Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 15. Juli 2004
Aktenzeichen: 2 U 43/04

(OLG Stuttgart: Urteil v. 15.07.2004, Az.: 2 U 43/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 15. Juli 2004 eine Entscheidung in einem Rechtsstreit getroffen (Aktenzeichen 2 U 43/04). Der Beklagte hat gegen das Urteil der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 3. Dezember 2003 Berufung eingelegt, die nun zurückgewiesen wurde. Der Beklagte muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch kann der Beklagte die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.300 Euro und wegen der Hauptsache in Höhe von 10.000 Euro abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Eine Revision wird nicht zugelassen. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 25.000 Euro.

In den Gründen der Entscheidung stellt das Gericht fest, dass die Berufung des Beklagten zulässig, aber in der Sache erfolglos ist. Es wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die Klägerin, die sich aufgrund eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages als Rechtsnachfolgerin der S.AG behauptet, war bis 1988 Eigentümerin von Grundstücken in L., auf denen eine Gaststätte betrieben wurde. Die Grundstücke wurden an einen Bauträger verkauft, der der RV eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit einräumte. Nach Aufhebung der Dienstbarkeit wurde eine neue beschränkte persönliche Dienstbarkeit bewilligt. Der Beklagte hatte einen Mietvertrag mit einem anderen Unternehmen abgeschlossen und einen Bierlieferungsvertrag mit der RV. Die Klägerin hat den Beklagten verklagt und beantragt, ihm zu untersagen, das ausschließliche Biervertriebsrecht zu beeinträchtigen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, und der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt.

Das Gericht bestätigt die Aktivlegitimation der Klägerin und weist Bedenken gegen die Aktivlegitimation aus einer Abtretung zurück. Die Klägerin kann die Ansprüche aus gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen. Das Gericht stellt fest, dass die Dienstbarkeit in der Eintragungsbewilligung ausreichend bestimmt ist. Es verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine zeitlich unbeschränkte Dienstbarkeit anerkennt. Das Gericht lehnt es ab, wettbewerbs- oder kartellrechtliche Erwägungen auf dinglich verankerte Bindungssysteme zu übertragen. Es stellt fest, dass der Beklagte Adressat eines Unterlassungsanspruchs ist und dass mögliche Pflichtverletzungen der Klägerin oder der RV in Vertragsverhandlungen keine Auswirkungen auf die Rechtsposition der Klägerin haben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf verschiedenen §en der Zivilprozessordnung. Eine Revision wird nicht zugelassen, da die Entscheidung auf einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Stuttgart: Urteil v. 15.07.2004, Az: 2 U 43/04


Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 3.12.2003 wird zurückgewiesen.2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.300 Euro, wegen der Hauptsache i.H.v. 10.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.4. Die Revision wird nicht zugelassen.Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 25.000 Euro.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.

A. Zum einen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz:

Die S. AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin aufgrund Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 21.8.2003 (vgl. Bl. 40 bis 74) hinsichtlich des streitbetroffenen Rechtes zu sein behauptet, war bis 1988 Eigentümerin der Anwesen St.-Str. 32 und K.-Str. 38 in L., in denen eine Gaststätte betrieben wurde, bezüglich deren die angebliche Rechtsvorgängerin der Klägerin, die S. AG [im Folgenden kurz: RV], über Bierlieferungsverträge verfügte. Die Grundstücke wurden 1988 an einen Bauträger, eine Firma Ra. GmbH, verkauft, die auf ihnen unter Einschluss anderer Grundstücke einen Gewerbekomplex errichtete. Dabei wurde der RV als Bestandteil des Kaufgeschäftes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingeräumt. Da das Grundbuchamt gegen die Bewilligung eines solchen Rechtes auf immerwährende Zeit wettbewerbsrechtliche Bedenken hatte (vgl. K 8 = Bl. 137 bis 138), kam es als Übergangslösung am 28.4.1989 zu Gunsten der RV zur folgenden Eintragung (K 10 = Bl. 144 bis 145):

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit - befristet bis 31.12.1999 -

Inhalt: Auf dem Grundstück darf Bier oder ein bierähnliches Erzeugnis nicht hergestellt, verkauft oder gelagert werden.

