Bundespatentgericht:
Urteil vom 3. Mai 2005
Aktenzeichen: 3 Ni 23/04

(BPatG: Urteil v. 03.05.2005, Az.: 3 Ni 23/04)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 6. August 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 9111935 U vom 24. September 1991 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 534 107 (Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 592 08 540 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein Kühlgerät, insbesondere Kühl- oder Gefrierschrank und umfasst in der erteilten und im europäischen Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung 9 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet:

"1. Kühlgerät, insbesondere Kühl- oder Gefrierschrank, mit einem eine Türöffnung aufweisenden Gehäuse (11), dessen Innenbehälter (13) mit horizontal verlaufenden, einander paarweise gegenüberliegenden, rippenartigen Tragleisten (17) für das Kühlgut aufnehmende Tragböden, wie Traggitter, Tragplatten, ausziehbare Körbe, Schubladen (16) und dgl versehen sind, an deren der Türöffnung zugekehrten Enden Halter (30, 60) zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten (15) sitzen, dadurch gekennzeichnet, dass die rippenartigen Tragleisten (17) stirnseitig mit je einer angeformten Aufnahme (18) versehen sind, an welcher jeweils ein derartiger Halter (30, 60) form- und/oder kraftschlüssig fixierbar ist."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift 0 534 107 B1 verwiesen.

Die Klägerinnen machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne und weiterhin, weil er nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zum Stand der Technik haben die Klägerinnen vorgetragen, ein von der Firma "Whirlpool" hergestellter und unter der Marke Philips in Italien vertriebener Kühlschrank mit der Modellbezeichnung AFB 9709/PH sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenkundig vorbenutzt worden.

Zum Nachweis haben sie ua insbesondere folgende Unterlagen vorgelegt:

- eine eidesstattliche Versicherung des Herrn C... (Anlage K5),

- Fotos Nr 1 bis 8 von Einzelheiten des vorbenutzten Kühlschranks (Anlage K6), Wegen weiterer von den Klägerinnen vorgelegter Unterlagen zum Nachweis der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung des Gefrierschrankes AFB 9709/PH wird auf die Schriftsätze der Klägerinnen verwiesen.

Weiterhin haben die Klägerinnen Beweis angeboten, und zwar 1. durch Inaugenscheinnahme des betreffenden, inzwischen von ihr erworbenen Kühlschranks, 2. durch Vernehmung des Herrn C..., Via... in T... (Italien), als Zeugen, zu laden über die Klägerin zu 1.

Außerdem haben die Klägerinnen zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt:

SU 1 640 499 A1 (Anlage K10), deutsche Übersetzung von K10 (Anlage K11), DE 26 38 364 A1 (Anlage K12), DE 38 02 140 A1 (Anlage K13), DE 71 37 448 U1 (Anlage K14).

Die Klägerinnen beantragen, das europäische Patent 0 534 107 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs 1 und den Patentansprüchen 2 bis 9 in der erteilten Fassung.

Wegen des Wortlauts des hilfsweise verteidigten Patentanspruchs 1 wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 3. Mai 2005 verwiesen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen. Sie bestreitet zwar zuletzt nicht mehr, daß ein Gefrierschrank der in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Art am Prioritätstag des Streitpatents bekannt war. Sie bestreitet jedoch mit Nichtwissen, daß dieser Gefrierschrank nicht mit einem Eiswürfelfach und nicht mit Kühlschubladen versehen war. Sie hat ua folgende Anlagen eingereicht:

DE 84 37 617 U1 (Anlage NB1)

Merkmalsanalyse für den Anspruch 1 des Streitpatents (Anlage NB2).

Der Senat hat über den Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung gemäß Beweisbeschluss vom 7. April 2005 durch Inaugenscheinnahme des Gefrierschranks mit der Modellbezeichnung AFB 9709 PH Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 3. Mai 2005 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe stehen dem Streitpatent nicht entgegen, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a und b EPÜ.

