Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2007
Aktenzeichen: 10 W (pat) 54/03

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2007, Az.: 10 W (pat) 54/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 26. Oktober 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung wurde der Patentinhaberin ein Patent mit der Bezeichnung "Leichtlehmplatte und Verfahren zu ihrer Herstellung als auch ihre Verwendung" erteilt; die Patenterteilung wurde im Juni 1997 veröffentlicht.

Mit Bescheid vom 3. März 1999 benachrichtigte das Patentamt gemäß § 17 Abs. 3 PatG a. F. (Fassung bis 31. Dezember 2001) die Patentinhaberin, dass das Patent erlösche, wenn die 4. Jahresgebühr mit Zuschlag (insgesamt 110,- DM) nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Monats, in dem diese Benachrichtigung zugestellt worden sei, entrichtet werde. Die Gebührennachricht wurde dem damaligen Vertreter der Patentinhaberin, Patentanwalt Dr. A..., durch Sammelemp- fangsbekenntnis zugestellt. Ausweislich der in der Amtsakte befindlichen Kopie des vom Patentanwalt unterschriebenen Sammelempfangsbekenntnisses wurde dieses am 12. März 1999 abgesandt, ein Empfangsdatum ist nicht angegeben.

Am 13. Oktober 2000 wurde die 6. Jahresgebühr gezahlt.

Nach Hinweis des Patentamts mit Bescheid vom 2. Oktober 2001, dass für die Zahlung im Oktober 2000 kein Rechtsgrund vorliege, weil das Patent erloschen sei, hat die Patentinhaberin am 28. November 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, ihr damaliger Vertreter und sie seien bislang von einer ordnungsgemäßen Zahlung der Jahresgebühren ausgegangen, zumal weder sie noch ihr damaliger Vertreter für das Jahr 1999 irgendeine Mahnung oder Erinnerung erreicht habe. Beweis für die Annahme, dass von einem Fortbestehen des Patents ausgegangen worden sei, sei die im Jahr 2000 erfolgte Gebührenzahlung.

Das Patentamt hat mit Bescheid vom 27. Februar 2002 darauf hingewiesen, dass gemäß § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist eine Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden könne. Der gestellte Antrag sei daher bereits aus diesem Grunde unzulässig.

Hiergegen hat sich die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 30. April 2002 gewandt und vorgetragen, erstmals habe sie durch den Bescheid vom 2. Oktober 2001 erfahren, dass das Patent erloschen sei. Die Gebührennachricht vom 3. März 1999 sei weder ihr noch ihrem damaligen Vertreter bekannt. Sie sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Zahlungsfrist sowie die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 PatG einzuhalten. Was das Verschulden des damaligen Vertreters anbelange, so handle es sich um einen erstmaligen und einmaligen Fehler in seiner Zeit als Patentanwalt. Ein Kurzschluss habe im fraglichen Zeitraum zu einem völligen Zusammenbrechen seiner Computeranlage, die gleichfalls zur Fristenüberwachung eingesetzt worden sei, geführt. Es sei ihm nicht mehr möglich gewesen, Daten zu retten. Die Antragsfrist und erst recht die Jahresfrist seien aber auch schon aufgrund des Umstands gewahrt, dass die folgende Jahresgebühr gezahlt worden sei. Damit habe sich die klare Absicht ergeben, die Anmeldung aufrechterhalten zu wollen. Zudem sei zugunsten der Patentinhaberin der verfassungsrechtliche Grundsatz der "Nachsichtgewährung" zu berücksichtigen (BGH NJW 1973, 1373; BAG NJW 1982, 1664). Wäre nämlich die Rückerstattung der nachfolgend gezahlten Jahresgebühr durch das Patentamt sofort erfolgt, hätte sie mit einem Wiedereinsetzungsantrag noch rechtzeitig reagieren können.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 11 - hat durch Beschluss vom 30. Juli 2002 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Patentinhaberin habe es versäumt, den Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig vor Ablauf der Jahresfrist gemäß § 123 Abs. 2 PatG zu stellen; wegen der Einzelheiten werde auf den Bescheid vom 27. Februar 2002 hingewiesen.

Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der Beschwerde und trägt zur Begründung vor, der angefochtene Beschluss setze sich nicht mit den im Schriftsatz vom 30. April 2002 aufgeführten Gründen auseinander, wonach jedenfalls kein zurechenbares Verschulden vorliege.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Patentamt hat den Antrag der Patentinhaberin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr mit Zuschlag zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Patentinhaberin hat die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr mit Zuschlag versäumt. Die 4. Jahresgebühr ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 PatG in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung am 31. Oktober 1998 fällig gewesen und konnte bis 31. Dezember 1998 zuschlagsfrei entrichtet werden. Mit Zustellung der Gebührennachricht vom 3. März 1999 im März 1999 hat die viermonatige Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG a. F. zur Zahlung der Gebühr mit Zuschlag zu laufen begonnen, die am Montag, den 2. August 1999 (der 31. Juli 1999 war ein Samstag) geendet hat.