Nachdem das LG Stuttgart im Beschwerdeverfahren die Entscheidung des Grundbuchamtes aufgehoben hatte (K 11 = Bl. 146 bis 150), wurde unter Löschung (Bl. 162, 166) der bisher eingetragenen Dienstbarkeit eine neue beschränkte persönliche Dienstbarkeit am 4.12.1990 bewilligt (K 13 = Bl. 153 bis 158) mit folgendem Inhalt (Bl. 165):

Die [RV] hat das ausschließliche Recht, auf dem belasteten Teileigentumsrecht Biersorten jeder Art zu vertreiben oder durch Dritte vertreiben zu lassen, mit der Maßgabe, dass die Ausübung des Rechts Dritten überlassen werden kann. Dieses Recht wird auf immerwährende Zeiten eingeräumt.

So ist auch heute noch die grundbuchliche Situation (K 1 = Bl. 5 bis 9, dort Bl. 8). Der Beklagte hatte am 19.12.1988/4.1.1989 mit einer Firma IVA Gesellschaft für Kapitalanlagen mbH in eben jenem Gewerbekomplex einen Mietvertrag abgeschlossen (Bl. 82 bis 91) der in § 1 Abs. 2 auswies:

Dem Mieter ist bekannt, dass auf dem ehemaligen Teilgrundstück Gemarkung L. Grundbuch 125 Abt. I Nr. 13 (jetzige Terrassenfläche) eine Bierlast der [RV] lastet.

Am 22.3./21.4.1989 hatte der Beklagte mit der RV einen Bierlieferungsvertrag abgeschlossen, der eine ausschließliche Bierbezugspflicht des Beklagten vorsah. Dieser Vertrag wurde 1999 verlängert bis 28.2.2001 (vgl. K 3 = Bl. 13 bis 14). Danach ergaben sich weitere Verhandlungen über die weitere Verlängerung des Bierlieferungsvertrages, welche bis ins Jahr 2002 andauerten (vgl. etwa K 4 = Bl. 15 bis 16), bei denen unmittelbar dem Beklagten ggü. kein Hinweis auf die beschränkte persönliche Dienstbarkeit erfolgte (vgl. auch Bl. 37) und welche letztlich scheiterten, nachdem der Beklagte wohl im August 2002 (vgl. Bl. 37) einen Bierlieferungsvertrag nun mit der D. Brauerei abgeschlossen hatte, der eine Laufzeit von 5 Jahren hat (Bl. 37). Mit Schreiben vom 19.11.2002 (K 5 = Bl. 17) verwies die Klägerin dann auf ihre unbefristete persönliche Dienstbarkeit & und ihre Position des für uns bestehenden ausschließlichen Biervertriebsrechtes auf Ihrem Gaststättenobjekt &.

Die Klägerin hat deshalb beantragt.

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das ausschließliche Biervertriebsrecht der Klägerin auf dem 7.318/100.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück K., S., Gebäude- und Freifläche, Flurstück Nr. 57, verbunden mit dem Sondereigentum an Gewerbeeinheit im Erdgeschoss, Aufteilungsplan Nr. 4, gebucht im Teileigentum Grundbuch des Grundbuchbezirks L. zu beeinträchtigen;

2. dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen ihn festgesetzt wird.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Aktivlegitimation bestritten, die Rechtswirksamkeit der immerwährenden Dienstbarkeit aus vielfältigen Rechtsgründen in Abrede gestellt und sich auch deshalb dadurch nicht gebunden gesehen, weil in den Vertragsverhandlungen pflichtwidrig ein Hinweis auf die grundbuchliche Ausschließlichkeitswirkung nicht geschehen sei, weshalb er so in den Vertrag mit einem Konkurrenten der Klägerseite geleitet und in ein für ihn gar Insolvenz bedeutendes Dilemma geführt worden sei.

Das LG erachtete die Aktivlegitimation aus UmwandlungsG i.V.m. §§ 1092 Abs. 2, 1059a BGB jedenfalls im Hinblick auf eine Abtretungserklärung als gegeben und ließ in Anlehnung an BGH NJW 1985, 2474 keinen der vorgebrachten Unwirksamkeitstatbestände greifen, weshalb es antragsgemäß verurteilte.

Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, der alle seine erstinstanzlichen Verteidigungspositionen wiederholend und vertiefend aufnimmt so die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin, die mangelnde Bestimmtheit des eingetragenen Rechtes, die Unwirksamkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach Art. 81 Abs. 2 EGV, §§ 1, 3 UWG, jedenfalls deren Unbeachtlichkeit ableitet aus vertraglichem Verschulden, weil die Klägerin nie auf die grundbuchliche Lage hingewiesen habe, sondern sehenden Auges den Beklagten in eine dann unlösbare Vertragskollision gebracht habe.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des LG Stuttgart vom 3.12.2003, ergangen unter dem Az. 18 O 421/03, wird mit der Maßgabe abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.

B.1. Die Aktivlegitimation ist im Ergebnis zu bejahen.

a) Dabei kann offen bleiben, ob die von der Klägerin beanspruchte Rechtsposition ihr durch den Ausgliederungs- und Übernahmevertrag und danach gem. §§ 123, 124 UmwG i.V.m. §§ 1092 Abs. 2, 1059a Abs. 1 Nr. 2 BGB vermittelt wird und ob dieser Vertrag zu seiner Gültigkeit einer Freistellungserklärung des LG-Präsidenten gem. AV v. 29.10.1997, Die Justiz 1997, 519 bedurft hätte.

b) Zwar bestehen Bedenken gegen die Ableitung der Aktivlegitimation aus einer Abtretung (vgl. K 7 = Bl. 34). Die Klägerin kann aber jedenfalls die Ansprüche geltend machen aus gewillkürter Prozessstandschaft.

aa) Der bloße Unterlassungsanspruch ist nicht selbstständig abtretbar, sondern nur mit dem die Grundlage bildenden Gegenstand (H.P. Westermann in Erman, BGB, 11. Aufl., § 399 Rz. 11; Roth in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 399 Rz. 21; Jauernig/Stürner, BGB, 10. Aufl., §§ 399, 400 Rz. 3).

bb) Auch ist die beschränkte persönliche Dienstbarkeit zwingend unübertragbar (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB; BGH LM § 1092 Nr. 4; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1092 Rz. 2; Joost in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1092 Rz. 2; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1092 Rz. 2; Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1092 Rz. 4). Dies bedeutet auch zugleich die Unabtretbarkeit des Rechtes (BGH LM § 1092 Nr. 4; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1092 Rz. 3; Jost in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1092 Rz. 3). Zwar kann gem. § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB die Ausübung gestattet sein. Die Gestattung setzt eine anfänglich oder nachträglich getroffene Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten voraus. Sie kann sich aus den Umständen ergeben (Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1092 Rz. 8; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1092 Rz. 5). Das Recht zur Ausübung der Überlassung kann auch nur teilweise übertragen sein (Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1092 Rz. 6; BGH WM 1963, 1209 [1211]). Sie liegt in der Regel noch nicht in der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten eines Gewerbebetriebes (Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1092 Rz. 8; Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1092 Rz. 5; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1092 Rz. 5, 6; vgl. auch BGH LM § 1090 Nr. 7). Die Gestattung gibt dem dadurch Berechtigten aber kein Klagerecht, sondern nur Einwendungsrechte ggü. dem Eigentümer (Palandt/Bassenger, BGB, 63. Aufl., § 1092 Rz. 9; Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1092 Rz. 7). Er kann allerdings als Prozessstandschaft für den Berechtigten auftreten (Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1092 Rz. 9; Joost in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1092 Rz. 3; Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1092 Rz. 7; Jauernig, BGB, 10. Aufl., § 1092 Rz. 2; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1092 Rz. 5, 6; noch offen gelassen in BGH LM § 1092 Nr. 4).