I 1. Das Streitpatent betrifft ein Kühlgerät, insbesondere Kühl- oder Gefrierschrank, mit einem eine Türöffnung aufweisenden Gehäuse, dessen Innenbehälter mit horizontal verlaufenden, einander paarweise gegenüberliegenden, rippenartigen Tragleisten für das Kühlgut aufnehmende Tragböden, wie Traggitter, Tragplatten, ausziehbare Körbe, Schubladen und dgl versehen sind, an deren der Türöffnung zugekehrten Enden Halter zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten sitzen (Streitpatentschrift S 2 Z 3 bis 7).

In der Streitpatentschrift ist zum Stand der Technik ausgeführt, es sei bekannt, die Seitenwände der Innenbehälter von Kühl- und Gefrierschränken mit Tragleisten auszustatten, die sowohl die Tragböden als auch die ihnen zugeordneten horizontalen Abschnitte des Verdampfersystems aufnehmen und stützen. Derartige Tragleisten würden heutzutage vorwiegend bei der Herstellung des Innenbehälters mit angeformt, um zu vermeiden, dass dessen Wände durch nachträglich anzubringende Bohrungen und dgl. für Befestigungselemente der Tragleisten durchbrochen und geschwächt würden. Ferner sei bekannt, die Tragleisten mit einer als Führungsbahn dienenden Fläche auszustatten, auf der Tragböden, Körbe, Schubladen oder dgl. beim Herausziehen und Hineinschieben nahezu reibungsfrei glitten und dadurch die Bedienung des Gerätes sehr erleichterten. Die Tragleisten seien an ihrem vorderen Ende häufig zusätzlich mit Haltern versehen, welche die darin eingesetzten horizontalen Abschnitte des Verdampfersystems fixierten und als Anschläge dienten, mit denen herausziehbare Tragböden zum Abstellen von Kühlgut im ausgezogenen Zustand gegen Herausfallen und Abkippen gesichert seien (Streitpatentschrift S 2 Z 8 bis 18).

Aus der DE-OS 38 02 140 sei ein Kühlgerät bekannt, dessen Innenbehälter nahe der Türöffnung mit Haltern versehen sei, die in diesem Abschnitt die Funktion von Tragleisten mit übernähmen und zum einen die Verdampferabschnitte an den Seitenwänden fixierten und zum anderen als Führungsbahn für ein auf zwei einander gegenüberliegende Halter aufsetzbares Tablett dienten. Die Befestigung der Halter erfolge hierbei durch Steckzapfen, die in darauf abgestimmte Bohrungen in den Seitenwänden des Innenbehälters eingesetzt seien. Eine derartige Lösung habe jedoch den Nachteil, dass der Innenbehälter zum Anbringen der Halter mit Durchbrüchen versehen werden müsse, die nicht nur zusätzliche Arbeitsgänge, sondern meist auch noch aufwendige, an unterschiedliche Abmessungen verschiedener Innenbehälter anpassbare Vorrichtungen erforderlich machten. Darüber hinaus erfordere eine derartige Befestigung bei tiefgezogenen Innenbehältern zusätzliche Verstärkungsmaßnahmen, da durch den Ziehvorgang die Wandstärke in dem betreffenden Bereich häufig sehr dünn sei und für eine stabile Befestigung der Halter hinterlegt werden müsse. Eine solche Zusatzmaßnahme bedeute aber, dass die entsprechenden Verstärkungen in einem gesonderten Arbeitsgang vor dem Ausschäumen des Kühlgeräte-Gehäuses in entsprechenden Lagen fixiert werden müssten, um ein Verrutschen während des Ausschäumungsvorganges zu vermeiden (Streitpatentschrift S 2 Z 19 bis 31).

Eine weitere Möglichkeit der Halterung von rostartigen Böden, in Gehäusen von Gefrierschränken sei in dem DE-GM 84 37 617 für den Fall von nicht ausziehbaren Ablageebenen in Form von Drahtrohrverdampfern aufgezeigt. Hierbei seien die Drahtrohrverdampfer mit den seitlich vorstehenden Enden ihrer Drahtstäbe in an den Seitenwänden des Gehäuses angespritzte, leistenartige, im Querschnitt U-förmige Führungen eingeschoben und mit als Halter dienenden Formteilen gegen Herausziehen gesichert. Die Führungen seien zu diesem Zweck mit Durchbrüchen versehen, an denen die Halter mit federnden Rasten befestigt werden, so dass keine zusätzlichen Durchbrüche in der Wand des Innenbehälters notwendig seien. Eine solche Lösung habe jedoch den Nachteil, dass das Spritzwerkzeug zur Fertigung des Innenbehälters mit dem leistenartigen Führungen sehr aufwendig und kompliziert sei (Streitpatentschrift S 2 Z 32 bis 40).

