Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 4. März 2010
Aktenzeichen: 6 U 171/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 04.03.2010, Az.: 6 U 171/09)

1. Zur Frage, wann eine Glücksspielwerbung die Grenzen des nach § 5 I, II GlüStV Zulässigen überschreitet (im Streitfall verneint).

2. Das Verbot der Werbung für Glücksspiel im Internet (§ 5 III GlüStV) betrifft auch die Werbung für offline durchgeführte Gewinnspiele (Fordsetzung der Senatsrechtsprechung)

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Juli 2009 teilweise abgeändert.

Der Beschluss € einstweilige Verfügung € des Landgerichts Wiesbaden vom 4. Mai 2009 wird im Sinne eines Neuerlasses insoweit bestätigt, als es dem Antragsgegner bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,- € - ersatzweise Ordnungshaft € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die an den gesetzlichen Vertretern der Vertretungsbehörde des Antragsgegners zu vollstrecken ist, untersagt wird, im Bereich des Glückspielwesens die Teilnahme an Sofortlotterien zu bewerben und/oder bewerben zu lassen wie am 30. April 2009 im Internet und nachstehend wiedergegeben geschehen.

(Es folgt eine Abbildung, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann € die Red.).

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Antragsteller 3/4 und der Antragsgegner ¼ zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Werbung des Antragsgegners für die Sofortlotterie €Goldene 7€.

Nachdem das Landgericht die beanstandete Werbung mit Beschluss € einstweilige Verfügung - vom 4. Mai 2009 zunächst antragsgemäß untersagt hat, hat es den Eilantrag mit dem angegriffenen Urteil unter Aufhebung dieses Beschlusses zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, zwar sei der Antragsteller klagebefugt und handle auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die beanstandete Werbung verstoße aber nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 GlüStV. Die Gestaltung des Rubbelloses €Goldene 7€ in ihrer konkreten Form und Aufmachung sei nicht als aufreißerisch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV anzusehen. Auch sei die konkrete Werbung des Produkts in den Verkaufsstellen mit Dispenser, Topschild und dem sogenannten Wobbler nicht unsachlich und unangemessen. Der Internetauftritt des Antragsgegners verstößt nach Auffassung des Landgerichts nicht gegen das Verbot der Glückspielwerbung im Internet nach § 5 Anbs. 3 GlüStV, weil es an einer werbenden Aussage fehle.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung. Unter Modifizierung seines ursprünglich gestellten Antrags € die Abbildungen der Vorder- und Rückseite des Loses gemäß der ersten und zweiten Abbildung des Antrags 1) entsprechen jetzt der tatsächlichen Größe des Loses € beantragt der Antragsteller:

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27.07.2009 € 11 O 29/09 € teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagte hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Bereich des Glücksspielwesens die Teilnahme an Sofortlotterien mit dem nachfolgend wiedergegeben Lotterieschein zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,

(Es folgen Abbildungen, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden können € die Red.).

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gelangten Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise, das heißt hinsichtlich des Unterlassungsantrags gemäß Ziffer 2) € Internetauftritt €, Erfolg.

Die Anspruchsberechtigung des Antragstellers besteht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Dies hat der Senat bereits in dem ebenfalls zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangenen Urteil vom 5. November 2009 in dem Eilverfahren 6 U 133/09, juris-Tz 3 ff (€LOTTO-MusikDING€) festgestellt. Auf die dortigen Ausführungen, die den Parteien bekannt sind, wird verwiesen. Der vorliegende Rechtsstreit gibt keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen.

Gleiches gilt im Ergebnis für die in der zitierten Entscheidung des Senats zum Ausdruck gebrachte und im vorliegenden Verfahren auch vom Landgericht geteilte Auffassung, dass der Antragsteller mit der Geltendmachung der Unterlassungsanträge nicht rechtsmissbräuchlich handelt. An dieser Bewertung vermögen auch die vom Antragsgegner in der Berufungsbegründung vorgebrachten Argumente nichts zu ändern.

Soweit zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Antragstellerin auch gehört, €unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken€ (§ 3 Nr. 1 lit. A der Satzung des Antragstellers), kann daraus auch dann nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers geschlossen werden, wenn er wettbewerbswidriges Verhalten staatlicher Lottogesellschaften aufgreift. Dem steht bereits entgegen, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht nur reine Wettbewerbsverbände, sondern auch Fachverbände antragsbefugt sind (vgl.: BGH, Urt. v. 16.01.2003 - I ZR 51/02 - GRUR 2003, 454, juris-Tz 18 - Sammelmitgliedschaft; vgl. Urt. v. 27.04.2000 - I ZR 287/97 - GRUR 2000, 1093 juris-Tz 27 - Fachverband; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 8 Rd 116). Im Übrigen besteht im Glücksspielbereich eine Konkurrenz der Systeme von privaten und staatlichen Anbietern, so dass ein Verband der - legitimer Weise - die Interessen einer der konkurrierenden Anbietergruppen vertritt, nicht schon dann rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er das wettbewerbsgemäße Verhalten der Vertreter der anderen Gruppe besonders im Auge hat.

