Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2000
Aktenzeichen: 9 W (pat) 42/98

(BPatG: Beschluss v. 15.05.2000, Az.: 9 W (pat) 42/98)

Tenor

1. Die Teilungserklärung, eingegangen beim Bundespatentgericht am 5. November 1999, ist hinsichtlich des Stammpatents wirksam.

2. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

a) Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, b) Patentansprüche 2 und 3, eingegangen am 5. November 1999, c) Beschreibung Seite 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, d) Beschreibung Seiten 2 bis 10, eingegangen am 5. November 1999, e) Zeichnungen Figuren 1 bis 4, eingegangen am 5. November 1999.

3. Im übrigen werden die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Gegen das am 2. Mai 1994 angemeldete Patent 44 15 405 mit der Bezeichnung

"Schleppfahrzeug zum Manövrieren von Flugzeugen"

richtet sich der Einspruch der Einsprechenden. Diese machte im Verfahren vor der Patentabteilung geltend, Patentanspruch 1 sowie die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 des Patents beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Patentansprüche 6 und 7 gingen auf Vorschläge zurück, die von Mitarbeitern der Einsprechenden stammten; es handele sich daher um einen Fall der widerrechtlichen Entnahme. Daraufhin erklärte die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 27. Juni 1997 den Verzicht auf die Ansprüche 6 und 7, ohne eine Rechtspflicht hierzu anzuerkennen, und bestritt gleichzeitig die widerrechtliche Entnahme. In ihrer weiteren Eingabe vom 18. Dezember 1997 erklärte sie die Teilung des Patents (Erste Teilungserklärung). Die Teilanmeldung sollte nach dieser Erklärung Gegenstände erfassen, die sich aus den erteilten Ansprüchen 6 und 7 sowie aus der Beschreibung ergeben. Im Anschluß an die Verzichtserklärung meldete die Einsprechende die den erteilten Patentansprüchen 6 und 7 zugrundeliegende Erfindung unter Inanspruchnahme der Priorität des von ihr angegriffenen Patents gemäß § 7 Abs. 2 PatG ihrerseits zum Patent an.

Die Patentabteilung 42-S des Deutschen Patentamts hat nach Prüfung des Einspruchs das hier verfahrensgegenständliche Patent mit Beschluß vom 6. März 1998 in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Sie ist der Auffassung, daß das mit dem damals geltenden Patentanspruch 1 beanspruchte Schleppfahrzeug neu sei und durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt werde. Der zuständige Fachmann erhalte nämlich keine Anregung, die Hubschaufel des Schleppfahrzeugs mittels eines am Fahrgestell befestigten Kugelgelenks und zweier Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten gelenkig zu verbinden. Der Beurteilung der von der Einsprechenden als Widerrufsgrund angeführten widerrechtlichen Entnahme sei der Patentabteilung die Grundlage entzogen, da auf die mit der widerrechtlichen Entnahme angegriffenen Patentansprüche 6 und 7 als Folge hiervon verzichtet worden sei. Die Teilungserklärung vom 18. Dezember 1997 sei nicht wirksam, da zu diesem Zeitpunkt die in Rede stehenden Merkmale (Patentansprüche 6 und 7) infolge des ausgesprochenen Verzichts nicht mehr von Patentansprüchen umfaßt und somit nicht mehr Gegenstand des Streitpatents gewesen seien.

Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Einsprechende als auch die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 9. August 1999 gab die Patentinhaberin eine Zweite Teilungserklärung ab. Diese nahm sie jedoch mit Schreiben vom 4. November 1999 (eingegangen am 5. November 1999) wieder zurück und gab gleichzeitig eine Dritte Teilungserklärung ab. Danach werden die Ansprüche 1 und 2 aus dem Patent herausgeteilt und zum Gegenstand einer gesonderten Anmeldung gemacht. Im Stammpatent verbleiben die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 3 bis 5.