Darüber hinaus sei aus der DE-OS 26 38 364 ein Gefrierschrank bekannt, in dessen von einem Innengehäuse ausgekleideten Gefrierraum in parallelen Abständen übereinander angeordnete, zur Kühlung des Gefrierraumes dienende Verdampferetagen vorgesehen seien. Diese seien an ihren rückwärtigen, von der Zugangsöffnung zum Gefrierraum abgewandten Seite zentral mittels eines Trägers an der Rückwand und auf ihrer der Zugangsöffnung zugewandten Seite, an ihren seitlichen Randabschnitten nahe der Zugangsöffnung durch je ein Befestigungsteil an den Seitenwänden des Gefrierraumes fixiert. Die Seitenwände des Gefrierraumes seien dabei zur Anbringung der Befestigungsteile mit in das Innengehäuse eingeformten und in die Wärmeisolation des Gefrierschranks ragenden, als Rillen bezeichneten, nutenartigen Vertiefungen ausgestattet, welche einen schwalbenschwanzartigen Querschnitt aufwiesen. Zur letztendlichen Fixierung und Sicherung der Befestigungsteile in den nutenartigen Vertiefungen seien zusätzliche Verriegelungselemente notwendig, welche zum Zweck der Sicherung mit den Befestigungsteilen in Eingriff bringbar seien. Im Abstand zu den nutenartigen Vertiefungen und im Abstand über den Verdampferetageren seien an beiden Seitenwänden des Gefrierraumes zusätzlich mit den an den Innenbehälter angeformte, in den Gefrierraum ragende Rippen vorgesehen, welche zum Halten von Gefrierkörben dienten. Diesem Stand der Technik hafte auf der einen Seite der Nachteil an, dass zur Abstützung der Gefrierkörbe einerseits und zur Halterung der Verdampferetageren andererseits an den Seitenplatinen des spanlos geformten Innenbehälters zwei voneinander unabhängige Formgebungen vorzunehmen seien, welche zudem hinsichtlich ihrer Einformungsrichtung in die Seitenplatine entgegengesetzt angeordnet seien, so dass ein verhältnismäßig aufwendiges Werkzeug zur Formgebung des Innenbehälters notwendig sei. Auf der anderen Seite hätten die nutenartigen Vertiefungen zwangsläufig eine nicht unbedeutende Schmälerung der Wärmeisolation zur Folge, durch welche sich die Energiebilanz des Gefrierschranks deutlich verschlechtere. Darüber hinaus seien zur lagesicheren Anbringung der Befestigungsteile in den nutenartigen Vertiefungen zusätzliche Verriegelungselemente notwendig, wodurch neben einer Erschwernis in der Lagerdisposition für die zur Halterung der Verdampferetageren notwendigen Teile, vor allem der Montagevorgang sich zeitlich deutlich aufwendiger gestalte (Streitpatentschrift S 2 Z 41 bis S 3 Z 5).

2. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, bei Kühlgeräten der genannten Gattung die Tragleisten am Innenbehälter so zu gestalten, dass die zur Fixierung der horizontalen Verdampferabschnitte und zur Sicherung der Tragböden dienenden Halter auf einfache Weise, ohne zusätzliche Befestigungsmittel sicher daran befestigt werden können (Streitpatentschrift S 3 Z 6 bis 8).

3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten und im europäischen Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung ein 1. Kühlgerät, insbesondere Kühl- oder Gefrierschrank, 2. mit einem eine Türöffnung aufweisenden Gehäuse, 3. das Gehäuse weist einen Innenbehälter auf, 4. der Innenbehälter hat horizontal verlaufende, einander paarweise gegenüberliegende, rippenartige Tragleisten für das Kühlgut aufnehmende Tragböden, wie Traggitter, Tragplatten, ausziehbare Körbe, Schubladen und dgl, 5. an den der Türöffnung zugekehrten Enden der Tragleisten sitzen Halter zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten, 6. die rippenartigen Tragleisten sind stirnseitig mit je einer angeformten Aufnahme versehen, 7. an jeder Aufnahme ist ein Halter form- und/oder kraftschlüssig fixierbar.

