Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Oktober 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 36/03

(BPatG: Beschluss v. 06.10.2005, Az.: 21 W (pat) 36/03)

Tenor

1) Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2) Die Beschwerde bezüglich des Hauptantrages wird zurückgewiesen.

3) Hinsichtlich des Hilfsantrages wird das Verfahren zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 42 45 026.8-35 entstand durch Teilung aus der Stammanmeldung 42 34 118.3-35, die am 9. Oktober 1992 unter der Bezeichnung "Verankerungselement" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht wurde. Die Offenlegung der Stammanmeldung erfolgte am 14. April 1994.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 16. April 2003 die Anmeldung aus den Gründen des Bescheids vom 9. Dezember 2002 zurückgewiesen, nachdem mit Eingabe vom 5. Februar 2003 von der Anmelderin Entscheidung nach Aktenlage beantragt worden war.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin verfolgt ihre Patentanmeldung gemäß Hauptantrag auf der Grundlage des am 6. Juni 2001 eingegangenen Patentanspruchs 1 weiter.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Verankerungselement mit M2 einem zur Knochenverankerung bestimmten Schaft (2, 16) und M3 einem mit einer Stange (10, 15) verbindbaren Kopf (3) mit einem im wesentlichen U-förmigen Querschnitt, der an seinem Grund (5) mit dem Schaft (2, 16) verbunden ist und zwei einen Kanal zur Aufnahme der Stange (10, 15) bildende freie Schenkel (6, 7) hat, M4 wobei die Schenkel (6, 7) ein Innengewinde (8) und M5 ein Außengewinde (9) aufweisen, M6 und mit einem die Schenkel (6, 7) von außen umfassenden, ein mit dem Außengewinde zusammenwirkendes Innengewinde aufweisendes Element (12) und M7 einem ein mit dem Innengewinde (8) der Schenkel zusammenwirkendes Gewinde aufweisendes Fixierelement (11), dadurch gekennzeichnet, daß

M8 das Element (12) als beidseitig offene Mutter ausgebildet ist.

Außerdem verfolgt die Anmelderin ihre Patentanmeldung gemäß Hilfsantrag auf der Grundlage des am 6. September 2005 eingegangenen Patentanspruchs 1 weiter.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Verankerungselement mit M2 einem zur Knochenverankerung bestimmten Schaft (2, 16) und M3 einem mit einer Stange (10, 15) verbindbaren Kopf (3) mit einem im wesentlichen U-förmigen Querschnitt, der an seinem Grund (5) mit dem Schaft (2, 16) verbunden ist und zwei einen Kanal zur Aufnahme der Stange (10, 15) bildende freie Schenkel (6, 7) hat, M4 wobei die Schenkel (6, 7) ein Innengewinde (8) und M5 ein Außengewinde (9) aufweisen, M6 und mit einem die Schenkel (6, 7) von außen umfassenden, ein mit dem Außengewinde zusammenwirkendes Innengewinde aufweisendes Element (12) und M7 einem ein mit dem Innengewinde (8) der Schenkel zusammenwirkendes Gewinde aufweisendes Fixierelement (11), dadurch gekennzeichnet, daß

M8 das Element (12) als beidseitig offene Mutter ausgebildet ist und M9 die Drehrichtung des Innengewindes (8) und des Fixierelements (11) einerseits und des Außengewindes (9) und der Mutter andererseits entgegengesetzt gerichtet sind.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften:

D1 DE 90 16 227 U1 D2 EP 0 456 158 A1 D3 EP 0 443 892 A1 In der Stammanmeldung wurden noch folgende Druckschriften genannt:

D4 EP 0 487 830 A1 (entspricht D1)

D5 DE 41 07 480 A1.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin ua aus, dass in der D1 in Figur 10 eine asymmetrische Mutter dargestellt ist, die zur Sicherung der Feststellschraube (siehe Seite 9, letzten 4 Zeilen) oben verschlossen ist. Darüber hinaus passe die Darstellung der Mutter in den Figuren 1, 9 und 10 nicht zusammen und damit sei eine beidseitig offene Mutter aus der D1 nicht erkennbar.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den am 6. Juni 2001 eingegangenen Unterlagen zu erteilen, hilfsweise mit geändertem Patentanspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 6. September 2005 mit einer noch anzupassenden Beschreibung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs 1, Abs 2 PatG. Die Beschwerde hat auch insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt gemäß dem Hilfsantrag führt; § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG.

