Bundespatentgericht:
Urteil vom 6. April 2000
Aktenzeichen: 4 Ni 30/98

(BPatG: Urteil v. 06.04.2000, Az.: 4 Ni 30/98)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention tragen der Kläger und die Klägerin.

3. Das Urteil ist für die Beklagte und den Nebenintervenienten jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 19.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger und die Klägerin betreiben das Nichtigkeitsverfahren gegen das am 23. Januar 1990 angemeldete, deutsche Patent 40 01 766 (Streitpatent), das ein "First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer" betrifft und 4 Patentansprüche umfaßt. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer aus luftdurchlässigem, regen- und schneesicherem Material, bestehend aus einem Mittelteil, das auf der First- oder Gratlatte aufliegt, und daran angeordneten Seitenteilen, wobei die Seitenteile einen wellenförmigen Querschnitt aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß

a) das Mittelteil (2) und die Seitenteile (3) aus einem Vliesstoff oder Gewebe bestehen, b) das Element aufrollbar und zumindest in seinem Mittelteil luftdurchlässig und an den Längsrändern wasserabweisend oder wasserdicht ausgeführt ist, c) der wellenförmige Querschnitt der Seitenteile (3) thermisch oder mechanisch in den Vliesstoff oder das Gewebe eingeformt ist undd) daß die Seitenteile (3) an ihrem äußeren freien Rand an der Unterseite eine oder mehrere Klebeschnüre (5) aufweisen, die mit einer abziehbaren Schutzfolie (6) versehen sind."

Wegen der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Der Kläger zu 1) stützt seine Nichtigkeitsklage auf unzulässige Erweiterung, mangelnde Nacharbeitbarkeit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit und beruft sich hierzu auf folgende Druckschriften:

DE AS 1 292 124 EP 0 079 429 DE 31 49 947 A 1 EP 0 341 343 (entspricht DE 88 16 544 U1)

DE 28 57 380 C2 DE OS 23 48 533 DE OS 33 06 837 A 1 Zeitschrift "Baustofftechnik", Ausgabe Dezember 1983, Seite 376, Duden, Bedeutungswörterbuch, Band 10, 2. Auflage, Seite 584, Römpps Chemielexikon, 8. Auflage 1988, Seiten 1471 und 4550.

Die Klägerin zu 2) stützt ihre Klage ebenfalls auf unzulässige Erweiterung sowie auf mangelnde erfinderische Tätigkeit. Hierzu beruft sie sich auf folgende weitere Druckschriften:

"Braas Handbuch 89/90 Geneigte Dächer"

DE 88 16 544 U1 DE 26 20 433 A2.

Im Prüfungsverfahren waren noch die DE 30 23 083 A1 DE 25 54 341 B1 US 45 58 637 EP 0 117 391 B1 (entspricht DE 33 06 837 A1)

in Betracht gezogen worden.

Der Kläger und die Klägerin beantragendas deutsche Patent 40 01 766 für nichtig zu erklären.

Die beklagte Patentinhaberin und der Nebenintervenient beantragen, die Klagen abzuweisen.

Sie treten den klägerischen Ausführungen in allen Punkten entgegen und halten das Streitpatent für bestandsfähig.

Gründe

Die zulässigen Klagen, mit denen die in § 22 Abs 2 iVm § 21 Abs 1 Nr 1, 2 und 4 PatG vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der fehlenden Ausführbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht werden, sind unbegründet. Der Kläger und die Klägerin haben den Senat nicht davon überzeugen können, daß dem Streitpatent die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe entgegenstehen.

1. Das Streitpatent betrifft ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer aus luftdurchlässigem, regen- und schneesicherem Material, bestehend aus einem Mittelteil, das auf der First- oder Gratlatte aufliegt, und daran angeordneten Seitenteilen, wobei die Seitenteile einen wellenförmigen Querschnitt aufweisen.

In der Beschreibung geht das Streitpatent von einem Stand der Technik aus, bei dem der steife Mittelteil aus Hart-PVC Löcher und seitlich anschließende kammartige elastische Finger aufweist, die mit einem luftdurchlässigen Material mit wellenförmigem Profil abgedeckt sind. Dieses Element sei, so wird dort ausgeführt, aufwendig in der Herstellung und auch nicht uneingeschränkt für Pfannen mit Kopfverrippung verwendbar. Auch brächten die Belüftungslöcher im steifen Mittelteil die Gefahr von Flugschnee-Eintrieb mit sich.

