Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Februar 2008
Aktenzeichen: 15 W (pat) 342/03

(BPatG: Beschluss v. 14.02.2008, Az.: 15 W (pat) 342/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 19, eingegangen am 13. Juli 2004, Beschreibung Sp. 1 bis 8, eingegangen am 13. Juli 2004, 4 Seiten Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß DE 101 16 614 C2.

Gründe

I Auf die am 3. April 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent DE 101 16 614 mit der Bezeichnung "Automatisierbare Meß-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden oder Elektroden zur Messung von Redoxpotentialen" erteilt worden. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Februar 2003.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 21 lauten:

"1. Automatisierbare Meß-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden oder Elektroden zur Messung von Redoxpotentialen, insbesondere in der Prozeßtechnik, mit einer Elektrodenarmatur (4), welche die Meßelektrode (2) in einer Betriebsposition oder in einer Wartungsposition hält, wobei die Elektrode (2) in der Wartungsposition in einer Spülkammer (28) aufgenommen ist, in welcher ein Reinigungs- und Kalibriervorgang durchführbar ist, und mit einer Pumpvorrichtung (12) zum Zuführen von Reinigungsflüssigkeit (16) und Kalibrierlösungen (18, 20) zur Spülkammer (28) über eine die Pumpvorrichtung (12) und die Spülkammer (28) verbindende Förderleitung (26), dadurch gekennzeichnet, dass eine einzige Pumpvorrichtung (12) mit mehreren Zuführungen (48) auf ihrer Ansaugseite und eine Einrichtung (76) zum selektiven Verbinden einer jeweiligen Zuführung (48) mit der Pumpvorrichtung vorgesehen ist, und dass die über die jeweiligen Zuführungen (48) selektiv zur Pumpvorrichtung (12) geleiteten Medien wie Reinigungsflüssigkeit und/oder Kalibrierlösung über die gemeinsame Förderleitung (26) zur Spülkammer (28) gelangen.

2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Elektrodenarmatur (4) eine Wechselarmatur ist, welche die Meßelektrode (2) zwischen der Betriebsposition und der Wartungsposition verbringt.

3. Einrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die mehreren Zuführungen (48) ein erstes Leitungsmittel zum Zuführen einer Reinigungsflüssigkeit (16) und ein zweites und drittes Leitungsmittel zum Zuführen einer ersten und einer zweiten Kalibrierlösung (18, 20) umfassen.

4. Einrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Pumpvorrichtung (12) eine Dosierpumpvorrichtung ist, mit der definierte Mengen zur Spülkammer (28) zuführbar sind.

5. Einrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Pumpvorrichtung (12) ein erstes mit den mehreren Zuführungen (48) verbindbares Bauteil (54) umfasst, welches je Zuführung eine Öffnung (61) aufweist, welche Öffnungen (61) selektiv mit einem Ansaugkanal (70) der Pumpvorrichtung (12) verbindbar sind.

6. Einrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung (76) zum selektiven Ansteuern einer jeweiligen Zuführung (48) ein gegenüber dem ersten Bauteil (54) verstellbares zweites Bauteil (64) aufweist, welches den Ansaugkanal (70) umfasst, und dass das erste und das zweite Bauteil (54, 64) derart gegeneinander verstellbar sind, dass eine Ansaugöffnung (72) des Ansaugkanals (70) selektiv mit einer jeweiligen Zuführung (48) verbindbar ist.

7. Einrichtung nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Bauteil (54) ein feststehendes Bauteil ist.

8. Einrichtung nach Anspruch 5, 6 oder 7, dadurch gekennzeichnet, dass das zweite Bauteil (64) ein bewegbares Stellteil ist.

9. Einrichtung nach einem der Ansprüche 5-8, dadurch gekennzeichnet, dass das erste und das zweite Bauteil (54, 64) gegeneinander verdrehbar sind.

