Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 3/08

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2009, Az.: 17 W (pat) 3/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Marken-

BPatG 152 amts vom 3. September 2007 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt: Patentansprüche 1 -10 vom 26. November 2009, eingegangen am 30. November 2009, Beschreibung S. 1, 1a vom 23. Dezember 2005, S. 2 -3 vom 25. Mai 2007, eingegangen am 30. Mai 2007, S. 4 -13 und 1 Blatt Zeichnungen mit Fig. 1 -2, jeweils vom Anmeldetag.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Speicherverwaltung bei einem tragbaren Datenträger"

ist am 25. August 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden. Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts durch Teil-Beschluss vom 3. September 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass der mit dem Patentanspruch 11 gemäß Hauptantrag beanspruchte tragbare Datenträger zur Ausführung eines beliebigen Verfahrens nicht mehr neu sei. Die Implementierung eines speziellen Verfahrens in einen derartigen Datenträger, der hierdurch keiner hardwaremäßigen strukturellen Veränderungen bedürfe, stelle keine erfinderische Leistung dar.

Da eine Entscheidung nur über den Hauptantrag mit Verweis auf die BGH-Entscheidung "Mikroprozessor" zulässig sei, unterbleibe zunächst eine Stellungnahme zu den Hilfsanträgen.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie beantragt, den Teil-Beschluss als unzulässig aufzuheben und ein Patent auf Basis der Patentansprüche 1-10 gemäß Hauptantrag vom 26. November 2009 zu erteilen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, hilfsweise ein Patent auf Basis der Patentansprüche 1-10 vom 16. Mai 2007 und Patentanspruch 11 vom 8. Oktober 2007 gemäß erstem Hilfsantrag zu erteilen, hilfsweise ein Patent auf Basis der Patentansprüche 1-10 vom 16. Mai 2007 und den Patentansprüchen 11 und 12 vom 8. Oktober 2007 gemäß zweitem Hilfsantrag zu erteilen, weiter hilfsweise das Verfahren an das Deutsche Patentund Markenamt unter Feststellung des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses der Anmelderin für einen nebengeordneten Vorrichtungsanspruch und ggf. eines Hinweises auf eine zulässige Formulierung derartiger nebengeordneter Ansprüche zurückzuverweisen.

Dazu führte sie aus, die in der Zurückweisung angegebenen Gründe seien unzutreffend. Durch die Formulierung im dortigen Anspruch 11 "angepasst zur Ausführung von einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10" trage der Zurückweisungsgrund mangelnder Neuheit eines Datenträgers zur Ausführung eines "beliebigen Verfahrens" nicht. Zudem sei der Erlass des Teil-Beschlusses durch die Prüfungsstelle unzulässig. In der BGH-Entscheidung "Mikroprozessor" (X ZB 5/04) sei der Erlass der Teilentscheidung über die Patentanmeldung in der Fassung des Hauptantrages und das Zurückstellen der Entscheidung über die Patentanmeldung in der Fassung des Hilfsantrages durch das Bundespatentgericht als zulässig erachtet worden, da die endgültige Entscheidung von einer durch die zugelassene Rechtsbeschwerde zu klärenden Rechtsfrage abhängig gewesen sei. Es sei fraglich, ob bzw. unter welchen Bedingungen diese Entscheidung auf das Deutsche Patentund Markenamt als entscheidende Instanz übertragbar sei. Der nach Busse, PatG, 5. Auflage, § 48 Abs. 21 ausnahmsweise zulässige Erlass eines Teilbeschlusses bei Entscheidungsreife nur einer von mehreren Anspruchsfassungen hätte nicht vorgelegen, da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung mit dem damals geltenden zweiten Hilfsantrag ein Anspruchssatz vorgelegen hätte, der den gemäß Hauptantrag beanspruchten nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 11 nicht enthalten habe und mit dem damals geltenden ersten Hilfsantrag ein zum Hauptantrag technisch identischer Gegenstand beansprucht worden sei.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Verwaltung eines Speichers (14) bei einem tragbaren Datenträger (10), wobei im Speicher (14) mehrere Lager (28x; 28') für Datenelemente (34x) angelegt werden, jedes Datenelement (34x) in je einem Speicherabschnitt (32x) je eines der Lager (28x, 28') gespeichert wird, in den Lagern Speicherabschnitte (32x) unterschiedlicher Größe angelegt werden, wobei einem ersten Lager (28x, 28') ein erster vorgegebener Größenbereich und einem zweiten Lager (28x, 28') ein zweiter vorgegebener Größenbereich zugeordnet ist, in den ersten und zweiten Lagern (28x, 28') Speicherabschnitte (32x) angelegt werden, deren Größen in den dem jeweiligen Lager (28x, 28') zugeordneten vorgegebenen Größenbereich fallen und die Größe jedes zur Speicherung eines Datenelements (34x) dienenden Speicherabschnitts (32x) gleich der Größe des Datenelements (34x) ist oder sich allenfalls um einen Verschnitt, der sich aus einer gegebenenfalls erforderlichen Ausrichtung des Datenelements (34x) im Speicher (14) ergibt, von der Größe des Datenelements (34x) unterscheidet."