cc) Die Bestellung (K 13 = Bl. 153 bis 168) spricht eine Überlassungsgestattung ausdrücklich an und lässt sie zu. Zudem wäre angesichts der Stellung der Vertragsschließenden als Kaufleute und nach dem Zweck des Geschäftes nahe liegend, dass zwar das Recht dem Dienstbarkeitsberechtigten zugewiesen werden sollte, dass aber andererseits gängigen Organisationsformen im Unternehmensverbund entsprechend der Dienstbarkeitsberechtigte die Ausübung dieses Rechtes ähnlich der Übertragung einer Unternehmensaufgabe im Konzernverbund weiterreichen durfte. Da zumindest unstreitig ist, dass die Klägerin im Organisationsverbund mit der RV steht und - wie ausgeführt - die Gestattungsüberlassung der Bewilligung selbst entnommen werden kann, jedenfalls nach den Umständen sich aber eine solche Vereinbarung ergibt, kann die Klägerin zwar nicht aus abgetretenem Recht, aber nach den Regeln der Prozessstandschaft (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 51 Rz. 33, 34) die Ansprüche gegen den Beklagten geltend machen.

Der Rechtsmacht der Klägerin hat denn der Beklagte auch nur noch Bedenken entgegengestellt, soweit sich die Aktivlegitimation aus dem Umwandlungsrecht ergeben sollte.

2. Die Rüge der Unbestimmtheit des eingetragenen Rechtes verfängt nicht. Die vorliegende Fassung ist augenscheinlich der Eintragungsbewilligung entlehnt, welche der Entscheidung BGH v. 3.5.1985 - V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = MDR 1986, 133 = BB 1985, 1587 zu Grunde lag. Der BGH hat Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit dieser Eintragung nicht entwickelt. Sie sind auch nicht angezeigt (vgl. hierzu auch Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1090, Rz. 9; BayObLG v. 27.3.1997 - 2Z BR 139/96, BayObLGReport 1997, 49 = NJW-RR 1997, 912; OLG Karlsruhe v. 26.8.1988 - 10 U 274/87, BB 1989, 942 [943]).

3.a) Gerade in der genannten Entscheidung hat der V. Zivilsenat des BGH eine solche, vorliegend identisch zur Eintragung gelangte beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch inhaltlich unbeanstandet gelassen. Durch eine solche grundbuchliche Eintragung werde keine Pflicht begründet, Bier von nur einem ganz bestimmten Lieferanten zu beziehen. Allerdings hat auch der BGH nicht verkannt, dass einem solchen grundbuchlichen Recht als Reflex innewohnt, dass damit eine Beeinträchtigung des Rechts auf freie Lieferantenauswahl einhergehen kann. Gleichwohl sei die Bestellung eines solchen Rechtes nicht beanstandungswürdig. Dies gelte, selbst wenn der eigentliche Zweck dieser Dienstbarkeitsbestellung in der Absicherung eher schuldrechtlichen Bezugsverpflichtung bestehe, Dies gelte erst recht für eine - wie auch hier - ohne Bezugsverpflichtung bestellte Dienstbarkeit. Dieser Entscheidung hat sich der VIII. Zivilsenat des BGH (BGH v. 29.1.1988 - V ZR 310/86, MDR 1988, 661 = WM 1988, 765 = BGHR § 1090 Abs. 1 BGB - Sicherungsdienstbarkeit 1) ausdrücklich angeschlossen und eine zwischenzeitlich gegen die Entscheidung aus dem Jahre 1985 erhobene Kritik zurückgewiesen. Auf diese Entscheidung hat wiederum der VIII. Zivilsenat (BGH v. 22.1.1992 - VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593 = BGHR-BGB § 1090 Abs. 1 - Sicherungsdienstbarkeit 2) bestätigend zurückgegriffen, die Abstraktheit der dinglichen Dienstbarkeitsbestellung betont und die faktische Bindung des Gastwirtes und Grundstückseigentümers an den Dienstbarkeitsberechtigten als notwendige Folge des Abstraktionsprinzips hingenommen. Diese Rechtsprechungskette hat der VIII. Zivilsenat erneut wieder bestätigt (NJW 1998, 2286 [II 1]).

