Kammergericht:
Beschluss vom 2. Februar 2015
Aktenzeichen: 23 AktG 1/14

(KG: Beschluss v. 02.02.2015, Az.: 23 AktG 1/14)

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen auf § 246 a II Nr. 2 AktG gestützten Freigabeantrag kann nicht mit dem Vortrag in Zweifel gezogen werden, der Beschluss, dessen Freigabe begehrt werde, sei unwirksam. Vielmehr genügt insoweit der Umstand, dass mit der Freigabe die aufgrund der Anfechtungsklage bestehende faktische Registersperre beseitigt und der Weg für eine Entscheidung des Registergerichts über die Eintragung frei gemacht wird.

Der Nachweis des Aktienbesitzes gemäß § 246 a II Nr. 2 AktG muss sich nicht bis auf den Zeitpunkt der Zustellung des Freigabeantrages erstrecken (gegen OLG Bamberg, B. v. 9.12.2013 - 3 AktG 2/13, ZIP 2014, 77).

Weder die Fristenregelung des § 246 a II Nr. 2 AktG noch das Freigabeverfahren nach § 246 a AktG als solches verstoßen gegen Art. 14 I GG.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die beim Landgericht Berlin erhobenen und zu dem Aktenzeichen 90 O 74/14 verbundenen Anfechtungsklagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 29. August 2014 zum Tagesordnungspunkt 4 über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage um 8.029.780 EUR von 1.000.000 EUR auf 9.029.780 EUR und über eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen um bis zu 2.970.220 EUR von dann 9.029.780 EUR auf bis zu 12.000.000 EUR der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister des Sitzes der Antragstellerin nicht entgegen stehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Verfahrens wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Hauptversammlung der Antragstellerin hat am 29. August 2014 unter dem Tagesordnungspunkt 4 folgenden Beschluss gefasst:

€1. Das voll in bar eingezahlte Grundkapital der Gesellschaft, welches derzeit in 1.000.000 auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien eingeteilt ist, wird von EUR 1.000.000,00 um EUR 8.029.780,00 auf EUR 9.029.780,00 durch Ausgabe von 8.029.780 auf den Inhaber lautenden nennwertlosen Stückaktien erhöht.

Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt gegen Sacheinlagen zum geringsten Ausgabebetrag von EUR 1,00 je Aktie ohne Aufgeld, also zum Gesamtausgabebetrag von EUR 1,00 je Aktie.

Die neuen Aktien sind ab dem 1. Januar 2014 gewinnberechtigt.

Zum Bezug der neuen Aktien werden ausschließlich zugelassen:

a) C... GmbH mit dem Sitz in ..., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ... für 7.885.244 neue auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien der Gesellschaft. C... GmbH hält zum Zeitpunkt der Hauptversammlung 729.980 auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien der Gesellschaft.

Die Sacheinlage der C... GmbH erfolgt durch Einbringung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile zu den laufenden Nummern 2.908 bis 25.002 an der A... GmbH mit dem Sitz in ..., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ..., im Nennwert von jeweils EUR 1,00, also 22.095 Geschäftsanteile, in die Gesellschaft. Die Einbringung dieser Geschäftsanteile erfolgt zum Gesamteinbringungswert von € 7.885.243,96 basierend auf dem derzeitigen Mindestverkehrswert von etwa EUR 356,88 für jeden eingebrachten Geschäftsanteil.

b) a... Kommanditgesellschaft auf Aktien mit dem Sitz in ..., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ..., für 144.536 neue auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien der Gesellschaft. a... Kommanditgesellschaft auf Aktien ist nicht Aktionärin der Gesellschaft.

Die Sacheinlage der a... Kommanditgesellschaft auf Aktien erfolgt durch Einbringung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile zu den laufenden Nummern 2.503 bis 2.907 an der A... GmbH mit dem Sitz in ..., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ... im Nennwert von jeweils EUR 1,00, also 405 Geschäftsanteile, in die Gesellschaft. Die Einbringung dieser Geschäftsanteile erfolgt zum Gesamteinbringungswert von EUR 144.536,04 basierend auf dem derzeitigen Mindestverkehrswert von etwa EUR 356,88 für jeden eingebrachten Geschäftsanteil.