Ebenfalls ohne Erfolg wirft der Antragsgegner dem Antragsteller rechtsmissbräuchliche €Salami-Taktik€ vor, die er darin begründet sieht, dass es der Antragsteller unterlassen habe, mehrere von ihm behaupteten Verstöße in einem Verfahren zusammenzufassen. Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann zwar vorliegen, wenn der Anspruchsberechtigte mehrere in einer Werbeaktion enthaltene Wettbewerbsverstöße gleichzeitig geltend machen könnte, diese aber auf mehrere Verfahren aufteilt (dazu auch: Köhler /Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rd 4.14). Diese Voraussetzungen sind hier aber gerade nicht erfüllt. Denn der Antragsgegner nennt als Beleg für die nach seiner Auffassung unlautere Klagespaltung neben einem Verfahren, das den Inhalt der LOTTO-Kundenzeitung €A€ zum Gegenstand hat, ein weiteres Verfahren, in dem es um den Verkauf eines Loses an einen Minderjährigen geht. Diese völlig unterschiedlichen Verstöße rechtfertigen mehrere Verfahren.

Ein Unterlassungsanspruch besteht aus § 5 Abs. 3 GlüStV in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG, soweit der Antragsteller mit Ziffer 2) des Verfügungsantrags ein Verbot der Internetwerbung geltend gemacht hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 5. November 2009 - 6 U 133/09 € juris-Tz 30 ff) gilt auch für den Begriff der Werbung im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV die Definition gemäß Art 2 lit a der Richtlinie 2006/114/EG. Danach ist Werbung €jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern€ , wobei das Begriffsmerkmal der Absatzförderungsabsicht weit auszulegen ist. Eine inhaltliche Einschränkung des Werbebegriffs in § 5 Abs. 3 GlüStV dergestalt, dass eine €rein informative Werbung€ zulässig sein solle, hat der Senat ausdrücklich abgelehnt. Daran ist festzuhalten.

Demzufolge ist der streitgegenständliche Internetauftritt unabhängig davon, ob sich der Internetnutzer auf der Seite des Antragsgegners erst in mehreren Schritten zu dem beanstandeten Text durchklicken muss, ohne Weiteres als Werbung anzusehen. Denn dieser Text stellt das neue Produkt €Goldene 7€ vor und informiert über dessen Vorzüge, wie beispielsweise die Möglichkeit der Gewinnauszahlung in den Bundesländern B und C. Der Internetauftritt dient damit auch der Absatzförderung.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners besteht insoweit auch ein Verfügungsgrund. Dies gilt auch, soweit der Antragsgegner in der Berufungsinstanz nunmehr in Frage stellt, ob der Antragsteller von der streitgegenständlichen Präsentation des Sofortlotterie-Loses €Goldene 7€ in den Lottoannahmestellen tatsächlich erst am 22. April 2009 oder womöglich schon vor dem 19. Februar 2009 erfahren hat. Denn dieser Vortrag hat für die Kenntnis des Internetauftritts keine Bedeutung.

Unbegründet ist der Unterlassungsanspruch allerdings, soweit der Antragsteller mit Ziffer 1) des Verfügungsantrags ein Verbot des Loses €Goldene 7€ selbst begehrt und sich gegen dessen Präsentation in den Lottoannahmestellen wendet. Dabei kann dahin stehen, ob die Veranstaltung der Sofortlotterie €Goldene 7€ und die Gestaltung des Loses € wie von dem Antragsteller behauptet € von der Glücksspielaufsicht genehmigt wurde, so dass ein nach § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidriges Verhalten schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Denn der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Gestaltung des Loses an sich die Grenzen der nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV zulässigen Werbung nicht überschreitet.

Entscheidend für die Zulässigkeit der Werbung ist nach der Rechtsprechung des Senats letztlich, ob sie im konkreten Fall noch von dem Zweck getragen wird, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken (§ 1 Nr. 2 GlüStV). Verbraucher, die ihren Spieltrieb ausleben möchten, sollen nicht deshalb auf illegale Glücksspielangebote zurückgreifen, weil sie über die legalen staatlichen Angebote und deren Attraktivität nicht hinreichend informiert wurden. Die Werbung darf jedoch nicht darauf ausgerichtet sein, den Spieltrieb der Verbraucher überhaupt erst zu wecken und so dem Glücksspiel neue Interessenten zuzuführen ( Senat , Urt. v. 05.11. 2009 € 6 U 133/09 € juris-Tz 34).

