Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2003
Aktenzeichen: 15 W (pat) 30/02

(BPatG: Beschluss v. 30.10.2003, Az.: 15 W (pat) 30/02)

Tenor

1) Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. August 2002 aufgehoben und das Patent 197 36 737 widerrufen.

2) Der Antrag der Einsprechenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I Auf die am 25. August 1997 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 197 36 737 mit der Bezeichnung:

"Verfahren zu Herstellung von oxidationsstabilen Oleinen und ihre Verwendung zur Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln, kosmetischen und/oder pharmazeutischen Formulierungen, ungesättigten Fettalkoholen oder Estern"

erteilt. Die Patenterteilung wurde am 11. November 1999 veröffentlicht.

Nach Prüfung des erhobenen Einspruchs wurde das Patent durch Beschluß der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. August 2002 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 7 gemäß DE 197 36 737 C2 mit folgendem Wortlaut zugrunde:

"1. Verfahren zur Herstellung von oxidationsstabilen Oleinen mit einer Iodzahl von 60 bis 130, einem Trübungspunkt unterhalb von 11¡C, die im wesentlich ungesättigte Fettsäuren enthalten, mehr als 65 Gew.-% Ölsäure, jedoch weniger als 16 Gew.-% Linolsäure, dadurch gekennzeichnet, daß man natürliche Öle und/oder Fette

(a) gegebenenfalls partiell härtet,

(b) in an sich bekannter Weise in Fettsäure und Glycerin spaltet,

(c) die erhaltenen Spaltfettsäuren gegebenenfalls partiell härtet und

(d) die Spaltfettsäuren einer Umnetztrennung in im wesentlichen ungesättigte Fettsäuren (Oleine) und im wesentlichen gesättigte Fettsäuren unterwirft und

(e) anschließend das erhaltene Roholein destillativ aufarbeitet, mit der Maßgabe, daß mindestens eine partielle Härtung im Laufe des Gesamtverfahrens durchgeführt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man Öle und/oder Fette auf pflanzlicher Basis einsetzt.

3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und/oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß man die partielle Härtung vor der Fettspaltung durchführt.

4. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß man die partielle Härtung an einem Nickelkatalysator durchführt.

5. Verwendung der Oleine erhältlich gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie kosmetischen und/oder pharmazeutischen Formulierungen.

6. Verwendung der Oleine erhältlich gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung von ungesättigten Fettalkoholen.

7. Verwendung der Oleine erhältlich gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung von Estern."

Die Aufrechterhaltung des Patents wurde hauptsächlich damit begründet, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung auf ihre Schriftsätze im Einspruchsverfahren verwiesen, wonach unter Berücksichtigung des im Einspruchsverfahren befindlichen Standes der Technik der erteilte Hauptanspruch wegen fehlender Neuheit und insbesondere wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen sei.

Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. September 2003 hat die Einsprechende mitgeteilt, daß sie an dieser nicht teilnehmen werde und den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurücknehme.

Sie beantragt mit Schriftsatz vom 14. Juli 2003, aufgrund der vorliegenden Aktenlage zu entscheiden und den durch die Beschwerde angegriffenen Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das angegriffene Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

Mit Schriftsatz vom 11. September 2002 hatte sie darüber hinaus beantragt die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 20. August 2003 mitgeteilt, daß sie ebenfalls an der mündlichen Verhandlung am 18. September 2003 nicht teilnehmen werde. Im übrigen hat sie sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Daraufhin wurde der Verhandlungstermin aufgehoben und eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angekündigt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (PatG § 73) und begründet.

Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 7 gemäß DE 197 36 737 C2 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind (vgl Erstunterlagen Ansprüche 1 bis 4 und 9 bis 11 iVm Seite 8 Abs 3 der Beschreibung).

Es kann dahingestellt bleiben, ob das im Patentanspruch 1 angegebene Verfahren gegenüber der US 2 457 611 (E1) noch neu ist, denn der Patentgegenstand beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, ein technisch leicht durchzuführendes Verfahren zur Herstellung verbesserter, insbesondere oxidationsstabiler Oleine zu entwickeln, durch das Olein auf Basis pflanzlicher Rohstoffe auch in großen Mengen zugänglich ist (vgl Streitpatentschrift S 2 Z 30-32).

Gelöst wird diese Aufgabe durch das im Patentanspruch 1 im einzelnen angegebene Verfahren zur Herstellung von oxidationsstabilen Oleinen, bei dem man natürliche Öle oder Fette

(a) gegebenenfalls partiell härtet,

(b) in an sich bekannter Weise in Fettsäure und Glycerin spaltet,

(c) die erhaltenen Spaltfettsäuren gegebenenfalls partiell härtet und

(d) die Spaltfettsäuren einer Umnetztrennung in im wesentlichen ungesättigte Fettsäuren (Oleine) und im wesentlichen gesättigte Fettsäuren unterwirft und

(e) anschließend das erhaltene Roholein destillativ aufarbeitet,

(f) mit der Maßgabe, daß mindestens eine partielle Härtung im Laufe des Gesamtverfahrens durchgeführt wird.