Das Bezugsrecht der Aktionäre ist für die Sachkapitalerhöhung im Übrigen ausgeschlossen.

Sofern der Einbringungswert der eingebrachten Geschäftsanteile die Summe der geringsten Ausgabebeträge der hierfür gewährten Aktien übersteigt, ist die Differenz in die Kapitalrücklage der Gesellschaft einzustellen.

Sofern der Einbringungswert der jeweils eingebrachten Geschäftsanteile die Summe der geringsten Ausgabebeträge der hierfür jeweils gewährten Aktien nicht erreicht, ist die jeweilige Differenz von der C... GmbH bzw. von der a... Kommanditgesellschaft auf Aktien in bar an die Gesellschaft zu erbringen.

Der Beschluss über die Sachkapitalerhöhung wird ungültig, wenn nicht bis zum Ablauf des 28. Februar 2015 die Durchführung der Sachkapitalerhöhung über EUR 8.029.780,00 im Handelsregister eingetragen ist.

2. Unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Durchführung der unter Ziffer 1 beschlossenen Sachkapitalerhöhung im Handelsregister wird das Grundkapital der Gesellschaft von dann EUR 9.029.780,00 um bis zu EUR 2.970.220,00 auf bis zu EUR 12.000.000,00 durch Ausgabe von bis zu 2.970.220 auf den Inhaber lautenden nennwertlosen Stückaktien erhöht.

Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt ausschließlich gegen Bareinlagen zum geringsten Ausgabebetrag von EUR 1,00 je Aktie ohne Aufgeld, also zum Gesamtausgabebetrag von EUR 1,00 je Aktie. Diese Barkapitalerhöhung dient der Bedienung von Bezugsrechten, soweit diese für Aktionäre im Rahmen der zu Ziffer 1 beschlossenen Sachkapitalerhöhung ausgeschlossen sind.

Die neuen Aktien sind ab dem 1. Januar 2014 gewinnberechtigt.

Das Bezugsrecht der C... GmbH und der a... Kommanditgesellschaft auf Aktien ist ausgeschlossen.

Die neuen Aktien werden den bezugsberechtigten Aktionären im Verhältnis ihrer am 29. August 2014 bestehenden Beteiligung am Grundkapital der Gesellschaft zum Ausgabepreis von EUR 1,00 je Aktie zum Bezug angeboten. Danach kann jeder bezugsberechtigte Aktionär für eine von ihm per Datum der Hauptversammlung gehaltene Aktie 11 neue Aktien aus der Barkapitalerhöhung zeichnen. Die Frist für die Zeichnung der neuen Aktien aus der Barkapitalerhöhung endet mit Ablauf von 28 Kalendertagen nach Bekanntmachung des Bezugsangebotes im elektronischen Bundesanzeiger.

Der Vorstand der Gesellschaft wird ermächtigt, die Einzelheiten der Barkapitalerhöhung und ihrer Durchführung festzusetzen.

Der Beschluss über die Barkapitalerhöhung wird ungültig, wenn nicht bis zum Ablauf des 28. Februar 2015 die Durchführung der Barkapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen ist.

3. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft wird vorsorglich gemäß § 179 Absatz 1 Satz 2 Aktiengesetz und § 18 Absatz (2) der Satzung ermächtigt, die Fassung der Satzung dem Umfang der Durchführung der Barkapitalerhöhung anzupassen."

Die Antragsgegner, die nach den Angaben der Antragstellerin jeweils zwei nennwertlose Stückaktien halten, haben beim Landgericht Berlin unter den Aktenzeichen 94 O 72/14 und 90 O 74/14 gegen die Antragstellerin Klage erhoben mit dem Antrag, den vorstehend zitierten Beschluss für nichtig zu erklären, hilfsweise dessen Nichtigkeit oder Unwirksamkeit festzustellen.

