Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 17. Juli 2003
Aktenzeichen: 20 K 2054/99

(VG Köln: Urteil v. 17.07.2003, Az.: 20 K 2054/99)

Tenor

Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Óbrigen wird die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 23. Dezem-ber 1998 bzw. 22. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1999 verpflichtet, in der beim Bundesamt für Verfassungsschutz geführten Per-sonenakte des Klägers (Az: ) zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten, dass die über den Kläger gespeicherten Daten unrichtig sind, soweit derzeit aus ihnen hervorgeht, dass er Angehöriger bzw. Mitglied der "N. " sei.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 6/7 und der Kläger zu 1/7.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wurde am 3. Februar 1949 geboren. Seit 1975 arbeitet er in die Rüs- tungsindustrie, zur Zeit ist er "Leiter Elektronik" bei der Fa. F. (der E. AG zugehörig).

1979 stellte die Fa. N. beim damaligen Bundesministeri- um für Wirtschaft (BmW) für den Kläger einen ersten Sicherheitsüberprüfungsantrag. Im Rahmen seiner Beteiligung stelle das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) aufgrund bei ihm vorliegender Karteikarten fest, dass keine Sicherheitsbedenken be- stünden. Der Kläger erhielt eine Verschlusssachenermächtigung, die er 1993 zu- rückgab.

Am 22. Mai 1995 stellte die E. AG beim BmW für den Kläger einen Antrag nach § 9 SÜG. Im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens wurden mit dem Kläger ein oder mehrere Gespräche geführt. Im Rahmen jedenfalls eines dieser Gespräche wurde ein Protokoll vom 18. Juni 1996 gefertigt, auf das Be- zug genommen wird. Mit Bescheid des BmW vom 17. Dezember 1996 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen abge- lehnt worden sei. Die Entscheidung beruhe auf einem Bericht des BfV.

Mit Schreiben vom 31. Mai 1998 beantragte der Kläger beim BfV Auskunft über die Daten, die zu seiner Person vorlägen bzw. gespeichert seien. Mit Schreiben vom 31. Juli 1998 wurde mitgeteilt, dass folgende Daten gespeichert seien:

"Auf Antrag des Bundesministeriums für Wirtschaft vom 22. Mai 1995 wurden Sie für die Firma E. AG als Leiter Elektronik ei- ner erweiterten Sicherheitsüberprüfung im Sinne des § 9 SÜG unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass sie langjähriger Angehöriger der "N. " sind."

Mit Schreiben vom 13. November 1998 beantragte der Kläger beim BfV u.a. die Löschung der genannten Daten, da die Speicherung nicht den Tatsachen entspreche. Mit Bescheid des BfV vom 23. Dezember 1998 wurde u.a. der im Schreiben vom 13. November 1998 enthaltenen Antrag abgelehnt. Es wurde mitgeteilt, dass der Löschungsantrag ins Leere gehe, da die mitgeteilten Daten nur aktenmäßig erfasst seien. Im Übrigen gehe das BfV weiterhin von der Richtigkeit der gespeicherten Daten aus. Mit Schreiben vom 7. Januar 1999 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den Bescheid vom 23. Dezember 1998 die Berichtigung der Daten. Mit Schreiben bzw. Bescheid des BfV vom 22. Januar 1999 wurde darauf hingewiesen, dass bereits im Rahmen des Bescheids vom 23. Dezember 1998 mitgeteilt worden sei, dass das BfV weiterhin von der Richtigkeit der Daten ausgehe.

Mit Schriftsätzen vom 26. bzw. 28. Januar 1999 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 23. Dezember 1998 bzw. 22. Januar 1999 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Löschungsantrag erledigt habe. Der Berichtigungsantrag werde aufrecht erhalten, da er nie Mitglied der "N. " ( ) gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 1999 wurden die Widersprüche gegen die Bescheide zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auch nach nochmaliger Prüfung eine Berichtigung nicht in Betracht komme. Das BfV sei von der Richtigkeit der Daten überzeugt. Konkrete, nachprüfbare Anhaltspunkte für eine lang- jährige Mitgliedschaft des Klägers in der N. lägen vor, könnten aber nicht offen- bart werden.

Am 18. März 1999 hat der Kläger Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt (VG Köln 20 L 1221/99). Zur Begründung wird u.a. ausge- führt, dass er nie Mitglied der N. gewesen sei. Er könne sich den Verdacht nur daraus erklären, dass er früher in N. im Haus L. str. 00 gewohnt habe, in dem es - neben anderen Mietparteien - auch eine Wohngemeinschaft gegeben habe, die politisch aktiv gewesen sei. Genaueres über diese Aktivitäten wisse er aber nicht, da er immer "unpolitisch" gewesen sei. Da es naturgemäß zu den Mitgliedern dieser Wohngemeinschaft nachbarschaftliche Kontakte gegeben habe, möge hieraus der Verdacht entstanden sein, dass er etwas mit deren Aktivitäten zu tun gehabt habe. Dieser Verdacht sei jedoch so vage, dass er als Grundlage für die Behauptung, er sei Mitglied der N. , ausscheide. Seit 1994 - seitdem wohne er in V. - sei er nur deshalb noch Mieter der Wohnung im Haus L. str. 00, da seine Frau zwei Ta- ge die Woche in N. arbeite und dann die Wohnung nutze. Es sei allgemein be- kannt, dass die "Spitzel" des Verfassungsschutzes unzuverlässig seien. Weiter habe die Beklagte im Rahmen des Erörterungstermines vom 30. September 1999 (im Ver- fahren VG Köln 20 L 1221/99) selbst angegeben, dass ihre Informanten seit 1988 keine Informationen über ihn mehr hätten geben können. Durch die Vorhaltung der Daten werde er in seiner beruflichen Existenz geschädigt.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 hat das Gericht den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Kläger an Eides statt versichert, dass er kein Mitglied der N. gewesen sei bzw. sei. Darüber hinaus hat er an Eides statt versichert, dass er nicht und zu keinem Zeitpunkt Sympathisant oder in der Vorstufe irgendwie zur Organisation N. gehört habe, insbesondere sei er nie bei Schulungsabenden, Seminaren oder Teachin`s oder sonstigen politischen Aktivitäten dieser Gruppe dabeigewesen.