Die Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig, denn sie sind in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen (Stammanmeldung) offenbart. Die Merkmale M1 bis M7 sind in dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 offenbart. Das Element 22 gemäß M8 als beidseitig offene Mutter auszubilden, ergibt sich aus dem ursprünglichen Patentanspruch 2 in Verbindung mit der Darstellung der Mutter in den Figuren 3, 4 und 6. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist noch zusätzlich die Merkmalsgruppe M9 auf. Diese Merkmale sind in den ursprünglichen Unterlagen Seite 3, Absatz 2 (siehe Stammanmeldung) offenbart. Da zum Hilfsantrag nur der Patentanspruch 1 eingereicht wurde und auf eine noch anzupassende Beschreibung hingewiesen wurde, wurde die Zulässigkeit der Unteransprüche vom Senat nicht beurteilt.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt gemäß der Beschreibung der Teilanmeldung (siehe Seite 2, Absatz 1) vom 6. Juni 2001 die Aufgabe zugrunde, ein Verankerungselement zu schaffen, welches so ausgebildet ist, dass sein Einsatz bei den für die Behandlung von Wirbelsäulenkorrekturen erforderlichen Fällen universell einsetzbar ist, insbesondere auch dann, wenn die aufzunehmende Stange gebogen ist.

Fachmann auf dem Gebiet der Verankerungselemente ist ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Feinwerktechnik, der in engem Kontakt zu dem diese Verankerungselemente anwendenden Arzt steht.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu.

Aus der D1 (siehe insbesondere die Fig 6 und 7 mit zugehöriger Beschreibung) ist M1= ein Verankerungselement 14 bekannt mit M2= einem zur Knochenverankerung bestimmten Schaft 48 und M3 einem mit einer Stange 20 (siehe Fig. 1) verbindbaren Kopf 16 mit einem U-förmigen Querschnitt, der an seinem Grund mit dem Schaft 48 verbunden ist und zwei einen Kanal zur Aufnahme der Stange bildende freie Schenkel hat (siehe Fig. 6), M4= wobei die Schenkel ein Innengewinde 54 und M5= ein Außengewinde 52 aufweisen, M6= und mit einem die Schenkel von außen umfassenden, ein mit dem Außengewinde 52 zusammenwirkendes Innengewinde aufweisendes Element 22 (siehe Fig. 1, 9 und 10) und M7= einem ein mit dem Innengewinde 54 der Schenkel zusammenwirkendes Gewinde aufweisendes Fixierelement 24 (siehe Fig. 1 und 2), wobei M8= das Element 22 als beidseitig offene Mutter ausgebildet ist.

Die Figuren 1 und 9 zeigen Draufsichten auf die Mutter 22, wobei sie dort jeweils als normale, beidseitig offene Mutter dargestellt ist. Aus der Beschreibung ergeben sich ebenfalls keine Hinweise auf eine einseitig geschlossene Mutter. Die Figur 10 stellt eine Seitenansicht der Mutter und keine Schnittansicht dar, bei der lediglich die Abflachung 60 und kein nach oben abgeschlossener Gewindegang dargestellt ist. Aus der in Figur 10 dargestellten einseitigen Abrundung der Mutter kann jedenfalls nicht auf einen Abschluss der Mutter geschlossen werden.

Somit sind alle Merkmale des Gegenstands nach dem Patentanspruch 1 aus der D1 bekannt.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist neu und beruht unter Berücksichtigung des bisher im Verfahren befindlichen Standes der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal M9, wonach die Gewinde der Mutter und des Fixierelements mit ihren entsprechenden zugeordneten Gewinden der Schenkel entgegengesetzt gerichtet sind.