10. Einrichtung nach einem der Ansprüche 5-9, dadurch gekennzeichnet, dass der Ansaugkanal (70) gegenüber einer Drehachse (68) geneigt ist.

11. Einrichtung nach einem der Ansprüche 5-10, dadurch gekennzeichnet, dass die Öffnungen (61) in dem ersten Bauteil (54) konzentrisch zur Drehachse (68) angeordnet sind.

12. Einrichtung nach einem der Ansprüche 5-11, dadurch gekennzeichnet, dass das erste und das zweite Bauteil (54, 64) flanschförmige, gegeneinander anliegende und insbesondere gegeneinander verdrehbare Kontaktflächen (62, 66) aufweisen, in denen die Öffnungen (61) des ersten Bauteils (54) und die Ansaugöffnung (72) des zweiten Bauteils (64) münden.

13. Einrichtung nach einem der Ansprüche 5-12, dadurch gekennzeichnet, dass eine Verdrehung der Bauteile (54, 64) gegeneinander durch eine Stelleinrichtung (76) erreichbar ist.

14. Einrichtung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Stelleinrichtung (76) ein linear bewegbares Stellmittel (130) umfasst, dessen Stellbewegung etwa tangential zur Drehbarkeit des einen Bauteils (64) verläuft und dieses um eine oder mehrere Drehstellung(en) weiterstellt.

15. Einrichtung nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung (76) zum selektiven Ansteuern einer jeweiligen Zuführung (48) eine Positionskontrollvorrichtung (136) umfasst, mit der die Stellung des ersten und zweiten Bauteils (54, 64) zueinander bestimmbar ist.

16. Einrichtung nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Öffnungen (61) des ersten Bauteils (54) von in Schließrichtung vorgespannten Ventilen verschließbar sind, die öffenbar sind, wenn die betreffende Zuführung (48) angesteuert wird.

17. Einrichtung nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Ventile Ventilkörper (59) umfassen, die entgegen der Zuführrichtung von einem Ventilsitz (60) abhebbar sind, wenn die betreffende Zuführung angesteuert wird.

18. Einrichtung nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass eine Stößeleinrichtung (82) in dem zweiten Bauteil (64) im Bereich der Ansaugöffnung (72) des Ansaugkanals (70) vorgesehen ist, welche den Ventilkörper (59) von seinem Ventilsitz (60) abhebt.

19. Einrichtung nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ansaugkanal (70) nach radial innen verläuft und dort in eine Zylinderkammer (74) mündet, in der ein Ansaug- und Verdrängerkolben (98) bewegbar ist.

20. Einrichtung nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass ein Ansaug- und Verdrängerkolben (98) über ein Kolbenstangenmittel (108) mit einem in einem pneumatischen Steuerzylinder (112) bewegbaren Steuerkolben (110) antriebsverbunden ist.

21. Einrichtung nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (110) in Verdrängungsrichtung des Ansaug- und Verdrängerkolbens (98) federvorgespannt ist.

Gegen das Patent hat die M... AG in G..., S..., mit Schriftsatz vom 27. Mai 2003 Einspruch eingelegt.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung, der auf den 22. Oktober 2007 anberaumt worden war, ist aufgehoben worden, nachdem die Patentinhaberin beantragt hat, gemäß dem Schriftsatz vom 12. Juli 2004 zu entscheiden, und die Einsprechende mit Schriftsatz vom 13. August 2004 ihr Einverständnis erklärt hat, über den Antrag der Patentinhaberin vom 12. Juli 2004 schriftlich zu entscheiden.