II 1. Das angegriffene Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Als Fachmann ist hier ein qualifizierter Techniker oder Ingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Gefrierschränken anzusehen.

Der Fachmann kann die im Patentanspruch 1 spezifizierte Erfindung, einschließlich der Merkmale 6 und 7 (Merkmalsgliederung gem vorstehenden Abschn I.3) ohne weiteres ausführen. Wenn im Unteranspruch 4 und in der Beschreibung ausschließlich konkret beschrieben ist, dass Rastmittel des Halters in einer Vertiefung des Innenbehälters einrasten, stellt dies für den Fachmann keinen unauflösbaren Widerspruch zu den Merkmalen 6 und 7 des Patentanspruchs 1 dar, wonach je ein Halter form- und/oder kraftschlüssig an jeder stirnseitig an jeder Tragleiste angeformten Aufnahme fixierbar ist. Der Fachmann wird vielmehr den Patentanspruch 1 so verstehen, dass auch Ausführungen umfasst werden sollen, bei denen jeder Halter gegen ein Abziehen von der Aufnahme nach vorn durch ein in eine entsprechende Vertiefung des Innenbehälters einrastendes Rastmittel des Halters gesichert und so auf der Aufnahme fixiert ist. Diesem Verständnis der patentgemäßen Erfindung steht auch nicht entgegen, daß laut Beschreibungseinleitung Bohrungen zum Anbringen von Haltern an der Vorderkante von Tragleisten, wie sie bei bekannten Kühlgeräten vorgesehen sind, als nachteilig angesehen werden. Dort sind Bohrungen zur Aufnahme von Zapfen angesprochen, die geeignet sind, erhebliche Belastungen, zB durch teilweise herausgezogene Körbe, aufzunehmen. Mit solchen Bohrungen sind die streitpatentgemäßen Vertiefungen zum Einrasten der Rastmittel nicht vergleichbar.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und offensichtlich gewerblich anwendbar. Der Senat konnte nicht die Überzeugung gewinnen, daß er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

2.1 Laut Patentanspruch 1 hat der Innenbehälter Tragleisten für Tragböden und Halter zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten. Auch in der Beschreibung der Erfindung im Allgemeinen und der Ausführungsbeispiele im Besonderen wird durchgehend zwischen Tragböden und horizontalen Verdampferabschnitten unterschieden. Die Erfindung bezieht sich daher eindeutig nicht auf solche Kühlgeräte, bei denen die horizontalen Verdampferabschnitte gleichzeitig Tragböden für unmittelbar aufgelegtes Kühlgut oder für auf die Verdampferabschnitte aufgesetzte Körbe oder Schubladen bilden.

2.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.

Aufgrund der Erläuterungen der Klägerinnen zum Typenschild des von ihnen in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Gefrierschrankes und der schriftsätzlich vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Vorbenutzung geht der Senat davon aus, dass solche Gefrierschränke vor dem Anmeldetag des Streitpatents vertrieben wurden und damit der Öffentlichkeit zugänglich waren. Dies wurde von der Beklagten zuletzt auch nicht mehr bestritten. Sie hat vielmehr selbst in der mündlichen Verhandlung einen ähnlichen Kühlschrank vorgeführt.