Zur Ausrichtung der Gewinde der Mutter und des Fixierelements werden in der Druckschrift D1 keine Angaben gemacht. Der Fachmann wird daher die dort angegebene Mutter 22 und die Feststellschraube 24 standardmäßig mit einem Rechtsgewinde ausstatten. Für die Verwendung unterschiedlich ausgerichteter Gewinde ergeben sich aus der Druckschrift D1 keine Hinweise. Der Fachmann wird auch eine unterschiedliche Ausrichtung der Gewinde nicht in Betracht ziehen, um Fehlbedienungen durch den die Pedikelschrauben verwendenden Arzt zu vermeiden. Die Anmelderin führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass bei den Pedikelschrauben eine zuverlässige Halterung, insbesondere eines gebogenen Stabes, in den Pedikelschrauben über einen langen Zeitraum durch die ständige wechselnde, vom Patienten übertragene Belastung ein Problem darstellt.

Der Anmeldung liegt daher objektiv das Problem zugrunde, ein Lösen der die Stange in der Pedikelschraube fixierenden Elemente (Mutter und Fixierelement) zuverlässig zu verhindern. Für den Fachmann wäre es dazu aufgrund seines Fachwissens nahe liegend, die bei Schrauben-Mutter-Verbindungen üblichen Schraubensicherungen in Betracht zu ziehen. Schraubensicherungen teilen sich in kraftschlüssige (zB Federringe, Federscheiben, selbstsichernde Muttern mit Klemmteilen), formschlüssige (Splinte, Sicherungsbleche) und stoffschlüssige (Klebstoff) Sicherungen ein. Der Einsatz von gegenläufigen Gewinden ist für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens in Kenntnis des bisher in Betracht gezogenen Standes der Technik somit nicht nahe liegend.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften D2, D3 und D5 liegen weiter ab, da aus ihnen Schenkel mit Außengewinde und diese von außen umfassende Elemente mit Innengewinde gemäß den Merkmalsgruppen M5 und M6 nicht bekannt sind. Aus diesen Druckschriften ergeben sich auch sonst keine weiteren Hinweise auf die Ausgestaltung der Gewinde, insbesondere nicht auf gegenläufige Gewinde. Die Druckschrift D4 entspricht als Familienmitglied der Druckschrift D1.

Somit lässt sich mit dem bisher in Betracht gezogen Stand der Technik eine Zurückweisung der Anmeldung gemäß dem Hilfsantrag nicht begründen.

Das Verfahren ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif und die Anmeldung mit dem geltenden Anspruch 1 zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen, da die Patentfähigkeit des neuen Anspruchs 1 noch nicht ausreichend geprüft worden ist. § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, beseitigt werden und eine neue Sachprüfung erforderlich ist. Danach kann die Anmeldung an das Patentamt zurückverwiesen werden, wenn die Patentfähigkeit noch nicht oder nicht ausreichend Gegenstand der Prüfung war (vgl Busse PatG, 6. Aufl § 79 Rdn 64 und 65; Schulte PatG, 7. Aufl § 79 Rdn 19 bis 21 - jeweils mwH). Dies ist vorliegend der Fall. In der Teilanmeldung waren die Merkmale der Merkmalsgruppe M9 bisher nicht in den Patentansprüchen enthalten. Bei der Stammanmeldung waren diese Merkmale im ursprünglichen Patentanspruch 3 enthalten, zu dem im Erstbescheid lediglich pauschal Stellung genommen wurde. In den erteilten Patentansprüchen der Stammanmeldung sind diese Merkmale nicht mehr enthalten. Da die Recherche insoweit lediglich als vorläufig anzusehen ist, ist nicht auszuschließen, dass bei einer somit erforderlichen Nachrecherche bezüglich der Merkmale des geltenden Anspruchs 1, insbesondere hinsichtlich der Ausbildung der Gewinde bei Pedikelschrauben zur Sicherung der Muttern und Fixierelemente, noch entscheidungserheblicher Stand der Technik ermittelt wird.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung auf Patentfähigkeit hat der Senat von einer Prüfung der Unteransprüche sowie einer Überarbeitung der übrigen Unterlagen abgesehen.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Häußler Dr. Morawek Be






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Az: 21 W (pat) 36/03


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