Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 225/02

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2004, Az.: 30 W (pat) 225/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Waren

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide"

ist seit 21. September 2000 unter der Nr 300 952 eingetragen das Zeichen Migrania.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit 1894 für die Waren

"Fiebermittel, insbesondere Mittel gegen Kopfschmerzen"

unter der Nr 16944 eingetragenen Marke MIGRÄNIN.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes ua diesen Widerspruch zurückgewiesen; den trotz normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweise identischer Waren gebotenen deutlichen Abstand halte das angegriffene Zeichen noch ein, da der gemeinsame Bestandteil Migran/MIGRÄN wegen seines Hinweises auf Migräne und im Hinblick auf die Drittzeichenlage keine besondere Kennzeichnungskraft zukomme, so daß die Unterschiede in den nachfolgenden abweichenden Bestandteilen ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangten. Diese Unterschiede reichten sowohl im Klang- wie im Schriftbild aus, um Verwechslungen ausreichend sicher entgegenzuwirken.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese mit näheren Ausführungen insbesondere darauf gestützt, es handele sich bei der Widerspruchsmarke um ein besonders altes und stets benutztes Zeichen. Jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Eintragung sei der Fachbegriff Migräne kaum allgemein bekannt gewesen, so daß bei der Widerspruchsmarke von keiner Kennzeichnungsschwäche auszugehen sei. Die angegriffene Marke stimme bis auf die Umlautpünktchen über dem A und dem jeweils letzten Buchstaben mit der Widerspruchsmarke vollkommen überein, so daß zumindest im Schriftbild der gebotene erhebliche Abstand nicht eingehalten werde. Selbst bei durchschnittlicher Handschrift würden die am Wortende liegenden Buchstaben oft nur noch undeutlich geschrieben und Umlautpünktchen entweder ganz vergessen oder wenig deutlich gesetzt, so daß sich dann die Vergleichszeichen kaum auseinanderhalten ließen. Hinzu komme, daß in verschiedenen Computersystemen wie auch im Internet Umlaute oft nicht oder nicht korrekt wiedergegeben werden könnten, so daß dann entweder die Umlaute durch den Grundlaut und ein nachgesetztes e oder aber einfach statt des Umlauts der zugrunde liegende Laut geschrieben werde. Dann stünden sich aber MIGRANIN und Migrania gegenüber.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung des angegriffenen Zeichens anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist darauf, daß es auch schon um 1900 Migräne als Krankheitsbezeichnung gegeben habe. Der Schutzumfang einer Marke könne sich auch im Laufe der Zeit verändern. Inzwischen seien neun jeweils den Markenteil Migra... enthaltende Zeichen in der Zeichenrolle enthalten. Demnach sei das Publikum gezwungen, auf Einzelheiten der jeweiligen Zeichen zu achten. Im Klangbild seien die Unterschiede in der Änderung des Vokals A zu Ä sowie durch die Ersetzung des Schluß-N durch ein A besonders deutlich. Aber auch im Schriftbild reichten die Abweichungen ohne weiteres aus, um Kollisionen zu verhindern. Umlautpünktchen würden auch in der Handschrift allenfalls durch andere Zeichen (entweder Häkchen oder Striche) wiedergegeben. Bei maschinenschriftlicher Wiedergabe könne nicht davon ausgegangen werden, daß statt des Ä ein reines A geschrieben werde, vielmehr werde allenfalls das Ä durch ein AE (wie auch bei der Widersprechenden in der Widerspruchseinlegung) ersetzt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch ohne Erfolg. Es besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG, so daß der Widerspruch zu Recht zurückgewiesen worden ist.