Die Begründung des Einspruchs ist auf folgende Entgegenhaltungen gestützt worden:

D1a Prospektblatt "Put Your pH on Autopilot", GLI International, mit dem Vermerk "SS-5, REVI98", zwei Seiten D1b Datenblatt "Cal-CleanTM Automated pH Measurement System", GLI International, mit dem Vermerk "Data Sheet CalClean/598, S. 1 bis 8 D2 GB 2 319 614 A D3 US 5 511 408 D4 DE 35 25 401 C2 D5 Galster, H., "pH-Messung", 1990, CH Weinheim, S. 258 und 259 Außerdem sind aus dem Erteilungsverfahren folgende Entgegenhaltungen bekannt:

DE 40 29 746 C2 DE 197 23 681 A1 DE 44 40 580 A1 DE 38 12 108 A1 DE 39 27 282 C2 US 5 011 587 Die Einsprechende hat schriftsätzlich geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht patentfähig, da sowohl gegenüber D1a als auch D1b jeweils die Neuheit fehle. Zur Vorveröffentlichung von D1a, D1b bietet die Einsprechende Zeugenbeweis an. Darüber hinaus beruhe der Anspruchsgegenstand gegenüber dem übrigen Stand der Technik auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zu den auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 5 führt sie aus, dass auch die dort beschriebenen Ausführungen nicht neu seien, jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Die Einsprechende hat den Antrag gestellt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit dem dem o. g. Schriftsatz beiliegenden Anspruchssatz mit Ansprüchen 1 bis 19 und der diesem Schriftsatz ebenfalls beigefügten angepassten Beschreibung und bittet um antragsgemäße Entscheidung.

Hilfsweise beantrag sie die Anberaumung eines Termins zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Patentinhaberin hat dem Einspruch widersprochen und verteidigt ihr Patent auf der Grundlage des Patentanspruchs 1 vom 12. Juli 2004, der folgenden Wortlaut hat:

"1. Automatisierbare Meß-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden oder Elektroden zur Messung von Redoxpotentialen, insbesondere in der Prozeßtechnik, mit einer Elektrodenarmatur (4), welche die Meßelektrode (2) in einer Betriebsposition oder in einer Wartungsposition hält, wobei die Elektrode (2) in der Wartungsposition in einer Spülkammer (28) aufgenommen ist, in welcher ein Reinigungs- und Kalibriervorgang durchführbar ist, und mit einer Pumpvorrichtung (12) zum Zuführen von Reinigungsflüssigkeit (16) und Kalibrierlösungen (18, 20) zur Spülkammer (28) über eine die Pumpvorrichtung (12) und die Spülkammer (28) verbindende Förderleitung (26), wobei eine einzige Pumpvorrichtung (12) mit mehreren Zuführungen (48) auf ihrer Ansaugseite und eine Einrichtung (76) zum selektiven Verbinden einer jeweiligen Zuführung (48) mit der Pumpvorrichtung vorgesehen ist, und wobei die über die jeweiligen Zuführungen (48) selektiv zur Pumpvorrichtung (12) geleiteten Medien wie Reinigungsflüssigkeit und/oder Kalibrierlösung über die gemeinsame Förderleitung (26) zur Spülkammer (28) gelangen, dadurch gekennzeichnet, dass die Pumpvorrichtung (12) ein erstes mit den mehreren Zuführungen (48) verbindbares Bauteil (54) umfasst, welches je Zuführung eine Öffnung (61) aufweist, welche Öffnungen (61) selektiv mit einem Ansaugkanal (70) der Pumpvorrichtung (12) verbindbar sind, und ein gegenüber dem ersten Bauteil (54) verstellbares zweites Bauteil (64) aufweist, welches den Ansaugkanal (70) umfasst, und dass das erste und das zweite Bauteil (54, 64) derart gegeneinander verstellbar sind, dass eine Ansaugöffnung (72) des Ansaugkanals (70) selektiv mit einer jeweiligen Zuführung (48) verbindbar ist."

Die Patentinhaberin führt insbesondere aus, der nunmehr geltende Patentanspruch 1 bestehe aus einer Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1, 5 und 6, und vertritt die Auffassung, der Gegenstand dieses Anspruchs sei patentfähig.

