Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Februar 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 301/06

(BPatG: Beschluss v. 03.02.2009, Az.: 6 W (pat) 301/06)

Tenor

Das Patent 10 2004 011 361 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 4

- Beschreibung 5 Seiten, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnungen Fig. 1 bis 3 wie Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 28. Juli 2005 veröffentlichte Patent 10 2004 011 361 mit der Bezeichnung "Verbindung einer geschlitzten Hohlwelle oder dergleichen mit einer Welle oder einem Gegenstück" ist am 25. Oktober 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Anspruch 1 sei unklar und nicht ausführbar. Darüber hinaus sei sein Gegenstand nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung macht die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend und bietet zu deren Glaubhaftmachung Zeugenbeweis an. Darüber hinaus nennt sie noch weitere Druckschriften. Insgesamt verweist sie auf folgende Unterlagen:

D1: Auszug aus dem Katalog "Präzisions-Planetengetriebe" der Fa. Pfeifer & Partner, Östringen, Juni 1998 D2: Zeichnung Nr. 0935 075 6.11.3 vom 02.04.1998, betreffend ein Planetengetriebe Typ RPL30-1 SK D3: Zeichnung Nr. 0934 296 6.12.3 vom 22.12.1999, betreffend ein Spannring SK Typ PL 6-30 D4: Zeichnung Nr. 0935 100 0.14.3 vom 10.10.2000, betreffend eine Kupplung SK Typ PL 16/30 D5.1: Bestellung Nr. E10/45546234 vom 03.07.2000 über ein Planetengetriebe Katalogbezeichnung PSF511/N/EK04 D5.2: Auftragsbestätigung Nr. 90 90001658(1) vom 04.07.2000 über ein Planetengetriebe Typ RPL301/PSF511N/EK04 D5.3: Lieferschein Nr. 91109344 vom 28.07.2000 über ein Planetengetriebe Typ RPL30-1./PSF511N/EK04 D5.4: Montageliste vom 04.07.2000 für das mit Bestellung vom 03.07.2000 (Anlage D5.1) bestellte Planetengetriebe D6.1 Bestellung No. 005086 vom 22.08.2000 über ein Planetengetriebe RPL 30-1 D6.2: Auftragsbestätigung Nr. 90 90002085(2) vom 23.08.2000 über ein Planetengetriebe Typ RPL30-1 D6.3: Rechnung Nr. 02559382 vom 24.08.2000 über ein Planetengetriebe RPL30-1 D6.4: Lieferschein Nr. 91109464 vom 24.08.2000 über ein Planetengetriebe Typ RPL30-1 D6.5: Montageliste vom 23.08.2000 für das mit Bestellung vom 22.08.200 (Anlage D6.1) bestellte Planetengetriebe RPL30-1 D7: DE 199 07 181 A1 D8: DE8810094U1 D9: DIN EN ISO 10511, Februar 1998 D10: Internetauszug aus WMF Online Shop betreffend

"Weinflaschenverschluss Vino", Art. Nr. 06 4101 7920 D11: Internetauszug betreffend "Weinflaschenverschluss Jupiter", Artikel-Nr. ACC-041 DE 42 14 838 C2 (eingereicht in der mündlichen Verhandlung).

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin äußert Zweifel an der Zulässigkeit des Einspruchs und bestreitet die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung. Sie überreicht in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 4 und eine angepasste Beschreibung und ist der Auffassung, der Anspruch 1 sei klar und auch ausführbar, außerdem sei sein Gegenstand sowohl neu als auch erfinderisch.

