Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 16. April 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 6/06

(BGH: Beschluss v. 16.04.2007, Az.: AnwZ (B) 6/06)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 31. August 1978 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht Sch. und bei den Landgerichten M. und H. zugelassen; am 21. Dezember 1983 erhielt er die Zulassung beim Oberlandesgericht K. . Die Antragsgegnerin widerrief zunächst mit Verfügung vom 24. Oktober 2002 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls; sie nahm diese Verfügung aber am 23. Juli 2003 wegen nachträglichen Wegfalls des Widerrufsgrundes wieder zurück. Wegen Vermögensverfalls widerrief die Antragsgegnerin mit ihrer Verfügung vom 20. Juli 2004 erneut die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohne Entschuldigung nicht erschienen und war nicht vertreten.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt und liegen weiterhin vor.

1. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom 21. November 1994 - AnwZ(B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO unter anderem dann vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.

Der Antragsteller war im Zeitpunkt des Widerrufs mit drei Haftbefehlen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts B. eingetragen (1 M .../04; 1 M .../04; 1 M .../04). Die dadurch begründete Vermutung für einen Vermögensverfall hat der Antragsteller - auch im gerichtlichen Verfahren - nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befand. Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor; er hat sein Rechtsmittel nicht begründet.

2. Der Widerrufsgrund ist auch nicht nachträglich entfallen. Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers nach Erlass der Widerrufsverfügung wäre zwar im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356); die Voraussetzungen für einen nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes liegen jedoch nicht vor.

Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis bestehen nach der Auskunft des Amtsgerichts B. fort. Darüber hinaus ist nach Erlass der Widerrufsverfügung mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 1. April 2005 (3 IN .../05) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden, so dass der Vermögensverfall des Antragstellers nunmehr auch aus diesem Grund gesetzlich vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Forderungen gegen den Antragsteller belaufen sich nach dem Insolvenzgutachten vom 31. März 2005 auf etwa 280.000 €; dem stehen Aktiva von nur etwa 195.000 € gegenüber, an freier Masse steht lediglich ein Betrag von 15.000 € zur Verfügung. Die Richtigkeit dieser Angaben hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof im Wesentlichen bestätigt.

Solange das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ(B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 2 und 3). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Das Insolvenzverfahren ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter die Anwaltskanzlei des Antragstellers im noch laufenden Insolvenzverfahren freigegeben hat, beseitigt die Insolvenz und damit den Vermögensverfall des Antragstellers nicht. Da der Antragsteller einen Antrag auf Restschuldbefreiung nicht gestellt hat, ist schon jetzt abzusehen, dass es zu einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisses des Antragstellers durch eine Restschuldbefreiung nicht kommen wird. Der Anwaltsgerichtshof ist deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller weiterhin in Vermögensverfall befindet. Auch dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor.

3. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefährdung entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass einer der seltenen Ausnahmefälle vorliegt, in denen nach der Rechtsprechung des Senats eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts verneint werden kann (dazu Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO, unter II 2 c; Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ(B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, unter II 2), sind weder vom Antragsteller dargetan, noch aus den Umständen ersichtlich.

Die im noch laufenden Insolvenzverfahren erfolgte Freigabe der Anwaltskanzlei durch den Insolvenzverwalter beseitigt die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers nicht. Das Vorbringen des Antragstellers im vorinstanzlichen Verfahren, er habe den Zahlungsverkehr der von ihm fortgeführten Anwaltskanzlei so organisiert, dass sämtliche Zahlungen auf das Treuhandkonto des Insolvenzverwalters eingingen, und habe hinsichtlich der Bareinnahmen mit dem Insolvenzverwalter vereinbart, dass diese an den Insolvenzverwalter abgetreten und am Monatsende abgerechnet würden, vermag die durch den Vermögensverfall des Antragstellers drohende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden schon deshalb nicht auszuschließen, weil der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 8. November 2006 mitgeteilt hat, dass er die Abwicklung eingehender Gelder aus der freigegebenen Anwaltskanzlei bis zum 31. Dezember 2006 einstellt.

Davon abgesehen werden zum Schutz der Rechtsuchenden getroffene Vereinbarungen zwischen dem insolventen Rechtsanwalt und dem Insolvenzverwalter mit Abschluss des Insolvenzverfahrens gegenstandslos. Ein dauerhafter Wegfall der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aufgrund derartiger Vereinbarungen kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts durch den Abschluss des Insolvenzverfahren gerechnet werden kann, so dass auch in der Zeit danach, wenn die mit dem Insolvenzverwalter getroffenen Vereinbarungen hinfällig geworden sind, eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht mehr fortbesteht. Davon kann im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Antragsteller einen Antrag auf Restschuldbefreiung nicht gestellt hat, so dass mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht gerechnet werden kann (unter 2 a.E.). Die Rechtsuchenden werden somit nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiterhin einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt gegenüberstehen, von dem auch eine Gefährdung ihrer Interessen weiterhin ausgeht.

Hirsch Frellesen Schmidt-Räntsch Schaal Wüllrich Frey Stüer Vorinstanz:

AGH Stuttgart, Entscheidung vom 29.10.2005 - AGH 37/04 (I) -






BGH:
Beschluss v. 16.04.2007
Az: AnwZ (B) 6/06


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