Wegen der übrigen, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche und weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind. Es bestehen weder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs. 3 PatG (BGH v. 17. April 2007 X ZB 9/06 Tz 26 ff. - Informationsübermittlungsverfahren I), noch berührt die Aufhebung dieser Bestimmung ihre Geltung für alle bereits tatbestandlich erfassten Fälle (BPatG 19 W (pat) 344/04 und 23 W (pat) 313/03). Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) besteht eine einmal begründete gerichtliche Zuständigkeit vielmehr fort, solange der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt hat (BGH v. 27. Juni 2007 X ZB 6/05 Tz 10 - Informationsübermittlungsverfahren II).

2. Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3. Der Einspruch hat nur teilweise Erfolg, denn die Einrichtung gemäß dem geltenden Patentanspruch 1, der gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 eingeschränkt ist, ist patentfähig. Das Patent war deshalb beschränkt aufrecht zu erhalten (PatG § 61 Abs. 1 S. 1).

a. Mit Gliederungspunkten versehen lautet der geltende Patentanspruch 1:

M1 Automatisierbare Mess-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden oder Elektroden zur Messung von Redoxpotentialen, insbesondere in der Prozesstechnik, M2 mit einer Elektrodenarmatur (4), welche die Messelektrode (2) in einer Betriebsposition oder in einer Wartungsposition hält, M3 wobei die Elektrode (2) in der Wartungsposition in einer Spülkammer (28) aufgenommen ist, in welcher ein Reinigungs- und Kalibriervorgang durchführbar ist, M4 und mit einer Pumpvorrichtung (12) zum Zuführen von Reinigungsflüssigkeit (16) und Kalibrierlösungen (18, 20) zur Spülkammer (28) über eine die Pumpvorrichtung (12) und die Spülkammer (28) verbindende Förderleitung (26), M5 wobei eine einzige Pumpvorrichtung (12) mit mehreren Zuführungen (48) auf ihrer Ansaugseite M6 und eine Einrichtung (76) zum selektiven Verbinden einer jeweiligen Zuführung (48) mit der Pumpvorrichtung vorgesehen ist M7 und wobei die über die jeweiligen Zuführungen (48) selektiv zur Pumpvorrichtung (12) geleiteten Medien wie Reinigungsflüssigkeit und/oder Kalibrierlösung über die gemeinsame Förderleitung (26) zur Spülkammer (28) gelangen, dadurch gekennzeichnet, M8 dass die Pumpvorrichtung (12) ein erstes mit den mehreren Zuführungen (48) verbindbares Bauteil (54) umfasst, welches je Zuführung eine Öffnung (61) aufweist, welche Öffnungen (61) selektiv mit einem Ansaugkanal (70) der Pumpvorrichtung (12) verbindbar sind, und M9 ein gegenüber dem ersten Bauteil (54) verstellbares zweites Bauteil (64) aufweist, welches den Ansaugkanal (70) umfasst, und dass das erste und das zweite Bauteil (54, 64) derart gegeneinander verstellbar sind, dass eine Ansaugöffnung (72) des Ansaugkanals (70) selektiv mit einer jeweiligen Zuführung (48) verbindbar ist.

b. Der Patentanspruch 1 und die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 19 sind formal zulässig, denn sie finden ihre Stütze sowohl in der Patentschrift, als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen. So geht der Patentanspruch 1 zurück auf die erteilten Ansprüche 1, 5 und 6, die ihrerseits in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 5 und 6 i. V. m. der ursprünglichen Beschreibung S. 3 le. Abs. bis S. 5 Abs. 3 ihre Grundlage haben. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 19 basieren auf den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4 und 7 bis 21.

c. Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Entwicklung von elektrochemischen Messgeräten tätiger Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Feinwerktechnik/Mechatronik anzusehen.

d. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, eine bekannte automatisierbare Mess-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung kompakter auszubilden (DE 101 16 614 C2 Sp. 1 Abs. [0005] i. V. m. [0002] bis [0004]).