Der Kläger hat zunächst sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 23. Dezember 1998 und 22. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1999 zu verpflichten, ihm Auskunft über die zu seiner Person beim Bundesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Daten zu erteilen,

2. die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 23. Dezember 1998 und 22. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1999 zu verpflichten in den Akten des Bundesamtes für Verfassungschutz (Personenakte, Sicherheitsüberprüfungsakte, Akten des Datenschutzreferates, Akte des Rechtsreferates) zu vermerken, dass die über ihn gespeicherten Daten unrichtig sind, soweit aus ihnen hervorgeht, dass er Mitglied der "N. " sei.

Die Klage wurde dann hinsichtlich des ursprünglichen Antrages Ziff. 1 und hinsichtlich des ursprünglichen Antrages Ziff. 2 bezüglich der Sicherheitsüberprüfungsakte und der Akten des Datenschutz- und Rechtsreferates für übereinstimmend erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 23. Dezember 1998 und 22. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 1999 zu verpflichten, in den Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz - Personenakte - zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten, dass die über ihn gespeicherten Daten unrichtig sind soweit aus ihnen hervorgeht, dass er Angehöriger bzw. Mitglied der "N. " sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Kläger langjähriges Mitglied der N. sei. Dies werde durch übereinstimmende und voneinander unabhängige Angaben von Informanten bestätigt; der Kläger sei im Rahmen einer Lichtbildvorlage identifiziert worden. Dabei stammten die Informationen nicht nur aus einer entfernten Vergangenheit, sondern deckten einen längeren Zeitraum bis in die jüngste Vergangenheit ab. Die Aussage eines Informanten stamme sogar aus der Zeit, in der die Sicherheitsüberprüfung noch "gelaufen" sei. Dabei sei in der Personenakte jeweils vermerkt, von wem die Informationen über den Kläger herrührten. Es könne nicht gesagt werden, von wem diese Informationen herrührten, da sonst eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BfV und eine Gefährdung der Informanten zu besorgen seien. Die Informantenangaben stünden zudem im Einklang mit den generellen methodischen Erkenntnissen des BfV zur N. . Es sei bekannt, dass Mitglieder der N. sich konspirativ verhielten, sich mit anderen N. Mitgliedern umgäben und dementsprechend in den nämlichen Häusern wohnten. Auch habe der Kläger zum Datum seines Einzugs in die L. str. 00 divergent vorgetragen; so habe er am 18. Juni 1996 angegeben, dass er erst 1986 dort eingezogen sei. Lege man dieses Datum des Einzuges zugrunde, spreche auch für eine Mitgliedschaft des Klägers in der N. , dass er den Ausdruck "AK-ler" gekannt habe. Der Ausdruck sei nämlich nur in den Kreisen der N. verwendet worden, dies für eine "Arbeitskonferenz", die nur bis ca. 1979 gedauert habe. Es sei daher unplausibel, wenn der Kläger 1986 von diesem Ausdruck zufälligerweise erfahren haben wolle.

Im Rahmen des Verfahren VG Köln 20 L 1221/99 hat das Gericht am 30. September 1999 einen Erörterungstermin durchgeführt. Es wurde ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Kläger seinen Arbeitgeber darum bitten werde, beim BmW einen neuen Antrag auf Verschlusssachenermächtigung zu stellen. Das BfV verpflichtete sich auf den neuen Antrag eine neue Bewertung bezüglich des Sicherheitsrisikos unter Berücksichtigung der Erörterungen und Erkenntnisse vor dem Verwaltungsgericht zu erstellen. Hinsichtlich des näheren Inhalts des Erörterungstermins wird auf das Protokoll des Termins sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 Bezug genommen.

