Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. September 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 345/05

(BPatG: Beschluss v. 17.09.2009, Az.: 8 W (pat) 345/05)

Tenor

Das Patent 101 60 903 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung, Seiten 2 bis 5 und ein Blatt Zeichnung, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 101 60 903.5-16 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Kühlung von Formwerkzeugen bei der Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen" wurde am 12. Dezember 2001 angemeldet. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2004 wurde das Patent erteilt, dessen Veröffentlichung am 12. Mai 2005 erfolgte.

Am 15. Juli 2005 hat die Firma L... AG in W...

Einspruch erhoben.

Zur Stützung ihres Einspruchsvorbringens hat sie auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1: DE 199 18 428 C1 D2: WO 92/15439 A1 D3: WO 98/25746 A1 D4: DE 33 22 312 A1.

Die Einsprechende hat vorgetragen, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem vorveröffentlichten Stand der Technik, zumindest gegenüber der WO 92/15439 A1 (D2) und der WO 98/25746 A1 (D3) nicht neu sei, denn diese Druckschriften offenbaren bereits alle Merkmale des Patentanspruchs 1. Auch die Merkmale des nebengeordneten Patentanspruchs 7 seien durch die D3 bereits bekannt.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen.

Sie hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruchssatz (Patentansprüche 1 bis 12) überreicht, mit dem sie das Patent nunmehr verteidigt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen, bei dem eine durch Erwärmung gewonnene Kunststoffschmelze (7)

unter Druck in eine wenigstens ein Formteil (2, 3) umfassende Spritzgussform eines Formwerkzeuges (1) gepresst wird und anschließend unter Ausbildung eines Spritzgussteils erkaltet, dadurch gekennzeichnet, dass zur Kühlung des Formwerkzeugs (1) verdichtetes Gas in einen Hohlraum (11, 11', 12, 12') des Formteils (2, 3) unter Druck eingefüllt und, nachdem der Hohlraum mit Gas befüllt worden ist, durch nachfolgende Entspannung des verdichteten Gases mittels eines steuerbaren Entspannungsorgans eine Kühlwirkung erzielt wird."

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 7 lautet:

"Formwerkzeug zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, mit wenigstens einem Formteil (2, 3) zur Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen, in welchem Formteil (2, 3) wenigstens ein Hohlraum vorgesehen ist, der mit einer Quelle (19) für ein verdichtetes Gas sowie mit einer mittels einer Steuereinheit (23) steuerbaren Entspannungseinrichtung (21) zur Druckentlastung des Hohlraumes (11, 11', 12, 12') strömungsverbunden ist."

Zu den geltenden Unteransprüchen 2 bis 6 sowie 8 bis 12 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Patentinhaberin hat hierzu vorgetragen, dass durch die nunmehr neu aufgenommenen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 der Entspannungsvorgang getrennt und unabhängig von dem Einfüllvorgang stattfindet und überdies mittels eines Entspannungsorgans gesteuert wird. Der entgegengehaltene Stand der Technik könne hierzu kein Vorbild bieten. Auch das Formwerkzeug nach Anspruch 7 sei durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung, Seiten 2 bis 5, ein Blatt Zeichnung, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 101 60 903 zu widerrufen.

Die Einsprechende hat ihren Angriff auf das Streitpatent auch im Hinblick auf die geltenden Patentansprüche 1 und 7 aufrecht erhalten. Sie hat zum geltenden Patentanspruch 1 noch vorgetragen, dass das Verfahren zwar neu sei, im Hinblick auf die D3 jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gleiches gelte auch für den nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 7.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 formund fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff.

-Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH -Ventilsteuerung -GRUR 2009, 184 -185).

Der zulässige Einspruch ist insoweit begründet, als er zur beschränkten Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents 101 60 903 führt.

1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen, wobei zur Kühlung eines Formwerkzeugs verdichtetes Gas unter Druck in einen Hohlraum eines Formteils eingefüllt wird, um eine Kühlwirkung durch nachfolgende Entspannung des verdichteten Gases zu erreichen, sowie ein entsprechendes Formwerkzeug zur Durchführung eines solchen Verfahrens.