e. Die im Patentanspruch 1 angegebene Einrichtung ist patentfähig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem Stand der Technik, denn aus keiner der im Einspruchsverfahren in Betracht zu ziehenden Entgegenhaltungen ist allein schon eine automatisierbare Meß-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden oder Elektroden zur Messung von Redoxpotentialen, insbesondere in der Prozeßtechnik, bekannt, bei der ein gegenüber dem ersten, mit den mehreren Zuführungen verbindbaren Bauteil verstellbares zweites Bauteil vorhanden ist, welches den Ansaugkanal der Pumpvorrichtung umfasst, und welches so verstellt werden kann, dass eine Ansaugöffnung des Ansaugkanals selektiv mit einer jeweiligen Zuführung verbindbar ist, wie im Gliederungspunkt M9 angegeben.

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

So konnte das Prospektblatt "Put Your pH on Autopilot" (D1a), das dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 am Nächsten kommt, dem zuständigen Fachmann hinsichtlich der Lösung der dem Patent zugrunde liegenden Aufgabe keine Anregung zu einer Lehre vermitteln, wie sie im Patentanspruch 1 angegeben ist.

Die Entgegenhaltung D1a zeigt ein automatisches pH-Messsystem ("Cal-CleanTM Automatic pH Measurement System") für die Verwendung bei chemischen, pharmazeutischen, nahrungsmittel- und abwassertechnischen Prozessen, bei dem die vorgesehene pH-Elektrode automatisch gereinigt, gespült und kalibriert werden kann, ohne den jeweiligen Prozess unterbrechen zu müssen ("Vorderseite", Abs. 1), was nichts anderes bedeutet, als dass eine automatisierbare Mess-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für pH-Elektroden, insbesondere in der Prozesstechnik, vorgestellt wird, wie sie im Gliederungspunkt M1 des geltenden Patentanspruchs 1 angegeben ist.

Aus dem unteren Absatz auf der "Vorderseite" des Prospektblattes geht auch hervor, dass eine Steuereinrichtung ("control box") während vorgeschriebener Wasch- und Kalibrierungsvorgänge eine Auto-Positioniereinrichtung der Elektrode in Gang setzt und Reinigungs-, Spül- und Pufferlösungen dosiert. Auf der Blattrückseite ist in der re. Sp. oben die Auto-Positioniereinrichtung ("RP6300A") zeichnerisch dargestellt, wobei als Bestandteil dieser Auto-Positioniereinrichtung unterhalb der Zeichnung u. a. eine integrale Lösungskammer ("Integral solution chamber") und eine pH-Elektrode angegeben sind. Wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, gibt es funktionsgemäß eine Position, in der die vorhandene pH-Elektrode in ein Rohr - offenbar eine Förderleitung, wie sich i.V.m. der Abbildung auf der Vorderseite des Prospektblattes ergibt - eingeschoben ist, und eine Position, in der die Elektrode in die Auto-Positioniereinrichtung zurückgezogen ist ("Retracted Position" in der Zeichnung o. re. auf der Rückseite). Insgesamt kann dies nichts anderes bedeuten, als dass das dort beschriebene Messsystem eine Elektrodenarmatur ("RP6300A") besitzt, welche die Messelektrode in einer Betriebsposition oder in einer - zurückgezogenen - Wartungsposition in einer Spülkammer ("Integral solution chamber) zur Durchführung des Reinigungs- und Kalibriervorganges hält, so dass sich M2 und M3 in der D1a wiederfinden.