Am 4. November 1999 stellte die E. AG bei dem Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BmWT) für den Kläger einen weiteren Antrag nach § 9 SÜG, in dessen Rahmen der Kläger eine Vielzahl von Auskunfts- bzw. Referenzpersonen benannte. Mit Schreiben vom 17. Januar 2000 teilte das BfV dem BmWT mit, dass Umstände gegeben seien, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Klägers ein Sicherheitsrisiko darstellten. Er sei durch zwei unabhängig voneinander tätige, zuverlässige Informanten als Angehöriger der N. seit den frühen 70er Jahren bezeichnet worden. Beide Informanten hätten ihn - zuletzt 1988 - aufgrund von Lichtbildern identifiziert, einem Informanten sei er mit Namen und Vornamen bekannt. Anhaltspunkte für eine Fehlidentifizierung lägen nicht vor, an der Zuverlässigkeit der Informanten bestünden keine Zweifel. Darüber hinaus sei auch die Ehefrau des Klägers 1988 im Rahmen einer Lichtbildvorlage als Mitglied der N. identifiziert worden. Ein weiterer zuverlässiger Informant habe diese 1988 nach Lichtbildvorlage als Teilnehmerin einer öffentlichen Veranstaltung der N. in N. identifiziert. Für eine Mit- gliedschaft des Klägers in der N. spreche damit, dass auch seine Frau bei der N. sei. Hierzu angehört teilte der Kläger u.a. mit, dass die Behauptung, dass auch seine Frau Mitglied der N. sei, falsch sei. Die Veranstaltung, an der seine Frau teilgenommen habe, solle benannt werden. Auch sei keine einzige der von ihm benannten Auskunfts- bzw. Referenzpersonen befragt worden. Daraufhin teilte das BfV dem BmWT mit, dass das konkrete Datum der N. -Veranstaltung aus operativen Gründen nicht genannt werden könne. Auf eine Befragung von Referenz- und Auskunftspersonen sei verzichtet worden, weil keine Aufklärung der N. - Mitgliedschaft zu erreichen gewesen wäre. Dies sei bereits bei den Sicherheitsermittlungen 1996 festgestellt worden, als 5 Personen und der Kläger befragt worden seien.

Mit Bescheid vom 2. März 2001 des BmWT wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Ermächtigung des Zugangs zu Verschlusssachen abgelehnt werde. Grund hierfür sei u.a., dass nach den Erkenntnissen des BfV sowohl er als auch seine Frau Angehörige der N. seien. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem VG Berlin erhoben (4 K /02), über die noch nicht entschieden ist.

Im Verlauf des Klageverfahren hat sich der Kläger an den Bundesbeauftragen für Datenschutz (BfD) gewendet. Dieser hat ihm mit Schreiben vom 17. Februar 1999 mitgeteilt, dass er durch die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch das BfV nicht in seinen Rechten verletzt werde. Eine konkrete Auskunft könne nicht erteilt werden, da der Erteilung einer solchen Auskunft durch das BfV nicht zugestimmt worden sei (§ 23 Abs. 5 Satz 2 SÜG). In der Folge wurde mitgeteilt, dass auch eine zweite Kontrolle, diese einschließlich der quellengeschützten Unterlagen, vorgenommen worden sei. Es habe sich bestätigt, dass schützwürdige Interessen des Klägers durch die Informationsverarbeitung des BfV nicht beeinträchtigt würden.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 hat das Gericht Mitarbeiter des BfV und des Bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) aufgrund Beweisbeschluss als Zeugen vernommen und den BfD informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme bzw. der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Das Gericht hat beim BfV die Personenakte angefordert. Mit Erklärung vom 17. Dezember 2001 hat das Bundesministerium des Inneren die Übersendung der Personenakte (weitestgehend) abgelehnt. Auf Antrag wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 7. November 2002 - auf den Bezug genommen wird - die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage bestätigt. Das Gericht hat den Verwaltungsvorgang des BfD angefordert. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 wurde die Akte mit Schwärzungen versehen vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (20 L 1221/99) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfV, des BmWT und des BfD Bezug genommen.

Gründe

Soweit das Verfahren hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu 1. und hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu 2. (bezüglich der Akten des Beklagten, die nicht zur Personenakte des Klägers gehören), übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Die im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide vom 23. Dezember 1998 bzw. 22. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1999 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vergl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass in der über ihn beim BfV geführten Personenakte (Az: ) vermerkt oder auf sonstige Weise festgehalten wird, dass die über ihn gespeicherten Daten unrichtig sind, soweit derzeit aus ihnen hervorgeht, dass er Mitglied bzw. Angehöriger der "N. " ist.

Streitgegenstand des Berichtigungsbegehrens sind die von der Beklagten verarbeiteten Daten des Klägers, nach denen er langjähriger Angehöriger bzw. Mitglied der N. sei (1.). Der Kläger hat bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch darauf, dass in der über ihn beim BfV geführten Personenakte vermerkt oder auf sonstige Weise festgehalten wird, dass diese Daten derzeit unrichtig sind (2.).

1.Anspruchsgrundlage für das Berichtigungsbegehren ist § 13 Abs. 1 BVerfSchG. Danach muss das BfV bei in Akten gespeicherten personenbezogenen Daten, die unrichtig sind, in der Akte vermerken oder auf sonstige Weise festhalten, dass diese Daten unrichtig sind. Dabei sind in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 1 BDSG personenbezogene Daten u.a. Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person. Solche Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse können auch "zusammengesetze", d.h. aus mehreren Tatsachen abgeleitete, Daten sein, wenn diese einer Person zugeordnet werden.

Vergl. Dammann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, Rdnr. 16 zu § 3; Schaffland/Wildfang, BDSG, Loseblatt, Stand April 2003, Rdnr. 6 zu § 3 BDSG; Gola/Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002, Rdnr. 4 f. zu § 3.

Bei der dem Kläger im Schreiben vom 31. Juli 1998 mitgeteilten - und auf Bl. 1 BA II genauso festgehaltenen - Angabe, dass er langjähriger Angehöriger der N. sei, handelt es sich um derart zusammengesetzte Daten.

