Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juni 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 147/99

(BPatG: Beschluss v. 20.06.2001, Az.: 26 W (pat) 147/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die in Deutschland für die Waren 29 Viande, poisson, volaille et gibier; extraits de viande; fruits et legumes conserves, seches et cuits; gelees, confitures, compotes; Ïufs, lait et produits laitiers; huiles et graisses comestibles.

30 Cafe, the cacao, sucre, riz, tapioca, sagou, succedanes du cafe; farines et preparations faites de cereales, pain, p‰tisserie et confiserie, glaces comestibles, miel, sirop de melasse, sel, moutarde; vinaigre, sauces (condiments); epices; glace à rafraîchir.

32 Bières; eaux minerales et gazeuses et autres boissons non alcooliques, y compris boissons energetiques et boissons stimulant la remise en forme après des depenses physiques; boissons de fruits et jus de fruits; sirops et autres preparations pour faire des boissonsum Schutz nachsuchende IR-Marke 645 859 LINK ist Widerspruch erhoben worden aus der deutschen Marke 1 156 835 die für die Waren

"Pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, diätetische Nährmittel für Kinder und Kranke; pharmazeutische Drogen; Milch; Milchprodukte, nämlich Butter, Käse, Sahne, Joghurt, Milchpulver für Nahrungszwecke, Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel), Honig, Melassesirup; Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, ätherische Öle, Haar-Pflegemittel, Zahnpflegemittel"

seit dem 30.03.1990 eingetragen ist.

Der zunächst gegen alle Waren und Dienstleistungen erhobene Widerspruch richtet sich, wie sich aus dem Antrag der Widersprechenden vom 10.06.1996 ergibt, ausschließlich nur noch gegen die Waren

"gelees, confitures, compotes, lait et produits laitiers, graisses comestibles ; the ; farines et preparations faites de cereales, glaces comestibles ; miel, sirop de melasse ; autres boissons non alcooliques, y compris boissons energetiques et boissons stimulant la remise en forme après des depenses physiques".

Die Markenstelle für Klasse 32 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der angegriffenen Marke mit Beschluss des Erstprüfers zunächst für alle Waren, gegen die sich der Widerspruch richtet, die Eintragung versagt und zur Begründung ausgeführt, angesichts zum Teil gleicher und im übrigen ähnlicher Waren reichten die Unterschiede der Marken für eine Verneinung der Verwechslungsgefahr nicht aus. Klangprägend sei die übereinstimmende Lautfolge "-INK". Die alleinige Abweichung in den Anfangskonsonanten "L" bzw. "F" sei zu gering, um klangliche Verwechslungen, auch durch Verhören, auszuschließen, weil die Anfangskonsonanten klangschwach seien.