Sie beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

-Patentansprüche 1 bis 4

-Beschreibung 5 Seiten, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung -Zeichnungen Fig. 1 bis 3 wie Patentschrift.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Verbindung einer mit einem Ritzel (1) versehenen Hohlwelle (2), Hohlachse oder Hülse mit einer Welle oder einem Gegenstück, wobei die Hohlwelle (2) oder dergleichen einen geschlitzten Bereich (4) aufweist, in den die Welle oder dergleichen passt und in Gebrauchsstellung eingreift, wobei wenigstens ein den geschlitzten Bereich umschließendes, hinsichtlich seines Umfangs oder Durchmessers verstellbares und dadurch spannbares Klemmelement (3) zur kraftschlüssigen Verbindung des geschlitzten Bereichs (4) mit der eingreifenden Welle oder dergleichen vorgesehen ist und der geschlitzte Bereich (4) wenigstens einen sich in axialer oder gewendelter Richtung erstreckenden Schlitz aufweist, und wobei die Hohlwelle oder dergleichen zumindest außenseitig im Bereich des Klemmelements vorsprungfrei ist, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens ein zusätzliches Teil (8) vorgesehen ist, welches auch vor dem Spannen des Klemmelements (3) zwischen diesem und der Hohlwelle oder dergleichen eine Kraft bewirkt, die eine Relativbewegung zwischen Klemmelement (3) und Hohlwelle oder dergleichen erschwert oder ausschließt, dass das zusätzliche Teil (8) an dem Klemmelement (3) befestigt ist, dass das zusätzliche Teil (8) Formschluss zwischen Klemmelement (3) und Hohlwelle (2) herstellt und in Drehrichtung formschlüssig in den oder die Schlitze (7) eingreift, wobei wenigstens einer der Schlitze (7) an beiden Enden und somit auch an dem zum Einstecken der Welle offenen Ende der Hohlwelle (2) geschlossen ist und das zusätzliche Teil (8) in dem Schlitz (7) angreift und durch das Schlitzende (7a) Formschluss auch in axialer Richtung herstellt und dass das zusätzliche Teil (8) als ein innerhalb des Klemmelements (3) an einer sich radial oder schräg in Richtung zu der Hohlwelle (2) erstreckenden Öffnung (10) oder Lochung angeordnetes, bolzenoder stiftartiges Teil ausgebildet und mit seinem innenliegenden Ende (11) gegen die Hohlwelle (2) in deren geschlitztem Bereich andrückbar ist und mit einem balligen oder kugelförmigen oder elastischen Ende (11) in den Schlitz (7) eingreift, wobei die Eingrifftiefe der Querschnittsdicke der Wandung der Hohlwelle (2) entspricht oder kleiner ist, und durch das Schlitzende (7a) Formschluss in axialer Richtung hergestellt ist und dass das schräg oder radial verstellbare Teil (8) selbst in radialer Richtung gegen eine Rückstellkraft nachgiebig ist und als Kugelraste ausgebildet ist."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH X ZB 6/08 -Ventilsteuerung, Urteil vom 6. Dezember 2008).

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies wird seitens der Patentinhaberin dahingehend bestritten, dass die angebliche offenkundige Vorbenutzung nicht schlüssig dargelegt worden sei (vgl. Schriftsatz vom 4. April 2006, S. 5, Abs. 3).

Ein Einspruch ist auf einen der in § 21 I PatG festgelegten Widerrufsgründe zu stützen und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, sind im Einzelnen anzugeben (§ 59 I S. 4 PatG).

Wird ein Einspruch auf eine Vorbenutzung gestützt, so ist diese dann ausreichend substantiiert, wenn sie für das Bundespatentgericht und den Patentinhaber verständlich ist, ohne dass eigene Ermittlungen über Art, Ort oder Zeit des Gegenstands der Benutzung erforderlich sind. Die Begründung eines Einspruchs, der sich auf eine Vorbenutzung stützt, ist daher ausreichend substantiiert, wenn sie konkrete Angaben enthält, was, wo, wann, wie und durch wen in öffentlich zugänglicher Weise geschehen sein soll und diese Angaben innerhalb der Einspruchsfrist vorliegen (vgl. Schulte Patentgesetz, § 59, Rdn. 103).

Dies ist hier der Fall. Denn dem Einspruchsschriftsatz sind im einzelnen Angaben darüber zu entnehmen, was, wo, wann, wie und durch wen in öffentlich zugänglicher Weise benutzt worden sein soll. Ob die von der Einsprechenden insoweit im einzelnen vorgetragenen Tatsachen den begehrten Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen und ob die vorgelegten Beweismittel die Behauptungen tragen, ist keine Frage der an den Einspruchsschriftsatz zu stellenden förmlichen Anforderungen, sondern eine solche der Begründetheit des Einspruchsvorbringens.

3. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1, 7, 10 und 11 bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 5, 10, 13 und 14. Die geltenden Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2, 9 und 12 bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 4, 12 und 15.

Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht angezweifelt worden.

4.

Der geltende Anspruch 1 ist klar und auch ausführbar.

Dies wurde seitens der Einsprechenden im Hinblick auf den geltenden Anspruch 1 nicht mehr bestritten.

5.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.

Dies wurde von der Einsprechenden im Hinblick auf den geltenden Anspruch 1 nicht mehr bestritten, und auch nach Prüfung durch den Senat zeigt keine der Entgegenhaltungen eine Verbindung mit sämtlichen im nunmehr geltenden Anspruch 1 enthaltenen Merkmalen.

b. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Es mag dahinstehen, ob die Ausführungen zu den geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen sachlich und rechtlich zutreffend sind oder nicht, sie können jedenfalls dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 auch in Verbindung mit dem übrigen nachgewiesenen Stand der Technik die erfinderische Tätigkeit nicht absprechen.

Gemäß dem nunmehr geltenden Anspruch 1 ist eine Verbindung beansprucht, bei der das zusätzliche Teil in einen Schlitz der Hohlwelle eingreift und mit diesem eine formschlüssige Verbindung bildet, wozu der Schlitz an beiden Enden geschlossen ist. Darüber hinaus ist das zusätzliche Teil selbst in radialer Richtung gegen eine Rückstellkraft nachgiebig und als Kugelraste ausgebildet.