b) Diese ständige (BGH v. 22.1.1992 - VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593) Rechtsprechung des BGH, die einer zeitlich unbeschränkten Dienstbarkeit Geltung verschafft, obgleich andererseits Bierlieferungsverträge Höchstlaufzeiten unterworfen werden (BGH v. 8.4.1988 - V ZR 120/87, MDR 1988, 847 = NJW 1988, 2362; OLG Karlsruhe v. 18.10.2001 - 19 U 97/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 1 = MDR 2002, 445), hat weitgehend Gefolgschaft gefunden (OLG München v. 4.9.2003 - U (K) 3241/03, OLGReport München 2004, 76 = NJW-RR 2004, 164; BayObLG v. 13.3.1987 - 14 U 51/85, MDR 1987, 758 = NJW-RR 1987, 912 [913]; OLG Karlsruhe v. 26.8.1988 - 10 U 274/87, BB 1989, 942 [943]; RGRK/Roth, BGB, 12. Aufl. [1996], § 1018 Rz. 25, ders., § 1090 Rz. 9; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1018 Rz. 24, 25; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1018 Rz. 113, 116; Amann, DNotZ 1986, 578 [583]; Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1018 Rz. 61-63; Baur/Stürner, SachenR, 17. Aufl., § 33 Rz. 16-19;Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1090 Rz. 10; Jauernig, BGB, 10. Aufl., § 1090 Rz. 9 [aE]; Küchenhoff/Grziwotz in Erman, BGB, 10. Aufl., § 1090 Rz. 8, § 1018 Rz. 17, 17a-c; Schwab/Prütting, SachenR, 29. Aufl. [2000], Rz. 893-894).

c) Überwiegend wird zudem vertreten, dass sich die wettbewerbs- und kartellrechtlichen Erwägungen in der Rechtsprechung zu schuldrechtlichen Bindungen in Bierlieferungsverträgen nicht auf dingliche Sicherungsmittel übertragen ließen. Die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften erfassten nur den Warenaustausch und nicht die Kontrolle der Ausübung der Eigentümerrechte. Den wettbewerbsrechtlichen Zielen sei durch die Einflussmöglichkeit auf die schuldrechtliche Vereinbarung Genüge getan (Klosterfelde/Metzlaff in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen KartellR, 9. Aufl., § 16 Rz. 152, 154; Baur/Stürner, Sachen 17. Aufl. § 33 Rz. 18; Schwab/Prütting, SachenR, 29. Aufl. [2000], Rz. 895 [aE]; Paulusch/Bühler, Brauerei- und GaststättenR, 10. Aufl., Rz. 820; i.E. ebenso Wegmann in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 1018 Rz. 122; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1018 Rz. 122; a A. Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 16 Rz. 33, jedoch ohne vertiefende Begründung). Der BGH hatte in seiner Entscheidung (BGH v. 22.1.1992 - VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593) (allerdings) einen Verstoß gegen [vormals] Art. 85 EWG-Vertrag geprüft, dann aber im Hinblick auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehende FreistellungsVO einen Verstoß verneinen können.

d) Der Senat schließt sich der als herrschend zu bezeichnenden Rechtsmeinung an. Diese wird insb. geprägt durch die Rechtsprechung des BGH, welche dieser immer wieder und bis in jüngere Zeit bestätigt hat. Der Senat macht sich die dort angeführten tragenden Gesichtspunkte zu Eigen. Zudem muss auch dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine nicht unmaßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. hierzu erst jüngst in anderem Zusammenhang BGH v. 22.1.2004 - VII ZR 419/02, BGHReport 2004, 647 = NJW 2004, 1597). Schon die wettbewerbs- oder kartellrechtliche Kontrolle von Bierlieferungsverträgen folgt sowohl nach deutschem wie auch nach Gemeinschaftsrecht komplexen Prüfungsmustern. Daneben noch ein eigenes Wertungssystem für dinglich verankerte Bindungssysteme zu errichten, erscheint nicht nur schwierig, sondern - und entscheidend - von noch geringerer Griffigkeit und wäre der gebotenen Rechtsklarheit und damit auch Rechtssicherheit abträglich. Zudem hat der Beklagte zu den maßgeblichen Voraussetzungen des Art. 81 EG-Vertrages, dessen Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen, bevor auf sekundäres Gemeinschaftsrecht wie etwa Freistellungsverordnungen zurückgegriffen werden kann (Paulusch/Bühler, Brauerei und GaststättenR, 10. Aufl., Rz. 913), und insb. zu den Einzelanforderungen der dann ausschlaggebenden Theorie der Gesamtmarktbetrachtung und der Bündeltheorie (vgl. zu allem Paulusch/Bühler, Brauerei und GaststättenR, 10. Aufl., Rz. 912 f.; OLG München v. 4.9.2003 - U (K) 3241/03, OLGReport München 2004, 76 = NJW-RR 2004, 164 [165]) nichts vorgetragen. Auch darauf hat der Senat hingewiesen.