Streitgegenstand sind diese und nicht andere - ebenfalls zusammengesetze - Daten des Inhalts, dass (nur) "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür bestünden, dass der Kläger langjähriger Angehöriger der N. sei. Dafür sprechen schon der eindeutige Inhalt der Mitteilung vom 31. Juli 1998 sowie Bl 1 BA II. Auch aufgrund der Aufgabenstellung des BfV können diese Daten nicht dahingehend verstanden werden, dass das BfV nur behauptet habe, dass es "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine Angehörigkeit bzw. Mitgliedschaft des Klägers in der N. gebe. Die in § 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG genannten "tatsächlichen Anhaltspunkte" beziehen sich allein darauf, dass aus den Informationen bzw. Daten "tatsächliche Anhaltspunkte" für Bestrebungen bzw. Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG folgen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 1 BVerfSchG, der das Vorhandensein von Daten als Voraussetzung dafür nennt, dass diese verarbeitet werden dürften, wenn und soweit nach den Daten "tatsächliche Anhaltspunkte" für "Bestrebungen bzw. Tätigkeiten" im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG vorliegen. Zum anderen folgt aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG nicht, dass das BfV nur "tatsächliche Anhaltspunkte" sammeln bzw. auswerten dürfte. § 3 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG markiert nur die "Anfangsschwelle" von der aus das BfV tätig werden darf.

Vergl. Borgs/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, Rdnr. 6 zu § 3 BVerfSchG.

Über diese Anfangsschwelle hinaus darf das BfV selbstverständlich auch dann "zusammengesetzte Daten" verarbeiten, wenn es mehr als "tatsächliche Anhaltspunkte" für verfassungsschutzrelevante Aktivitäten gibt. Denn dem BfV obliegt auch die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannte "Auswertungsaufgabe", d.h. es gehört gerade zu seiner Aufgabe, zusammenfassende Daten zu verarbeiten.

Siehe zur Auswertungsaufgabe des BfV Borgs/Ebert, a.a.O., Rdnr. 29; Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, Rdnr. 9 zu § 3 BVerfSchG.

Erstellt das BfV sodann "zusammenfassende" personenbezogene Daten - wie hier die ausdrückliche, positive Einschätzung, dass der Kläger langjähriger Angehöriger des N. sei - kann es sich nicht darauf zurückziehen, dass für diese Daten allein "tatsächliche Anhaltspunkte" (mehr oder wenig deutlicher Art) gegeben seien.

2. Der Kläger hat bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch darauf, dass in der über ihn beim BfV geführten Personenakte vermerkt oder auf sonstige Weise festgehalten wird, dass diese Daten derzeit unrichtig sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, da die vorliegende Klage eine Verpflichtungsklage ist.

Vergl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, Rdrn. 217 ff. zu § 113; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rdnr. 45 zu § 113.

Grundlage für den Berichtigungsanspruch des Klägers ist § 13 Abs. 1 BVerfSchG (a). Die Voraussetzungen für den Berichtigungsanspruch sind gegeben, da die Beklagte nicht positiv hat nachweisen können, dass die von ihr vorgehaltenen Daten gegenwärtig richtig sind (b).

a) Aus § 13 Abs. 1 BVerfSchG folgt ein Berichtigungsanspruch, wenn vorgehaltene Daten unrichtig sind. Ausweislich des Wortlauts der Vorschrift ist, soweit in Akten gespeicherte Daten unrichtig sind, dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Für den Fall der "Unrichtigkeit" der gespeicherten Daten ist damit die Berichtigung nicht auf einen "Bestreitensvermerk" beschränkt (wie hier vom BfV auf den vorgelegten Personenakte geschehen). Denn sonst liefe - der bei unrichtigen Daten in § 13 Abs. 1 BVerfSchG ausdrücklich genannte - Berichtigungsanspruch ins Leere. Im Übrigen würde eine Beschränkung auf die Anbringung eines "Bestreitensvermerks" bedeuten, dass der Betroffene jedenfalls im Verdacht bleibt, dass die Daten eben doch zutreffend sind - obschon sie tatsächlich unrichtig sind.

Dem Kläger steht auch ein subjektiv-öffentliches Recht auf Berichtigung der Daten zu. Aus § 13 Abs. 1 BVerfSchG folgt jedenfalls dann ein subjektiv-öffentlicher Anspruch des Betroffenen, wenn die gespeicherten unrichtigen Daten ihn - wie hier - in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen. Dies ergibt sich aus dem Bestehen subjektivrechtlich ausgeformter Paralellregelungen zu den in Dateien gespeicherten Daten (z.B. § 12 Abs. 1 und 2 BVerfSchG) und aus der Überlegung, dass es für den Betroffenen keinen entscheidenden Unterschied macht, ob seine Daten in Dateien oder Akten gespeichert sind. Auch § 13 Abs. 2 BVerfSchG und § 20 BDSG (Überschrift des Abschnitts: "Rechte des Betroffenen") deuten darauf hin, dass es ein subjektiv-öffentliches Recht auf Korrektur von Daten in Akten geben kann.