Die Antragstellerin beantragt festzustellen,

dass die beim Landgericht Berlin erhobenen und zu dem Aktenzeichen 90 O 74/14 verbundenen Anfechtungsklagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 29. August 2014 zum Tagesordnungspunkt 4 über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage um 8.029.780 EUR von 1.000.000 EUR auf 9.029.780 EUR und über eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen um bis zu 2.970.220 EUR von dann 9.029.780 EUR auf bis zu 12.000.000 EUR der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister des Sitzes der Antragstellerin nicht entgegen stehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

II. Dem Freigabeantrag ist gemäß § 246a II Nr. 2 AktG antragsgemäß stattzugeben.

1. Der Antrag auf Feststellung, dass die Anfechtungsklagen der Antragsgegner der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 29. August 2014 in das Handelsregister nicht entgegen stehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen, ist zulässig. Der Antragstellerin ist insbesondere nicht das für eine Anrufung des Gerichts erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen.

An einem Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz kann es im Ausnahmefall fehlen, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung schlechthin ausgeschlossen, die Anrufung des Gerichts also objektiv sinnlos ist. Dementsprechend sind aktienrechtliche Beschlussanfechtungsklagen für unzulässig erachtet worden, wenn der angefochtene Beschluss keinerlei Wirkung mehr entfaltete, z.B. aufgehoben oder erneuert worden war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - II ZR 56/12 Rz. 12 m.w.N.).

Im aktienrechtlichen Freigabeverfahren hat der Senat einen teilweisen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bejaht, wenn der freizugebende Beschluss bereits eingetragen war; in diesem Fall bestand ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis nur noch für den Antrag auf Feststellung, dass etwaige Mängel der angefochtenen Beschlüsse die Wirkung der Eintragung unberührt lassen (vgl. Senat, Beschluss vom 12.05.2009 € 23 W 4/09 = KG, AG 2009, 30).

Im vorliegenden Fall machen die Antragsgegner geltend, dass der angefochtene Beschluss in Ansehung der Barkapitalerhöhung schon deswegen unheilbar unwirksam sei, weil das Bezugsangebot nicht bis zum 30.01.2015 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden sei; die Barkapitalerhöhung könne daher nicht mehr bis zum 28.02.2015 durchgeführt werden, was zur Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses führe; dadurch entfalle auch das Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Freigabeentscheidung.

Dem kann der Senat nicht beipflichten. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Freigabe der Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht von der Wirksamkeit des Beschlusses abhängig gemacht werden. Denn andernfalls hätten § 246a II Nr. 2 und 3 AktG, die die Freigabe der Eintragung unabhängig von der Wirksamkeit des Beschlusses zulassen, keinen Anwendungsbereich mehr. In dem Fall des § 246a II Nr. 2 AktG ergeht die Freigabeentscheidung ohne jede Prüfung der Rechtslage (vgl. Noack, NZG 2008, 441, 446). Die in diesem Fall ausgeschlossene Sachprüfung kann nicht in die Zulässigkeitsprüfung verlagert werden. Es muss vielmehr bei dem allgemeinen Grundsatz bleiben, dass ein Antrag auf Freigabe der Eintragung nur dann mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung schlechthin ausgeschlossen, die Anrufung des Gerichts also objektiv sinnlos ist.

Das ist hier nicht der Fall. Denn mit der Feststellung, dass die erhobenen Anfechtungsklagen der Eintragung nicht entgegenstehen, wird die auf Grund der Anfechtungsklagen bestehende faktische Registersperre beseitigt und der Weg für eine Entscheidung des Registergerichts über die Eintragung frei gemacht. Die Antragstellerin erreicht mit der Freigabe, dass das registerrechtliche Verfahren seinen Fortgang nimmt und dort zumindest eine rechtsmittelfähige Entscheidung ergeht. Damit ist ein schutzwürdiges Interesse an der hier begehrten Feststellung nicht von der Hand zu weisen.