Darüber hinaus erschließt sich dem Fachmann aus der o. g. Textstelle i. V. m. der perspektivischen, zeichnerischen Darstellung auf der "Rückseite" des Prostpektblattes, oben links, auch, dass eine einzige Peristaltikpumpe ("PERISTALTIC PUMP") mit mehreren Zuführungen (die mit "INLET BUFFER # 1", "INLET BUFFER # 2", "INLET RINSE", INLET AUX. WASH" und "INLET MAIN WASH" gekennzeichneten Anschlüsse am unteren Ende der Zeichnung) - funktionsgemäß auf ihrer Ansaugseite - und einem zu der rechts von dieser Figur zeichnerisch dargestellten, eine Spülkammer aufweisenden Auto-Positioniereinrichtung führenden Auslass ("OUTLET TO RP6300A") vorhanden ist. Somit hat man es also mit einer einzigen Pumpvorrichtung mit mehreren Zuführungen auf ihrer Ansaugseite zu tun, die zum Zuführen von Reinigungsflüssigkeit und Kalibierlösungen zur Spülkammer -notwendigerweise über eine die Pumpvorrichtung und die Spülkammer verbindende Förderleitung - dient, wie in M4 und M5 beschrieben.

Aus dem automatischen Funktionsablauf bei dem in D1a dargestellten Messsystem ergibt sich zudem zwangsläufig, dass eine Einrichtung zum selektiven Verbinden einer jeweiligen Zuführung auf der Ansaugseite mit der Pumpvorrichtung vorhanden sein muss, so dass auch M6 gegeben ist.

Da zudem nur ein einziger Auslass ("OUTLET TO RP6300A") erkennbar ist, bedeutet dies nichts anderes, als dass die über die jeweiligen Zuführungen selektiv zur Pumpvorrichtung geleiteten Medien über eine im einfachsten Fall einzige - gemeinsame - Förderleitung zur Spülkammer gelangen, so dass sich aus der D1a ohne Weiteres auch M7 erschließt.

Insoweit ist die D1a also gattungsbildend.

Nun mag in der D1a zumindest im Wesentlichen auch noch das in dem Gliederungspunkt M8 angegebene Merkmal verwirklicht sein: Das mit den mehreren Zuführungen (inlets) verbindbare erste Bauteil ist hier das am unteren Teil der zeichnerischen Darstellung oben links auf der Rückseite des Prospektblatts ersichtliche, die fünf Zuführungen verbindende querlaufende Bauteil, das funktionsnotwendig je Zuführung eine Öffnung aufweisen muss, welche selektiv mit dem Ansaugkanal der Pumpvorrichtung verbunden werden kann.

Ein Hinweis auf ein zweites Bauteil, das den Ansaugkanal der dortigen Peristaltikpumpe umfassen würde und das gegenüber dem ersten Bauteil verstellbar wäre, ist dort jedoch nirgends zu finden, so dass von der D1a eine Anregung hinsichtlich des Merkmals M9 nicht ausgehen kann.

Auch die anderen Entgegenhaltungen können keinen Anstoß in Richtung der durch sämtliche im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale festgelegten Einrichtung geben. Insbesondere ist dort ebenfalls nirgends ein Hinweis dahingehend zu finden, bei einer Pumpvorrichtung einer automatisierbaren Mess-, Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für Messelektroden ein gegenüber dem ersten Bauteil verstellbares zweites Bauteil vorzusehen, welches den Ansaugkanal umfasst, wobei das erste und das zweite Bauteil so gegeneinander verstellt werden können, dass eine Ansaugöffnung des Ansaugkanals der Pumpe selektiv mit einer jeweiligen Zuführung verbindbar ist.

So dienen in der D2 einzeln angesteuerte Ventile 13 bis 16 dazu, die mehreren Zuführungen 8 bis 11 mit der Pumpvorrichtung 18 zu verbinden (Figur 5 i. V. m. S. 6 le. Abs. bis S. 7 le. Abs.). Ein Bauteil mit Öffnungen, die selektiv mit einem Ansaugkanal der Pumpvorrichtung verbindbar sind, ist darin nicht zu sehen, erst recht gibt es keinen Hinweis auf ein zweites Bauteil, das gegenüber dem ersten Bauteil verstellbar ist.

