Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. April 2011
Aktenzeichen: 26 W (pat) 531/10

(BPatG: Beschluss v. 13.04.2011, Az.: 26 W (pat) 531/10)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 26 März 2010 aufgehoben, soweit die Löschung der eingetragenen Wortmarke 30 2008 008 655 "Jetter" auch für die Waren "Klasse 32: Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" angeordnet worden ist. Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.

2.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 32: Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Weine und Getränke"

eingetragene Wortmarke 30 2008 008 655 Jetterist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, seit 16 März 2005 für die Waren "Klasse 33: Weine" eingetragene Gemeinschaftsmarke EM 003321577 JESTER.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamtes hat unter dem 26. März 2010 die Löschung der angegriffenen Marke mit der Begründung beschlossen, dass zwischen den Marken Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bestehe. Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch, teilweise mittelgradig bis entfernt ähnlich, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bewege sich im mittleren Bereich. Den angesichts dessen gebotenen Abstand von der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke nicht ein. Die Vergleichszeichen entsprächen sich vollständig in ihrem Aufbau, der Lautund Silbenzahl und in ihrer Silbengliederung, in der Reihe von Vokalen und Konsonanten sowie im Lautbestand auch der klangtragenden Vokalfolge. Das "s" in der Widerspruchsmarke werde durch das nachfolgende "t", das an jeweils gleicher Stelle in den Vergleichsmarken vorkomme, übertönt. Bei der im Geschäftsleben vorherrschenden schnelleren und meist auch nachlässigeren Aussprache bleibe die klangliche Abweichung unauffällig. Auch im schriftbildlichen Vergleich ließen sich beide Marken kaum voneinander unterscheiden. Wenig auffällige Unterschiede im Wortinneren seien nicht in der Lage, eine Kollisionsgefahr auszuschließen. Der klangliche und schriftbildliche Gesamteindruck beider Marken sei so verwirrend ähnlich gestaltet, dass Markenverwechslungen infolge von Hörund Merkfehlern nicht mit der gebotenen Sicherheit auszuschließen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, eine Verwechslungsgefahr sei ausgeschlossen. Zwischen den von ihr in Klasse 32 beanspruchten Waren und den für die Widersprechende in Klasse 33 eingetragenen Weinen bestehe keine Warenähnlichkeit. Die Widerspruchsmarke verfüge nur über geringe Kennzeichnungskraft, denn ihre deutsche Bedeutung werde vom angesprochenen Fachverkehr für Weine zutreffend als "Hofnarr, Spaßmacher, Witzbold" verstanden und stelle einen beschreibenden Bezug zu Weinen dar. Beide Marken unterschieden sich klanglich deutlich voneinander. Das "tt" in "Jetter" verleihe der angegriffenen Marke gegenüber "JESTER" einen vergleichsweise weichen Klang.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 26. März 2010 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung der Markeninhaberin entgegen und hält beide Marken angesichts ihrer klanglichen Ähnlichkeit für verwechselbar.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet, soweit die Markenstelle für Klasse 33 die Löschung der angegriffenen Wortmarke auch für die Waren "Klasse 32: Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" angeordnet hat, im Übrigen jedoch unbegründet.

Für die Frage der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 -Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 437, 438 -Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May). Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH GRUR 2002, 1067, 1068 - DVK/OVK) ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung eine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen "Jetter" und "JESTER" zu verneinen, soweit den von der Widerspruchsmarke geschützten "Weinen" der Klasse 33 Waren der Klasse 32 gegenüberstehen, für die die angegriffene Marke eingetragen ist.

Zwischen "Weinen" der Klasse 33 und den beanspruchten "alkoholfreien Getränken mit Ausnahme von Bieren" besteht eine allenfalls mittelgradige Warenähnlichkeit; eine besondere Warennähe fehlt mangels regelmäßiger Berührungspunkte (vgl. BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 155/05 -Einhorn/Pegasus; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 248/93 -TRESCH/Weingut Erbhof Tresch; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 25/88 -La bella Fontana/FANTA; ergänzend Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Aufl. S. 344 li. Spaltem. w. N). "Fruchtsäfte" können zwar ebenso wie "Weine" aus Trauben bestehen, die anschließenden Verarbeitungsvorgänge zur Getränkeherstellung unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander. Dass "Weine" und die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten "nichtalkoholischen Getränke" der Klasse 32 in gemeinsamen Verkaufsstätten angeboten werden, vermag angesichts des für Getränkemärkte und Discounter typischen, großen Warensortiments keine besondere Warennähe zu begründen, zumal selbst in diesen Märkten in der Regel "Fruchtsäfte, Mineralwässer, Sirupe und andere alkoholfreie Getränke" räumlich getrennt von Weinen angeboten werden. "Biere" und "Weine" sind einander unähnlich (vgl. BPatG, PAVIS PROMA, 26 W (pat) 23/08 -Napoleon/NAPOLÉON). Sie stammen regelmäßig aus unterschiedlichen Herstellungsstätten und werden aus jeweils unterschiedlichen Ausgangstoffen erzeugt. Im Unterschied zu den vorgenannten Waren der Klasse 32 werden Biere zudem üblicherweise weder neben Weinen konsumiert, noch mit ihnen vermischt.

