiler nach der EP 1 108 190 B1 (D1) zu jedem sekundären Anschluss eine separate domartige Erweiterung vorgesehen ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus Figur 1 der D1, in der im Schnitt B-B gezeigt ist, dass der Grundkörper zwischen den jeweiligen domartigen Erweiterungen 2a oder 2b oder 2c einen kreiszylindrischen Querschnitt aufweist. Somit sind dieser Schrift nicht lediglich zwei Abflachungen, sondern für jeden sekundären Anschluss eine eigene Abflachung zu entnehmen.

Für den Fachmann ist ohne Weiteres erkennbar, dass sich der aus EP 1 108 190 B1 (D1) bekannte Rohrverteiler wegen der kreiszylindrischen Zwischenstücke nur schwer lagegenau an z. B. einem Verteilerkasten befestigen lässt. Er wird sich daher im Stand der Technik nach Alternativen umsehen und stößt dabei auf die CH 651 908 A5 (D2). Dort ist ein Rohrverteiler gezeigt, der zwei einander gegenüberliegende abgeflachte Längsrippen 3, 7 aufweist, in denen die sekundären Anschlüsse (Gewindelöcher 4) angeordnet sind. In Figur 4 der D2 ist ein Bügel 8 dargestellt, dessen Klemmbacken 8a formschlüssig an die Längsrippen 3, 7 angepasst sind und diese übergreifen. Mit diesem Bügel 8 lässt sich der Rohrverteiler auf einfache Weise an einem Verteilerkasten o. Ä. befestigen (Seite 3, rechte Spalte, Zeilen 3 bis 19, und Figuren 3, 4 der D2). Auf den so erzielten Vorteil wird in der D2 ausdrücklich hingewiesen (Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 53 bis 60 der D2, so dass der Fachmann hierdurch angeregt wird, auch beim Rohrverteiler nach der EP 1 108 190 B1 (D1) eine derartige einfache Halterung vorzusehen. In Übertragung dieser Lehre der D2 wird er unmittelbar die Abflachungen in der D1 über den gesamten Anschlussbereich der sekundären Anschlüsse ausdehnen, um auch beim Rohrverteiler nach der D1 eine formschlüssige und damit lagegenaue Halterung zu erreichen. Auf diese Weise ergibt sich ein Rohrverteiler mit lediglich zwei gegenüberliegenden Abflachungen am Grundkörper, die jeweils mehrere sekundäre Anschlüsse aufweisen.

2. Auch die nach den hilfsweise beschränkt verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 beanspruchten Gegenstände sind nicht patentfähig, da sie dem Fachmann durch eine Zusammenschau der beiden vorstehend angeführten Druckschriften nahe gelegt werden.

2.1 Der Rohrverteiler des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal:

k) Die Abflachungen sind im Wesentlichen über die gesamte Länge des Grundkörpers vorgesehen.

Bei einer Zusammenschau der EP 1 108 190 B1 (D1) mit der CH 651 908 (D2) wird dem zuständigen Fachmann auch dieses Merkmal nahe gelegt. Denn beim Rohrverteiler nach der CH 651 908 (D2) sind die Abflachungen (Längsrippen 3, 7) über die gesamte Länge des Rohrverteilers angeordnet. Diese durchgehenden Abflachungen erhöhen offensichtlich die Anzahl der Befestigungsmöglichkeiten des Rohrverteilers in Klemmbügeln, so dass der Fachmann diese Ausgestaltung als vorteilhaft beibehalten wird.

2.2 Der Rohrverteiler des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag 1 durch das zusätzliche Merkmal:

l) Die Aushalsungen sind durch Tiefziehen aus dem Material der Wand des Grundkörpers herausgebildet.

In Spalte 3, Zeilen 5 bis 12 der EP 1 108 190 B1 (D1) ist beschrieben, dass die Aushalsungen z. B. mittels spanloser Umformung hergestellt werden. Tiefziehen ist eine dem Fachmann allgemein geläufige Art dieser beschriebenen spanlosen Umformung zur Erzeugung der Aushalsung.

2.3 Der Rohrverteiler des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag durch die Ergänzung im Merkmal i):

m) Die Abflachungen erstrecken sich über mindestens zweisekundäre Anschlüsse und an ihnen sind die sekundären Anschlüsse vorgesehen.

Auch dieses Merkmal wird dem Fachmann durch die CH 651 908 (D2) nahe gelegt, da die in Figur 3 dargestellte Ausführungsform des Rohrverteilers insgesamt 3 sekundäre Anschlüsse aufweist und sich die Abflachungen über alle drei Anschlüsse hinweg erstrecken.

III.

Der Antrag der Nebenintervenientin war, soweit er über den Klageantrag hinausgeht, zurückzuweisen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Streithelfer auf Seiten des Nichtigkeitsklägers streitgenössischer Nebenintervenient im Sinne des § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 66, 69, 61 ZPO (BGH Urt. v. 16. Oktober 2007 -X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 -Sammelhefter II, anders BGH Urt. v. 30. September 1997 -X ZR 85/94, GRUR 1998, 382 -Schere; zur Zulässigkeit der Nebenintervention vgl. BGH Beschl. v. 17. Januar 2006 -X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 = GRUR 2006, 438 -Carvedilol I). In diesem Fall gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 ZPO als Streitgenosse der Hauptpartei. Er ist aber nicht Streitgenosse und damit nicht Partei, sondern bleibt -wie der Nebenintervenient nach § 67 ZPO - Prozessgehilfe der Partei im eigenen Interesse und aus eigenem Recht. Dass er als Streitgenosse gilt, bedeutet, dass er sein Recht zur Unterstützung der Hauptpartei als selbstständiges und von der Partei unabhängiges Recht innehat (Zöller/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 69 Rn. 6 m. Nachw.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 69 Rn. 7). Er kann damit beispielsweise Rechtsmittel einlegen, die auch bei Widerspruch der Partei wirksam sind. Er kann aber nicht den Streitgegenstand des Rechtsstreits ändern oder Anträge für sich stellen. Dies folgt aus seiner Stellung als Streithelfer, der gerade nicht Partei ist. Allein der (Klage)Partei obliegt das Verfügungsrecht über den Streitgegenstand, der sich nach den Anträgen der Parteien bestimmt. Die Nebenintervenientin hat hier über den Antrag der Klägerin hinaus begehrt, auch Anspruch 8 des Streitpatents für nichtig zu erklären und damit die Klage erweitert. Diese Änderung des Streitgegenstands war ihr verwehrt.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Nach § 91 Abs. 1 ZPO fallen dem Beklagten die Kosten der Klägerin zur Last, die mit ihrem Antrag in vollem Umfang obsiegt hat. Für die Kosten der Nebenintervenientin gilt § 101, ZPO.

Schuster Bork Bülskämper Schramm Reinhardt Pü






BPatG:
Urteil v. 29.10.2008
Az: 1 Ni 32/07


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