Ein Verfahren zur Herstellung von Oleinen hoher Qualität mit einer solchen Abfolge von Reaktionsschritten war im wesentlichen bereits aus der US 2 457 611 (E1) bekannt (vgl dort die Ansprüche 1 und 7 iVm Sp 1 Z 10 bis 12, Sp 2 Z 10 bis 15 und Sp 2 Z 20 bis 44).

Dabei ist es auch zwischen den Parteien unstrittig, daß sich das in E1 beschriebene Verfahren und das vorliegend beanspruchte Verfahren nur insoweit voneinander unterscheiden, als die im Verfahrensschritt d) zu erfolgende Trennung von ungesättigten Fettsäuren (Oleine) und gesättigten Fettsäuren patentgemäß mittels des Umnetzverfahrens erfolgt, während in E1 zur Trennung dieses Gemischs die Kristallisation der gesättigten Säuren als feste Phase und die Gewinnung der Ölsäure als flüssige Phase beschrieben wird (vgl den Schriftsatz der Einsprechenden vom 7. Februar 2000, S 9 Abs 1 und den am 5. April 2000 eingegangenen Schriftsatz der Patentinhaberin S 2 Abs 2).

Das Umnetzverfahren, das mittlerweile zur Trennung von Oleinen und Stearinen aus Talgfettsäure üblicher Standard ist, war zwar 1948, also zum Zeitpunkt von E1 noch nicht bekannt. Es stellt indessen eine Verbesserung und Weiterentwicklung des in E1 beschriebenen Abpressverfahrens dar, was zum Anmeldetag des vorliegenden Patents jedem Fachmann geläufig war (vgl Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, 1976, Bd 11, S 537 li Sp Abs 2 u re Sp Abs 3 (E2) bzw Römpp, Chemie Lexikon, 9. Auflage, 1989 bis 1992, S 3095 und 3106 Stichworte "Ölsäure" bzw "Olein" (E4)). Falls der hier zuständige Fachmann, ein auf dem Gebiet der Fettchemie tätiger und erfahrener Diplomchemiker, beim Studium der E1 zum Zeitpunkt der vorliegenden Anmeldung diese Variante nicht bereits ohnehin berücksichtigt bzw gedanklich ergänzt, so bot es sich jedenfalls für ihn an, das in E1 beschriebene Verfahren in diesem Sinne zu verbessern. Ein solches Vorgehen lag schon deshalb nahe, weil mit dem Umnetzverfahren die genannte Trennung leichter und vollständiger und damit auch wirtschaftlicher erfolgt als beim Abpressverfahren (vgl E2 S 537 li Sp Abs 2). Selbst wenn dabei zusätzliche überraschende Effekte, wie eine verbesserte Oxidationsstabilität des Produkts erzielt werden sollten, so kann das bei einer derartigen Sachlage das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht begründen, weil sich ein solcher Effekt zwangsläufig einstellt, wenn man diesen durch den Stand der Technik vorgegebenen Weg einschlägt (vgl BGH "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" GRUR 2003, 217 und "Hochdruckreiniger" GRUR 2003, 693 sowie die Entscheidungen des Europäischen Patentamts T 21/81 ABl 1983, 15 und T 69/83 ABl 1984, 357).

Die im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Qualitätskriterien der herzustellenden Oleine betreffen, so weit sie quantifiziert sind, einen sehr breiten Bereich, in den auch die üblichen Produkte des Standes der Technik fallen (vgl E1 Beispiele I, II und X und E2 S 537 li Sp Abs 1). Auch diese Merkmale können somit nicht für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sprechen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht somit im Hinblick auf den erörterten Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit, so daß dieser Anspruch nicht gewährbar ist.

Die Ansprüche 2 bis 7 teilen das Schicksal des Anspruchs 1 (vgl BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120).

III Dem Antrag der Einsprechenden, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, war nicht stattzugeben.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß PatG § 80 Abs 3 erfolgt nach ständiger Rechtsprechung - ebenso wie im Falle des PatG § 80 Abs 1 Satz 1 - wenn dies der Billigkeit entspricht (Schulte, PatG 6. Aufl, § 80 Rdn 67). Gründe, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr billig erscheinen ließen, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Die Einsprechende hat die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt, weil ihr das rechtliche Gehör versagt worden sei. Der Beschluß der Patentabteilung stütze sich auf Vergleichsversuche der Patentinhaberin, die die Einsprechende aufgrund von fehlenden experimentellen Daten nicht habe überprüfen können. Die Patentabteilung hat sich in ihrem Beschluß indessen mit den Argumenten und dem diesbezüglichen Antrag der Einsprechenden auseinandergesetzt und diese Versuche im Beschluß nicht als entscheidungserheblich herausgestellt (vgl die Abschn 3 und 4 des angegriffenen Beschlusses). Eine die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigende, fehlerhafte Sachbehandlung durch die Patentabteilung ist somit nicht ersichtlich.

Kahr Niklas Klante Egerer Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.10.2003
Az: 15 W (pat) 30/02


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