2. Die Voraussetzungen für eine Freigabe der Eintragung nach § 246a II Nr. 2 AktG liegen vor.

Wenn gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung (§§ 182 bis 240 AktG) Klage erhoben wird, kann das Gericht gemäß § 246a I AktG auf Antrag der Gesellschaft durch Beschluss feststellen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Gemäß § 246a II Nr. 2 AktG ergeht ein Beschluss nach § 246a I AktG, wenn der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR hält.

a) Die Antragsgegner haben nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Freigabeantrags durch Urkunden nachgewiesen, dass sie seit Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR halten. Der Antragsgegnerin zu 1) ist die Antragsschrift am 07.01.2015 zugestellt worden (Bl. 32 d. A.). Dem Antragsgegner zu 2) ist die Antragsschrift am 23.12.2014 zugestellt worden. Der Umstand, dass der Antragsgegnerin zu 1) am 07.01.2015 die Antragsschrift ohne die darin in Bezug genommenen Anlagen zugestellt worden ist, führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 € VIII ZR 307/11). Beide Antragsgegner haben bis heute nicht urkundlich nachgewiesen dass sie seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR halten.

b) Der Antragsgegner zu 2) meint, der Verpflichtung zum Nachweis seines Anteilsbesitzes enthoben zu sein, weil § 246a II Nr. 2 AktG verfassungswidrig sei; auf Grund des knappen Fristenregimes werde dem Antragsgegner im Freigabeverfahren etwas abgefordert, was er objektiv € zumal in der Weihnachtszeit € nicht erfüllen könne.

Der Senat teilt die auf die Kürze der Frist gestützten verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragsgegners nicht. Der jeweilige Anteilsbesitz kann von jedem Aktionär jederzeit sehr kurzfristig durch entsprechende Kaufabrechnungen und Depotauszüge nachgewiesen werden. Es ist nicht erforderlich, im Bedarfsfall erst eine aktuelle Bankbescheinigung einzuholen. Da einem Freigabeverfahren notwendigerweise stets eine Anfechtungsklage vorausgeht, ist davon auszugehen, dass der klagende Aktionär sich bei Einreichung der Klage seines Anteilsbesitzes vergewissert und die ggf. erforderlichen Beweismittel zur Hand hat, so dass er im Falle eines Freigabeantrags ohne weiteres darauf zugreifen kann.

Zum Nachweis ausreichenden Anteilsbesitzes genügen, solange eine spätere Veräußerung der Aktien nicht behauptet wird, zunächst Depotauszüge, die sich auf beliebige Zeitpunkte, einmal vor und einmal nach Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung beziehen. Die Beschaffung fortlaufender neuer Bescheinigungen bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Freigabeantrags ist nicht erforderlich (a. A. OLG Bamberg, Beschluss vom 09.12.2013 - 3 AktG 2/13). Die zu § 142 II 2 AktG ergangene Rechtsprechung ist auf § 246a II Nr. AktG nicht ohne weiteres zu übertragen, weil sich der Gesetzeswortlaut beider Vorschriften nicht deckt: Der Wortlaut des § 142 II 2 AktG enthält die weitergehende Verpflichtung, den Nachweis zu erbringen, dass das dort genannte Quorum €bis zur Entscheidung über den Antrag" gehalten wird. Dieser, die Nachweispflicht erweiternde Zusatz fehlt im Wortlaut des § 246a II Nr. 2 AktG (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.12.2010 € 4 U AktG 476/10 Rn. 16; zu dem § 246a II Nr. 2 AktG entsprechenden § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 UmwG).

Im übrigen teilt der Senat die Ansicht Ehmanns in der vom Antragsgegner zu 2) in Kopie vorgelegten Kommentierung (Grigoleit/Ehmann: Aktiengesetz, § 246a Rz. 7 = Bl. 54 d. A.):

Sind keine Aktienurkunden ausgegeben, so kann der Nachweis durchaus Probleme bereiten, die Gerichte dürfen die Anforderungen insoweit nicht überspannen.

Wenn ein Aktionär im Einzelfall tatsächlich ernsthafte Probleme hat, seinen Anteilsbesitz innerhalb der kurzen Frist des § 246a II Nr. 2 AktG urkundlich nachzuweisen, kann eine verfassungskonforme Anwendung dieser Bestimmung durch Zulassung von Urkunden erreicht werden, die den Anteilsbesitz selbst nur mittelbar nachweisen, wie etwa Aktionärsverzeichnisse oder Teilnehmerverzeichnisse der Hauptversammlung. Ggf. würde sogar ein fristgemäß gestellter Antrag auf Vorlage beweiskräftiger Unterlagen durch die Antragstellerin ausreichen (§ 421 ZPO, vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Juli 2012 € 12 AktG 778/12 Rz. 47 ff.). Im vorliegenden Fall hätte sich der Antragsgegner schlicht auf das von der Antragstellerin vorgelegte Teilnehmerverzeichnis (ASt 1) berufen können, das allerdings keinen ausreichenden Anteilsbesitz ausweist.

