Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 30. Oktober 2002
Aktenzeichen: 9 U 83/02

(OLG Celle: Urteil v. 30.10.2002, Az.: 9 U 83/02)

Tenor

Die Berufung der Kläger zu 1, zu 3, zu 4, zu 5, zu 6 und zu 12 gegen das am 19. März 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern zu 1, zu 3, zu 4, zu 5, zu 6 und zu 12 als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger zu 1, zu 3, zu 4, zu 5, zu 6 und zu 12 können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Wert der Beschwer für die Kläger: über 20.000 €.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, §§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Berufungsverfahren wird nur von den Klägern zu 1, zu 3, zu 4, zu 5, zu 6 und zu 12 geführt. Diese vertreten die Ansicht, der in der Hauptversammlung vom 6. September 2001 gefasste Beschluss über die Änderung des § 7 der Satzung der Beklagten sei unwirksam, weil es an einem zustimmenden Sonderbeschluss gemäß § 179 Abs. 3 AktG fehle.

Sie meinen, dass die Aktionäre der Gattung "..." durch die neue Satzung bevorzugt würden. Denn deren Aktien hätten bisher keine Ausstattung, insbesondere kein Lieferrecht, enthalten, während alle anderen Gattungen ein an jede Aktie im Nennwert von 50 DM geknüpftes Lieferrecht besessen hätten. Da aber satzungsmäßig den Aktionären der Gattung "..." nunmehr ein Lieferrecht eingeräumt werde, müsse - weil die Marktordnung keine Vermehrung der Lieferrechte zulasse - diese Einräumung (zusätzlicher) Lieferrechte zu einer Entwertung der bestehenden Lieferrechte der anderen Gattungen führen. Zwangsläufig sei hiermit die Kürzung der Zuteilungsmenge verbunden. Zugleich leide die Ertragsfähigkeit der Beklagten, was sich auf die Höhe der zu zahlenden Dividende auswirke.

Ein Vergleich der Bestimmungen in alter und neuer Satzung mache die Benachteiligung deutlich. So entfalle nach der neuen Satzung die bisherige Verpflichtung der Beklagten, sämtliche auf dem Pflichtland gewachsenen Rüben abzunehmen. Nach der neuen Satzung sollen die Marktordnungsbestimmungen das Lieferrecht nur bis zu 0,4 t A-Rüben nicht einschränken, während die alte Satzung einen weiter reichenden Ausschluss vorsah.

Schließlich habe das Landgericht auch die Preisgarantie fehlerhaft beurteilt. Zwar sei richtig, dass diese nur durch die (EU-)Zuckermarktordnung gewährleistet sei; hieraus folge aber der - gemäß alter Satzung bestehende - Vorteil für die Kläger, dass die zusätzlichen Mengen zu den Preisen der Zuckermarktordnung und nicht zu Weltmarktpreisen abgenommen werden müssten.

Unzutreffend habe das Landgericht bei der Beurteilung eines möglichen Nachteils im Sinne des § 179 Abs. 3 AktG zwischen den Interessen der Mehrheit an der Satzungsänderung und dem entgegenstehenden Interesse der Gattungsaktionäre abgewogen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 6 der Hauptversammlung der Beklagten vom 6. September 2001 nichtig ist,

hilfsweise:

der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 6 der Hauptversammlung der Beklagten vom 6. September 2001 wird für nichtig erklärt,

hilfsweise:

festzustellen, dass der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 6 der Hauptversammlung der Beklagten am 6. September 2001 schwebend unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags die angefochtene Entscheidung. Eine Abwägung der betroffenen Interessen müsse vorliegend dazu führen, dass die Kläger den angefochtenen Beschluss hinzunehmen hätten.

Überdies fehle es bereits an einem Nachteil im Sinne des § 179 Abs. 3 AktG. Hierzu und zum Verständnis der alten und neuen Satzung trägt die Beklagte umfänglich vor.