Beim Spritzguss-Verfahren besteht grundsätzlich die Zielsetzung, durch schnelle Temperierung eine Verkürzung der Zykluszeiten zu erzielen. Dies gilt insbesondere auch für die Abkühlphase nach dem Einspritzvorgang. Im Streitpatent wird von einem Stand der Technik nach der DE 695 06 405 T2 (gleiche Priorität und inhaltsgleich wie das Dokument WO 92/15439 A1, D2) ausgegangen. Bei diesem vorbekannten Verfahren kommen Formteile aus gesintertem Material zum Einsatz, die kommunizierende Poren enthalten, wobei verdichtetes Gas zum Kühlen entweder direkt oder über einen Expansionsraum diesem Porensystem des Formwerkzeugs zugeführt werden kann.

Ebenso ist die Druckschrift DE 33 22 312 A1 (D4) herangezogen worden, bei der das Kühlmedium ("tiefkaltes verflüssigtes Gas") durch Zuleitungen in die Gießform geführt und bei Kontakt mit der erhitzten Gießform verdampft wird.

Diesem Stand der Technik gegenüber liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, die Temperierung von Formteilen zu verbessern und damit insbesondere die Zykluszeit für aufeinander folgende Spritzvorgänge zu verkürzen.

Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt der Patentanspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:

1.1 Verfahren zur Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen, bei dem eine durch Erwärmung gewonnene Kunststoffschmelze (7) unter Druck in eine wenigstens ein Formteil (2, 3) umfassende Spritzgussform eines Formwerkzeuges (1) gepresst wird und 1.2 anschließend unter Ausbildung eines Spritzgussteils erkaltet, wobei 1.3 zur Kühlung des Formwerkzeugs (1) verdichtetes Gas in einen Hohlraum (11, 11', 12, 12') des Formteils (2, 3) unter Druck eingefüllt und, 1.4 nachdem der Hohlraum mit Gas befüllt worden ist, 1.5 durch nachfolgende Entspannung des verdichteten Gases eine Kühlwirkung erzielt wird, 1.6 mittels eines steuerbaren Entspannungsorgans.

Bei dem nach den Merkmalen 1.1 und 1.2 allgemein üblichen Grundverfahren des Spritzgießens wird im Besonderen zur Kühlung verdichtetes Gas in einen Hohlraum des Formteils (unter Druck) eingefüllt (Merkmal 1.3). Mit dem Merkmal 1.4 wird ausgedrückt, dass der Hohlraum zuerst befüllt wird. Anschließend, in einem weiteren, separaten Verfahrensschritt, wird das verdichtete Gas entspannt (1.5) und entfaltet dadurch erst zu diesem Zeitpunkt seine wesentliche Kühlwirkung. Diese gezielte Entspannung erfolgt dabei mit einem steuerbaren Entspannungsorgan (1.6).

Der Ausdruck "verdichtetes Gas" umfasst dabei nicht nur komprimiertes Gas, sondern auch unter Druck stehendes "flüssiges Gas". Dieser Sachverhalt wird durch das Streitpatent definiert, denn in Abs. [0005] wird auf den Stand der Technik der D4 (DE 33 22 312 A1) Bezug genommen und ausgeführt, dass dort "das tiefkalte verflüssigte Gas" in die Gießform geführt und verdampft wird. Ferner wird in Abs. [0014] der Patentschrift als bevorzugtes Gas Kohlendioxid genannt, das "in gasförmigem, flüssigem oder überkritischem Zustand dem Hohlkörper zugeführt wird". Da u. a. Kohlendioxid in flüssigem und überkritischem Zustand lediglich unter Druck thermodynamisch stabil ist, muss dieses Kühlmedium somit auch in diesen Aggregatzuständen immer unter Druck gelagert und zugeführt werden.