Dass die Regelung des § 246a II Nr. 2 ZPO der Sache nach gerechtfertigt ist, wird im übrigen auch von Ehmann nicht in Abrede gestellt. Dieser schreibt in der vom Antragsgegner zitierten Kommentierung (Grigoleit/Ehmann: Aktiengesetz, § 246a Rz. 7 = Bl. 54 d. A.):

Dem sachlichen Gehalt der Regelung ist zuzustimmen, da bei Kleinstaktionären eindeutig die Kapitalanlage im Vordergrund steht und ihre Klagen daher besonders zweifelhaft sind.

Dem ist beizupflichten. Die von Ehmann daran anschließend angemeldeten Bedenken gegen die rechtstechnische Implementierung der gesetzlichen Regelung sind rechtspolitisch diskutabel. Im Gerichtsverfahren ist aber kein Raum für gesetzeskritische rechtspolitische Erwägungen. Die Gerichte haben die Gesetze so anzuwenden, wie sie sind, auch wenn sie nach Ansicht einzelner Autoren möglicherweise noch besser sein könnten.

c) Soweit der Antragsgegner die Verfassungsmäßigkeit des Freigabeverfahrens generell in Zweifel zieht und im Anschluss an die Kommentierung Ehmanns (Grigoleit/Ehmann: Aktiengesetz, § 246a Rz. 3, der sich seinerseits insoweit auf Zöllner: FS Westermann, S. 1631, 1642 ff. beruft) für €skandalös€ hält, ist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 2007 € 1 BvR 390/04 zu verweisen, in der zu § 327e AktG ausgeführt wird (Rz. 31):

Auch das Freigabeverfahren nach § 327 e in Verbindung mit § 319 Abs. 6 AktG wird den Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 GG an die Verfahrensgestaltung gerecht. Zweck des Freigabeverfahrens ist es, die "Registersperre" zu überwinden, die bei Erhebung einer Anfechtungsklage eintritt (vgl. § 327 e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 5 Satz 2 AktG). Das Freigabeverfahren knüpft damit an das gesetzgeberische Ziel der Squeeze-out-Regelung an, die Verzögerung als sinnvoll erachteter unternehmerischer Entscheidungen zu verhindern. Angesichts dessen und mit Blick auf die übliche Länge eines Anfechtungsprozesses (vgl. T. Baums/Vogel/Tacheva, a.a.O., S. 1651) ist es folgerichtig, verfahrensrechtliche Regelungen zu treffen, die die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses und damit die Wirksamkeit des Squeeze-out nicht vom rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens abhängig machen. Ohne derartige verfahrensrechtliche Regelungen bestände die Gefahr, dass das Squeeze-out selbst weitgehend wirkungslos wird. Minderheitsaktionäre wären nach wie vor in der Lage, die Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die Erhebung von Anfechtungsklagen für geraume Zeit zu verhindern.

Was für die Squeeze-out-Regelung gilt, gilt auch und erst recht für Maßnahmen der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung. Denn auch hierbei handelt es sich um gesetzgeberisch anerkannte, als sinnvoll erachtete unternehmerische Entscheidungen.

Klarstellend ist zu bemerken, dass mit der vorliegenden Freigabeentscheidung lediglich die aus der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses resultierende faktische Registersperre überwunden wird. Ob sonstige Gründe der Eintragung entgegenstehen, war hier nicht zu entscheiden und ist vom Registergericht in eigener Verantwortung zu prüfen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 I 1 ZPO.

Bei der Bemessung des Streitwerts hat der Senat gemäß §§ 246a I 2, 247 I 1 AktG eine an der Bedeutung der Sache für die Parteien orientierte Schätzung vorgenommen.






KG:
Beschluss v. 02.02.2015
Az: 23 AktG 1/14


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