Die Patentinhaberin macht ein Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Schutzunfähigkeit der Patentansprüche 6 und 7 in der erteilten Fassung, unter Weglassung des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, geltend, da eine diesbezügliche Vindikationsklage der Einsprechenden noch anhängig sei. Der Grund für die Verzichtserklärung vom 27. Juni 1997 habe nicht im Einspruch, sondern darin gelegen, daß die Merkmale der Ansprüche 6 und 7 durch den Stand der Technik vorweggenommen und somit nicht schutzfähig gewesen seien. Da sich eine widerrechtliche Entnahme stets nur auf einen schutzfähigen Gegenstand beziehen könne, sei sie vorliegend von vornherein nicht möglich gewesen. Zudem sei der Einspruch, soweit er auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt werde, unzulässig, weil die Einsprechende nicht Verletzte im Sinne von § 59 Abs. 1 PatG sei. Die von ihr genannten Mitarbeiter, aus deren Verlautbarungen die widerrechtliche Entnahme hergeleitet werde, seien nämlich nicht bei der Einsprechenden, sondern bei der von dieser rechtlich selbständigen Krauss-Maffei Verkehrstechnik GmbH beschäftigt gewesen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend zu ändern, daß

a) das Patent mit den in der Beschlußformel angegebenen Unterlagen beschränkt aufrechterhalten wird, b) die Schutzunfähigkeit der Patentansprüche 6 und 7 in der erteilten Fassung, unter Weglassung des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, festgestellt wird, c) festgestellt wird, daß der von der Einsprechenden eingelegte Einspruch unzulässig ist, soweit er sich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme stützt, hilfsweise wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgender Rechtsfrage angeregt: "Steht der Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme einer nichtverletzten juristischen Person und damit einer an sich Nichtberechtigten nach § 59 Abs. 1 PatG gleichwohl zu, sofern nur bei der formal berechtigten, jedoch am Einspruchsverfahren nicht beteiligten, juristischen Person es sich um eine, wenn auch rechtlich selbständige, so doch anderweitig nicht unabhängige Tochterfirma der Einsprechenden handelt, in deren Auftrag die letztere tätig geworden sein will€"

Im übrigen beantragt sie, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, das Patent vollständig zu widerrufen sowie die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Nach Auffassung der Einsprechenden ist der Schutzbereich des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem erteilten Patent erweitert. Er stelle nämlich ein Aliud dar, da der erteilte Patentanspruch 1 nach seinem Oberbegriff auf ein Schleppfahrzeug mit zwei Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten gerichtet sei. Gemäß dem nunmehr weiterverfolgten Patentanspruch 1 sei dagegen lediglich eine einzige Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit erforderlich. Das Recht der Patentinhaberin auf eine Feststellung der Schutzunfähigkeit der Patentansprüche 6 und 7 iVm dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 werde bestritten, da diese auf Grund des Verzichts nicht mehr verfahrensgegenständlich seien. Die Rüge der mangelnden Einspruchsberechtigung sei nicht statthaft, weil die Widerrufsgründe, die gegen die nach der Verzichtserklärung nur noch im Verfahren befindlichen Patentansprüche geltend gemacht worden seien, von jedermann vorgebracht werden könnten. Der besondere Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme spiele keine Rolle mehr. Abgesehen davon sei die Einsprechende als Verletzte i. S. d. § 59 PatG anzusehen, weil alle Rechte an der Diensterfindung, welche Gegenstand des erteilten Patents ist, vor Einlegung des Einspruchs auf die Einsprechende als Konzernmuttergesellschaft übertragen worden seien.

Die Einsprechende führt außerdem aus, daß der nunmehr beanspruchte Gegenstand aus den bereits zum erteilten Patent schriftlich ausgeführten Gründen nicht patentfähig sei. Dem hat die Patentinhaberin in allen Punkten widersprochen.

2. Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Schleppfahrzeug zum Manövrieren von Flugzeugen ohne Schleppstange, dessen Fahrgestell zwischen den Rädern einer koaxialen Radaufhängung einen gabelförmigen Aufnahmeraum aufweist, in dem eine an einer Hubschaufel befestigte, ein- und ausfahrbare Greif- und Einzugsvorrichtung angeordnet ist, mittels welcher das Bugrad eines Flugzeugs erfaßbar und auf die relativ zum Fahrgestell mittels zwischen Fahrgestell und Hubschaufel angeordneter Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit sowohl um eine Querachse als auch zur Anpassung an Schräglagen eines aufgenommenen Bugrades um eine Längsachse hydraulisch schwenkbare Hubschaufel ziehbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Hubschaufel mittels eines am Fahrgestell des Schleppfahrzeugs befestigten Kugelgelenks, das an der Rückseite der Hubschaufel mittig angreift, nach allen Richtungen verschwenkbar angelenkt ist, und daß eine einzige, in einer senkrechten, mit dem Kugelgelenk gemeinsamen Längsmittelebene oberhalb oder unterhalb des Kugelgelenks angeordnete, ober- oder unterhalb desselben an der Hubschaufel angreifende Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit in die Hubschaufel anhebender Stellung mechanisch verriegel- und entriegelbar ist, und daß zumindest ein seitlich im Abstand von dem Kugelgelenk vorgesehener Längslenker einerseits über ein erstes Lager am Fahrgestell und andererseits über ein zweites Lager an der Hubschaufel angelenkt ist.