Die Kühlwirkung gemäß Merkmal 1.5 soll im Wesentlichen erst durch die Entspannung erfolgen. Diese Kühlwirkung ergibt sich bei einem gasförmig zugeführten Kühlmittel im Wesentlichen durch die adiabatische Entspannung, neben der ständig ebenso wirkenden Kühlung aufgrund von Wärmeleitung aufgrund der bestehenden Temperaturunterschiede zwischen Formwerkzeug und eingefülltem, verdichtetem Gas. Diese Kühlwirkung tritt auch bereits im Einfüllsowie im befüllten Zustand auf. Im Falle, dass das Kühlmedium flüssig oder überkritisch vorliegt (Abs. [0014] und [0026]), ist ein weiterer, wesentlicher Kühleffekt beim Entspannungsvorgang durch die Aufnahme der Verdampfungsenthalpie (Verdampfungswärme) gegeben, wodurch die Kühlwirkung wesentlich erhöht wird. Beim Streitpatent wird insbesondere die Kühlwirkung aufgrund der gezielten Entspannung betrachtet (s. Abs. [0009] i. V. m. [0031] Mitte (Merkmal 1.6)).

Unter Hohlraum, in den das Kühlmedium eingefüllt (befüllt) und aus dem anschließend entspannt wird, versteht die Streitpatentschrift neben konventionellen Kanälen (s. Fig. 1 Bezugszeichen Nr. 11, 11', 12, 12', der Streitpatentschrift) auch "kommunizierende Poren", wie sie bei gesinterten Formwerkzeugen mit gezielter Porosität auftreten, worauf in Abs. [0034] ausdrücklich verwiesen wird. Das "Befüllen des Hohlraums" ist derart zu verstehen, dass der Hohlraum zuerst gefüllt wird und erst nachdem dieser Prozess abgeschlossen ist, anschließend entspannt wird. Der Hohlraum muss dabei nicht zwangsweise vollständig gefüllt sein, jedoch ist entscheidend, dass der Füllvorgang beendet ist, bevor der Entspannungsvorgang beginnt. Dies wird nicht nur durch die Formulierung der Merkmale 1.4 und 1.5 ausgedrückt, sondern wird in der Beschreibung der Streitpatentschrift im Ausführungsbeispiel (Abs. [0031]) gestützt: "Nach Beendigung des Befüllvorgangs wird das Ventil 20 geschlossen und damit die Strömungsverbindung zwischen dem Drucktank 19 und den Kühlkanälen 11, 11', 12, 12' unterbrochen. Anschließend wird das Entspannungsorgan 21 geöffnet."

Zur Lösung der Aufgabe ist außerdem noch ein entsprechendes, für ein Verfahren nach Patentanspruch 1 geeignetes Formwerkzeug gemäß Patentanspruch 7 vorgesehen, das folgende Merkmale enthält:

7.1 Formwerkzeug zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, 7.2 mit wenigstens einem Formteil (2, 3) zur Herstellung von Kunststoff-Spritzgussteilen, 7.3 in welchem Formteil (2, 3) wenigstens ein Hohlraum vorgesehen ist, 7.4 der mit einer Quelle (19) für ein verdichtetes Gas sowie 7.5 mit einer Entspannungseinrichtung (21) zur Druckentlastung des Hohlraumes (11, 11', 12, 12') strömungsverbunden ist, wobei 7.6 die Entspannungseinrichtung mittels einer Steuereinheit (23) steuerbar ist.

2. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 7 sind sowohl in der Patentschrift als auch in den ursprünglichen Anmeldunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

Der geltende Patentanspruch 1 geht auf den erteilten und ursprünglichen Anspruch 1 zurück (vgl. Merkmale 1.1 bis 1.3 und 1.5 obiger Merkmalsgliederung nach Punkt II. 1.), wobei Merkmal 1.5 gegenüber der ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 zur Klarstellung entsprechend der Beschreibung, Absatz [0029] der Offenlegungsschrift DE 101 60 903 A1 umformuliert worden war. Das beschränkend hinzugenommene Merkmal 1.4, "nachdem der Hohlraum mit Gas befüllt worden ist", findet seine Stütze in der Beschreibung gemäß Patentschrift, Absatz [0009], zweiter Satz, bzw. in der mit der Offenlegungsschrift veröffentlichten ursprünglichen Beschreibung, Spalte 1, Zeile 48. Das weiterhin noch beschränkend hinzugenommene Merkmal 1.6, wonach die nachfolgende Entspannung des Gases mittels eines steuerbaren Entspannungsorgans erfolgt, stammt aus der Beschreibung gemäß Patentschrift, Absatz [0027], letzter Satz, bzw. aus der Beschreibung der Offenlegungsschrift, Spalte 3, Zeilen 58 bis 59.