Des weiteren wird dort ein First- oder Gratbelüftungselement mit einem zur Auflage auf einer First- oder Gratbohle bestimmten, einen Luftdurchtritt ermöglichenden Mittelstreifen beschrieben, das an den Mittelstreifen angrenzende Seitenstreifen aufweise, die wenigstens mit ihren äußeren Längsrändern an die Oberseite von Dacheindeckungsplatten anpaßbar seien. Dabei bestehe der Mittelstreifen aus einem luftdurchlässigen, wasserabweisenden und flugschneesicheren Vlies und die Seitenstreifen aus weichen, dehnbaren Folienstreifen, in die ein plastisch verformbares Streckmetallgitter eingeformt sei. Nachteilig sei bei diesem - vorzugsweise in Rollen von ca 10 m ausgelieferten - Element die teuere Herstellung. Auch erschwere das Gewicht des Streckmetallgitters die Verarbeitung.

Vor diesem Hintergrund nennt das Streitpatent die Aufgabe, ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer aus regen- und schneesicherem Material zu schaffen, das den Spalt zwischen den First- und Gratziegeln und der anschließenden Dacheindeckung zuverlässig abdichtet und einen großen Belüftungsquerschnitt bei niedrigen Herstellungskosten hat.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent im Anspruch 1 einen Gegenstand mit den folgenden Merkmalen vor:

1 Ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer besteht aus einem luftdurchlässigen regen- und schneesicheren Vliesstoff oder Gewebe;

2 das Element ist aufrollbar;

3 das Element ist an den Längsrändern wasserabweisend oder wasserdicht ausgeführt;

4 das Element besteht aus einem Mittelteil;

4.1 das Mittelteil liegt auf der First- oder Gratlatte auf;

4.2 zumindest das Mittelteil ist luftdurchlässig ausgeführt;

5 das Element besteht aus an dem Mittelteil angeordneten Seitenteilen;

5.1 die Seitenteile haben einen wellenförmigen Querschnitt;

5.1.1 der wellenförmige Querschnitt ist thermisch oder mechanisch in den Vliesstoff oder das Gewebe eingeformt;

5.2 die Seitenteile weisen an ihrem äußeren freien Rand an der Unterseite eine oder mehrere Klebeschnüre auf;

5.2.1 die Klebeschnüre sind mit einer abziehbaren Schutzfolie versehen.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus.

Insbesondere kann den Klägern nicht gefolgt werden, wenn sie meinen, der wellenförmige Querschnitt "der Seitenteile" in Anspruch 1 sei ursprünglich nicht offenbart, weil ursprünglich nur der "äußere Rand der Seitenteile" als wellenförmig qualifiziert gewesen sei.

Die ursprünglichen, am Anmeldetag eingereichten Unterlagen entsprechen der DE 40 01 766 A1. Dieser ist in Spalte 1 Zeilen 38 bis 42 zu entnehmen, daß ein Streifen "an den Längsrändern so wellenförmig verformt wird, daß diese Ränder etwa die doppelte Länge des nicht verformten Mittelteils aufweisen". In Spalte 2, Zeilen 15 bis 20 steht mit Bezug auf die Figur 1, daß der Lüftungsstreifen aus einem ebenen Mittelteil 2 und Seitenteilen 3 besteht, die an ihrem äußeren Rand einen wellenförmigen Querschnitt haben. Gleichen Inhalts ist die Angabe im offengelegten Anspruch 1, wonach "die Seitenteile (3) an ihrem äußeren Rand einen wellenförmigen Querschnitt (4) aufweisen". Die perspektivische Figur 1 läßt den mit der Bezugsziffer 4 bezeichneten wellenförmigen Querschnitt an beiden Rändern der Seitenteile klar erkennen. Die wellenförmige Ausgestaltung ist im Ausführungsbeispiel am äußeren Rand am stärksten ausgeprägt und zieht sich bis zum Mittelteil in die Seitenteile hinein, wobei sich die Wellenhöhe dabei bis zu Null verringert. Der Fachmann erkennt aus dieser Gesamtoffenbarung ohne weiteres, daß eine Wellung nur am äußeren Rand, wie sie der ursprüngliche Text zu beschreiben scheint, technisch unsinnig und auch kaum zu bewerkstelligen wäre, wenn der äußere Rand beträchtlich länger sein soll, als die Länge des Mittelteils. Denn so wäre die gewünschte Anpassung der Seitenteile an das Profil der Pfannen nicht zu erreichen. Daß die Worte "am äußeren Rand" nicht wörtlich so zu verstehen sind, zeigt aber insbesondere auch die Zeichnung mit ihren über die ganze Breite der Seitenteile verlaufenden Wellen. Die Angabe im erteilten Anspruch 1, daß "die Seitenteile einen wellenförmigen Querschnitt aufweisen", ist durch die Gesamtoffenbarung also gedeckt.