Vorsorglich weist sie darauf hin, dass die Kläger erstmals im Schriftsatz vom 5. März 2002 versucht hätten, einen Nachteil im Sinne des § 179 Abs. 3 AktG durch eine angebliche Bevorzugung der Gattung "..." zu begründen. Diesen nicht nachgelassenen Vortrag habe das Landgericht zu Recht gemäß § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt. Gemäß § 531 Abs. 2 ZPO seien die Berufungskläger mit diesem Vorbringen daher auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die formell unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; zu Recht hat das Landgericht die Feststellungs- und Anfechtungsklage abgewiesen.

Die Klage ist zulässig. Die Frist des § 246 Abs. 1 AktG von einem Monat für die Anfechtungsklage ist gewahrt. Diese Monatsfrist begann mit dem Ende der Hauptversammlung am 6. September 2001. Die am 11. Oktober 2001 erfolgte Zustellung der Klageschrift an den Vorsitzenden des Vorstandes und an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Beklagten wirkte gemäß § 270 Abs. 3 ZPO, der auch im Rahmen des § 246 Abs. 1 AktG Anwendung findet, auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück. Da die Klage am 5. Oktober 2001 beim zuständigen Landgericht Lüneburg eingereicht wurde, ist die Monatsfrist gewahrt.

Die Anfechtungsklage ist aber nicht gemäß § 243 AktG begründet. Denn der Beschluss der Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 6 vom 6. September 2001 verletzt weder gesetzliche noch satzungsrechtliche Vorschriften und ist auch nicht geeignet, einem Aktionär zum Schaden Anderer einen Sondervorteil zu verschaffen. Auch Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

1. Allerdings folgt dies nicht - wie die Beklagte meint - bereits daraus, dass nach einer Abwägung der Interessen der Gesellschaft oder der Mehrheit der Gesellschafter einerseits mit den Interessen der Kläger als betroffenen Gattungsaktionären andererseits eine Anfechtung erfolglos bleiben muss, weil der Vorstand und die Hauptversammlung der Beklagten bei der Beschlussfassung ihr unternehmerisches Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt haben. Letztlich würde dies - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - darauf hinauslaufen, dass nur zu prüfen wäre, ob die an der Entstehung beteiligten Organe nach sorgfältiger Prüfung davon ausgehen durften, die vorgesehene Maßnahme sei gerechtfertigt, wobei der Kernbereich unternehmerischer Beurteilung der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Eine solche - eingeschränkte - Prüfung ergäbe allerdings keine Anhaltspunkte für einen Ermessenfehler der bei der Beklagten beteiligten Organe.

Vorstehender Ansatz mag (vgl. etwa OLG Köln ZIP 2001, 2049 ff.) dort ausreichend sein, wo es allein auf den in § 53 a AktG festgeschriebenen aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ankommt. Vorliegend steht aber die Frage eines möglichen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 179 Abs. 3 AktG im Vordergrund. Diese Prüfung kann sich daher nicht auf eine Abwägung der betroffenen Interessen beschränken, sondern ist am Maßstab der in § 179 Abs. 3 AktG enthaltenen Merkmale durchzuführen und geht insoweit der Anwendung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes vor (vgl. etwa Zöllner in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., Rn. 175 zu § 179).

2. Ein Verstoß gegen § 179 Abs. 3 AktG ist nicht gegeben. Nach dieser Norm bedarf ein Beschluss der Hauptverhandlung, der das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung ändert, zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre (§ 179 Abs. 3 Satz 1 AktG), wobei diese Zustimmung in Form eines Sonderbeschlusses zu erteilen ist (§ 179 Abs. 3 Satz 2 AktG).