Infolge dieser Ausgestaltung hat der ohnehin in der Hohlwelle vorhandene Schlitz eine Doppelfunktion, nämlich zum einen, ein Festklemmen einer in die Hohlwelle eingesteckten Welle zu ermöglichen, und zum anderen, eine formschlüssige Verbindung zwischen der Hohlwelle und dem Klemmelement und damit eine zusätzliche Montagesicherung zu realisieren.

Zu einer derartigen Ausgestaltung vermag der hier zugrunde gelegte Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu liefern.

Gemäß den behaupteten Vorbenutzungen (Anlagen D1 bis D4) ist von der Bekanntheit einer gattungsgemäßen Verbindung auszugehen, bei der ein Gewindestift (= zusätzliches Teil) in ein Sackloch eines Spannrings eingreift, wie sich sowohl aus der Anlage D4 als auch aus dem Vortrag der Einsprechenden ergibt (vgl. Schriftsatz S. 8, 3. Abs. von unten). Dort greift der Gewindestift somit gerade nicht in einen Schlitz der Hohlwelle ein, sondern in eine zusätzliche Bohrung, der Schlitz ist auch nicht an beiden Enden geschlossen, sondern an einem Ende offen (vgl. Anlage D4) und der Gewindestift ist auch nicht selbst in radialer Richtung gegen eine Rückstellkraft nachgiebig und als Kugelraste ausgebildet.

Die DE 42 14 838 C2 offenbart ein Spannfutter für eine Werkzeugmaschine, bei dem ein Führungszapfen 114 in eine als Langloch ausgebildete Ausnehmung 113 eingreift, um eine Drehbewegung in eine axiale Verschiebebewegung umzuwandeln (Sp. 9, Z. 58 bis Sp. 10, Z. 10 sowie Fig. 6 und 7). Selbst wenn man unterstellt, dass bei dieser Ausgestaltung ein zusätzliches Teil (Führungszapfen 114) in einen Schlitz (Ausnehmung 113) eingreift und mit diesem eine formschlüssige Verbindung bildet, wozu der Schlitz an beiden Enden geschlossen ist, so würde immer noch das Merkmal fehlen, wonach der Gewindestift selbst in radialer Richtung gegen eine Rückstellkraft nachgiebig und als Kugelraste ausgebildet ist. Ganz abgesehen davon dient die schräg verlaufende Ausnehmung nach der DE 42 14 838 C2 einzig dem Zweck, eine Bewegungsumwandlung zu realisieren, während erfindungsgemäß durch das Zusammenwirken von Schlitz und zusätzlichem Teil eine Transportund Lagesicherung geschaffen wird, die ein Aboder Verrutschen des Klemmelements verhindern soll (vgl. Abs. [0007] der Streitpatentschrift). Dies ist beim Spannfutter nach der DE 42 14 838 C2 aber weder erforderlich noch beabsichtigt.

Die DE 199 07 181 A1 offenbart lediglich die im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 genannten Merkmale, dort fehlen aber die im kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmale, so dass von dort ebenfalls keine Anregung zu der nunmehr beanspruchten Ausgestaltung ausgehen kann.

Dem Gegenstand des DE 88 10 094 U1 (D8) fehlt bereits ein zusätzliches Teil, welches auch vor dem Spannen des Klemmelements zwischen diesem und der Hohlwelle oder dergleichen eine Kraft bewirkt. Insoweit geht die DE 88 10 094 U1 nicht über das hinaus, was bereits aus der gattungsbildenden DE 199 07 181 A1 bekannt ist.

Der übrige Stand der Technik (D9 bis D11) betrifft einen Auszug aus einer DIN-Vorschrift sowie zwei Weinflaschenverschlüsse und ist bereits von daher gattungsfremd und nicht geeignet, den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nahe zu legen.

Da somit im Stand der Technik alle Hinweise fehlen, in der nunmehr beanspruchten Art und Weise vorzugehen, konnte der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau dem Fachmann eine Anregung zu dem grundlegenden Gedanken der Erfindung geben, wonach das zusätzliche Teil in einen an beiden Enden geschlossenen Schlitz der Hohlwelle eingreift und mit diesem eine formschlüssige Verbindung bildet, wobei darüber hinaus das zusätzliche Teil selbst in radialer Richtung gegen eine Rückstellkraft nachgiebig und als Kugelraste ausgebildet ist, um durch die erfindungemäße Ausgestaltung eine Doppelfunktion des Schlitzes zu erreichen.

Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.

c. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Verbindung betreffen.

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BPatG:
Beschluss v. 03.02.2009
Az: 6 W (pat) 301/06


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