Das Merkmal des Anspruchs 1 (Merkmal 1 der obigen Merkmalsgliederung), daß das Element in seinem Mittelteil und den Seitenteilen aus einem Vliesstoff oder Gewebe besteht, geht auf DE 40 01 766 A1, Spalte 1, Zeilen 49 und 59, 60 zurück und liegt ebenfalls im Rahmen der Ursprungsoffenbarung.

Die in Anspruch 1 (Merkmal 3) der obigen Gliederung weiter angesprochene wasserabweisende oder wasserdichte Ausgestaltung an den Längsrändern des Elements ist sinngemäß DE 40 01 766 A1, Spalte 1, Zeile 66, 67 zu entnehmen, wobei der Begriff "Randstreifen" mit dem Begriff "Längsränder" des erteilten Anspruchs 1 gleichzusetzen ist. Wichtig ist dabei die Forderung nach einer entsprechenden Ausrüstung der der Witterung ausgesetzten Bereiche des Elements, die, wie die Figur 2 ohne weiteres erkennen läßt, an den Längsrändern des Elements liegen. Auch dieses Merkmal geht somit - entgegen dem Klagevortrag - nicht über ursprünglich offenbarte Lehre hinaus.

Zu Unrecht bezweifeln die Kläger auch die ursprüngliche Offenbarung, soweit Anspruch 1 (Merkmal 5.1.1 der obigen Gliederung) lehrt, daß "der wellenförmige Querschnitt der Seitenteile thermisch oder mechanisch in den Vliesstoff oder das Gewebe eingeformt ist". Dieses Merkmal geht aus DE 40 01 766 A1, Spalte 1, Zeilen 52 und 60 bis 61 hervor, ist also unzweifelhaft ursprünglich offenbart.

3. Dieses Merkmal steht - entgegen der Auffassung der Kläger - auch der Ausführung der Erfindung nicht im Wege. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, daß beispielsweise eine rein thermische Verformung eines Vliesstoffes ohne mechanische Wellung kaum einen bleibend wellenförmigen Querschnitt der Seitenteile erzeugen kann, und beispielsweise einer thermischen Fixierung eine mechanische Verformung vorausgehen muß, während beispielsweise bei Verwendung eines Drahtgewebes eine rein mechanische Verformung genügt. Daß dies nicht im einzelnen ausgeführt, sondern die Lehre insoweit stark verkürzt ist, hindert den Fachmann nicht an ihrer Ausführung. Denn diese Zusammenhänge sind ihm ohne weiteres geläufig.

Auch sonst fehlt jeder Anhaltspunkt für eine fehlende Ausführbarkeit des Patentgegenstandes.

Auch seine gewerbliche Anwendbarkeit steht außer Frage.

4. Der Patentgegenstand ist neu.

Dabei ist vorauszuschicken, daß der Senat die Wendung in Anspruch 1 (Merkmal 1 der obigen Gliederung) das "Mittelteil und die Seitenteile aus einem Vliesstoff oder Gewebe bestehen", wörtlich so versteht, daß die beiden Teile einstückig aus ein und derselben Materialbahn gebildet sind, oder - anders ausgedrückt - daß die Angabe "einem" (Vliesstoff oder Gewebe) als Zahlwort zu verstehen ist. Das folgt unmittelbar ua daraus, daß die Streitpatentschrift am Stand der Technik den aufwendigen Aufbau, das Gewicht und die schwierige Herstellung kritisiert und statt dessen vorschlägt (vgl Sp 1 Z 55 bis 59), das Gratbelüftungselement "insgesamt aus einem Vlies oder Gewebe" herzustellen, um es billig, aufrollbar, leicht und insbesondere leicht verarbeitbar zu machen, Ziele, die sämtlich am besten durch den einfachen einstückigen Aufbau zu erreichen sind.

Keine der genannten Entgegenhaltungen zeigt ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer mit allen - so verstandenen - Merkmalen des Patentanspruchs 1.

Das DE GM 88 16 544 oder die EP 0 341 343 A2 gleichen Inhalts zeigen ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer, von dem sich das beanspruchte durch die Ausgestaltung seiner Seitenteile unterscheidet. Sie sind nicht gewellt und bestehen auch nicht aus einem Vliesstoff oder Gewebe.