a) Durch den zu Tagesordnungspunkt 6 der Hauptversammlung gefassten Beschluss wird das Verhältnis der Aktiengattungen zueinander verändert. Denn die Aktiengattung "..." erhält durch die neue Satzung ein bisher nicht satzungsmäßig vorgesehenes Lieferrecht, weil die Satzung in § 7 Abs. 1 ein - von der Aktiengattung unabhängiges - Lieferrecht an jede Stückaktie koppelt, während die alte Satzung in § 7 ein derartiges Lieferrecht nur für die Stammaktien der dort genannten Aktiengattungen, zu denen die Gattung "..." nicht gehörte, vorsah. Zugleich sind die in § 7 der alten Satzung zu Lasten der dort genannten Aktiengattungen vorgeschriebenen Nebenverpflichtungen (Anbau von Rüben auf einer festgelegten Anbaufläche, sog. "Pflichtlandklausel") entfallen. Mithin sind die Vorteile für die bei der Beklagten vorhandenen Aktiengattungen unterschiedlich hoch. Dies führt aber nicht dazu, dass ein Sonderbeschluss gemäß § 179 Abs. 3 AktG erforderlich ist. Denn das nach dieser Vorschrift maßgebliche Tatbestandsmerkmal, nämlich die Veränderung des Verhältnisses zwischen mehreren Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung, wird durch die geplante Neuregelung nicht erfüllt, weil durch diese keine Gattung zugunsten einer anderen benachteiligt wird. Hiervon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn eine Gattung - zumindest in einem Punkt - schlechter dasteht als nach der vor der Satzungsänderung geltenden Rechtslage. § 179 Abs. 3 AktG ist daher dann nicht anwendbar, wenn die Rechte einer Gattung in geringerem Maße verbessert werden als die Rechte einer anderen Gattung, ohne dass zugleich die Begünstigung der einen Gattung auf Kosten der anderen Gattung erfolgt.

Der Berufung ist allerdings zuzugeben, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 179 Abs. 3 AktG eine Auslegung nicht ausschließt, nach der die verhältnismäßig höhere Begünstigung einer Gattung eine nachteilige Veränderung des Verhältnisses einer weniger begünstigten Gattung zu der bevorteilten Gattung darstellt. Aus der gesetzlichen Formulierung, nach der es um die Änderung des Verhältnisses mehrerer Aktiengattungen zum Nachteil einer Gattung geht, ergibt sich nicht zwingend, dass bei einer Gattung ein Nachteil gerade im Verhältnis zu ihrem bisherigen Status eingetreten sein muss. Letzteres folgt allerdings aus dem Schutzzweck der Norm.

Nach dem Schutzzweck des § 179 Abs. 3 AktG rechtfertigt nur die Betroffenheit der bisherigen Rechtsposition durch einen Nachteil das Erfordernis eines Sonderbeschlusses der Aktionärsgattung. § 179 Abs. 3 AktG soll vor Eingriffen in die bestehende Mitgliedschaft schützen. Die Vorschrift dient daher in abgeschwächter Form dem Individualrechtsschutz, weil der Eingriff in Sonderrechte grundsätzlich der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter, d.h. jedes einzelnen von ihnen, bedarf. In der Praxis würde dies aber dazu führen, dass Satzungsänderungen häufig nicht mehr durchsetzbar wären, sodass das Gesetz aus Praktikabilitätsgründen das Einzelrecht in ein Sonderrecht der betroffenen Gruppe umwandelt, die sodann über dieses Sonderrecht mit Stimmenmehrheit zu entscheiden hat (Wiedemann in Großkommentar zum Aktienrecht, 4. Aufl., Rn. 138 zu § 179; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, Rn. 163 zu § 179).

Stellt sich aber § 179 Abs. 3 AktG als Sondernorm im Rahmen des Individualrechtsschutzes dar, kann allein die nachteilige Veränderung einer individuellen Rechtsposition einen Sonderbeschluss rechtfertigen. Daher lassen sich Regelungen, die die Rechte einer Gattung verbessern, wenn auch in geringerem Maße als die einer anderen Gattung, in denen die Begünstigung einer Gattung aber nicht auf Kosten einer anderen Gattung erfolgt, nicht unter § 179 Abs. 3 AktG einordnen.

