Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Oktober 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 59/05

(BPatG: Beschluss v. 19.10.2006, Az.: 25 W (pat) 59/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke PIRON ist am 25. Oktober 2000 unter der Nummer 300 44 286 u. a. für die Waren

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege"

in das Markenregister eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der seit dem 15. August 1997 für

"Arzneimittel"

unter der Nummer DD 621 088 eingetragenen Marke Pyrcon Widerspruch erhoben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat ihre vor der Markenstelle mit Schriftsatz vom 28. Mai 2001 erhobene Nichtbenutzungseinrede nach Vorlage von Unterlagen zur Benutzung der Widerspruchsmarke nicht mehr aufrecht erhalten.

Die Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 28. Juli 2003 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" angeordnet und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.

Ausgehend von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Mittel gegen Wurmbefall könnten sich die Vergleichsmarken auf ähnlichen oder auch identischen Waren begegnen. Es sei daher ein deutlicher Markenabstand geboten, den die jüngere Marke in Bezug auf die gelöschten Waren jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht einhalte. Denn die ersten drei Buchstaben beider Marken seien klanglich nahezu identisch, da damit zu rechnen sei, dass der Verkehr das "Y" in "Pyrcon" wie "i" artikuliere. Aber auch bei einer Aussprache des "Y" als kurzes, geschlossenes "ü" seien die Vergleichslaute sehr ähnlich. Da auch noch die Endlaute "ON" übereinstimmten, führe auch das als "K" artikulierte "C" im Wortinnern der Widerspruchsmarke nicht zu der gebotenen klanglichen Abgrenzung im Gesamteindruck beider Marken.

Auf die Erinnerung des Inhabers der angegriffenen Marke hat die Markenstelle für Klasse 5 mit Beschluss vom 3. Dezember 2004 den Beschluss vom 28. Juli 2003 aufgehoben und den Widerspruch aus der Marke DD 621 088 auch insoweit zurückgewiesen.

Auch bei Berücksichtigung strenger Anforderungen an den Markenabstand könne eine Verwechslungsgefahr sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht ausgeschlossen werden. Denn es könne nicht damit gerechnet werden, dass beachtliche Teile des Verkehrs das "y" in "Pyrcon" wie "i" aussprechen werden, da sämtliche Wörter mit der Lautfolge "Pyr" wie z. B. "Pyramide", "Pyrenäen", "Pyretikum", "Pyrexie", "pyrogen", "Pyrotechnik" zum dunkleren "ü"-Laut tendierten. Vor allem aber fielen die voneinander abweichenden Silbengliederungen von "Piron" gegenüber "Pyrcon" ins Gewicht, die im maßgeblichen Gesamteindruck ein deutlich unterscheidbares Gesamtklangbild bewirkten. Die unterschiedlichen Wortstrukturen führten auf Seiten der Widerspruchsmarke nicht nur zu einer deutlichen Wahrnehmung des Anlauts "c" - gesprochen "k" - in der zweiten Silbe, sondern veränderten auch den Klangcharakter der ersten Silbe, weil deren Vokal "y" - gesprochen "ü" - wegen der beiden Konsonanten "P-r" nur kurz anklinge, während das hellklingende "i" in der Marke "Piron" gedehnt gesprochen werde ("Pür-" / "Pih-"). Diese Unterschiede in Silbenzahl, Vokalfolge, Konsonantengefüge und Silbengliederung überlagerten die Übereinstimmungen derart, dass auch bei einer Benutzung der Marken für identische Waren nicht mit Verwechslungen in noch entscheidungserheblichem Umfang zu rechnen sei, zumal es sich um relativ kurze und leicht erfassbare Zeichen handele.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 vom 3. Dezember 2004 aufzuheben und die angegriffene Marke für die Waren der Klasse 05 zu löschen.

Die Marken vermittelten in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht den gleichen Gesamteindruck, so dass mit Verwechslungen zu rechnen sei, zumal sie sich im Bereich der Klasse 05 hinsichtlich der pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse auf identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren begegnen könnten.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Widersprechenden ist nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da auch in Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" - die allein Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind - keine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Der Senat geht dabei wie die Markenstelle von einer möglichen Warenidentität sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Weiterhin sind mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen neben dem Fachverkehr auch Endverbraucher als angesprochene Verkehrskreise zu berücksichtigen, wobei nach dem Verbraucherleitbild des EuGH auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2), dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 2006, 567 - Picasso), der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL). Insgesamt sind daher strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke jedoch in jeder Hinsicht genügt.