Der geltende Patentanspruch 7 geht auf den erteilten und ursprünglichen Anspruch 7 zurück (Merkmale 7.1 bis 7.5). Das beschränkend hinzugenommene Merkmal 7.6, wonach die Entspannungsvorrichtung mittels einer Steuereinheit (23) steuerbar ist, stammt aus der Beschreibung gemäß Patentschrift, Absatz [0027], letzter Satz, bzw. aus der Beschreibung der Offenlegungsschrift, Spalte 3, Zeilen 58 bis 59.

Die geltenden Ansprüche 1 und 7 sind daher zulässig.

Die weiterhin geltenden erteilten Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 12 beruhen auf den ursprünglichen Unteransprüchen 2 bis 6 und 8 bis 12 und sind daher ebenfalls zulässig.

3.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit aufgrund seiner Zweckbestimmung zweifellos gegeben ist, ist neu. Keine der Druckschriften aus dem Stand der Technik weist das Merkmal auf, dass die Entspannung des verdichteten Gases mittels eines steuerbaren Entspannungsorgans erfolgt (Merkmal 1.6). Die Neuheit des Verfahrens wurde auch von der Einsprechenden nicht bestritten.

4.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der den nächst liegenden Stand der Technik darstellenden WO 98/25746 A1 (D3) ist ein Verfahren bekannt, das die Kühlung eines Formwerkzeugs beim Kunststoff-Spritzgussverfahren mittels verdichteter (flüssiger) Gase betrifft

(s.

Beschreibungseinleitung Absatz [0003]). Es wird im Wesentlichen noch flüssiges Gas ("essentially liquid state") in das poröse Material des Werkzeugs eingebracht, um eine Verdampfung in den Hohlräumen (9, 10) und Poren zu erzeugen ("caused to vaporise as a result of pressure drops in cavities and pores";

s.

Patentanspruch 1 und Figur). Hiervon unterscheidet sich das patentgemäße Verfahren dadurch, dass das Befüllen des Hohlraums mit verdichtetem Gas abgeschlossen ist, bevor nachfolgend die Entspannung durchgeführt wird (Merkmale 1.4 und 1.5). Einem hier angesprochenen Fachmann, einem Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulausbildung oder einem Werkzeugkonstrukteur mit Technikerausbildung im Bereich von Formwerkzeugen in der Kunststofftechnik, mit jeweils einschlägiger Berufserfahrung in der Konstruktion derartiger Formwerkzeuge, kann die D3 diese gezielt nacheinander ablaufenden Prozessschritte nicht aufzeigen. Zwar wird in diesem Dokument bereits davon ausgegangen, eine im Vergleich zur Wasserkühlung viel effektivere Kühlung durch den Einsatz von flüssigem Kohlendioxid zu erreichen, um durch schnellere Abkühlungszeiten geringere Zykluszeiten für den Spritzgussprozess zu erzielen (s. S. 1, 3. Abs.). Ausgangspunkt ist dabei aber die bereits bei Zugabe des Kühlmediums üblicherweise einsetzende Expansion und Verdampfung des Gases, wodurch eine Kühlung des Formwerkzeugs in den Poren eintritt ("delivering liquid carbon dioxide to the porous material, wherewith the gas will expand in the micropores and vaporise";