Bezüglich der Unteransprüche 2-9 wird auf die Akte verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 10 gemäß Hauptantrag lautet:

"Tragbarer Datenträger (10), insbesondere Chipkarte oder Chipmodul, mit einem Prozessor (12) und mindestens einem Speicher (14), wobei der Speicher (14) Programmbefehle enthält, die den Prozessor (12) zur Ausführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 veranlassen."

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, einen Speichermechanismus bereitzustellen, der speziell auf die Gegebenheiten bei tragbaren Datenträgern zugeschnitten ist. Insbesondere soll durch die Erfindung der bei tragbaren Datenträgern relativ knappe zur Verfügung stehende Speicherplatz möglichst gut genutzt werden. In vorteilhaften Weiterentwicklungen soll die Erfindung überdies nur geringen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen (Beschreibung S. 2 Abs. 3, eingegangen am 30. Mai 2007).

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch Erfolg, da dem geltenden Patentbegehren gemäß Hauptantrag der im Verfahren zitierte Stand der Technik nicht entgegensteht, auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5) und eine Nebenordnung der beanspruchten Gegenstände zulässig ist.

1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Verwaltung eines Speichers bei einem tragbaren Datenträger sowie einen tragbaren Datenträger mit Prozessor und Speicher zum Auszuführen eines solchen Verfahrens.

In der Anmeldung wird davon ausgegangen, dass aus dem Betriebssystem UNIX die Verwendung eines Slab Allocators in der Speicherverwaltungstechnik zur Zuteilung und Verwaltung von Speicherabschnitten relativ geringer Größe bekannt ist, bei dem für jeden Objekttyp bzw. für jede Größe eines Datenelements ein eigenes Lager (Cache) angelegt wird. Jedes Lager weist einen oder mehrere Slabs mit einer innerhalb des Lagers einheitlichen Größe von mindestens einer Speicherseite auf, in denen mehrere Datenelemente (einheitlicher Größe) aufgenommen werden können. Dabei hängt die Größe der Slabs von der im jeweiligen Lager zu speichernden Größe der Datenelemente ab. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn Speicheranforderungen auftreten, die nur wenige Objekttypen betreffen. Im Unterschied dazu werden bei typischen Anwendungen von tragbaren Datenträgern relativ wenige Datenelemente neu angelegt, diese weisen jedoch unterschiedliche Objekttypen und Größen auf. Bei Anwendung des bekannten Slab Allocators in transportablen Datenträgern stellt das dabei vorgesehene Anlegen eines weiteren Lagers mit einer Mindestgröße von einer Speicherseite für jeden neuen Objekttyp eine erheblich ins Gewicht fallende Verschwendung bei dem in Datenträgern nur beschränkt zur Verfügung stehenden Speicherplatz dar (Anmeldeunterlagen S. 1 Abs. 2 -S. 2 Abs. 3).

Auch nach Ansicht des Senats wird als Aufgabe angesehen, einen Speichermechanismus bereitzustellen, der speziell auf die Gegebenheiten bei tragbaren Datenträgern zugeschnitten ist, so dass der bei tragbaren Datenträgern relativ knappe zur Verfügung stehende Speicherplatz möglichst gut genutzt wird.