Die DE 33 06 837 A1 zeigt ein First- oder Gratbelüftungselement für Pfannendächer mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1, aber vom Patentgegenstand abweichenden Seitenteilen. Die diesen Seitenteilen entsprechenden Dichtungsstreifen der Entgegenhaltung bestehen aus einem kammartigen Randteil aus elastisch verformbarem Material, dessen Zähne mit einem die Zahnlücken überbrückenden Randstreifen aus flexiblem Material, zB Vliesstoff, auseinanderspreizbar verbunden sind. Die Entlüftung erfolgt dort über die auseinandergespreizten vliesunterlegten Dichtungsstreifen und nicht wie patentgemäß (Merkmal 4.2) über das Mittelteil. Dieses ist ebenso wie das kammartige Randteil aus elastisch biegsamem PVC-Material. Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Patentgegenstand somit im wesentlichen durch das gewählte Material für Mittel- und Seitenteile, den einstückig, einheitlichen Vliesstoff oder das Gewebe.

Die DE 26 20 433 B1 zeigt eine Vorrichtung zum Abdichten der Fuge zwischen den Rändern profilierter Dacheindeckungsplatten und einem angrenzenden Bauteil, die gemäß der Figur 9 mit Beschreibung auch als First- oder Gratabdeckung dienen kann. Als Material wird dort Weich-PVC vorgeschlagen. Abgesehen davon, daß das dort vorgeschlagene Element nicht luftdurchlässig ist und somit kein Belüftungselement nach Anspruch 1 (Merkmal 1) ist, unterscheidet sich das beanspruchte Belüftungselement noch durch seine Einstückigkeit, die Materialauswahl (Merkmal 1) und die in den Stoff der Seitenteile thermisch eingeformten Wellen (Merkmal 5.1).

Das "Braas-Handbuch" zeigt auf Seite 278 First- oder Gratbelüftungselemente für Pfannendächer, von denen das "Aero-Firstelement" dem Element der og DE 33 06 837 A1 entspricht und die "Aero Gratrolle" in der og EP 0 341 343 A2 näher beschrieben ist.

Die weiter noch zitierte Seite 331 des "Braas Handbuchs" betrifft eine Dachfensterschürze aus einem wasserdichten Material ähnlich derjenigen nach Figur 8 der og DE AS 26 20 433.

Über die genannten drei Druckschriften hinausgehende Einzelheiten zeigt das "Braas-Handbuch" nicht, so daß darauf im Folgenden nicht näher eingegangen zu werden braucht.

Die Zeitschrift "Baustofftechnik" zeigt ein Firstlüfterelement aus offenzelligem Weichschaumstoff, von dem sich das beanspruchte Element zumindest durch sein Material und die Ausgestaltung der Seitenteile unterscheidet. Auch die von der Klägerin nicht aufgegriffenen weiteren Druckschriften, die sich mit Firstenlüftung befassen (DE 30 23 083 und US 4 558 637), stellen die Neuheit des Patentgegenstands wegen seines Materials nicht in Frage.

Die Neuheit des Patentgegenstands auch gegenüber dem übrigen druckschriftlichen Stand der Technik steht außer Frage, denn dieser betrifft lediglich allgemein die Plissierung von textilen Stoffen oder dient zur Definition von Begriffen.

5. Der Patentgegenstand nach Anspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn er wird dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Bei dem Firstlüftelement gemäß EP 0 341 343 A2, das als einziges im Stande der Technik ein Vliesstoff-Mittelteil mit belüftender Funktion aufweist, mag der Fachmann, ein Bauingenieur mit fundierten Kenntnissen in der Bauzubehörbranche, der die Nachteile von dessen aufwendig und teuer gestalteter Seitenteilausführung mit einem dehnbaren folienumhüllten Streckmetallgitter erkennt, den Stand der Technik nach Anregungen zu einer preiswerteren Lösung sichten. Die kammartige vliesstoffhinterfütterte PVC-Seitenteilgestaltung der DE 33 06 837 A1 wird er dabei nicht übernehmen, weil sich solche relativ schweren Seitenteile an dem biegeweichen Vliesstoffmittelteil des Belüftungselements nach EP 0 341 343 A2 kaum befestigen ließen. Abgesehen davon führt ein solcher Schritt auch noch nicht zum Patentgegenstand, denn dazu müßte der Fachmann auch noch die stabilisierenden Kammzinken weglassen, die aber für die Anpassung der Seitenteile an das Pfannenprofil erforderlich sind. Für solche Modifikationen fehlte jegliche Anregung, vielmehr wäre ein solches Vorgehen ohne Kenntnis des Patentgegenstands eher abwegig.

