Oberlandesgericht Bremen:
Beschluss vom 20. Februar 2009
Aktenzeichen: 2 W 13/09

(OLG Bremen: Beschluss v. 20.02.2009, Az.: 2 W 13/09)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 06.11.2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bremen vom 21.10.2008 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin nach dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Bremen vom 18.07.2008 zu erstattenden Kosten auf € 2.091,65 festgesetzt werden.

Die Beklagte trägt nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt € 468,74.

Gründe

I.

Die anwaltlich vertretene Klägerin, eine €qualifizierte Einrichtung€ i. S. d. § 4 UKlaG, hat gegen die Beklagte nach erfolgloser Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung Klage auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens erhoben.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vertritt diese in entsprechenden Verbandsverfahren seit 45 Jahren, ohne jeweils vorprozessual eine Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen bzw. abzurechnen. Stattdessen hat er mit der Klägerin eine Pauschalvergütung (§ 4 RVG) vereinbart, die sich an der vorprozessualen Abmahnpauschale (§ 12 UWG) orientiert.

Nach dem Erlass eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren hat die Klägerin im Kostenfestsetzungsverfahren die Festsetzung von u.a. 1,3 Verfahrensgebühr (§§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV) sowie 1,2 Terminsgebühr (§§ 2, 13 RVG Nr. 3104 VV) beantragt. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.10.2008 wurde die 1.3 Verfahrensgebühr von der Rechtspflegerin des Landgerichts zu einem Anteil von 0,65 abgesetzt mit der Begründung, diese Gebühr sei hälftig auf die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen. Es genüge, dass der Prozessbevollmächtigte mit der Angelegenheit vorgerichtlich befasst gewesen sei; hingegen komme es nicht darauf an, ob die Gebühr gezahlt oder tituliert sei, ferner ob er die Gebühr seiner Mandantin in Rechnung gestellt oder mit ihr eine andere Absprache diesbezüglich getroffen habe.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht (569 Abs. 1 und 2 ZPO) eingelegt worden.

Sie ist auch begründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss kürzt zu Unrecht die geltend gemachte Verfahrensgebühr durch hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr (nicht der Verfahrensgebühr, wie es im Beschluss missverständlich heißt) nach VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 RVG. Das wird dem Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift nicht gerecht. Dieselbe soll nämlich verhindern, dass die gleiche € oder annähernd gleiche € anwaltliche Tätigkeit zweimal honoriert wird, und zwar einmal als vorgerichtlich betriebene und das andere Mal als gerichtliche Angelegenheit (Madert in Gerold / Schmidt et al. Kommentar RVG, 18. Aufl., Rn. 40 zu 2300, 2301 VV). Vorliegend kommt es aber gar nicht zur zweimaligen Honorierung ein- und derselben Tätigkeit, so dass die Regelung in Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 nicht zum Zuge gelangt.

Zuzugeben ist zwar, dass es weder darauf ankommt, ob die Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann (vgl. dazu BGH Beschl. v. 14.08.2008 € I ZB 103/07 -), noch darauf, ob € wie die Rechtspflegerin des Landgerichts zu Recht meint € die Geschäftsgebühr gezahlt oder tituliert ist. Sie muss aber als solche entstanden und dem Rechtsanwalt geschuldet sein. Nur dann kann die die Anrechnungsvorschrift in VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 RVG tragende Erwägung, dem Rechtsanwalt solle nicht die (auch nur annähernd) gleiche Tätigkeit zweimal vergütet werden, überhaupt erst zum Tragen kommen.

Die Frage, ob eine Geschäftsgebühr im Sinne der vorgenannten Anrechnungsregelung €entstanden€ ist, richtet sich nicht allein danach aus, ob der abstrakte Gebührentatbestand (hier Nr. 2300 VV RVG) verwirklicht ist. Die Gebühr muss darüber hinaus auch vom Auftraggeber konkret geschuldet sein. Nur dann kann überhaupt erst eine Situation eintreten, wonach der Anwalt € ohne eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr € für seine Tätigkeit doppelt honoriert würde. In dem hier vorliegenden Fall liegt die Sache anders. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte von vornherein keine Geschäftsgebühr verlangen, da er € unstreitig - mit seiner Mandantin, der Klägerin, für die Vielzahl der ihm übertragenen Fälle eine Pauschalvergütung (§ 4 RVG) vereinbart hat, die sich an der vorprozessualen Abmahnpauschale (§ 12 UWG) orientiert. Eine solche Vereinbarung lässt sich als € zulässiger € ausdrücklicher oder zumindest konkludenter Verzicht des Anwalts auf die Geltendmachung von Geschäftsgebühren gegenüber seiner Auftraggeberin auslegen. Damit ist eine Geschäftsgebühr nicht im vorgenannten Sinn €entstanden€ (worin sich der Fall von dem Sachverhalt, welcher der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH, aaO., zugrunde liegt. in erster Linie unterscheidet), und ein Anrechnungsfall scheidet mithin aus.

Eine Anrechnung von Pauschalvergütungen des Rechtsanwalts oder von Pauschalen, die nach § 12 UWG zu entrichten sind, auf Verfahrensgebühren sieht die gesetzliche Regelung nicht vor.

Die Festsetzung hat damit wie nachstehend zu erfolgen:

1,3 Verfahrensgebühr € 787,80

1,2 Termingebühr € 727,20

Pauschale Nr. 7002 VV € 20,00

€ 1.535,00

Umsatzsteuer 19% € 291,65

€ 1.826,65

verauslagte Gerichtskosten ,/. € 265,00

zu erstattende Kosten € 2.091,65






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Beschluss v. 20.02.2009
Az: 2 W 13/09


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