Der Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr bestimmt sich nach allen hierfür maßgebenden Umständen, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen, der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Diese Prüfung ergibt hier Folgendes:

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist für die beanspruchten Waren als unterdurchschnittlich einzustufen. Für Mittel gegen Kopfschmerzen ist Migräne ein bloßer Fachbegriff, nämlich die Bezeichnung für eine bestimmte Art von Kopfschmerz. Unter Migräne versteht man nämlich einen starken, meist auf einer Seite des Kopfes auftretenden Schmerz. Es handelt sich dabei um einen aus dem Französischen (Migraine) übernommenen Begriff, der seinerseits von Hemikrania (hemi = halb, kranion = Schädel) abgeleitet ist (vgl hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Elektronische Ausgabe, Stichwort Migräne). Ob dieser Fachbegriff bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Widerspruchsmarke allgemein geläufig war, kann dahingestellt bleiben. Der Schutzumfang einer Marke ist nicht auf alle Zeit unveränderlich festgelegt, sondern unterliegt im Laufe der Zeit einem steten Wandel. Im übrigen kommt es für die Frage der Kennzeichnungskraft nicht darauf an, inwieweit ein beschreibender Begriff allgemein bekannt ist (vgl hierzu BGH GRUR 1990, 453; L-Thyroxin). Von dem Fachbegriff Migräne unterscheidet sich aber die Widerspruchsmarke nur dadurch, daß das Endungse durch die im Medikamentenbereich sehr häufige Endung -in ersetzt ist.

Bei den beiderseitigen Waren können sich auch identische Waren gegenüberstehen. Diese Waren wenden sich auch an breite Verkehrskreise, weil Migräne ein sehr weit verbreitetes Krankheitsbild ist, das alle Bevölkerungsschichten jeglichen Alters treffen kann.

Den unter Abwägung dieser Umstände zur Vermeidung von Verwechslungen gebotenen Abstand hält das angegriffene Zeichen noch ein. Der Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr hängt dabei nämlich nicht allein davon ab, inwieweit die Ähnlichkeit der Zeichen selbst ausgeprägt ist, vielmehr handelt es sich dabei nur um eine Umschreibung des Schutzumfangs. Ist wie hier die Widerspruchsmarke an eine beschreibende Angabe angelehnt, so ist der Schutzumfang eng zu bemessen, dh, er beruht auf der Eigenprägung und der Unterscheidungskraft, die dem Zeichen trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe die Eintragungsfähigkeit verleiht. Ein darüber hinausgehender Schutz kann nicht beansprucht werden, weil er dem markenrechtlichen Schutz der beschreibenden Angabe selbst gleichkommen würde (vgl BGH GRUR 2003, 964, 965 - AntiVir/Anti-Virus). Von den danach die Widerspruchsmarke prägenden Abänderungen gegenüber dem beschreibenden Begriff Migräne macht aber das angegriffene Zeichen keinen Gebrauch. Bei der Widerspruchsmarke beruht die Kennzeichnungskraft allein auf der Abänderung des Endungs-E in "IN", während das angegriffene Zeichen das Endungse in "ia" abändert und außerdem das ä durch ein a ersetzt. Diese Unterschiede sind auch ausreichend deutlich hörbar.

Soweit die Widersprechende ausführt, das angegriffene Zeichen nähere sich hauptsächlich im Schriftbild der Widerspruchsmarke zu sehr, kann dies der Beschwerde aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. In der angeführten Entscheidung AntiVir/AntiVirus (BGH aaO) hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich die noch zum Warenzeichengesetz ergangenen Entscheidungen, insbesondere die Entscheidung REYNOLDS R1/EREINTZ (GRUR 1989, 264, 265) auch für das Markengesetz als verbindlich bestätigt. Nach dieser Entscheidung reichte aber selbst die klangliche Identität zwischen den Markenteilen EREINTZ und R1 nicht aus, um Verwechslungsgefahr anzunehmen, obwohl bei der diesem Verfahren zugrunde liegenden Warenlage (Zigaretten) mündliche Benennungen weit überwiegen, so daß die klangliche Verwechslungsgefahr keinesfalls zu vernachlässigen ist. Der Bundesgerichtshof führt aber aus, dass sich der Schutz von EREINTZ aus Rechtsgründen nur auf die besondere Schreibweise beziehen lässt. Dementsprechend kann auch hier die Ähnlichkeit im Schriftbild noch keine Verwechslungsgefahr im Rechtssinn begründen, zumal bei Arzneimitteln handschriftliche Wiedergaben deutlich rückläufig sind und zudem bei nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln jedenfalls nicht die Regel, sondern eher Ausnahmecharakter tragen.

Zu einer Auferlegung von Kosten bietet der Streitfall keinen Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
Beschluss v. 12.01.2004
Az: 30 W (pat) 225/02


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