Bei der Prüfung, ob ein Sonderbeschluss gemäß § 179 Abs. 3 AktG erforderlich ist, muss auch beachtet werden, dass ein etwa durch die Satzungsänderung zu Lasten einer Aktiengattung begründeter Nachteil nur dann einen Sonderbeschluss gemäß § 179 Abs. 3 AktG erforderlich macht, wenn die Benachteiligung der Aktiengattung unmittelbare Folge der Satzungsänderung ist (vgl. hierzu Wiedemann in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., Rn. 144 f. zu § 179 m.w.N.).

b) Unter den vorstehend aufgezeigten Voraussetzungen ist eine Benachteiligung der Aktiengattungen, denen die Kläger zugehörig sind, nicht ersichtlich. Hierzu ist Folgendes auszuführen:

aa) Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine Einschränkung ihrer Lieferrechte mit der Einräumung eines satzungsmäßigen Lieferrechts für die Aktiengattung "..." nicht verbunden. Dies folgt schon daraus, dass - unstreitig - die Beklagte in dem Umfang, in dem sie durch die neue Satzung der Aktiengattung "..." ein Lieferrecht einräumt, der Gattung "..." bisher schuldrechtlich zur Abnahme der Zuckerrüben verpflichtet war. Überdies ist aber der Neuregelung der Satzung auch nicht zu entnehmen, dass die anderen Satzungen eine Einschränkung des ihnen zustehenden Lieferrechts hinnehmen müssten.

Gemäß § 7 a der alten Satzung war die Beklagte verpflichtet, sämtliche auf dem Pflichtland gewachsene Rüben, mindestens aber 0,4 t (= 4,0 dt) je 50 DM Stammaktie abzunehmen. Nach Umwandlung dieser Stammaktien in Stückaktien ohne Nennwert (vgl. § 3 der Satzung; die Anzahl der Aktien ist identisch) bestimmt nunmehr § 7 Abs. 1 der neuen Satzung, dass mit jeder Aktie ein Lieferrecht von 0,4 t verbunden ist. Da zugleich § 7 Abs. 3 der neuen Satzung die Verpflichtung der Beklagten enthält, sämtliche Rüben aus eigenem Anbau der Kläger abzunehmen, ist eine Einschränkung des in § 7 a der alten Satzung enthaltenen Lieferrechts, das sich auf das Pflichtland bezog, nicht gegeben, vielmehr ist die Abnahmeverpflichtung der Beklagten sogar erweitert worden, weil die Beschränkung auf die Abnahmepflicht lediglich der auf den Pflichtland gewachsenen Rüben auf eine Abnahmepflicht bezüglich sämtlicher Rüben aus eigenem Anbau ausgedehnt worden ist.

bb) Entgegen der Ansicht der Kläger führt die Neuregelung der Satzung auch nicht zu einer finanziellen Einbuße, weil eine von der Beklagten gegebene Preisgarantie entfiele. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass weder die alte noch die neue Satzung den Begriff "Preisgarantie" verwenden und die alte Satzung - insoweit anders als die neue Satzung - eine derartige Garantie nicht einmal mittelbar vorsah. Allerdings hat die Beklagte eingeräumt, dass sie in ständiger Übung für die in § 7 a der alten Satzung abzunehmende Mindestmenge von 0,4 t den für "A-Rüben" geltenden Preis zahlt. Dies ist von den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich anwesenden Klägern auch bestätigt worden. Eben diese Menge von 0,4 t pro Aktie wird die Beklagte aber auch in Zukunft zum "A-Rüben-Preis" abnehmen müssen, vgl. § 7 Abs. 1 der neuen Satzung.