Auf die Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle den Beschluss des Erstprüfers aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, trotz der teilweisen Identität der Waren bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil der Unterschied der Marken am Wortanfang unter Berücksichtigung der Kürze der Markenwörter ausreichend sei. Ein Verhören sei angesichts der Übersichtlichkeit und leichten Erfassbarkeit der Markenwörter nicht zu befürchten, weil die Anfangslaute "L" bzw "F" keine klangliche Ähnlichkeit aufwiesen. Die beiden Markenwörter wiesen zudem verschiedene Begriffsinhalte auf, die das Erfassen der klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede erleichterten und als Merkhilfe dienen könnten. "FINK" sei der Name eines Vogels, "LINK" erinnere an einen Begriff aus dem Internetbereich.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, eine Verwechslungsgefahr bestehe sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht. Die Anfangslaute "F" und "L" seien klangschwach. Der Gesamteindruck der beiderseitigen Marken werde durch die übereinstimmenden klangstärkeren Laute "i" und "k" geprägt. In schriftbildlicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass bei einer handschriftlichen Wiedergabe der Marken in kleinen Buchstaben der einzige Unterschied darin bestehe, dass die senkrechte Linie des "f" etwas weiter nach unten reiche als die des "l". Der unterschiedliche Begriffsinhalt könne - anders als in der BGH-Entscheidung "Bally/Ball" - die klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr nicht ausräumen, weil die Marken keine unterschiedliche Laut- oder Silbenzahl aufwiesen. Der Umstand, dass es sich bei den Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz genießt, zum Teil um pharmazeutische Produkte handelt, schließe die Verwechslungsgefahr nicht aus, weil zwischen diesen Waren und Lebensmitteln durchaus auch die erforderliche Warenähnlichkeit bestehen könne und im vorliegenden Fall auch bestehe. Der 25. Senat habe bereits die Ähnlichkeit zwischen diätetischen Lebensmitteln für medizinische Zwecke und Lebensmitteln der Klassen 29 und 30 bejaht. Der 26. Senat habe die Ähnlichkeit der Waren "Vitaminpräparate als Brausetabletten zur Zubereitung von alkoholfreien Getränken" und "alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtsäfte, Fruchtnektar" festgestellt.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Mai 1999 aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der um Schutz nachsuchenden Marke um eine reine Wortmarke, bei der Widerspruchsmarke hingegen um eine am Wortanfang bildlich ausgestaltete Marke handele. Insbesondere der Buchstabe "F" der Widerspruchsmarke sei in einer Weise gestaltet, die von der üblichen Alltagsgrafik abweiche. Da sich der Bogen des "F" zum nachfolgenden "I" herunterneige, könne die Widerspruchsmarke auch als "Ank" gelesen werden. Die von der Widersprechenden angeführte handschriftliche Wiedergabe der Marken sei nicht beachtlich, weil jedenfalls auf dem Lebensmittelsektor eine handschriftliche Wiedergabe von Marken, anders als etwa bei Arzneimitteln auf Rezepten, nicht üblich sei. Auch die klanglichen Unterschiede seien ausreichend. Bei Kurzwörtern reiche bereits die Abweichung in einem Buchstaben aus, sofern der Unterschied gut wahrnehmbar sei. Dies sei bei den nicht klangähnlichen Buchstaben "L" und "F" der Fall, zumal sie am Wortanfang stünden. Unterschiede am Wortanfang würden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stärker beachtet als solche in der Wortmitte oder am Wortende. Bei dem Konsonanten "F" handele es sich nach dem Duden-Aussprachewörterbuch zudem nicht um einen klangschwachen, sondern um einen klangstarken Laut. Die Gefahr von Verwechslungen werde durch den sofort erfassbaren Sinngehalt des Wortes "FINK" weiter vermindert. Ob die angegriffene Marke ebenfalls eine ohne weiteres erfassbare Bedeutung aufweise, könne dahingestellt bleiben, weil es ausreichend sei, wenn eine der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen ihrem Sinn nach wahrgenommen werde. Zwischen den Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, diätetische Nahrungsmittel für Kinder und Kranke" und den Waren der Markeninhaberin bestehe auch keine Ähnlichkeit, weil sie auf jeweils andere Weise vertrieben würden und pharmazeutische und diätetische Produkte mit größerer Sorgfalt erworben würden. Diätetische Produkte würden z.B. außerhalb von Apotheken in sog "Health-Food-Abteilungen" angeboten, abgegrenzt von dem übrigen Sortiment.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon).

Hiervon ausgehend kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke selbst dann in keiner Richtung verwechselbar nahe, wenn zu Gunsten der Widersprechenden von einer durch Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen und ferner berücksichtigt wird, dass die angegriffene Marke zu einem Teil Schutz für Waren beansprucht, die mit denen identisch sind, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (EuGH aaO - Sabèl/Puma S. 390 Tz. 23. BGH Mitt 2000, 65 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Einen wesentlichen Einfluss auf die Ähnlichkeit hat dabei die Länge der Vergleichswörter. Kurzwörter werden im allgemeinen durch einzelne Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflusst als längere Markenwörter und bleiben auch besser und genauer in Erinnerung, weshalb auch Abweichungen in nur einem Laut bereits ausreichen können, um Verwechslungen auszuschließen, sofern die Abweichung in jeder Richtung deutlich in Erscheinung tritt (Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Auflage, § 9 Rdn 101; BPatG Mitt 1970, 193, 194 - REA/ZEA). Dabei werden im allgemeinen Wortanfänge stärker beachtet als die übrigen Markenteile (BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM).