s. S. 1, Abs. 3). Die Aufgabenstellung gemäß der D3 sieht ausgehend davon vor, ein Kühlverfahren für ein Formteil zu schaffen, bei dem der Gasverbrauch wesentlich gesenkt werden kann (s. S. 2, 3. Abs.). Dies wird in der D3 mit einem geschlossenen Kühlkreislauf erreicht ("closed cooling circuit", S. 2, 4. Abs.), bei dem das mikroporöse Material als Komponente im Prozess integriert ist und das (verdampfte) Gas über abgedichtete Leitungen wieder einer Kondensiereinrichtung (Verflüssigungseinrichtung) zugeführt wird. Ausgehend von dieser Lehre erhält der Fachmann keinerlei Anregung aus der D3, die Entspannung des (flüssigen) Gases gezielt erst nach einem Füllvorgang stattfinden zu lassen (Merkmale 1.4 und 1.5).

Da in der D3 auch nicht von einem (separaten) Entspannungsorgan die Rede ist, das zudem noch gesteuert wird, nachdem der Hohlraum mit Kühlmedium befüllt ist, erhält der Fachmann zudem keine Anregung, diesen Entspannungsprozess nach der Befüllung zu regeln. Zwar ist vom Prinzip her im fachlichen Verständnis eine Freistrahldüse gemäß D3 ebenfalls ein Entspannungsorgan, und die Entspannung erfolgt ebenfalls, wenn auch extrem kurzfristig, direkt nach dem Beginn des Einfüllens des verdichteten Gases in den Hohlraum. Doch findet die Entspannung zum einen nicht nach Abschluss des Einfüllvorganges (Befüllen) statt, wie es zwingend durch die Lehre des Patents gefordert ist. Zum anderen findet die Entspannung nicht mittels eines steuerbaren Entspannungsorgans statt, wobei zudem die Entspannung gesteuert abläuft.

Auch die Betrachtung der Ventileinrichtungen in der D3 führt entgegen der Auffassung der Einsprechenden nicht zum Patentgegenstand nach Anspruch 1 (s. hierzu Bezugszeichen 19 und 20 in der Figur der D3). Diese Ventile sind beschrieben als eine Anzahl von regulierenden Ventilen ("designate a number of regulating valves", S. 5 oben), wie sie üblicherweise in allen entsprechenden (Rohr-) Leitungssystemen eingebaut sind. Sie haben hier offensichtlich die Aufgabe, zum einen den Durchfluss (die Durchflussmenge) zu regulieren (S. 5, Abs. 1). Andererseits wird ihnen die Aufgabe zugeschrieben, eine Abdichtfunktion bei der Erzeugung von Unterdruck für den Formhohlraum und/oder die Porenkanäle einzunehmen (S. 4, Abs. 4 und S. 5 Abs. 1) ("regulating valves ... to the evacuation channels 15..."). Keinesfalls entnimmt der Fachmann hieraus Anregungen, diese Ventile als Entspannungsorgane, zudem noch geregelt, einzusetzen, um die Entspannung nach dem (abgeschlossenen) Befüllungsvorgang gezielt stattfinden zu lassen. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ergibt sich für den Fachmann aus dem Stand der Technik nach D3 somit nicht in naheliegender Weise.

Auch die weiteren Druckschriften geben dem Fachmann keine ausreichenden Anregungen, um zum Patentgegenstand nach Anspruch 1 zu gelangen.

