Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. Juli 2007
Aktenzeichen: I ZB 57/06

(BGH: Beschluss v. 19.07.2007, Az.: I ZB 57/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die vorliegende Gerichtsentscheidung betrifft einen Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke für Wein und Schaumwein. Die Widersprechende hatte einen Widerspruch eingelegt, da die angemeldete Marke der Markenhinterlegung für Mineralwasser ähnlich war. Der Erstprüfer des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch zurückgewiesen, jedoch wurde die Eintragung der Marke auf die Erinnerung der Widersprechenden hin gelöscht. Die Beschwerde der Markeninhaberin hatte keinen Erfolg. Nun hat die Markeninhaberin eine Rechtsbeschwerde eingelegt und rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass die Verwendung von Flaschenetiketten durch die Widersprechende als rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke angesehen werden kann, obwohl es kleinere Abweichungen gibt. Das Gericht war der Meinung, dass es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Marken gibt und dass aufgrund der langjährigen intensiven Benutzung der Widerspruchsmarke und der gewissen Warenähnlichkeit eine beachtliche unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht. Das Gericht sah jedoch keine Anlass, das Verfahren auszusetzen oder eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen.

Die Rechtsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen, da kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör vorliegt. Die Markeninhaberin hatte gerügt, dass das Gericht übersehen habe, dass die Widersprechende nur die nationale französische und die IR-Marke verwendet hatte, nicht aber die Widerspruchsmarke. Das Gericht hatte jedoch ausführlich begründet, warum die Verwendung auf dem Flaschenetikett der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darstellt. Auch die weitere Feststellungen des Bundespatentgerichts wurden als nicht relevant erachtet. Insgesamt wurde kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör festgestellt.

Zusätzlich wurde die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens begründet, und das Gericht stellte klar, dass die Entscheidungen anderer Gerichte keine Präjudizialität für das vorliegende Verfahren haben. Die Rechtsbeschwerde wurde daher auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

(Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.06.2006 - 26 W (pat) 93/02 -)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 19.07.2007, Az: I ZB 57/06


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am 29. Juni 2006 zugestellten Beschluss des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Gegen die am 5. Juni 1998 angemeldete und am 14. Juli 1998 eingetragene Marke Nr. 398 31 525 An dieser Stelle befindet sich eine Wortmarke.

in den Farben Schwarz, Weiß und Gold für "Wein und Schaumwein" hat die Widersprechende aus der für "Mineralwasser" mit Priorität vom 11. November 1985 eingetragenen Wortmarke Nr. 1 185 308 EVIAN Widerspruch eingelegt.

Der Erstprüfer des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts die Eintragung der Marke gelöscht. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben.

Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (vom Bundespatentgericht nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt.

II. Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, dass die Widersprechende mit den von ihr verwendeten Flaschenetiketten eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht habe. Die Abweichungen der Etiketten von der Widerspruchsmarke durch Kleinschreibung, abweichende Schrifttypen und Hinzufügung eines stilisierten Bergmotivs bewirkten keine maßgebliche Veränderung des kennzeichnenden Charakters. In klanglicher Hinsicht sei die Ähnlichkeit der Kollisionsmarken groß. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch jahrelange intensive Benutzung erhöht. Da außerdem jedenfalls eine gewisse Warenähnlichkeit vorliege, bestehe eine beachtliche unmittelbare Verwechslungsgefahr. Die Entscheidungspraxis des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften und des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt gebe weder Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG noch zu einer Aussetzung des Verfahrens nach § 82 MarkenG i.V. mit § 148 ZPO.

III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung statthaft, weil die Markeninhaberin einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel - die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) - mit konkreter Begründung gerügt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn; Beschl. v. 1.3.2007 - I ZB 33/06, GRUR 2007, 534, 535 = WRP 2007, 643 - WEST).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 83, 133, 144; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712). Diese Verfahrensgrundrechte der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht nicht verletzt.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, das Beschwerdegericht habe übergangen, dass die Widersprechende ausschließlich die nationale französische und die IR-Marke, nicht aber die Widerspruchsmarke benutzt habe. Das Bundespatentgericht hat jedoch im Einzelnen begründet, warum die Verwendung auf dem Flaschenetikett der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darstellte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Widersprechende über eine den Flaschenetiketten vollständig entsprechende französische oder IR-Marke verfügt. Ein Verstoß des Bundespatentgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Dasselbe gilt, soweit das Bundespatentgericht aus der jahrelangen intensiven Benutzung der Widerspruchsmarke in Form der Flaschenetiketten auf eine erhöhte Kennzeichnungskraft geschlossen hat.

c) Soweit die Markeninhaberin ihre Verfahrensrechte dadurch verletzt sieht, dass das Bundespatentgericht weitere Feststellungen mit der Begründung für entbehrlich gehalten habe, die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei in den Markenverletzungsprozessen vor den Hamburger Gerichten zwischen den Beteiligten bereits rechtskräftig festgestellt worden, wird schon kein Gehörsverstoß gerügt.

d) Die Rechtsbeschwerde meint weiter, das Bundespatentgericht habe Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es zur Frage der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Glaubhaftmachung habe ausreichen lassen. Damit rügt die Rechtsbeschwerde ebenfalls keine Gehörsverletzung, sondern lediglich eine von ihrer Auffassung abweichende Rechtsansicht des Bundespatentgerichts.

e) Das rechtliche Gehör der Markeninhaberin ist auch weder durch die vom Bundespatentgericht vorgenommene Würdigung eines Werbeprospekts zur parallelen Bewerbung von Wein und Mineralwasser noch durch eine fehlende Auseinandersetzung mit Ausführungen des Harmonisierungsamts zur Warenähnlichkeit von Wein und Wasser verletzt worden. Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit wiederum eine nach ihrer Auffassung fehlerhafte Würdigung durch das Bundespatentgericht, womit sie im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben kann. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerdeentscheidung des Harmonisierungsamts zur Kenntnis genommen und sich mit ihr auseinandergesetzt. Ebenso wenig liegt in der Rechtsansicht des Bundespatentgerichts, zwischen den Kollisionszeichen bestehe bereits beachtliche unmittelbare Verwechslungsgefahr, eine Gehörsverletzung. Nichts anderes gilt, soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe rechtsfehlerhaft eine Aussetzung des Verfahrens nach § 82 MarkenG, § 148 ZPO abgelehnt.

f) Schließlich liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Markeninhaberin auch nicht darin, dass das Bundespatentgericht die Ablehnung der Aussetzung mit fehlender Präjudizialität der Entscheidungen des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften und des Harmonisierungsamts für das vorliegende Verfahren begründet hat. Diese Rechtsansicht entspricht dem Wortlaut des § 148 ZPO und lässt eine fehlende Würdigung von Vortrag der Markeninhaberin nicht erkennen.

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Markeninhaberin (§ 90 Abs. 2 MarkenG) zurückzuweisen.

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Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.06.2006 - 26 W (pat) 93/02 -






BGH:
Beschluss v. 19.07.2007
Az: I ZB 57/06


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