Diese Grenze ist hier nicht deshalb überschritten, weil die Vorderseite des Loses in der Farbe €gelb€ oder €gold€ gehalten ist, im Zusammenhang mit der Angabe €Goldene 7€ echte Goldbarren dargestellt werden und die Rubbelfelder selbst als stilisierte Goldbarren ausgebildet sind. Diese Gestaltung vermittelt zwar eine gewisse (Hoch-)Wertigkeit des Loses und ist deshalb geeignet, bei dem Betrachter Gewinnerwartungen zu wecken. Gleichwohl kann nach Auffassung des Senats (noch) nicht festgestellt werden, dass die Losgestaltung geeignet ist, einen bislang nicht spielinteressierten Verbraucher zum Glücksspiel zu veranlassen. Denn § 5 GlüStV erfordert nicht den vollständigen Verzicht auf eine attraktive Gestaltung und Darstellung des erlaubten Glücksspiels. Den Veranstaltern erlaubten Glücksspiels ist vielmehr zuzugestehen, ihre Produkte in einer Art und Weise zu gestalten, die geeignet ist, Aufmerksamkeit zu erwecken. Denn nur wenn dies geschieht, kann das Ziel der Kanalisierung der Spielleidenschaft erreicht werden ( Senat , a.a.O.). Diese Schwelle ist hier nicht überschritten.

Unbegründet ist der Unterlassungsanspruch auch, soweit er sich gegen die Präsentation der Lose in den Verkaufsstätten (Lottoannahmestellen) gemäß der Abbildung 3) des Unterlassungsantrags 1) richtet. Nach Auffassung des Senats geht die Werbewirkung dieser Art der Präsentation nicht wesentlich über die der Lose selbst hinaus. Denn die dritte Abbildung zeigt den Dispender, das heißt eine transparente Vorrichtung, in dem die zum Verkauf angebotenen Lose auf einer Rolle zum Verkauf vorgehalten werden. Die Lose als solche sind (für den Kunden) sichtbar. Neben und unter dem Dispender für das Los €Goldene 7€ sind noch fünf weitere Einheiten angeordnet. Außerdem gibt es zwei weitere Hinweise auf das streitgegenständliche Los, nämlich (1) ein in der Größe des Loses gehaltenes Hinweisschild, welches den Dispender teilweise verdeckt, mit der Aufschrift €Sofortlotterie - GOLDENE 7 Das neue 5 € Los.€ sowie (2) einen deutlich größeren Aufsteller über dem Dispender mit der Abbildung eines Originalloses und der zusätzlichen Angabe €SOFORTLOTTERIE€. Die Grundfarbe dieser Hinweise entspricht dem des Loses selbst (goldgelb). Eine weitergehende textliche oder bildliche Darstellung, die eine eigene Werbewirkung entfalten könnte, findet sich nicht. Die Werbung erschöpft sich daher im Wesentlichen in der Präsentation des € nach dem oben Gesagten € nicht zu beanstandenden Loses selbst.

Hinzu kommt, dass mit der beanstandeten Werbung nur solche Kunden konfrontiert werden, die sich bereits in dem Verkaufsraum aufhalten und somit dem Angebot von Glücksspielen ohnehin ausgesetzt sind. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Lottoannahmestellen nicht nur von potentiellen Glücksspielteilnehmern besucht werden. Denn üblicherweise befinden sich die Lottoannahmestellen in Verkaufsräumen, in denen auch andere Artikel wie beispielsweise Zeitungen und Zeitschriften oder Zigaretten angeboten werden. Dies ist auch aus der Abbildung 3) ersichtlich. Allerdings ist dem Veranstalter von erlaubten Glücksspielen zuzugestehen, auch in einem solchen Umfeld in einer Art und Weise auf sein Angebot hinzuweisen, die geeignet ist, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das schließt auch das Recht ein, die Glücksspiellose offen zu präsentieren und € wie geschehen € durch zusätzliche Aufsteller und Hinweisschilder kenntlich zu machen, solange von diesem € wie hier € keine übermäßige Anziehungskraft ausgeht.

Schließlich ist die beanstandete Werbung € entgegen der Auffassung des Antragstellers € auch nicht deshalb zu verbieten, weil sie nicht mit der nach § 5 Abs. 2 Satz 3 und § 7 GlüStV gebotenen Deutlichkeit auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und die bestehenden Hilfsmöglichkeiten hingewiesen hat. Der erteilte Hinweis:

€*Spielteilnahme ab 18 Jahren. SOFORTLOTTERIE kann süchtig machen. Rat und Hilfe unter www€...de Infotelefon: €. Chance auf einen der Höchstgewinne 1:640.000. Bitte beachten Sie: Sie riskieren den Verlust Ihres Spieleinsatzes.€

entspricht den Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden, die der Antragsgegner als Anlage AG 12 vorgelegt hat. Darüber hinaus sind die erteilten Hinweise hinreichend deutlich (auffällig) gestaltet. Denn die auf weißen Textfeldern in schwarzen Druckbuchstaben angebrachten Texte heben sich von den im Übrigen bunten (goldfarbenen) Hinweisschildern deutlich ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 04.03.2010
Az: 6 U 171/09


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