Die DE AS 26 20 433, ebenso wie die Fensterschürze des "Braas-Handbuchs", Seite 331, regen den Fachmann allenfalls an, die Seitenteile des Elements nach EP 0 341 343 A2 durch solche aus Weich-PVC oder dergleichen zu ersetzen und die Anpassung an das Pfannenprofil durch mechanisches Verformen dieses plastisch verformbaren Materials vorzunehmen. Auch dies führt aber nicht zum Patentgegenstand, welcher vollständig aus einem einstückigen Vliesstoff oder Gewebe mit thermisch eingeformten Wellen in den Seitenteilen besteht.

Das Firstlüfterelement aus "Baustofftechnik" regt den Fachmann möglicherweise an, die Seitenteile des Elements nach EP 0 341 343 A2 durch ein Schaumstoffmaterial zu ersetzen, wobei offenbliebe, wie die Anpassung des Elements an die Ziegelprofile erfolgen soll. Außerdem erfüllt der offenzellige Weichschaumstoff nicht die beanspruchten Anforderungen an die Wasserdichtheit der Seitenteile gegen Regen oder Flugschnee. Auch diese Ausführung hält den Fachmann von der Verwendung eines Vliesstoffes oder Gewebes für die Seitenteile eher ab.

Der von der Klägerin zu 2 vertretenen Auffassung, der Patentgegenstand erschöpfe sich in einem reinen Austausch des aus der DE 26 20 433 B1 bekannten PVC gegen einen Vliesstoff, und diesen kenne der Fachmann bereits als luftdurchlässiges Mittelstreifenmaterial aus der EP 0 341 343 A2, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen, weil eine solche Sichtweise nur in Kenntnis des Patentgegenstands sinnvoll erscheint. Der Fachmann mag zwar, wenn Luftaustausch gewünscht wird, auf die Idee kommen, das PVC-Mittelteil des Elements nach DE 26 20 433 B1, angeregt durch das Vorbild aus EP 0 341 343 A2, in Vliesstoff auszuführen. (Es würde freilich näher liegen, zu diesem Zweck das Kunststoffmaterial mit Öffnungen zu versehen). Jedenfalls aber fehlt jegliche Anregung im Stand der Technik, ein solches biegeweiches Material auch für die Seitenteile zu verwenden. Weil diese wind- und wetterfest und wasserdicht sein müssen, sind sie nämlich bei den Firstelementen des Stands der Technik immer recht formstabil und kräftig ausgeführt (mechanisch verformbares Weich-PVC bei der DE 26 20 433 B1, streckmetallbewehrte Folie in der EP 0 341 343 A2, PVC-Kamm nach DE 33 06 837 A1, hinterlegt mit Vliesstoff gegen Regen und Flugschnee, Schaumstoffblock aus "Baustofftechnik"). Dies zeigt, daß der Stand der Technik weder einzeln noch insgesamt betrachtet dem Fachmann gezeigt hat, daß die vielseitigen Anforderungen an ein solches Bauelement auch mit einem relativ billig herzustellenden und gleichzeitig leicht handhabbaren Massenmaterial erfüllt werden können. In der Reduzierung der bekannten Firstbelüftungselemente auf die einfachste denkbare Ausführung unter Verwendung einer einteiligen Vliesstoff- oder Gewebebahn liegt der erfinderische Gehalt des Patents. Daß es bei einem solchen Material gewisser zusätzlicher Vorkehrungen bedarf, um es für den vorliegenden Einsatzzweck geeignet zu machen (Imprägnierung, Plissierung, Anbringen eines Klebestreifens), vermindert die erfinderische Qualität der streitpatentgemäßen Lehre nicht, auch wenn alle diesbezüglichen Maßnahmen für sich gesehen im Stand der Technik nachweisbar sind.

Dabei ist festzustellen, daß hier nicht eine plissierte Vliesstoff- oder Gewebebahn als solche den Gegenstand des Patents darstellt. Denn solche Bahnen sind weitverbreitet und ihre Herstellung ist in der einschlägigen Textilindustrie wohlbekannt. Patentgegenstand ist die Bestimmung solcher Materialien für den beanspruchten Einsatzzweck. Es ist nicht ersichtlich, daß sie durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen wäre oder nur einfache fachliche Überlegungen vorausgesetzt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm §§ 91 Abs 1 Satz 1, 101 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Dr. C. Maier Müllner Dehne Dr. agr. Huber Pr/be






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Urteil v. 06.04.2000
Az: 4 Ni 30/98


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