Die beiden Markenwörter unterscheiden sich in klanglicher Hinsicht ihrem jeweiligen Gesamteindruck nach noch hinreichend, da sie trotz nicht unerheblicher Übereinstimmungen in vier Lauten (P-ron) in beiden Sprechsilben konsonantische Unterschiede aufweisen, die nicht unbemerkt bleiben. So ist mit der Markenstelle in dem angefochtenen Erinnerungbeschluss davon auszugehen, dass der Konsonant "y" regelmäßig nicht als "i", sondern als geschlossenes "ü" artikuliert wird (vgl. dazu DUDEN, Das Aussprachewörterbuch, 4. Aufl., S. 105). Eine Aussprache als "i" ist hingegen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu erwarten wie z. B. bei Namen oder am Wortende (vgl. dazu DUDEN, a. a. O., S. 105 Nr. 3 u. S. 106 Nr. 4./5). Die Aussprache als "ü" ist dabei auch soweit in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, dass selbst bei flüchtiger Wiedergabe nicht einer dem Vokal "i" entsprechenden Artikulation in rechtserheblichem Umfang zu rechnen ist. Dies bedeutet aber, dass das aus dem Griechischen stammende Wortbildungslement "Pyr" in Wörtern wie z. B. "Pyramide", "Pyrenäen", "Pyretikum" nicht wie "Pir", sondern wie "Pür" ausgesprochen wird. Hinzu kommt, dass der zusätzliche Konsonant "c" bei der Widerspruchsmarke aufgrund des nachfolgenden Vokals wie "k" ausgesprochen wird (vgl. DUDEN a. a. O., S. 75) und damit als klangstarker Anlaut der zweiten Silbe der Widerspruchsmarke hervortritt. Dieser zusätzliche Konsonant führt zu einer unterschiedlichen Silbengliederung beider Marken und bewirkt zudem bei der wie "Pürkon" ausgesprochenen Widerspruchsmarke eine deutlichere klangliche Zäsur zwischen den beiden Sprechsilben als dies bei der wie "Piron" artikulierten angegriffenen Marke der Fall ist, die in ihrer Gesamtheit einen eher weichen Klangcharakter aufweist.

Berücksichtigt man ferner, dass es sich um nicht lange und leicht erfassbare Markenwörter handelt, bei denen Abweichungen stärker auffallen und auch besser und genauer in Erinnerung bleiben als bei längeren Markenwörtern (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 135) und die zudem mit der gemeinsamen Endung "on" einen in Arzneimittelkennzeichnungen häufig vorkommenden und damit kennzeichnungsschwachen Bestandteil aufweisen, reichen die aufgezeigten Unterschiede unter Berücksichtigung der generell erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber Arzneimitteln noch aus, um auch unter ungünstigeren Übermittlungsbedingungen eine klangliche Verwechslungsgefahr im markenrechtlich relevanten Umfang auszuschließen.

Auch schriftbildlich sind die Zeichen hinreichend verschieden. Es handelt sich um übersichtliche Zeichen von 5 bzw. 6 Buchstaben, bei denen die schriftbildlichen Unterschiede zwischen "i/I" und "y/Y" sowie aufgrund des zusätzlichen Konsonanten "c/C" auf Seiten der Widerspruchsmarke in jeder Schreibweise deutlich erkennbar sind, wobei auch die durch den zusätzlichen Buchstaben begründete unterschiedliche Wortlänge angesichts der Kürze beider Markenwörter einer Verwechslungsgefahr entgegenwirkt. Insbesondere bei Wiedergabe in Kleinbuchstaben mit großem Anfangsbuchstaben weisen beide Marken wegen der Unterlänge der Buchstaben "y" in der Widerspruchsmarke ein deutlich unterschiedliches Umrissbild auf. Zudem ist bei der visuellen Wahrnehmung der Zeichen zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort und Unterschiede leichter bemerkt werden.

Eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 19.10.2006
Az: 25 W (pat) 59/05


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