In der D3 sind ebenfalls einzeln ansteuerbare Ventile 15 bis 17 vorhanden, die jeweils mit der Pumpvorrichtung 14 (deliverysystem "supply device"; "positive pumping", "suction pump") verbunden sind (Figur 1 i. V. .m. Sp. 3 Z. 56 bis Sp. 4 Z. 9). Von gegeneinander verstellbaren Bauteilen zur selektiven Verbindung der Zuführungen aus den Behältern 10 bis 13 ist dort nirgends die Rede.

Die D4 beschreibt eine Reinigungs- und Kalibriereinrichtung für Messelektroden (Anspruch 1 und Sp. 2 Zn. 49 bis 58), bei dem mehrere Dosierpumpen (68, 74 in Figur 3 i. V. m. Bezugszeichenliste) verwendet werden. Ein Hinweis auf die Verwendung einer einzigen Pumpvorrichtung findet sich dort nicht, genauso wenig, wie eine Anregung, zur selektiven Verbindung mehrerer Zuführungen 70, 76 zwei gegeneinander verstellbare Bauteile mit einander entsprechenden Öffnungen zu verwenden.

D5 betrifft lediglich die pH-Messung mit sog. Wechselgebern, bei denen die pH-Elektrode in die Messkammer eingeschoben bzw. zurückgezogen wird.

Die Übrigen, bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen können schließlich auch keinen Hinweis in Richtung der patentgemäßen Lösung liefern.

So lässt sich zwar in der DE 40 29 746 C2 ein erstes mit mehreren Zuführungen (40, 50, 60) verbindbares Bauteil 20 ("Schalteinheit") erkennen (Figur 1 i. V. m. Sp. 8 Zn. 26 bis 47). Zum selektiven Verbinden dienen jedoch mehrere einzeln betätigbare Kunststoffschieber 25s bis 27s (Figuren 3 bis 6 i. V. m. Sp. 9 Z. 3 bis Sp. 11 Z. 40). DE 197 23 681 A1 betrifft lediglich eine Messsonde mit Sondenkörper und Tauchrohr (Anspruch 1, Figuren 1 bis 3). DE 44 40 580 A1 ist ausschließlich auf eine Mess- und Kalibrierzelle zum Befestigen ("Adaption") von Sensoren bzw. Elektroden in Rohrströmungen (Anspruch 1 und Figuren) gerichtet. DE 38 12 108 A1 betrifft eine pH-Messvorrichtung mit einer Kalibrierkammer 7 mit einzeln betätigbaren Verschlussdeckeln 16, 17 und Zu- und Abführungsleitungen 21, 22 für Kalibrierkammerflüssigkeiten. Eine Pumpvorrichtung mit einem Bauteil, welches den Ansaugkanal einer Pumpvorrichtung umfasst und gegenüber einem ersten Bauteil zur selektiven Verbindung mit Zuführungen verstellbar ist, ist dort nirgends beschrieben. DE 39 27 282 C2 (Figur 1 i. V. m. Sp. 4 Zn. 11 bis 42) betrifft nichts anderes als eine Elektrodenhalterung. US 5 011 587 (Figuren 1 und 2 i. V. m. Sp. 3 Z. 7 bis Sp. 4 Z. 11) beschreibt schließlich lediglich eine auswechselbare Sonde 100 mit einem Tauchrohr 7 und einer Kalibrierkammer 6 mit Ein- und Auslass 44, 55, die an einer Öffnung im Gehäuse eines Reaktionskessels befestigt ist.

Da in den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen somit Angaben und Hinweise in Richtung des Merkmals M9 nicht nachgewiesen werden konnten, führt auch eine zusammenschauende Betrachtung dieses Standes der Technik insgesamt zu keinem anderen Ergebnis.

f. In Verbindung mit Anspruch 1 haben auch die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 19 Bestand, denn sie beschreiben vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Gegenstandes des Anspruchs 1.

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Maksymiw Na






BPatG:
Beschluss v. 14.02.2008
Az: 15 W (pat) 342/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/31532d3af0ad/BPatG_Beschluss_vom_14-Februar-2008_Az_15-W-pat-342-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share