An den Patenanspruch 1 schließen sich zwei rückbezogene Unteransprüche an.

Wegen der Einzelheiten des angefochtenen Beschlusses und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthaften Beschwerden sind frist- und formgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig; in der Sache haben sie in dem sich aus dem Beschlußtenor ergebenden Umfang Erfolg.

1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs, über die das Bundespatentgericht im Einspruchsbeschwerdeverfahren vom Amts wegen zu entscheiden hat (vgl. BGH GRUR 1972, 592 - Sortiergerät; BGH BlPMZ 1985, 304 - Einspruchsbegründung; BPatGE 38, 199 f.), bestehen keine Bedenken. Um zulässig zu sein, muß der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist auf einen der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe gestützt werden. Für die Zulässigkeit ist es ausreichend, wenn ein Widerrufsgrund genannt und mit entsprechenden Tatsachenangaben schlüssig begründet wird. Ob der geltend gemachte Widerrufsgrund tatsächlich besteht, ist im Rahmen der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entscheidend. Vielmehr handelt es sich insoweit allein um eine Frage der Begründetheit des Einspruchs (vgl. Busse, Patentgesetz, 5. Aufl. 1999, § 59 Rz. 59 ff.).

Vorliegend wurde von der Einsprechenden - unstreitig - zumindest der Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 4 PatG) mit ausreichend substantiierten Angaben fristgerecht dargetan. Da dieser Einspruchsgrund von jedermann geltend gemacht werden kann, war er zulässig, ohne daß es insoweit darauf ankommt, ob die Einsprechende als Verletzte auch zur Geltendmachung des weiteren Widerrufsgrunds der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) berechtigt war.

2. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Insbesondere enthalten sie gegenüber der erteilten Fassung des Patents keine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs. Dies gilt auch, soweit im geltenden Patentanspruch 1 - wie sich aus den Formulierungen "mittels zwischen Fahrgestell und Hubschaufel angeordneter Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit" und "daß eine einzige Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit ..... verriegel- und entriegelbar ist" zumindest unter Hinzuziehung der Beschreibung ergibt - nur eine einzige solche Einheit vorgesehen ist, die in angehobener Stellung der Hubschaufel mechanisch verriegel- und entriegelbar ist. Aus der Beschreibung entnimmt der Fachmann nämlich, daß gerade diese (einzige) zwischen Fahrgestell und Hubschaufel angeordnete Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit verriegel- und entriegelbar ist. Beide Merkmale sind dem kennzeichnenden Teil des erteilten Patentanspruchs 3 zu entnehmen, der zusammen mit dem erteilten Patentanspruch 1 den jetzt geltenden Patentanspruch 1 bildet. Allerdings ist der erteilte Patentanspruch 3 seinem Wortlaut nach insofern widersprüchlich, als er sich auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezieht, demzufolge der geschützte Gegenstand zwei Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten enthalten soll. Würde man den erteilten Patentanspruch 3 als echten Unteranspruch auffassen, so fiele er aus dem Schutzbereich des Patentanspruchs 1 heraus. Es ist jedoch anerkannt, daß Patentansprüche, soweit ihr Wortlaut Anlaß zu Zweifeln gibt, unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen, nach ihrem Sinngehalt zu befragen sind (vgl. Busse, aaO § 14 Rz. 44 f.). Im Falle des erteilten Patents wird der Fachmann der Beschreibung, Sp 5 Z 9 ff., ohne weiteres entnehmen, daß es sich bei dem Gegenstand nach Patentanspruch 3 um eine weitere Ausführungsform handelt, die sich von der Ausführungsform nach Patentanspruch 1 maßgeblich gerade dadurch unterscheidet, daß bei ihr lediglich eine Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit vorgesehen ist. Demnach wird er den scheinbaren Widerspruch in Patentanspruch 3 dahingehend auflösen, daß von der Bezugnahme auf Patentanspruch 1 das dortige Merkmal "mittels zweier symmetrisch zueinander ... angeordneter Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten" ausgenommen ist. Dies hat zur Folge, daß der erteilte Patentanspruch 3 kein echter, dem Schutzbereich des Patentanspruchs 1 gänzlich unterfallender Unteranspruch, sondern der Sache nach ein nebengeordneter Patentanspruch mit eigenem Schutzbereich ist. Der geltende Patentanspruch 1 beinhaltet gegenüber dem so interpretierten erteilten Patentanspruch 3 keine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs.