Zutreffend ist die Markenstelle von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Deren Kennzeichnungskraft wird nicht durch die englische Bedeutung des für die Widersprechende eingetragenen Markenwortes geschwächt. Denn im Inland ist auch in Fachkreisen des Weinund Getränkehandels ein Verständnis des nicht zum englischen Grundwortschatz gehörenden Wortes "jester" als "Narr, Schalk" nicht vorauszusetzen. "JESTER" beschreibt unmittelbar keine Eigenschaft von Weinen. Die Assoziation, einen Wein, der, in Gesellschaft getrunken, die Stimmung hebt, als "Spaßmacher" aufzufassen, ist zumindest ungewöhnlich und erfordert mehrere gedankliche Schritte.

Den angesichts durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und allenfalls mittelgradiger Warenähnlichkeit zu fordernden Markenabstand hält die angegriffene Marke für die im Tenor genannten Waren der Klasse 32 ein. Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 170).

In klanglicher Hinsicht halten beide Marken einen noch hinreichenden Abstand ein, denn dem Plosivlaut "tt" in der Wortmitte der angegriffenen Marke steht der diesem nicht verwandte Zischlaut "ST" in der ansonsten gleich lautenden Widerspruchsmarke gegenüber. Dieser kaum überhörbare Unterschied wirkt sich um so nachhaltiger auf deren Gesamtklangbild aus, als es sich um relativ kurze und leicht erfassbare Markenwörter handelt, bei denen klangliche Abweichungen das gesamte Klanggepräge stärker beeinflussen.

Begrifflich unterscheiden sich beide Marken hinreichend dadurch voneinander, dass es sich bei "Jetter" um einen in Deutschland üblichen Familiennamen handelt (im Zollernalbkreis existieren 182 Telefonanschlüsse mit diesem Namen) und der Name "Jester", den Personen in 64 deutschen Städten und Landkreisen tragen, ebenfalls im Bundesgebiet verbreitet ist (www.verwandt.de/karten). Für den Verkehr liegt angesichts dessen der Schluss nahe, dass der jeweilige Markeninhaber -wie der Geschäftsführer der Inhaberin der angegriffenen Marke namens Michael Jetter -die so gekennzeichneten Produkte mit seinem eigenen Namen versehen hat. Wenngleich ein Verständnis der englischsprachigen Bedeutung des Ausdrucks "JESTER" nicht vorausgesetzt werden kann, so wird demjenigen, dem sie geläufig ist, die Bedeutung von "JESTER" auch als begriffliches Unterscheidungsmerkmal dienen.

Schriftbildlich sind sich beide Marken jedoch ähnlich, denn sie unterscheiden sich im Wesentlichen nur in der Wortmitte durch die Abweichung der in ihrem Schriftbild nicht verwandten Buchstaben "S" und "t" voneinander. Der Umstand, dass allein das Schriftbild der Widerspruchsmarke vollständig aus Kapitälchen besteht, wird den angesprochenen Weinhändlern und Konsumenten geistiger Getränke demgegenüber kaum in Erinnerung bleiben.

Da sich diese beim Kauf u. a. regelmäßig an Angaben zu Rebsorten, Lagen und Jahrgängen orientieren, bringen sie Weinen eine im Vergleich zu anderen Lebensmitteln leicht erhöhte Aufmerksamkeit entgegen. Vom allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz der Wechselwirkung ausgehend, ist damit im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung dieses leicht erhöhten Aufmerksamkeitsgrads, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer schriftbildlichen Ähnlichkeit der Marken eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auch unter strengen Anforderungen an den Markenabstand hinreichend sicher auszuschließen, soweit Weine der Klasse 33 den beanspruchten Waren der Klasse 32 als allenfalls mittelgradig ähnlich gegenüberstehen. Auch unter Berücksichtigung eines erfahrungsgemäß häufig undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. EuGH MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints) werden Händler und Kunden, die beide Marken nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnehmen, in der Lage sein, mit "Jetter" gekennzeichnete Waren der Klasse 32 hinreichend sicher von Weinen zu unterscheiden, die unter der Bezeichnung "JESTER" angeboten werden. Insoweit liegen die Voraussetzungen zur Löschung der angegriffenen Marke gem. §§ 43 Abs. 2 S. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 125 b MarkenG daher nicht vor, und die Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet.

In Bezug auf die übrigen von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 33 und 35 kann die Beschwerde der Markeninhaberin hingegen keinen Erfolg haben. Für die von beiden Kollisionsmarken beanspruchten Weine besteht Warenidentität. Da Winzer als deren Erzeuger zugleich Weine betreffende Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 erbringen, erfordert die Nähe dieser von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen zur Ware "Weine" einen erheblichen Markenabstand. Wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, hält diesen die prioritätsjüngere Marke "Jetter" aufgrund ihrer schriftbildlichen Ähnlichkeit zur Widerspruchsmarke "JESTER" für Waren der Klassen 33 und 35 jedoch nicht ein. Insoweit muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass, von dem in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG normierten Grundsatz, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abzuweichen und einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Dr. Schnurr Bb






BPatG:
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Az: 26 W (pat) 531/10


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