Siehe zu § 20 BDSG Mallmann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, Rdnr. 1 ff. zu § 20.

b) Die Voraussetzungen für den Berichtigungsanspruch sind gegeben, da die Beklagte bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht positiv hat nachweisen können, dass die von ihr vorgehaltenen Daten gegenwärtig richtig sind. Zwar spricht vieles dafür, dass die Erhebung der Daten 1988 und ihre Verarbeitung bis 1995/1996 rechtmäßig war, da deren Richtigkeit durch Quellen belegt und nicht substantiiert in Zweifel gezogen wurde. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Richtigkeit der Daten allerdings nicht mehr festgestellt werden. Im Rahmen des § 13 Abs. 1 BVerfSchG trägt die Beklagte grundsätzlich die Beweislast für die Richtigkeit der gegenwärtig von ihr vorgehaltenen Daten (aa). Den Beweis der Richtigkeit der von ihr vorgehaltenen Daten kann das BfV derzeit nicht führen (bb).

aa) Aus § 13 Abs. 1 BVerfSchG folgt ein Berichtigungsanspruch, wenn vorgehaltene Daten unrichtig sind. Im Rahmen dieser Vorschrift trägt die Beklagte grundsätzlich die Beweislast für die Richtigkeit der gegenwärtig von ihr vorgehaltenen Daten, wobei die Beweislast durch die berechtigte Nichtvorlage der Akten sowie durch die Pflicht der Beklagten zur substantiellen Überprüfung der Richtigkeit der Akten mit determiniert wird. Dabei steht einer Anwendung der Grundsätze über die materielle Beweislast nicht entgegen, dass es um eine Entscheidung nach berechtigter Verweigerung der Vorlage von Akten nach § 99 VwGO geht.

Siehe BVerfGE 101, 106 (121); BVerwG, DVBl 1996, S. 814 (816); BVerwG, VBlBW 1993, S. 418 (420); Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rdnr. 22a zu § 99; Mayen, NVwZ 2003, S. 537 ff.

Dass die Beklagte grundsätzlich die materielle Beweislast für die Richtigkeit der von ihr vorgehaltenen Daten trägt, ergibt sich daraus, dass sie es ist, die die den Kläger belastenden Daten vorhält und dass diese Belastung in ihrem Rechtskreis wurzelt. Unerheblich ist, dass der Kläger sich in einer Verpflichtungsposition befindet, da auch bei Verpflichtungsklagen anerkannt ist, dass der bzw. die Beklagte die materielle Beweislast trägt, wenn es im Rahmen einer Verpflichtungsklage um die Beseitigung einer Belastung geht.

Vergl. zu diesen Kriterien für eine Zuweisung der Beweislast z.B. BVerwGE 18, S. 168 (170 ff.); 44, 265 (271); 66, 168 (170); Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 14 f. zu § 108.; Geiger, a.a.O., Rdnr. 2a zu § 86.

Dementsprechend ist z.B. anerkannt, dass bei Verboten mit Erlaubnisvorbehalt die Behörde die Beweislast für die von ihr vorgebrachten Behauptungen - z.B. Unzuverlässigkeit - trägt und dass bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst die Behörde die Beweislast für die Verfassungstreue des Bewerbers trägt.

Vergl. zu ersterem Kopp/Schenke, a.a.O., Geiger, a.a.O und zu letzterem BVerwGE 47,330 (338 f.). Siehe auch § 20 Abs. 4 BDSG.

Diese Verteilung der Beweislast bezüglich des Berichtigungsanspruchs nach § 13 Abs. 1 BVerfSchG gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Behörde die Vorlage der Akten nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert hat. Trüge der Bürger die Beweislast für Tatsachen, deren Inhalt weder er noch das Gericht kennt, wäre seine aus § 13 Abs. 1 BVerfSchG folgende Position weitestgehend entwertet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gebietet es aber, dass dem Bürger effektive Mittel zur Berichtigung unrichtiger Daten zu Verfügung stehen.

Siehe dazu BVerfGE 65, 1 (46); Mallmann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, Rdnr. 2 zu § 20. Für eine Zuweisung der Beweislast an den Verfassungsschutz nach verweigerter Aktenvorlage auch Gusy, in: Verfassungsschutz in der Demokratie, hrsg. vom Bundesamt für Verfassungsschutz, 1990, S. 100.

Insoweit darf der Behörde allerdings die Erbringung des Beweises nicht allein deshalb abgeschnitten werden, da sie berechtigterweise die Vorlage der Akten nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert hat. Ohne die Vorlage der Akten wird auch die Behörde häufig nicht vollständig den ihr obliegenden Beweis erbringen können. Es würde aber das Vorlageverweigerungsrecht weitestgehend entwerten, wenn die rechtmäßige Verweigerung der Aktenvorlage - regelmäßig - zum Prozeßverlust führ- te.

Vergl. OVG NRW, NVwZ-RR, 1998, S. 398 (399); Mayen, a.a.O., S. 539, 542.

Im Fall der berechtigten Verweigerung der Vorlage der Akten kann die Behörde den ihr obliegenden Beweis aber - auch unter Berücksichtigung der Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung - regelmäßig nur dann führen, wenn sie die Richtigkeit der Daten jedenfalls dann selbst substantiell überprüft hat, wenn der Betroffene deren Richtigkeit substantiiert bestreitet. Einfachrechtlich ergibt sich dies zunächst daraus, dass bei nicht hinreichender Überprüfung der vorgehaltenen Daten durch das BfV - nach substantiierten Bestreiten von deren Richtigkeit durch den Kläger - dieses ohne Vorlage der Akten eben nicht den ihm obliegenden Beweis erbringen kann, dass die vorgehaltenen Daten richtig sind. Eine nicht hinreichende Überprüfung des Sachverhalts durch die Behörde kann bei weiterer Nichtaufklärbarkeit dazu führen, dass sie den ihr obliegenden Beweis eben nicht erbringen kann.