3. Das nunmehr beanspruchte Schleppfahrzeug ist unbestritten neu und ohne Zweifel gewerblich anwendbar. Es beruht gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Einsprechende hat zum beanspruchten Gegenstand nicht ausgeführt, warum dieser ihrer Meinung nach nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit sei. Sie hat in der mündlichen Verhandlung lediglich erklärt, daß sie hierzu auf ihre Ausführungen zum erteilten Patentanspruch 1 verweise. Da der erteilte und der jetzt beanspruchte Gegenstand sich jedoch erheblich unterscheiden - beim erteilten Gegenstand erfolgt die den Kerngedanken der Erfindung darstellende Verschwenkung der Hubschaufel durch ein Kugelgelenk und zwei Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten und beim nunmehr beanspruchten Gegenstand durch ein Kugelgelenk und lediglich eine einzige Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit und einen zusätzlichen Längslenker - , kann dieser pauschale Hinweis keine substantiierte Begründung ersetzen. Das Vorbringen der Einsprechenden liegt somit neben der jetzt beanspruchten Sache, so daß ein detailliertes Eingehen hierauf nicht möglich ist.

Eine im Rahmen von § 87 Abs 1 S 1 PatG vorgenommene Prüfung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes ergibt, daß dem insgesamt im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder ein am Fahrgestell befestigtes Kugelgelenk, das an der Rückseite der Hubschaufel mittig angreift, noch eine einzige Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit, die durch Verriegelung in der angehobenen Stellung der Hubschaufel die Funktion eines Lenkers erhält und zusammen mit einem zweiten Längslenker die Hubschaufel in angehobener Stellung hält, zu entnehmen ist oder durch diesen nahegelegt wird. Als zuständiger Fachmann ist hier in Übereinstimmung mit der Einsprechenden ein Maschinenbauingenieur zugrunde zu legen, der sich in mehrjähriger Praxis mit der Planung, Entwicklung und Realisierung von stangenlosen Schleppfahrzeugen zum Manövrieren von Flugzeugen befasst hat.

Aus der von der Einsprechenden angeführten EP 530 456 B1 ist ein Schleppfahrzeug bekannt, welches - wie sich aus dem Patentanspruch 1 und der Fig 1 dieser Schrift offensichtlich ergibt - die Merkmale aufweist, wie sie im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aufgeführt sind. Bei diesem Schleppfahrzeug ist die Hubschaufel über zwei Schwenklager 9 um eine Querachse schwenkbar in einem Träger 7 gelagert, der mit einem zylindrischen Pendellager 6 um eine Fahrzeuglängsachse schwenkbar in einer Quertraverse 3 des Fahrgestells gelagert ist (Fig 1 und Patentanspruch 1). Die Verschwenkung der Hubschaufel 8 erfolgt mittels zweier Hubzylinder 5, die zwischen dem Fahrgestell 1 und der Hubschaufel 8 symmetrisch, beidseitig einer senkrechten, mit der Achse des Pendellagers 6 gemeinsamen Längsmittelebene angeordnet sind (Figur 1). Es ist eine Beweglichkeit um die Fahrzeuglängs- und -querachse und wegen der zylindrischen Gestaltung des Pendellagers keine Beweglichkeit um eine Hochachse gegeben. Eine Anregung, die beiden Hubzylinder 5 und das Pendellager 6 durch eine einzige Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit, einen Längslenker und ein Kugelgelenk zu ersetzen sowie in der beanspruchten Weise anzuordnen, ergibt sich hieraus nicht.

Aus dem Prospekt "Goldhofer AST: Towbarless Aircraft Movement" ist ein Schleppfahrzeug zum Manövrieren von Flugzeugen ohne Schleppstange bekannt, dessen Hubschaufel sowohl in der abgesenkten als auch in der angehobenen Position mit ihrer Unterseite parallel zum Boden dargestellt ist. Eine rückwärtige Ansicht des Schleppfahrzeugs zeigt die Hubschaufel in einer um eine Längsachse des Schleppfahrzeugs geschwenkten Position. Das teilweise durchsichtig dargestellte Schleppfahrzeug zeigt einen Dreieckslenker, der am Fahrgestell über zwei beidseitig zur Fahrzeuglängsmittelebene symmetrisch angeordnete Gelenke gelagert ist und an der Rückseite der Hubschaufel über ein Gelenk mittig angreift. Seitlich der Längsmittelebene und neben der Hubschaufel sind Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten vorgesehen, die offensichtlich zum Anheben und Absenken der Hubschaufel dienen. Da die Hubschaufel einerseits über den Dreieckslenker am Fahrgestell angelenkt ist und andererseits der Boden der Hubschaufel sowohl in der abgesenkten als auch in der angehobenen Position parallel zum Boden liegt, müssen auch die im Bereich der Hubzylinder seitlich neben der Hubschaufel dargestellten Längslenker die Hubschaufel mit dem Fahrgestell verbinden und zusammen mit dem Dreieckslenker eine Parallelogrammanlenkung bilden.

