Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. April 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 55/08

(BPatG: Beschluss v. 16.04.2009, Az.: 25 W (pat) 55/08)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 28. Juni 2006 angemeldete Marke Chronobio Retardist am 1. September 2006 für die Waren

"Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen, Fetten, Fettsäuren, soweit in Klasse 29 enthalten; Milchprodukte, Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Joghurt; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken"

unter der Nummer 306 39 763 in das Markenregister eingetragen worden. Die Inhaberin der am 6. März 2006 für die Waren

"pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide"

eingetragenen Marke 305 72 015 Chrono Directhat dagegen Widerspruch erhoben.

Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 15. Juli 2008 wurde der Widerspruch durch eine Prüferin des höheren Dienstes zurückgewiesen.

Es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Marken könnten sich teilweise, nämlich hinsichtlich der diätetischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke auf identischen Waren begegnen. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke müsse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Bei der Zielgruppe für die in Rede stehenden Waren könne es sich zwar auch um breite Verkehrskreise handeln, die aber bei Waren, welche die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden betreffen, eine gewisse Sorgfalt walten lassen. Der erforderliche Abstand werde von der angegriffenen Marke zu der Widerspruchsmarke selbst bei identischen Waren und Anwendung nur durchschnittlicher Sorgfalt noch eingehalten. Die Markenbegriffe unterschieden sich schon auffällig durch ihre Wortlänge. Sie wiesen eine andere Silbenzahl, eine andere Vokalfolge sowie einen unterschiedlichen Sprechund Betonungsrhythmus auf. Es bestehe kein Anlass, einen Bestandteil der Marken wegzulassen oder zu vernachlässigen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise sei dem Markenrecht fremd. Der Bestandteil "Chrono" weise auf "Zeit, chronisch" hin, "bio" auf etwas "Natürliches, Biologisches", "Retard" auf eine zeitverzögernde Wirkung und "Direct" auf eine sofortige Wirkung. Folglich sei kein Bestandteil mehr prägend für die Gesamtmarke als ein anderer. Ferner handle es sich bei dem Wort "Chronobio" der angegriffenen Marke ohnehin um ein Wort, von dem erfahrungsgemäß Teile nicht abgetrennt würden. Verwechslungen in klanglicher Hinsicht seien aufgrund der genannten Unterschiede ausgeschlossen. Die Bedeutungen der Bestandteile dienten noch zusätzlich dazu, die Marken besser auseinander zu halten. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit sei wegen der unterschiedlichen Wortlänge und der unterschiedlichen Umrisscharakteristik ausgeschlossen.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des DPMA vom 15. Juli 2008 aufzuheben und die Marke 306 39 763 Chronobio Retard zu löschen.

Aufgrund des glatt beschreibenden Charakters der Zeichenelemente "Direct" einerseits und "Retard" andererseits sei maßgebend darauf abzustellen, dass die Zeichen in ihren ersten Bestandteilen "Chrono" einerseits und "Chronobio" andererseits eine hochgradige Ähnlichkeit aufwiesen. Da der Beginn der Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke identisch enthalten sei und lediglich durch den wiederum glatt beschreibenden -Zusatz "bio" ergänzt werde, reichten die Unterschiede in den Zeichen nicht aus, um eine sichere Unterscheidung zu gewährleisten. Die Bestandteile "Direct" und "Retard" könnten für den Gesamteindruck vernachlässigt werden. Der Bestandteil "Chrono" sei dagegen als Herkunftshinweis zu verstehen. Auch wenn der Bestandteil einen beschreibenden Anklang in Bezug auf "Zeit" oder "chronisch" aufweisen sollte, sei damit insbesondere im Vergleich zu dem Begriff "Direct" kein Hinweis auf eine bestimmte Indikation, Anwendung oder Wirkungsweise verbunden. Beschreibend sei daher allein der Bestandteil "Direct", so dass dem Bestandteil "Chrono" selbständig kollisionsbegründende Funktion zukomme. Ähnlich verhalte es sich bei der angegriffenen Marke, die mit dem Bestandteil "Retard" einen beschreibenden Begriff in dem Sinne aufweise, dass auf eine zeitverzögernde Wirkung hingewiesen werde. Ausgehend davon, dass die Bestandteile "Direct" und "Retard" in die Verwechslungsprüfung nicht einzubeziehen seien, blieben die Begriffe "Chrono" und Chrono(bio)" zu vergleichen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die Zeichen aufgrund der teilweisen Identität in Bezug auf den Begriff "Chrono" hochgradig ähnlich. Die Unterschiede in den Zeichen beschränkten sich auf ihre glatt beschreibenden Bestandteile. Dies reiche nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).