Vergl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 17. Umfassend Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, 1989, S. 258 ff.

Eine Pflicht zur erneuten Überprüfung der Richtigkeit der vorgehaltenen Daten ergibt sich aber auch aus einer entsprechenden Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 BVerfSchG. Danach überprüft das BfV die Richtigkeit der in Dateien vorgehaltenen Daten unter anderem im Rahmen der jeweiligen Einzelfallbearbeitung. Diese Vorschrift ist hier auf die in den Akten des Klägers gesammelten Daten entsprechend anwendbar, da der Kläger durch die Vorhaltung dieser Daten zumindest genauso belastet wird, wie wenn seine Daten in Dateien gespeichert würden. Die Einzelfallbearbeitung gab hier auch allen Anlass zu einer erneuten Überprüfung, nachdem der Kläger die Richtigkeit der Daten substantiiert bestritten hatte.

Aber auch von Verfassungs wegen war hier eine substantielle Überprüfung der Richtigkeit der vorgehaltenen Daten durch die Behörde gefordert. Dies ergibt sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung - das hier wegen der Verarbeitung der Daten des Klägers betroffen ist - ergibt sich unter anderem, dass zum Schutz des Grundrechts verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen werden müssen. Dies gilt gerade dann, wenn ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Rechts nur eingeschränkt möglich ist.

Vergl. BVerfGE 65, 1 (41 ff., 46, 49 ff., 70 f.). Für den Bereich des Grundrechtes aus Art. 12 Abs. 1 GG siehe BVerfGE 84, 34 (45 ff.) und BVerwGE 92, 132 (136 ff.).

Dem hinzutretend folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG - auch für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - ein Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann. Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, wird auch die Kenntnisnahme durch das Gericht grundsätzlich von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG umschlossen. Art. 19 Abs. 4 GG schließt allerdings, obwohl er vorbehaltlos formuliert ist, Einschränkungen aus Gründen der Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht aus.

Vergl. zu alledem BVerfGE 101, S. 106 (122 ff.)

Scheidet nun - wie vorliegend - eine Kenntnisnahme der Verwaltungsvorgänge durch das erkennende Gericht aus, weil die Behörde deren Vorlage aus Geheimhaltungsgründen berechtigterweise verweigert hat, erfordern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung i.V.m. dem Recht auf einen effektiven Rechtsschutz des Betroffenen zumindest, dass die Behörde, die als einzige der Verfahrensbeteiligten die Verwaltungsvorgänge kennt, die Richtigkeit der in diesen enthaltenen Feststellungen jedenfalls dann substantiell überprüft, wenn deren Richtigkeit substantiiert bestritten wird. Wenn schon das Gericht infolge der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Verwaltungsvorgänge keinen effektiven Rechtsschutz gewähren kann, muss ein solcher zumindest durch die Behörde erfolgen. Insoweit besteht ein Anspruch des Betroffenen darauf, dass die Behörde die einmal getroffene Entscheidung substantiell überprüft.

Vergl. zum Anspruch auf ein effektives "Überdenken" getroffener Verwaltungsentscheidungen bei eingeschränkter gerichtlicher Kontrollmöglichkeit BVerwGE 92, 132 (136 ff.).

Zu diesem Anspruch auf substantielle Überprüfung gehört, dass der Vortrag des Betroffenen zutreffend gewürdigt wird, die vorliegenden Tatsachen richtig bewertet werden und die Angaben der Quellen und die Quellen selbst konkret überprüft werden. Zum einen handelt es sich bei diesen Anforderungen um solche, die sich unmittelbar aus einer entsprechenden Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 BVerfSchG i.V.m. § 24 Abs. 1 und 2 VwVfG ergeben. Zum anderen handelt sich im Rahmen des genannten verfassungsrechtlichen Ansatzes um Mindestanforderungen, die - wenn die Akte dem Gericht zugänglich gemacht worden wäre - vom Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung bzw. Amtsermittlung selbst zu erfüllen gewesen wären. Diese Anforderungen sind nach dem oben Gesagten gewissermaßen auf die Behörde "delegiert".

bb) An diesen Maßstäben gemessen kann die Beklagte nicht beweisen, dass die von ihr vorgehaltenen Daten derzeit richtig sind. Hier hat nämlich das BfV der ihm obliegenden Pflicht, nach substantiierten Bestreiten der Richtigkeit der vorgehaltenen Daten durch den Kläger im Rahmen und im Anschluss an das zweite Sicherheitsüberprüfungsverfahrens, den Vortrag des Klägers zutreffend zu würdigen, die vorliegenden Tatsachen richtig zu bewerten und die Angaben der Quellen und der Quellen selbst konkret zu überprüfen, in mehrfacher Hinsicht nicht genügt: Zunächst hat der Kläger bereits im Rahmen der Befragung vom 18. Juni 1996 detailliert und substantiiert bestritten, dass er etwas mit der N. zu tun gehabt habe. Der befragende Beamte hat insoweit festgehalten, dass die Einlassungen zu dem Fragenkomplex glaubhaft erschienen und sich weitgehend mit dem Ermittlungsergebnis deckten. Dass diese - zugunsten des Klägers ausgesprochene - Einschätzung des seinerzeit tätig gewordenen Mitarbeiters dann später in irgendeiner Form noch Berücksichtigung gefunden hätte, was nahe gelegen hätte, ist nicht ersichtlich. Umgekehrt wurde dem Kläger in der Folge vorgehalten, dass er die Unwahrheit sage und falsche eidesstattliche Versicherungen abgebe (vergl. Bl. 214 ff. GA, Bl. 33 BA VI).

