Oberlandesgericht Oldenburg:
Beschluss vom 16. Oktober 2003
Aktenzeichen: 12 WF 100/03

(OLG Oldenburg: Beschluss v. 16.10.2003, Az.: 12 WF 100/03)

Wird entgegen § 121 Abs. 3 ZPO ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt zur Vertretung uneingeschränkt beigeordnet, gelten für die Erstattung von Fahrt- und Abwesenheitsgeldern nicht die Einschränkungen des § 126 Abs. 1 BRAGO.

Ist eine Beiordnung zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts beabsichtigt, erfordert es der Vertrauensschutz, dass diese Einschränkung im Bewilligungsbeschluss eindeutig zum Ausdruck kommt.

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Oldenburg wird zurückgewiesen.

Gründe

Durch Beschluß vom 02. Dezember 2002 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg der Klägerin Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin ... zur Vertretung beigeordnet. Der Antrag des sachbearbeitenden Rechtsanwalt ..., ihn beizuordnen, da die in derselben Sozietät tätige Rechtsanwältin ... noch längere Zeit verhindert sei, blieb unbeschieden.

Den Verhandlungstermin vom 13. Januar 2003 nahm Rechtsanwalt B... wahr. Im Anschluß daran beantragte er, Kosten in Höhe von 914,08 EUR festzusetzen. Dieser Betrag schließt Fahrtkosten von 189 EUR sowie Abwesenheits- und Übernachtungsgeld mit insgesamt 111 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer ein.

Mit Beschluß vom 27. Februar 2003 sind die der Rechtsanwältin ... aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 566,08 EUR festgesetzt worden. Abgesetzt wurden Fahrtkosten, Abwesenheits- und Übernachtungsgeld, da die Beiordnung nach § 121 Abs. 3 ZPO nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt sei. Auf die Erinnerung vom 06. März 2003 hat die Familienrichterin mit Beschluß vom 24. März 2003 die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 914,08 EUR festgesetzt, weil die beigeordnete Rechtsanwältin K... bei allen Amtsgerichten zugelassen sei und die Mehrkosten die sonst erstattungsfähigen Mehrkosten eines Korrespondenzanwalts nur unwesentlich überstiegen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde vom 04. April 2003, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

In welcher Höhe einem Rechtsanwalt Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten sind, bestimmt sich nach dem Umfang seiner Beiordnung (§§ 122 Abs. 1, 126 BRAGO). Die Beiordnung selbst richtet sich nach § 121 ZPO. Die Einschränkung des § 121 Abs. 3 ZPO, dass ein bei einem Prozessgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden kann, beschränkt das Recht der Partei auf die Auswahl ihres Prozessbevollmächtigten auf den Kreis der beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwälte. Dies folgt aus dem Zusammenhang mit Absatz 2 der Vorschrift, aus dem diese Regelung ausgegliedert und gleichlautend in § 121 Abs. 3 ZPO übernommen wurde. Dies geschah anlässlich der auf alle Amts- und Landgerichte erweiterten Postulationsfähigkeit. Durch die Gesetzesänderung wurde lediglich klar gestellt, dass diese kostensparende Regelung über den Parteiprozess hinaus nunmehr für alle Verfahren gelten soll, in denen eine anwaltliche Vertretung vorgeschrieben ist. Eine weitergehende sachliche Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand ist damit nicht verbunden.

Eine Partei kann daher unverändert nicht die Beiordnung eines bei einem auswärtigen Gericht zugelassenen Rechtsanwalts beanspruchen, sofern ihr Prozeßbevollmächtigter nicht bereit ist, zu denselben Bedingungen wie ein beim Prozeßgericht zugelassener Rechtsanwalt tätig zu sein. Die unter Aufgabe des Lokalisierungsprinzips nunmehr bundesweite Postulationsfähigkeit ändert aber nichts an der Zulassung des Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 18 BRAO). Eine Beiordnung für Verfahren vor anderen Gerichten ist daher nur statthaft, soweit hierdurch im Vergleich zu einem beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt keine Mehrkosten entstehen. Setzt sich das Gericht indes über die gesetzlichen Beschränkungen hinweg und ordnet einen nicht beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt bei, ist eine uneingeschränkte Beiordnung für das weitere Verfahren gleichwohl beachtlich (OLG München OLGR 2002, 114; OLG Schleswig OLGR 2002, 18).

Dem Gesetz lässt sich keine immanente Beschränkung entnehmen, dass für den beigeordneten Rechtsanwalt stets nur die Kosten eines beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts erstattungsfähig sein sollen. Gegen eine solche Einschränkung spricht bereits § 126 Abs. 1 BRAGO. Es ist zu differenzieren, ob der Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz nicht am Ort des Prozessgerichts hat oder als bei einem anderen Gericht zugelassener Rechtsanwalt zum Prozeßgericht anreist. Die Ausnahmeregelung des § 126 Abs. 1 S. 2 HS 2 BRAGO hat ihre Berechtigung darin, dass ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt beigeordnet werden kann. Dies war nach dem früheren Rechtszustand möglich und gilt auch noch heute. Soweit es im Einzelfall für eine uneingeschränkte Beiordnung beachtliche Gründe gibt, sind mit der Anreise zum Termin verbundene Mehrkosten Bestandteil der zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen notwendigen Auslagen. Damit besteht kein Widerspruch zwischen den prozessrechtlichen Regeln und dem Kostenrecht, welches die Beiordnung eines nicht beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts gerade voraussetzt. Aus der unterbliebenen Änderung des Kostenrechts folgt daher, dass der Gesetzgeber keine generelle Beschränkung der Regeln zum Umfang der Kostenerstattung vornehmen wollte.

Beantragt ein nicht beim Prozeßgericht zugelassener Rechtsanwalt seine Beiordnung, muss daher die Beschränkung, dass die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolgt, in der gerichtlichen Anordnung unmißverständlich ihren Ausdruck finden. Da die Beiordnung eines bei einem anderen Gericht zugelassenen Rechtsanwalts nicht von vornherein ausgeschlossen ist, kommt dieser Einschränkung mehr als nur eine deklaratorische Bedeutung zu. Übergeht das Gericht bei seiner Entscheidung bewußt oder unbewußt die sich aus § 121 Abs. 3 ZPO ergebende Beschränkung, kann der nicht beim Prozeßgericht zugelassene Anwalt darauf vertrauen, dass er uneingeschränkt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden ist. Gerade aufgrund des in seinen Rechtsfolgen nicht unumstrittenen Regelungsbereichs ist es für die sachgerechte Vertretung des Parteiinteressen erforderlich, Gewißheit über den Umfang der Beiordnung zu bekommen, um ggf. rechtzeitig Anträge nach § 126 Abs. 2 BRAGO oder § 122 Abs. 4 ZPO stellen zu können.

Da im vorliegenden Fall das Familiengericht abweichend vom Regelfall des § 121 Abs. 3 ZPO die uneingeschränkte Beiordnung der nicht beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwältin K. angeordnet hat, ergibt sich aus § 126 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BRAGO ein Anspruch auf Erstattung der mit der Wahrnehmung des Termins verbundenen Auslagen. Deren Höhe entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§ 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BRAGO) und wird sachlich auch nicht beanstandet.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 128 Abs. 5 BRAGO).






OLG Oldenburg:
Beschluss v. 16.10.2003
Az: 12 WF 100/03


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