In diesem Umfang ist das Lieferrecht auch durch Marktordnungsbestimmungen nicht einschränkbar. Entgegen der Ansicht der Kläger stehen sie auch insoweit durch die neue Satzung nicht schlechter. Zwar bestimmt § 7 der neuen Satzung nur, dass Marktordnungsbestimmungen das Lieferrecht in Höhe von 0,4 t "A-Rüben" nicht einschränken, während § 7 c der alten Satzung die Abnahmeverpflichtung gemäß § 7 a von der Einschränkung ausnahm. Da sich eine derartige Beschränkung aber ohnehin nur auf den zu zahlenden Preis auswirken kann, dieser aber sowohl nach der neuen als auch nach der alten Satzung lediglich im Umfang von 0,4 t für A-Rüben gewährleistet und für unbeschränkbar erklärt war bzw. ist, ist eine Veränderung der Rechtsposition der Aktionäre nicht gegeben.

Ohnehin fehlt es in diesem Zusammenhang an dem Merkmal der Unmittelbarkeit, weil eine Veränderung der Rechte nicht durch die Satzung, sondern durch den EU-Verordnungsgeber ausgelöst werden kann und - dies haben die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung gleichfalls eingeräumt - ein Wegfall der Marktordnung ungewiss und frühestens für das Jahr 2006 zu erwarten ist.

cc) Durch die Einräumung von satzungsmäßigen Lieferrechten für die Gattung "..." wird ein Nachteil für die anderen Aktiengattungen auch nicht etwa deshalb begründet, weil sich die Ertragslage der Beklagten verschlechtern und dann die von den Klägern zu erwartende Dividende gekürzt wird. Eine etwaige Dividendenkürzung würde sich ohnehin auf alle Aktiengattungen auswirken, sodass es schon an der spezifischen Gattungsbetroffenheit fehlt. Außerdem ist - unstreitig - die Beklagte bisher verpflichtet gewesen, die nunmehr satzungsmäßig eingeräumten Lieferrechte aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung zu gewähren. Eine Auswirkung auf den Ertrag der Beklagten liegt somit nicht vor. Weiter scheitert die Annahme eines Nachteils i.S. d. § 179 Abs. 3 AktG daran, dass sich die Berechtigung zur Teilhabe am Gewinn, § 58 Abs. 4 AktG, nicht nach der Lieferberechtigung, sondern nach dem Aktienbesitz richtet. Überdies handelt es sich insoweit um eine bloße Erwartung (Gewinnchance), deren Einschränkung nicht als Nachteil i.S. d. § 179 Abs. 3 AktG zu werten ist (Zöllner in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., Rn. 183 zu § 179).

3. Verneint man eine Verletzung des § 179 Abs. 3 AktG, ist - vgl. hierzu oben 1. - die Satzungsänderung unter dem Gesichtspunkt des aktienrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes, § 53 a AktG, zu würdigen.

In der vorgenommenen Angleichung der Rechte der einzelnen Gattungen ist ein anfechtungsbegründender Verstoß gegen diesen Grundsatz aber nicht zu sehen. Denn § 53 a AktG verbietet nur solche Differenzierung zwischen Aktionären, die nicht durch Sachgründe gedeckt sind. Wenn man - was bereits zweifelhaft scheint - eine objektive Ungleichbehandlung der Aktiengattungen annehmen wollte, dann wäre diese jedenfalls zulässig, weil sie von sachlichen Gründen gedeckt ist. Die Vereinheitlichung der Aktionärsstruktur ist eine Vereinfachung, die im Interesse der Gesellschaft liegt. Denn hierdurch wird - weil die Unterschiede zwischen den einzelnen Aktiengattungen beseitigt werden - der Entscheidungsprozess im Rahmen künftiger Hauptversammlungen erleichtert und damit die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Gesellschaft erhöht. Da zudem - vgl. hierzu oben 2. - ein Eingriff in die Rechtsposition einzelner Gattungen nicht verbunden ist, scheidet ein Verstoß gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.






OLG Celle:
Urteil v. 30.10.2002
Az: 9 U 83/02


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