Die Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" der Widerspruchsmarke sind identisch im Warenverzeichnis der jüngeren Marke enthalten und den weiteren Waren der angegriffenen Marke ähnlich. Maßgeblicher Verkehrskreis ist das allgemeine Publikum.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist geschwächt, da die Einzelelemente "Chrono", ein Wortbestandteil, der auf Zeit hinweist und "Direct", ein Wort, das auf die direkte Wirkung hinweist, eher kennzeichnungsschwach bzw. schutzunfähig sind. Hinzu kommt, dass "chron." u. a. die Abkürzung für "chronisch" ist, und "Chrono" insoweit stark an diese Abkürzung angelehnt ist. Auch gibt es in der Warenklasse 5 zahlreiche Marken, welche diesen Bestandteil aufweisen, welche die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 21. November 2008 aufgeführt hatte. Unabhängig davon, inwieweit diese Marken benutzt werden, zeigen die zahlreichen nationalen und IR-Marken mit diesem Bestandteil, dass es sich um ein Wortelement handelt, welches auf dem vorliegenden Warengebiet eine Originalitätsschwäche aufweist. Doch selbst wenn man der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit noch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuerkennen sollte, so könnte sich diese allenfalls aus der konkreten Verbindung der beiden Bestandteile ergeben, nämlich wenn man sie als einen noch phantasievollen Gesamtbegriff auffasst, da die konkrete Verbindung "Zeit Direct" als nicht unmittelbar beschreibend erscheint.

In der Gesamtheit besteht zwischen "Chronobio" Retard" und "Chrono Direct" keine Verwechslungsgefahr, da nur die beiden ersten Silben von sechs bzw. vier Silben übereinstimmen und im Übrigen keine Übereinstimmungen bestehen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die beschreibenden Bestandteile "Retard" und "Direct" vom Verkehr in kennzeichnender Hinsicht nicht beachtet werden, wovon angesichts der Kennzeichnungsschwäche von Chrono" bei der Widerspruchsmarke und angesichts der sehr starken Anlehnung von "Chronobio" an den Fachbegriff "Chronobiologie" (Fachgebiet der Biologie, auf dem die zeitlichen Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Lebensvorgängen erforscht werden) bei der angegriffenen Marke, nicht ohne weiteres angenommen werden kann, besteht keine Verwechslungsgefahr. Vergleicht man lediglich die Bestandteile "Chronobio" und "Chrono" unter außer Achtlassung der weiteren Bestandteile, so ist der Unterschied in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht zwischen "Chronobio" und "Chrono" aufgrund der zusätzlichen Silbe "bio" bei der angegriffene Marke immer noch sehr deutlich.

Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass die Marken wegen des übereinstimmenden Bestandteils "Chrono" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diesem Bestandteil fehlt der Hinweischarakter auf den Betrieb der Widersprechenden. Der Wortbestandteil "chrono..., Chrono..." (bzw. "chron..., Chron...") ist ein Wortbildungselement mit der Bedeutung "Zeit, die Zeit betreffend" (vgl. Duden, Fremdwörterbuch 8. Aufl. S. 183). So gibt es z. B. die Fachwörter "Chronobiologie", "Chronometrie", "Chronopathologie" und "Chronophysiologie". Der Verkehr wird in diesem Bestandteil einen beschreibenden Hinweis sehen, dass die Zeit hier eine Rolle spielt. Er hat dagegen keinen Anlass, darin einen Stammbestandteil einer Zeichenserie der Widersprechenden zu vermuten, zumal "chron.", woran "Chrono" stark angelehnt ist, u. a. auch die Abkürzung für "chronisch" darstellt. Auch gibt es weitere Marken anderer Firmen, welche diesen Bestandteil aufweisen. Insoweit hat der Verkehr ebenfalls keinen Anlass, lediglich wegen der Übereinstimmung in diesem Bestandteil anzunehmen, es handle sich bei der angegriffenen Marke um eine Marke der Widersprechenden bzw. es bestünden Verbindungen zwischen den Verwendern der beiden Marken, auch wenn für die Widersprechende noch die Marken "Chrono Akut" und "Chrono-Depot" eingetragen sind.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Kliems Merzbach Bayer Hu






BPatG:
Beschluss v. 16.04.2009
Az: 25 W (pat) 55/08


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