Als Fachmann für eine derartige Aufgabenstellung wird ein Diplomingenieur für Elektrotechnik/Elektronik (Universität) mit Kenntnissen in der Datenverarbeitung angesehen, der mehrjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Speicherverwaltung besitzt.

Die Kernidee der Anmeldung liegt darin, dass in einem Speicher eines tragbaren Datenträgers mehrere Lager (Caches) angelegt werden, wobei dem ersten und zweiten Lager unterschiedliche vorgegebene Größenbereiche (z. B. 1-64 Bytes, 65-256 Bytes) zugeordnet sind, in denen jeweils Datenelemente unterschiedlicher Größe gespeichert werden und Speicherabschnitte gebildet werden, die der Größe des jeweiligen Datenelements entsprechen, so dass die Speicherabschnitte innerhalb eines Lager ebenfalls unterschiedliche Größe aufweisen. Ein zu speicherndes Datenelement wird selektiv in dem Lager gespeichert, in dessen Größenbereich seine Datengröße fällt. Abweichungen der Größe der Speicherabschnitte von der Größe des in ihm zu speichernden Datenelements ergeben sich allenfalls aus einer ggf. erforderlichen Ausrichtung des Datenelements (z. B. an einer Wortgrenze), so dass ein gewisser Verschnitt entstehen kann.

2. Der Erteilungsantrag gemäß Hauptantrag liegt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

2.1 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 1 und Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 2 und 10 sowie aus S. 2 Abs. 2, S. 3 Abs. 5 erster Halbsatz, S. 8 Abs. 4 Satz 1 und Fig. 1 der Anmeldeunterlagen. Die geltenden Unteransprüche 2-9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2-9. Anspruch 10 basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 12.

2.2 Die Änderungen in der Beschreibung sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt. Der im Prüfungsverfahren genannte Stand der Technik wurde aufgenommen.

2.3 Ferner ist die Lehre der Patentansprüche in der vorliegenden Fassung in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3.

Die im Zurückweisungsbeschluss geltend gemachten Gründe können die Zurückweisung der Anmeldung nicht tragen.

3.1 Der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle wurde damit begründet, dass der mit dem Patentanspruch 11 gemäß (zum Zeitpunkt der Beschlussfassung) geltendem Hauptantrag beanspruchte tragbare Datenträger zur Ausführung eines beliebigen Verfahrens nicht mehr neu sei. Die Implementierung eines speziellen Verfahrens in einen derartigen Datenträger, der hierdurch keiner hardwaremäßigen strukturellen Veränderungen bedürfe, stelle keine erfinderische Leistung dar.

3.2 Diese Beurteilung des Patentanspruchs 11 gemäß damals geltendem Hauptantrag erweist sich jedoch als unzutreffend.

Nach der Entscheidung des BGH "Suche fehlerhafter Zeichenketten" (GRUR 2002, 143) ist ein Anspruch, der auf einen Datenträger mit gespeichertem Programm gerichtet ist, und über seine Rückbeziehung als eine besondere Ausprägung der im Anspruch 1 wiedergegebenen Erfindungsidee zu verstehen ist, gewährbar, wenn das Verfahren gemäß Anspruch 1 eine dem Patentschutz zugängliche und patentfähige Lehre aufweist. Dies trifft somit bereits für einen Anspruch zu, der auf einen Datenträger gerichtet ist, dem nur die Funktion eines Informationsträgers zur Speicherung eines Programms zukommt.

Dies gilt erst recht dann, wenn der Datenträger nicht nur das Programm enthält, sondern das Verfahren mittels eines auf dem Datenträger enthaltenen Prozessors selbst ausführt, wie es mit dem Anspruch 11 gemäß damals geltendem Hauptantrag implizit beansprucht wurde.

Der Zurückweisungsbeschluss war daher aufzuheben.

4. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 und der Datenträger gemäß Anspruch 10 nach geltendem Hauptantrag sind patentfähig, da sie gegenüber dem genannten Stand der Technik neu sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

4.1 Im Verfahren befindet sich die im Prüfungsverfahren genannte Druckschrift:

D1: Tanenbaum: Moderne Betriebssysteme. Hanser Verlag, 1994, S. 103-105 sowie die in der Beschreibung der Anmeldeunterlagen auf S. 1 Abs. 2 genannte Druckschrift:

D2: Bovet, D. P., Cesati, M.: Understanding the Linux Kernel. O«Reilly Verlag, 2. Auflage, Dezember 2002, S. 239-255.

4.2 Hinsichtlich dieses Standes der Technik ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag neu, da keine der genannten Druckschriften ein Verfahren zur Verwaltung eines Speichers bei einem tragbaren Datenträger mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 zeigt. Das beanspruchte Verfahren beruht darüber hinaus gegenüber dem genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

D1 betrifft die Optimierung des Speicherverbrauchs durch Speicherverwaltung mit verknüpften Listen. Mit den Listen (Löcherlisten) werden noch verfügbare, über den Speicher verteilt angeordnete Löcher (Speicherabschnitte) verwaltet.

Bei Anwendung des Quick-Fit-Algorithmus (D1 S. 105 Abs. 2) werden verfügbare Löcher in getrennten Listen verwaltet, die nach den am häufigsten benötigten Lochgrößen (4K-, 8K-, 12 K-Löcherliste) sortiert sind. Die Lochgröße innerhalb einer Liste ist dabei konstant. Es werden dadurch schnell Löcher der benötigten Größe aufgefunden. Da die Größe der Datenelemente nicht der Lochgröße entsprechen muss, entstehen im Speicher unbrauchbare Restlöcher, z. B. bleiben bei Speicherung eines 5KByte Datenelements in ein 8KByte Loch 3 KByte des verfügbaren Speicherabschnitts unbenutzt. Bei Anwendung des Best-Fit-Algorithmus (D1 S. 104 Abs. 3 -5) wird die gesamte Liste durchsucht und ein Datenelement in das kleinste noch ausreichende Loch (den kleinsten verfügbaren Speicherabschnitt) abgelegt. Auch hier entstehen im Speicher unbrauchbare Restlöcher. In beiden Algorithmen entsprechen die Speicherabschnitte nicht der Größe der Datenelemente. Es ist D1 auch kein Hinweis zu entnehmen, eine Anpassung der Größe der Speicherabschnitte an die Größe der Datenelemente vorzunehmen. Damit führt auch eine Kombination des Quick-Fit-Algorithmus mit dem Best-Fit-Algorithmus nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1, auch nicht wenn man die Löcherlisten als Lager auffasst.

Wie bereits auf S. 1 Abs. 4 der Anmeldeunterlagen angegeben, werden auch bei dem Speicherverwaltungsverfahren gemäß D2 Speicherabschnitte einer vorgegebenen konstanten Größe innerhalb eines Lagers verwendet (S. 250 Fig. 7-6) und damit die Speicherabschnitte ebenfalls nicht an die Größe der Datenelemente angepasst.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich weder in D1 noch in D2 eine Anregung findet, eine Anpassung der Größe der Speicherabschnitte an die Größe der Datenelemente vorzunehmen. Diese Maßnahme kann daher die Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 tragen.

4.3 Da das Verfahren nach Patentanspruch 1 patentfähig ist und der Datenträger nach Patentanspruch 10 auf dem Verfahren nach Anspruch 1 basiert, wird seine Patentfähigkeit durch diese Rückbeziehung getragen.

Die abhängigen Ansprüche 2-9 beinhalten zweckmäßige Weiterbildungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und sind ebenfalls gewährbar.

Bei dieser Sachlage war das Patent gemäß Hauptantrag zu erteilen.

Eine Stellungnahme zu dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist entbehrlich, nachdem der Hauptantrag gewährbar ist.

Nachdem die Sache entscheidungsreif war, war für eine Zurückverweisung kein Raum.

III.

Aufgrund der konkreten Verfahrensführung war die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen. Danach ist die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit kann danach eine Rückzahlung erfordern, wenn ein Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patentund Markenamt vorliegt (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, § 48 Rdn. 12, § 73 Rdnr. 132; Busse/ Keukenschrijver, PatG, 6. Auflage (2003), § 80 Rdnr. 97; BlPMZ 1999, 40; BPatGE 23, 48).