Die WO 92/15439 A1 (D2) geht nicht über den Inhalt der vorbesprochenen D3 hinaus. Auch in der D2 wird mit verdichtetem Gas, z. B. mit flüssigem Kohlendioxid gekühlt, das in einen Hohlraum oder in die Poren eines porösen Formwerkzeugs aus Sinterwerkstoff eingefüllt wird. Der Fachmann entnimmt dieser Druckschrift ebenfalls, dass mit dem Einfüllen des Kühlmediums in mindestens einen Hohlraum oder direkt in die Poren die Entspannung und damit die Kühlwirkung unmittelbar direkt im Anschluss an das Einfüllen erfolgt (s. Patentansprüche 1 und 3 sowie Beschreibung S. 5 unten und S. 6 oben: "... the charged liquid state gas runs into the expansion room. The liquid will expand to gaseous state in the expansion room..."). An keiner Stelle bekommt der Fachmann eine Anregung, diese Entspannung erst mit einem separaten Entspannungsorgan nach dem Befüllen gezielt stattfinden zu lassen. Eine manuelle Steuerung mit den Handventilen 18 und 20 (s. Beschreibung und Figuren) kann diese Funktion jedenfalls nicht erfüllen, denn diese dienen entweder der (Mengen-)Regulierung des Gases (Handventile 18) oder der Evakuierung der Poren und damit des Formhohlraumes (Handventile 20; s. S. 11, 2. Abs.). Damit gelangt der Fachmann auch in der Zusammenschau der beiden Druckschriften D2 und D3 nicht zum patentgemäßen Verfahren nach Anspruch 1.

Die weiterhin entgegengehaltenen Druckschriften DE 199 18 428 C1 (D1) und DE 33 22 312 A1 (D4) sind von der Einsprechenden zum geltenden Anspruch 1 nicht mehr aufgegriffen worden. Sie liefern ebenfalls keinen Beitrag beim Auffinden des Patentgegenstands nach Anspruch 1. In beiden Dokumenten wird beschrieben, dass verdichtetes (verflüssigtes) Gas zur Kühlung in einen Hohlraum eines Formwerkzeugs eingefüllt wird. Die (freie) Ableitung des Kühlmediums (s. bereits die Figuren) führt den Fachmann nicht zum Patentgegenstand mit seiner gesteuerten Entspannung (Merkmal 1.6). Die in der D1 beschriebene "gezielte Expansion" (Patentanspruch 1) bezieht sich dabei auf "dafür vorgesehene Werkzeugbereiche" und ist somit auf die gezielte "örtliche" Kühlung bezogen. Somit kann auch diese Maßnahme den Fachmann nicht zu den zeitlichen Maßnahmen im Sinne der Merkmale 1.5 und 1.6 führen.

Nach alledem waren für den Fachmann mehrere Schritte mit über das fachübliche Maß hinausgehenden Überlegungen notwendig, um zum Gegenstand nach Patentanspruch 1 zu gelangen. Weder der Abschluss der Befüllung der Hohlräume mit verdichtetem Gas vor Beginn der Entspannung, noch das Steuern eines eigens dazu separat vorgesehenen Entspannungsorgans wird aus dem Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen eines hier angesprochenen Fachmanns nahe gelegt. Es bedurfte demnach einer erfinderischen Tätigkeit, um zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen. Dessen Gegenstand ist somit patentfähig.

5. Der nebengeordnete Patentanspruch 7, der sich auf ein entsprechendes Formwerkzeug zur Durchführung eines Verfahrens nach Patentanspruch 1 bezieht, ist ebenfalls neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aufgrund seiner Zweckbestimmung ist er zweifellos gewerblich anwendbar.

Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 ausgeführt wurde, ist aus dem Stand der Technik keine Entspannungseinrichtung bekannt, die mittels einer Steuereinheit steuerbar ist (Merkmal 7.6), um nach dem Befüllen des Hohlraums mit verdichtetem Gas eine sich daran anschließende Entspannung gezielt durchzuführen. Da der Vorrichtungsanspruch eine Kombination von Merkmalen zum Inhalt hat, die in Anpassung an die Kategorie eines Vorrichtungsanspruchs im Wesentlichen mit den Merkmalen des Verfahrensanspruchs 1 übereinstimmen, ist das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die vorstehenden Ausführungen hierzu wird verwiesen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 7 ist somit ebenfalls patentfähig.

Mit den Patentansprüchen 1 und 7 haben auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 sowie 8 bis 12 Bestand, da sie vorteilhaft weitergebildete Gegenstände zum Inhalt haben, die über platt Selbstverständliches hinaus gehen.

Dehne Dr. Prasch Pagenberg Dr. Dorfschmidt Cl






BPatG:
Beschluss v. 17.09.2009
Az: 8 W (pat) 345/05


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