Bei dem von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgeführten und vom Senat in Augenschein genommenen Kühlgerät handelt es sich um einen Gefrierschrank mit einem eine Türöffnung aufweisenden Gehäuse und einem Innenbehälter. Die von den Klägerinnen als Anlage K6 Nr 1 bis Nr 8 vorgelegten Photos zeigen diesen Gefrierschrank und einzelne Details. Der Gefrierschrank weist in unterschiedlichen Höhen horizontale Verdampferabschnitte auf, die einerseits an der Rückwand und andererseits vorn in der Nähe der Türöffnung abgestützt sind. Dazu sind an den Innenwänden in der Nähe der Türöffnung Ausformungen angeordnet (Anlage 6 Nr 2). Die Ausformungen weisen zur Türöffnung hin verjüngte Abschnitte auf, auf die Halter aufschiebbar sind. Die Halter sind an den Ausformungen durch Rastmittel gegen ein Herausziehen zur Türöffnung hin gesichert. Die Halter haben einen etwa U-förmigen Querschnitt, der die Ausformung umgreift. Der obere Schenkel des Halters bildet mit dem anschließenden Teil der Ausformung etwa eine Ebene. Die Rohrschlangen der Verdampferabschnitte liegen auf dem oberen Schenkel der Halter und teilweise auch auf dem anschließenden Teil der Ausformung auf (Anlagen 6 Nr 5 und Nr 6). Im oberen Teil des Innenbehälters sind zwei sich gegenüberliegende unbenutzte Ausformungen vorhanden. Etwas oberhalb dieser sind an den Seitenwänden des Innenbehälters durchgehende Rippen angeformt, auf die ein Eiswürfelfach aufschiebbar sein soll. Ein solches Eiswürfelfach war bei dem von der Beklagten vorgeführten Gefrierschrank vorhanden. Bei diesem Gefrierschrank waren außerdem auf den Verdampferabschnitten jeweils Gleitschienen aufgeclipt, auf denen ausziehbare Körbe abgestellt waren. Gesonderte Tragböden und Tragleisten für diese waren weder bei dem in Augenschein genommenen Gefrierschrank noch bei dem von der Beklagten vorgestellten Gefrierschrank vorhanden. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zumindest durch die zusätzlichen Tragleisten für eigene, nicht mit den Verdampferabschnitten identische Tragböden.

Auch der druckschriftlich nachgewiesene Stand der Technik kann die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nicht in Frage stellen. In der SU 1 640 499 A1 (Anlagen K10, K11) ist ein Kühlschrank beschrieben, bei dem Ablagen auf seitlichen Tragleisten (Führungen) aufliegen. Die Ablagen umgreifen mit Aussparungen in ihren Seitenkanten nach oben ragende Vorsprünge im vorderen Bereich der Tragleisten. Um ein Abheben der Ablagen von den Tragleisten zu verhindern, sind Klammern vorgesehen, die auf das vordere Ende der Tragleisten aufgesteckt und an den Vorsprüngen der Tragleisten verrastet werden. Horizontale Verdampferabschnitte sind nicht vorhanden und daher auch keine wie immer ausgebildete Halter für diese.

Bei dem aus der DE 26 38 364 A1 (Anlage K12) bekannten Gefrierschrank sind Halter zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten in hinterschnittene Ausnehmungen in den Seitenwänden des Innenbehälters eingesetzt. Tragleisten für Tragböden mit angeformten Aufnahmen für Halter zum Befestigen von Verdampferabschnitten sind im Unterschied zum Streitpatent nicht vorhanden.

Bei dem Gefrierschrank nach dem deutschen Gebrauchsmuster 71 37 448 (Anlage K14) sind vor dem vorderen Ende von Tragleisten (Schienen) für Körbe Spritzteile an der Gehäuseseitenwand befestigt, die eine in gleicher Ebene wie die Gleit- und Auflagefläche der Schienen liegende Fläche aufweisen und zur Abstützung der vorderen Enden von Verdampferabschnitten ausgebildet sind. Die Spritzteile sind unmittelbar an der Gehäusewand und nicht an den Tragleisten befestigt.

In der DE 38 02 140 A1 (Anlage K13) ist ein Kühlgerät beschrieben, bei dem ein plattenförmiger Verdampfer und ein darüber angeordnetes Tablett auf einem Halter abgestützt sind (Sp 2 Z 18 bis 44). Der Halter ist mit Steckzapfen versehen, die in entsprechende Bohrungen in den Seitenwänden des Innengehäuses eingreifen. Auch von diesem Kühlgerät unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die an den Tragleisten für Tragböden angeformten Aufnahmen für Halter zum Befestigen von Verdampferabschnitten.