Weiter hat das BfV die Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung vom 18. Juni 1996 falsch gewürdigt. So ist das BfV davon ausgegangen, dass der Kläger gesagt habe, dass er erst 1986 in die L. str. 00 eingezogen sei. Daraus wurde dann zum einen gefolgert, dass der Kläger das Datum seines Einzuges verschleiere (Bl. 214 ff. GA). Zum anderen - und vor allem - wurde ihm im Zusammenhang damit vorgeworfen, dass er den Ausdruck für die unter ihm wohnende WG "AK-ler" gekannt habe. Die Verwendung dieses Ausdrucks, der 1986 nur Eingeweihten der N. bekannt gewesen sei, zeige, dass der Kläger selbst Angehöriger der N. gewesen sein müsse (Bl. 214 ff. GA, Vermerk vom 8. Februar 1999 BA VII). Wie sich in der mündlichen Verhandlung aber gezeigt hat, hat der Kläger nie behauptet, dass er erst 1986 in die Wohung in der L. str. 00 eingezogen sei, vielmehr hat er immer vorgetragen, dass er schon 1976/77 dort eingezogen sei. Der diesbezügliche Vermerk vom 18. Juni 1996 beruht auf einem offensichtlichen Missverständnis (das sich daraus erklärt, dass der Kläger sich in dieser Wohnung letztmalig 1986 melderechtlich angemeldet hat). Geht man aber davon aus, dass der Kläger 1976/77 in die Wohnung in der L. str. 00 eingezogen ist, hat er das Datum des Einzugs nicht verschleiert. Vor allem aber erklärt sich seine Angabe, dass in der Wohnung unter ihm die "AK-ler" gewohnt hätten, zwanglos aus den Zeitumständen, was auch das BfV einräumt. Es war zu der Zeit eben in dem Haus üblich, dass diese Wohngemeinschaft als "AK-ler" bezeichnet wurden.

Auch hat der Kläger im Rahmen der zweiten und vor allem auch im Rahmen der dritten Sicherheitsüberprüfung eine Vielzahl von Referenzpersonen angegeben, die zu seiner politischen Einstellung Auskunft geben könnten. Das BfV hat von diesen Referenzpersonen nur im Rahmen des zweiten Sicherheitsüberprüfungsverfahrens 5 "ohne Ergebnis" befragt und hat festgehalten, dass auf eine weitere Überprüfung bewusst verzichtet worden sei, weil dadurch keine Aufklärung der N. - Mitgliedschaft zu erreichen gewesen wäre (Bl. 44 BA VI). Der nicht fernliegenden Wertung, dass 5 Referenzpersonen nur deshalb "ohne Ergebnis" befragt wurden, da der Kläger eben nicht Angehöriger der N. war und dass weitere Befragungen zu Tage hätten fördern könne, dass von einer N. -Mitgliedschaft in einem entlastenden Sinne nichts bekannt sei, bzw. dass der Kläger von seiner politischen Einstellung her niemals "Links" gewesen sei, hat es sich hingegen verschlossen.

Schließlich und vor allem hat das BfV die Angaben der Quellen und die Quellen selbst seit 1988, trotz einer diesbezüglichen internen Anregung (vergl. Bl. 2 BA II), trotz des nachhaltigen Bestreitens des Klägers und trotz des diesbezüglichen Vergleiches vom 30. September 1999 vor dem erkennenden Gericht im Verfahren 20 L 1221/99 - der eine Überprüfung der Quellen umschloss - nicht konkret überprüft. Dies ergibt sich aus den Angaben des in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 als Zeugen vernommenen Beamten des BayLfV, bei dem der oder die Informanten allein geführt werden, sowie aus dem Verwaltungsvorgang selbst (Bl. 31 BA VI). Die anders lautenden Angaben eines als Zeugen vernommen Beamten des BfV, nach dem eine Quelle 1996 nochmals zum Kläger befragt worden sei, sind für das Gericht daher in dieser Form nicht verständlich, dies zumal das BfV für eine Überprüfung der Quellen selbst nicht zuständig ist. Im Übrigen genügte die Abgabe einer lapidaren Aussage "Ja, er war immer dabei" nicht der Pflicht der Behörde, die Angaben des Informanten und den Informanten selbst konkret und qualifiziert zu überprüfen. Ohne eine solche Überprüfung der Quellen und ihrer Angaben im Einzelnen kann aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt angesichts des Bestreitens durch den Kläger nicht festgestellt werden, dass die 1988 abgegebenen Angaben heute noch hinreichend tragfähig sind.

Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Mängel kann derzeit durch die Beklagte nicht der Beweis geführt werden, dass der Kläger langjähriger Angehöriger bzw. Mitglied der N. war bzw. ist. Zwar hat die Beklagte zunächst einmal schlüssig angegeben, dass er seit den frühen 70er Jahren Mitglied der N. gewesen sei bzw. sei. Dies werde durch übereinstimmende und voneinander unabhängig bestehende Angaben von zuverlässigen Informanten betätigt, die ihn im Rahmen einer Lichtbildvorlage - zuletzt 1988 - identifiziert hätten. Auch hat der Kläger in einem Haus gewohnt, in dem es eine "N. " gab und seine jetzige Ehefrau soll auch N. -Mitglied gewesen sein. Jedoch sind die Angaben der Informanten letztlich unsubstantiiert geblieben, zudem können sie - aufgrund der fehlenden Aktenvorlage - nicht weiter aufgeklärt werden. Auch sind Aussagen von anonym bleibenden Informanten - zumal wenn das Gericht sie nicht prüfen kann - mit Vorsicht zu würdigen. Regelmäßig kann eine Entscheidung nur auf diese Angaben gestützt werden, wenn die Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen - an den es hier gerade fehlt (siehe oben) - gestützt werden.

Vergl. BVerfGE 57, 250 (277 f.); BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), NJW 1996, S. 448 (449) m.w.N.

Allein der Umstand, dass der Kläger in einem Haus wohnte, in dem eine N. ansässig war, lässt - wie ein als Zeuge vernommener Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben hat - nicht den Rückschluss zu, dass alle in diesem Haus wohnenden Personen N. -Mitglieder gewesen seien. Insoweit mag es sogar so sein, dass gerade der Umstand, dass der Kläger in dem genannten Haus wohnte, Anknüpfungspunkt für falsche Verdächtigungen war. Auch die Angaben zur N. -Mitgliedschaft der Ehefrau des Klägers blieben weitgehend unsubstantiiert. Konkretes wurde - unverständlicherweise - aus "operativen Gründen" nicht genannt, obwohl die Veranstaltung (1988!), an der die Frau des Klägers teilgenommen haben sollte, eine öffentliche war. Eine Überprüfung der Quellenangaben bezüglich der Frau des Klägers unterblieb ebenfalls. Auch hat der Kläger unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen substantiiert bestritten, dass er (oder seine Frau) etwas mit der N. zu tun gehabt hätten; in der mündlichen Verhandlung machte er zunächst einmal einen glaubwürdigen Eindruck. Auf dieser Basis kann das erkennende Gericht vor dem Hintergrund der oben dargelegten Versäumnisse des BfV nicht die Überzeugung gewinnen, dass die vom BfV vorgehaltenen Daten zu- treffend sind.

Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung des § 99 Abs. 2 VwGO insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, als dass nach ihr dem mit der Hauptsache befassten Gericht nicht im Wege des "in camera Verfahrens" Einsicht in die maßgeblichen Verwaltungsvorgänge gewährt werden kann, und ob sich dies im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahingehend auswirkt, dass die Beklage die materielle Beweislast für die Richtigkeit der von ihr vorgehaltenen Daten trifft und sie den ihr obliegenden Beweis schon deswegen nicht erbringen kann, da sie die Akten nicht vorgelegt hat.

Vergl. zum ersten Gesichtspunkt BVerfGE 101, 106 (121 ff.) und OVG NRW, NVwZ 2001, S. 820 f. Aus der Literatur Rudisile, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt Stand Januar 2003, Rdnr. 35 ff. zu § 99; Seibert, NVwZ 2002, S. 265 (270); Mayen, a.a.O., S. 538 ff.; Margedant, NVwZ 2001, S. 759 (762). Zum zweiten Gesichtspunkt Mayen, a.a.O., S. 538, 543 f.

Eine Vertagung der Sache, um dem BfV Gelegenheit zu geben, die oben genannten Anforderungen zu erfüllten, schied aus. Das BfV hat sich einer erneuten Überprüfung im oben genannten Sinne verschlossen, obschon diese bereits Gegenstand des Vergleiches im Eilverfahren war (VG Köln 20 L 1221/99). Vielmehr hat es - auch nachdem aufgrund der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 klar war, dass es zu Fehlbewertungen und Ermittlungsdefiziten gekommen war - darauf beharrt, dass die von ihm vorgehaltenen Daten richtig seien.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung der verschiedenen Streitwertstufen. Hinsichtlich des nicht erledigten Teils des Antrags zu 2. waren der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Hinsichtlich des erledigten Teils des Antrags zu 2. entspricht es billigem Ermessen der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da der Kläger mit seinem Begehren vermutlich Erfolg gehabt hätte (§ 161 Abs. 2 VwGO). Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Antrags zu 1. entspricht es billigem Ermessen i. S. v. § 161 Abs. 2 VwGO dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er voraussichtlich unterlegen wäre. Einer weiteren Auskunftserteilung standen nämlich Geheimhaltungsinteressen entgegen, wie sich mittelbar aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Zwischenstreit nach § 99 Abs. 2 VwGO ergibt.

Vergl. zum Maßstab für die Kostenentscheidung nach § 161 Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 16 ff. zu § 161; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rdnr. 15 ff. zu § 161.

Die Quotelung im Rahmen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung trägt den unterschiedlichen Obsiegens bzw. Unterliegensquoten im Rahmen der verschiedenen Streitgegenstände Rechnung.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da sie we- sentliche Bedeutung für die Art und Weise der Verteilung der Beweislast nach berechtigter Verweigerung der Aktenvorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat.






VG Köln:
Urteil v. 17.07.2003
Az: 20 K 2054/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3e14f5f1ec10/VG-Koeln_Urteil_vom_17-Juli-2003_Az_20-K-2054-99




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