Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 111/02

(BPatG: Beschluss v. 14.01.2004, Az.: 26 W (pat) 111/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. April 2002 und vom 27. Oktober 1999 aufgehoben.

Die angegriffene Marke ist wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 033 300 zu löschen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte"

unter der Nummer 397 46 283 eingetragene Marke Europerlist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 1 033 300 EUROBEL, die für die Waren

"Alkoholfreie Getränke, nämlich Mineralwässer, Limonaden und Fruchtsäfte; Brunnensalze"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 hat diesen Widerspruch zurückgewiesen. Zwar seien an den einzuhaltenden Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen, weil die Waren teilweise identisch und im übrigen im engsten Ähnlichkeitsbereich seien. Gleichwohl hielten die Marken einen hinreichend großen Abstand voneinander ein. Der gemeinsame Zeichenbestandteil "Euro-" sei nämlich wegen seines deutlich beschreibenden Aussagegehalts nur schwach kennzeichnend und komme überaus häufig in Drittmarken vor. Er werde lediglich als Sachangabe, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden. Zwar müssten die gemeinsamen beschreibenden Wortanfänge bei der Würdigung des Gesamteindrucks mitberücksichtigt werden, jedoch werde das Publikum den übrigen Bestandteilen eine höhere Aufmerksamkeit zuwenden. Eine Verwechslungsgefahr sei nämlich regelmäßig zu verneinen, wenn sich die Gemeinsamkeiten der Vergleichsmarken im wesentlichen auf schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente beschränkten. Werde damit den Bestandteilen "-perl" bzw "-BEL" ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes Interesse entgegengebracht, dann sei die klangliche und schriftbildliche Verschiedenheit deutlich. Insbesondere sei die abweichende Konsonantenfolge hervorzuheben. Außerdem weise die Wortendung der angegriffenen Marke einen leicht erkennbaren Sinngehalt auf, der eine zusätzliche Merk- und Unterscheidungshilfe sei.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe eine Verwechslungsgefahr. Die Vergleichswaren seien teils gleich, im übrigen sehr ähnlich. Dementsprechend seien an den Zeichenabstand strenge Anforderungen zu stellen, denen die Zeichen in klanglicher Hinsicht nicht gerecht würden. Auch Zeichenteile ohne große Kennzeichnungskraft wirkten nämlich am Gesamteindruck der Marken mit. Zudem seien auch die Silben "bel" und "perl" nicht von überragender Kennzeichnungskraft. Außerdem werde eher der Wortanfang betont als das Wortende. Silbenzahl und Sprechrhythmus seien identisch. Auch die Endsilben "bel" und "perl" wiesen klangliche Ähnlichkeiten hinsichtlich der Buchstaben b bzw p, e und l auf. Der Konsonant "r" werde oft verschluckt. Zudem seien die zugrundeliegenden Waren Massenartikel, bei denen die zahlreichen Ähnlichkeiten noch mehr ins Gewicht fielen. Die möglichen Sinngehalte der letzten Wortelemente kämen wegen der Ähnlichkeit von Klang und Bild nicht zum Tragen. Die Widersprechende beantragt, die zeichenrechtliche Übereinstimmung festzustellen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und beruft sich im wesentlichen auf die Beschlüsse der Markenstelle.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl BGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 - Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist hinsichtlich der Waren Mineralwässer, Limonaden und Fruchtsäfte von Identität, im übrigen von Ähnlichkeit im engsten Bereich auszugehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "EUROBEL" in ihrer Gesamtheit ist durchschnittlich. Zwar enthalten ihre beiden Wortbestandteile jeweils einen Sinngehalt ("EURO" = Europa, europäisch; "BEL" = franz.: schön, hübsch, stattlich). Diese Sinngehalte weisen aber keinen eindeutig beschreibenden Bezug zu den damit gekennzeichneten Waren auf und ergeben auch insgesamt keinen naheliegenden beschreibenden Begriff. Damit sind an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand mittlere bis strenge Anforderungen zu stellen, denen sie jedoch nicht gerecht wird. Die Vergleichsmarken sind jedenfalls in klanglicher Hinsicht verwechselbar.

Beide Marken stimmen in Silbenzahl, Betonung und Vokalfolge überein und enthalten gerade an dem in der Regel stärker beachteten Wortanfang übereinstimmend das Wortelement "EURO-". In den jeweils zweiten Wortelementen "-BEL" bzw "-perl" stimmen die Vergleichszeichen zudem in dem Konsonanten "l" überein. Die Konsonanten "B" bzw "p" unterscheiden sich lediglich in ihrer Klangstärke. Zwar enthält die jüngere Marke noch zusätzlich den Konsonanten "r", dieser vermag jedoch aufgrund seiner Stellung unmittelbar vor dem Konsonanten "l" keine eigenständige klangliche Wirkung zu entfalten. Allerdings enthält der Vokal "e" durch das nachfolgende "r" einen offeneren Klang, der sich fast einer Aussprache wie "ä" annähert. Diese geringen klanglichen Abweichungen am Wortende vermögen aber angesichts der zahlreichen Übereinstimmungen eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen. Daß es sich bei dem ersten Wortelement "Euro" um ein auf vielen Warengebieten häufig verwendetes, geläufiges Kürzel handelt, schließt es nicht aus, daß sich dieser Zeichenteil mit den weiteren Angaben zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbindet und zum klanglichen Gesamteindruck maßgeblich beiträgt. Auch schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente können nämlich den maßgeblichen Gesamteindruck einer Marke mitbestimmen und dürfen nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Vielmehr können sie im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen, zumal der Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdnr 331 mwN). Es kommt hinzu, daß es sich bei den vorliegenden Getränken um preiswerte Waren des täglichen Bedarfs handelt, die häufig ohne besondere Aufmerksamkeit und auch an lärmerfüllten Orten wie Gaststätten, Kiosken, Sportstadien oder Zügen erworben werden. Auch die unterschiedlichen Sinngehalte bzw -anklänge der Endsilben "perl" und "BEL" verhindern wegen der großen klanglichen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen eine klangliche Verwechslung nicht, da den angesprochenen Verbrauchern dieser Sinngehalt entweder gar nicht oder der falsche Begriff zu Bewußtsein kommt (Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 229; vgl a BPatG 26 W (pat) 29/02 "Euroquell" = "EUROBEL" - veröff. in PAVIS PROMA). Damit war der Beschwerde stattzugeben.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.

Albert Reker Eder Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.01.2004
Az: 26 W (pat) 111/02


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