In der DE 84 37 617 U1 (Anlage NB1) ist beschrieben, dass rostartige Böden, insbesondere Verdampferabschnitte, in Gehäusen von Gefrierschränken an deren Seitenwänden zwischen je zwei eine Führung bildende Leisten eingesteckt und gegen ein Herausziehen nach vorn durch zwischen die Leisten eingeschobene und dort verrastete Formteile gesichert werden. Tragleisten mit angeformten Aufnahmen für die Halter von Verdampferabschnitten sind auch in dieser Druckschrift nicht offenbart.

2.3 Der Senat konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Ausgestaltung des vorbenutzten Gefrierschranks vermittelt für sich genommen dem Fachmann keine Anregung dafür, rippenartige Tragleisten für Tragböden stirnseitig mit angeformten Aufnahmen für Halter zum Befestigen von horizontalen Verdampferabschnitten zu versehen. Bei dem vorbenutzten Gefrierschrank sind nämlich, wie bereits ausgeführt wurde, die Verdampferabschnitte selbst gleichzeitig Tragböden für das Gefriergut. Falls bei einem solchen Gefrierschrank zusätzliche Körbe zur Aufnahme des Gefrierguts verwendet werden, können diese unmittelbar oder mittels einfach an den Verdampferabschnitten anzubringender Gleitschienen auf die Verdampferabschnitte gestellt werden, wie es bei dem von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgeführten, ansonsten baugleichen Gefrierschrank der Fall ist. Aus der Tatsache, dass für ein Eiswürfelfach bzw -tablett bei dem vorbenutzten Gefrierschrank eine gesonderte Tragleiste vorgesehen ist, resultiert allenfalls noch eine Anregung dahingehend, für Tragböden, die nicht gleichzeitig Verdampferabschnitte sind, eigene Tragleisten vorzusehen.

Auch die aufgezeigten Druckschriften führen weder für sich, noch in ihrer Zusammenschau den Fachmann ohne weiteres zur Lehre des Patentanspruchs 1. Die meisten Gemeinsamkeiten mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hat noch der Gefrierschrank nach der DE 71 37 448 U1 (Anlage K14), denn bei diesem sind Halter (Spritzteil 1) für horizontale Verdampferabschnitte anschließend an das türseitige Ende von Tragleisten für Tragböden angeordnet. Diese Halter sollen aber ausdrücklich an der Wand des Innenbehälters über entsprechende Bohrungen und nicht an einer Aufnahme der Tragleisten befestigt sein, um eine ausreichende Tragfähigkeit zu gewährleisten, insbesondere bei teilweise herausgezogenen vollen Körben (S 1 le Abs). Zwar zeigt der vorbenutzte Gefrierschrank, dass Ausformungen auch in der Nähe der Türöffnungen stabil genug ausgeführt werden können, um mit Kühlgut beladene, als Tragböden dienende Verdampferabschnitte abzustützen. Diese Erkenntnis auf die Lehre der Druckschrift K14 übertragen, würde dieser aber einen großen Teil der dort dargestellten Problematik entziehen und möglicherweise den Fachmann dazu bewegen, gar kein gesondertes Tragteil (Spritzteil) vorzusehen, sondern die Schiene bis zur Türöffnung zu führen und dort so stark auszubilden, dass sie auch das Gewicht eines teilweise herausgezogenen beladenen Korbes tragen könnte. Da andererseits bei dem vorbenutzten Gefrierschrank keine gesonderten Tragböden vorgesehen sind, konnte der Senat auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass es für den Fachmann unter Berücksichtigung der DE 71 37 448 U1 naheliegend ist, Tragleisten für Tragböden vorzusehen und Halter für die keine Tragfunktion aufweisenden Verdampferabschnitte auf an die Tragleisten angeformten Aufnahmen zu fixieren, auch wenn von der streitpatentgemäßen Erfindung her gesehen erkennbar ist, dass ihre einzelnen Elemente für sich im Stand der Technik vorhanden waren.

Bei dieser Sachlage war die Klage abzuweisen.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Dr. Schermer Köhn Dr. Pösentrup Brandt Frühauf Be






BPatG:
Urteil v. 03.05.2005
Az: 3 Ni 23/04


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