Selbst wenn die Anlenkstelle des Dreiecklenkers an der Hubschaufel als Kugelgelenk angesehen werden müßte, ergäbe sich aus einer solchen Anordnung noch keine Anregung, die seitlich der Längsmittelebene vorgesehenen Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten durch die beanspruchte Anordnung einer einzigen Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit in der Längsmittelebene zu ersetzen und das mit der Hubschaufel verbundene Kugelgelenk nicht mehr mit dem Dreieckslenker sondern mit dem Fahrgestell zu verbinden.

Die weiteren von der Einsprechenden noch vorgelegten Prospekte, Bilder und Konstruktionszeichnungen sollen belegen, daß am Anmeldetag des Streitpatents sowohl die Verriegelbarkeit von Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten als auch Dreieckslenker mit Kugelgelenk grundsätzlich bekannt waren. Selbst wenn dies als am Anmeldetag bekannter Stand der Technik anzusehen ist, können hiervon keine Anregungen in Richtung der Erfindung ausgehen. Denn beim Streitpatent geht es nicht um eine Anordnung eines Kugelgelenks irgendwo an einem Schleppfahrzeug und auch nicht um eine irgendwann vorzunehmende Verriegelung von Fluid-Kolben-Zylinder-Einheiten, sondern um die konkret im Patentanspruch 1 beanspruchte Anordnung des Kugelgelenks, das zusammen mit der verriegelten Fluid-Kolben-Zylinder-Einheit und dem zusätzlichen Längslenker die Hubschaufel in angehobener Position hält.

Da die übrigen in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen dem Beanspruchten nicht näher kommen als die vorstehend abgehandelten, Gegenteiliges wurde jedenfalls in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, ergeben sich auch daraus keine Anregungen, die ohne weiteres in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen zum Gegenstand nach Patentanspruch 1 führen könnten.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist daher patentfähig. Es können sich die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 anschließen, da sie zweckmäßige Ausgestaltungen des Schleppfahrzeugs nach Patentanspruch 1 enthalten, die nicht selbstverständlich sind.

5. Die beiden Feststellungsanträge der Patentinhaberin sind unzulässig. Nachdem das Patent durch den Verzicht der Patentinhaberin auf die Ansprüche 6 und 7 insoweit erloschen war (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG), hat sich das Einspruchsverfahren, soweit es diese Ansprüche betraf, erledigt (vgl. hierzu BPatG GRUR 1988, 30 - Impulsgenerator). Die Patentinhaberin kann für die Zeit bis zur Erledigung kein besonderes Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der von ihr begehrten Feststellung der Schutzunfähigkeit der erteilten Patentansprüche 6 und 7 sowie der Unzulässigkeit des von der Einsprechenden ursprünglich geltend gemachten Einspruchsgrunds der widerrechtlichen Entnahme geltend machen. Die Auseinandersetzung darüber, ob eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, ist im Verfahren der von der Einsprechenden gemäß § 7 Abs. 2 PatG eingereichten Nachanmeldung zu führen. In diesem Verfahren hat der Verletzte darzutun, daß der Einspruch ursächlich für den Verzicht war. Für diese Ursächlichkeit spricht zwar eine Vermutung, die aber widerlegt werden kann (vgl. Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl. 1993, § 7 Rz. 17). Sollte der Verzicht zu Rechtsfolgen im Zusammenhang mit der gegen die Patentinhaberin angestrengten Vindikationsklage führen, so wären die dann entscheidungserheblichen Fragen von den Zivilgerichten in eigener Zuständigkeit zu klären.

Da es für die Entscheidung im vorliegenden Fall auf die Beantwortung der von der Patentinhaberin aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ankam, hat der Senat von der hilfsweise angeregten Zulassung der Rechtsbeschwerde zu dieser Frage abgesehen, unabhängig davon, ob die Frage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt der Klärung bedarf (vgl. Benkard aaO, § 100 Rz. 9).

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Az: 9 W (pat) 42/98


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