Ein solcher Verfahrensverstoß ist hier darin zu sehen, dass die Prüfungsstelle ein Patent gemäß zweitem Hilfsantrag nicht erteilt hat, obwohl sie diesen als gewährbar angesehen hat.

Die Prüfungsstelle hat lediglich einen Teil-Beschluss über den Hauptantrag wegen Fehlens der Neuheit des Gegenstandes eines Nebenanspruchs erlassen, ohne über den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden zweiten Hilfsantrag zu entscheiden, der die von der Prüfungsstelle im Bescheid vom 16. April 2007 geforderte Anspruchsformulierung beinhaltet. Die Prüfungsstelle hätte nach Zurückweisung des Hauptantrages und des ersten Hilfsantrages zugleich das Patent nach dem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden zweiten Hilfsantrag erteilen können.

In den Bescheiden vom 23. Juni 2006 und 16. April 2007 hat die Prüfungsstelle nämlich die Anmelderin zur Anpassung der Unterlagen aufgefordert und damit implizit die Erteilung eines Patents gegenüber dem genannten Stand der Technik in Aussicht gestellt. Mit Eingabe vom 25. Mai 2007 hat die Anmelderin mit dem zweiten Hilfsantrag eine Anspruchsfassung eingereicht, die sämtlichen Anforderungen der Prüfungsstelle aus dem Bescheid vom 16. April 2007 im dortigen Abschnitt C gerecht wird, und die die nach Auffassung der Prüfungsstelle nicht zulässigen Ansprüche nicht enthält.

Der BGH hat zwar in seiner "Mikroprozessor"-Entscheidung den Erlass eines Teilbeschlusses und damit ein teilweise ähnliches Vorgehen für zulässig erklärt. Im Unterschied zum vorliegenden Verfahren war dort aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, und es bestand noch Ungewissheit über das Schicksal des Hilfsantrags, an dessen Patentierbarkeit es ausweislich der Gerichtsakte damals Zweifel gab.

Wenn wie vorliegend dem Prüfungsverfahren entnehmbar der damals geltende zweite Hilfsantrag für gewährbar angesehen wird, gebietet es schon der Grundsatz der Verfahrensökonomie, aber darüber hinaus auch noch das Recht des Erfinders bzw. des Anmelders auf das Patent, unverzüglich ein entsprechendes Patent zu erteilen; denn die Patenterteilung steht nicht mehr im Ermessen der Erteilungsbehörde, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl.

Benkard / Melullis, PatG, 10. Auflage (2006), § 6 Rdnr. 11). Dem damals geltenden zweiten Hilfsantrag hätte anders als im "Mikroprozessor"-Fall ohne weiteres entsprochen werden können; dabei wäre der Anmelderin hinsichtlich des versagten Hauptantrags keine Instanz genommen worden.

Im Übrigen spricht vieles dafür, eine Entscheidung allein über einen Hauptantrag unter Zurückstellung der Entscheidung über einen zugeordneten Hilfsantrag grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen als zulässig zu erachten, vgl. Benkard / Schäfers, a. a. O., § 48 Rdnr. 5; Busse / Schwendy, a. a. O., § 48 Rdnr. 19, 21; Schulte, a. a. O., § 48 Rdnr. 12, jew. m. w. N.. Allein die Tatsache, dass das Verfahrensrecht diese Möglichkeit als solche zur Verfügung stellt, darf nicht ohne triftigen Grund dazu benutzt werden, den Anmelder mit einer Vielzahl von Teilbeschlüssen über seinen Hauptantrag und (ggf. mehrere) Hilfsanträge zu überziehen und ihn so zu mehrfachen Beschwerden zu zwingen.

Schließlich war die Vorgehensweise der Prüfungsstelle für die Einlegung der Beschwerde kausal, da der Anmelderin angesichts der fehlenden Entscheidung über den für gewährbar erachteten zweiten Hilfsantrag keine andere Möglichkeit als die gerichtliche Klärung mehr blieb.

Dr. Fritsch Eder Baumgardt Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 17.12.2009
Az: 17 W (pat) 3/08


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