Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. September 2002
Aktenzeichen: XI ZB 9/02

(BGH: Beschluss v. 17.09.2002, Az.: XI ZB 9/02)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. März 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.907,12 DM)

Gründe

I.

Die Antragsteller haben als Prozeßbevollmächtigte der Antragsgegner im Berufungsverfahren an dem Abschluß und der Protokollierung eines Vergleichs mitgewirkt, der neben den im Verfahren anhängigen auch solche Ansprüche umfaßte, die nicht rechtshängig waren. Hinsichtlich dieser nicht rechtshängigen Ansprüche haben die Antragssteller die Festsetzung einer 16,9/20-Gebühr gemäß §§ 11, 32 BRAGO für die Protokollierung der Parteieinigung und eine 19,5/10-Vergleichsgebühr gemäß §§ 11, 23 BRAGO beantragt. Dem hat das Landgericht nur teilweise entsprochen.

Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Es hat die Auffassung vertreten, die 15/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 BRAGO erfahre hinsichtlich der nicht rechtshängigen Ansprüche keine Erhöhung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO. Die Gebühr gemäß §§ 11, 32 Abs. 2 BRAGO sei nicht festsetzungsfähig angefallen, weil nicht erkennbar sei, daß die Antragssteller hinsichtlich der nicht rechtshängigen Ansprüche den Auftrag zur Prozeßführung gehabt hätten.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Rechtsfrage, ob die 15/10-Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO zu erhöhen ist, sofern anläßlich eines Berufungsverfahrens ein Vergleich über nicht anhängige Ansprüche geschlossen wird, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird die Erhöhung befürwortet (KG JurBüro 1998, 189; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1999, 386; OLG Hamm JurBüro 1998, 585 und Rpfleger 1999, 97; OLG Schleswig JurBüro 1999, 586; OLG Köln JurBüro 2000, 246; OLG Koblenz JurBüro 2000, 21; Enders JurBüro 1996, 617, 618 f.; Göttlich/Mümmler, BRAGO 20. Aufl. Vergleichsgebühr 3.2; Schneider in: Gebauer/Schneider, BRAGO § 23 Rdn. 170 und MDR 1998, 197; 2001, 235), teilweise wird sie abgelehnt (OLG Stuttgart JurBüro 1998, 585; OLG München MDR 1999, 706; OLG Hamburg MDR 2001, 234 und 536; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 474; Hartmann, Kostengesetze 31. Aufl. § 23 BRAGO Rdn. 82; v. Eicken in: Gerold/ Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl. § 23 Rdn. 53; v. Eicken/ Madert NJW 1996, 1649, 1650; 1998, 2402, 2404 f.).

Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an.

Gesetzeswortlaut, systematische Überlegungen und die Gesetzgebungsgeschichte führen zu keinem klaren Ergebnis. Entscheidend ist eine teleologische Betrachtungsweise. Sie verbietet in Fällen, in denen anläßlich des Berufungsverfahrens ein Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche geschlossen wird, eine Erhöhung der Vergleichsgebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO. Die erhöhte Gebühr im Berufungsverfahren rechtfertigt sich daraus, daß das Gesetz eine besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Gegenstände vermutet, die in der ersten Instanz nicht erledigt werden konnten. Für eine derartige Vermutung besteht bei nicht rechtshängigen Gegenständen kein Anlaß.

Sinn und Zweck der gebührenrechtlichen Privilegierung von Vergleichen über nicht rechtshängige Gegenstände in § 23 Abs. 1 BRAGO unterstreichen dieses Ergebnis. Die Privilegierung steht in keinem Zusammenhang mit den genannten Besonderheiten des Berufungsverfahrens. Vielmehr soll das Bemühen des Rechtsanwalts gefördert werden, Streitigkeiten ohne Inanspruchnahme des Gerichts durch gütliche Einigung zu erledigen (BT-Drucks. 12/6962 S. 103). Diesem Zweck wird bei nicht rechtshängigen Ansprüchen auch ohne die sonst im Berufungsverfahren vorgesehene 3/10-Erhöhung schon deshalb ausreichend Rechnung getragen, weil der Rechtsanwalt die nicht rechtshängigen Gegenstände in der Regel auch nur in erster Instanz hätte anhängig machen können.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen für eine halbe Prozeßgebühr nach § 32 BRAGO zu Recht verneint. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war den Rechtsanwälten hinsichtlich der nicht rechtshängigen Ansprüche kein Auftrag erteilt worden, die Protokollierung einer Einigung durch das Gericht zu beantragen. Einen solchen Auftrag setzt § 32 Abs. 2 BRAGO jedoch voraus. § 32 BRAGO kommt nur zur Anwendung, wenn die Streitigkeit nach dem Auftrag, der dem Rechtsanwalt erteilt worden ist, vor die ordentlichen Gerichte gebracht werden soll (BGHZ 48, 334, 336; BGH, Urteil vom 16. Januar 1969 -VII ZR 66/66, WM 1969, 846, 847).

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BGH:
Beschluss v. 17.09.2002
Az: XI ZB 9/02


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