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien sind zwischen den beiderseitigen Marken zwar erhebliche klangliche und schriftbildliche Übereinstimmungen in den letzten drei ihrer jeweils vier Buchstaben bzw. Laute feststellbar. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei den Marken aber um solche handelt, die jeweils nur aus insgesamt vier Buchstaben bestehen, die klanglich nur eine Silbe ausmachen, ist der verbleibende Unterschied an dem am meisten beachteten Wortanfang jedoch noch so auffällig, dass mit einem Verlesen oder Verhören nicht gerechnet werden muss. Dabei ist bedeutsam, dass es sich bei den Anfangsbuchstaben "L" bzw. "F" um solche handelt, die sich sowohl bei mündlicher wie auch bei schriftbildlicher Wiedergabe deutlich unterscheiden. Dies gilt für die schriftbildliche Wiedergabe auch dann, wenn die in der eingetragenen Form enthaltene grafische Ausgestaltung des Anfangsbuchstabens außer acht gelassen wird, weil sich die kleinen Buchstaben "f" und "l" in Folge des oberen Bogens und des Querstrichs des "f" noch so weit voneinander unterscheiden, dass ein Verlesen jedenfalls am Wortanfang bei einem kurzen Wort als ausgeschlossen erscheint. Auch klanglich weisen die Laute "f" und "L" keine Gemeinsamkeiten, sondern auf Grund des Umstandes, dass es sich bei dem "f" und einen markanten Blaslaut und dem "L" um einen weichen Labiallaut handelt, deutlich hörbare Unterschiede auf, die sich auf das Gesamtklangbild der Markenwörter zumindest so weit auswirken, dass ein Verhören als ausgeschlossen erscheint.

Zumindest in der Widerspruchsmarke ist zudem mit dem bestimmenden Wortelement "Fink" ein für den deutschen Verkehr ohne weiteres erkennbarer und erfassbarer Begriff enthalten. Übereinstimmungen im Wort oder Klangbild von Marken können durch deren abweichenden Begriffsinhalt so reduziert werden, dass eine Verwechslungsgefahr trotz erheblicher schriftbildlicher oder klanglicher Ähnlichkeiten der Marken zu verneinen ist, weil die verbleibenden bildlichen und klanglichen Unterschiede vom Leser oder Hörer wesentlich schneller und besser erfasst werden als bei Markenwörtern ohne solchen Sinngehalt. (BGH GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL; GRUR 1999, 240, 241 - STEPHANSKRONE). Davon muss auch im vorliegenden Fall ausgegangen werden, weil dem deutschen Verkehr der Begriff "Fink" als Bezeichnung eines heimischen Vogels allgemein bekannt ist. Dass der Begriffsinhalt der Widerspruchsmarke keinen Bezug zu den unter ihr angebotenen Waren aufweist, ist demgegenüber nicht beachtlich, weil es eines solchen Warenbezugs nicht bedarf (BGH aaO - Bally/BALL).

Ob auch die angegriffene Bezeichnung "LINK" einen für den deutschen Verkehr ohne weiteres erkennbaren und erfassbaren Begriffsinhalt aufweist, was wegen der englischsprachigen Herkunft dieser Bezeichnung zumindest nicht als zweifelsfrei erscheint, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil es für eine entscheidungserhebliche Reduktion der Verwechslungsgefahr ausreichend ist, wenn eine der Marken einen solchen ausgeprägten Begriffsinhalt aufweist (BGH aaO - Bally/BALL).

Für eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer gedanklichen Verbindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG) fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten.

Umstände, die es rechtfertigen könnten, einer der Beteiligten die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG), liegen nicht vor.

Schülke Kraft Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 20.06.2001
Az: 26 W (pat) 147/99


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