Dass das vom damaligen Vertreter unterschriebene Empfangsbekenntnis zu der Gebührenbenachrichtigung kein Empfangsdatum enthält, führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung, sondern lediglich dazu, dass über den Zustellungszeitpunkt nach freier Überzeugung zu entscheiden ist (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 174 Rdn. 14, 20 m. w. N.). Angesichts des Absendedatums 12. März 1999 und der zur Verfügung stehenden Zeitspanne bis zum Ablauf des Monats kann nach Überzeugung des Senats selbst bei einer überlangen Postlaufzeit von einer Zustellung noch im März 1999 ausgegangen werden; auf den genauen Zustellungstag innerhalb des Monats kommt es für den Beginn der Zahlungsfrist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG a. F. nicht an.

Wegen nicht fristgerechter Zahlung der 4. Jahresgebühr mit Zuschlag bis 2. August 1999 ist daher das Patent gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen.

2. Der wegen Versäumung der Zahlungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist bereits unzulässig.

Abgesehen davon, dass die Patentinhaberin die versäumte Handlung entgegen § 123 Abs. 2 Satz 3 PatG nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt hat, die spätestens mit Erhalt des patentamtlichen Bescheids vom 2. Oktober 2001 zu laufen begonnen hat, hat sie den Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG gestellt. Nach dieser Vorschrift kann ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden. Da die Zahlungsfrist für die 4. Jahresgebühr mit Zuschlag hier Anfang August 1999 abgelaufen ist, hätte der Wiedereinsetzungsantrag spätestens bis Anfang August 2000 gestellt werden müssen, stattdessen ist er erst über zwei Jahre nach Fristablauf im November 2001 gestellt worden.

Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG stellt eine im Interesse der Rechtssicherheit gebotene Begrenzung und Einschränkung der Wiedereinsetzungsmöglichkeit dar. Sie setzt eine absolute Zeitgrenze, die eintritt, ohne dass Billigkeitsgründe berücksichtigt werden können (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 123 Rdn. 31; BPatG BlPMZ 1996, 357, 358). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Säumige Kenntnis vom Beginn dieser Jahresfrist hat, denn sie läuft grundsätzlich unabhängig von der Kenntnis des Säumigen (vgl. Schulte a. a. O.). Ob schon die bloße klare Absicht, das Patent aufrechterhalten zu wollen, für die Wahrung der Jahresfrist ausreicht, wie die Patentinhaberin geltend macht (vgl. insoweit Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 32), ist angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn eine solche Absicht ist innerhalb der Jahresfrist weder geäußert worden noch ergibt sich eine solche aus sonstigen Umständen. Die Zahlung der nachfolgenden Jahresgebühr, auf die sich die Patentinhaberin insoweit beruft, liegt nämlich bereits außerhalb der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG. Die Zahlung erfolgte am 13. Oktober 2000, die Jahresfrist war aber schon Anfang August 2000 abgelaufen. Damit kommt auch dem Umstand, dass die Rückzahlung dieser nachfolgenden Jahresgebühr erst ein Jahr später erfolgte, wodurch die Patentinhaberin erst auf den Rechtsverlust aufmerksam wurde, keine Bedeutung für die Einhaltung der Jahresfrist zu. Denn auch wenn das Patentamt die nachfolgende Jahresgebühr früher erstattet hätte, hätte die Patentinhaberin die Jahresfrist nicht wahren können, da diese bereits zum Zeitpunkt der Zahlung abgelaufen war. Der vorliegende Fall ist somit nicht vergleichbar mit den Fällen, die der von der Patentinhaberin zitierten Rechtsprechung zur "Nachsichtgewährung" zugrunde lagen (BGH NJW 1973, 1373; BAG NJW 1982, 1664); dort hatten jeweils allein in der Sphäre des Gerichts liegende Gründe zu einer Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nach Ablauf der Jahresfrist geführt. Für eine Durchbrechung der Jahresfrist, ganz abgesehen davon, ob eine solche überhaupt in Betracht kommen kann (verneinend BPatG BlPMZ 1996, 357, 358 rechte Spalte), besteht daher keinerlei Anlass. Ebenso wenig kann in die versäumte Jahresfrist Wiedereinsetzung gewährt werden (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 31).

3. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass der Wiedereinsetzungsantrag - unterstellt, er sei zulässig - in der Sache hätte Erfolg haben können, selbst wenn man nicht lediglich den Vortrag im Antragsschriftsatz vom November 2001, sondern auch die erst nach Ablauf der zweimonatigen Antragsfrist vorgetragenen Umstände im Schriftsatz vom 30. April 2002 berücksichtigt. Die Angabe, ein Kurzschluss habe im fraglichen Zeitraum zu einem völligen Zusammenbrechen der Computeranlage in der Kanzlei des damaligen Vertreters geführt, ist zu wenig konkret, als dass hieraus auf ein fehlendes Verschulden des Vertreters geschlossen werden könnte. Angaben, wann genau dies passierte, wie lange die Störung andauerte, welche Maßnahmen wann ergriffen wurden, fehlen. Mangels substantiierten Vortrags bleibt die Möglichkeit offen, dass den Vertreter ein Sorgfaltsverstoß trifft, mithin ein der Patentinhaberin zurechenbares Verschulden des Vertreters vorliegt.






BPatG:
Beschluss v. 29.03.2007
Az: 10 W (pat) 54/03


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