4. Der Beklagte ist, obgleich nicht Eigentümer und damit Belasteter der Dienstbarkeit, Adressat eines daraus abgeleiteten Unterlassungsanspruchs. Zum einen stellt eine Dienstbarkeit ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB dar (Spindler in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 823 Rz. 73). Zum anderen ist Gegner eines Anspruches gem. §§ 1090 Abs. 2, 1027 BGB jeder Störer. So ist verpflichtet jeder der Dienstbarkeit zuwiderhandelnde Eigentümer, aber auch ein Dritter, z.B. ein Mieter oder Pächter (OLG Karlsruhe v. 26.8.1988 - 10 U 274/87, BB 1989, 942 [943]; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1027 Rz. 3; Falckenberg in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1027 Rz. 5).

5. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus Pflichtverletzungen der Klägerin oder der RV im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin im Zuge der Verhandlungen über eine Verlängerung des Bierlieferungsvertrages verpflichtet gewesen wäre, über die bestehende Dienstbarkeit aufzuklären, oder ob es Pflicht der Vermieterin und nur deren Pflicht gewesen wäre, den Beklagten als ihren Mieter darauf hinzuweisen, dass sie während des Laufes des Mietvertrages eine grundbuchliche Lage geschaffen hat, insb. durch Aufhebung der zeitlichen Befristung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, welche ihrem Mieter ganz maßgeblich seine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit eingeengt, seine Verhandlungsposition ggü. dem bisherigen Bierlieferanten nachhaltig geschwächt und einen Vertragsvollzug mit einer anderen Brauerei in höchstem Maße gefährdet hat. Denn selbst wenn eine solche Pflicht der Klägerin anzunehmen gewesen wäre, so ist sie einer solchen Anforderung in ausreichender Weise nachgekommen. Denn in ihrem Schreiben an den Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg e.V. vom 18.8.1998 (Bl. 75 bis 76) hat sie ausdrücklich auf diese dingliche Situation hingewiesen, mithin zu Zeiten, als die Parteien in Vertragsverhandlungen über die Verlängerung des bereits zum 28.2.2001 ausgelaufenen und bereits schon einmal verlängerten Vertrages standen und ein Vertrag mit dem konkurrierenden Brauereiunternehmen noch nicht angestanden hatte. Der Beklagte hat die Existenz dieses Schreibens auch ausdrücklich zugestanden (Bl. 120) und nicht bestritten - anderes wäre mit den äußeren Umständen auch nur schwerlich in Einklang zu bringen -, dass er gerade in der Frage der Vertragsverhandlungen die benannte Verbandsvertreterin als seine Sachwalterin eingeschaltet hatte. Deren dadurch erlangter Kenntnisstand muss sich der Beklagte dann wie eigenes Wissen zurechnen lassen. Und dieser Kenntnisstand schließt eben den klaren Hinweis auf die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ein. Um deren rechtliche Auswirkungen hatte sich der Beklagte dann selbst zu kümmern. Dieser Sachstand steht dem Einwand entgegen, der Klägerin sei aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen, aus positiver Forderungsverletzung oder allgemein aus § 242 BGB eine Berufung auf ihre dingliche Rechtsposition im Ergebnis verwehrt. Auch darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Der Senat folgt, wie aufgezeigt, einer ständigen und auch in jüngerer Zeit noch bekräftigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch überwiegend Gefolgschaft gefunden hat. Die Fallbehandlung erschöpft sich einzig in deren Umsetzung auf den vorliegenden Fall.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 15.07.2004
Az: 2 U 43/04


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