Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. Juli 2010
Aktenzeichen: Xa ZR 85/08

(BGH: Urteil v. 29.07.2010, Az.: Xa ZR 85/08)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Februar 2008 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Das europäische Patent 676 763 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als Patentanspruch 1 über folgende Fassung hinausgeht, an die sich die Patentansprüche 2, 3, 4, 9 und 10 als Patentansprüche 2 bis 6 anschließen:

"Behälter für zwei CD, umfassend einen tablettartigen Körper (10), der Sitze zum Aufnehmen der beiden CD bildet, wobei der tablettartige Körper (10) einen ersten Bereich (20) zum Aufnehmen einer ersten CD (21) und einen zweiten Bereich (30) zum Aufnehmen einer zweiten CD (31) aufweist, der auf einem höheren Niveau als der erste Bereich (20) liegt, wobei die CD (21, 31) axial in den Sitzen gehalten sind, so dass jede der CD (21, 31) individuell erfasst und axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind, wobei die zweite CD (31) in dem zweiten Bereich (30) derart angeordnet ist, dass sie davon unter Abstand liegt und die erste CD (21) in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt, und wobei der tablettartige Körper an seinem Boden eine erste flache Oberfläche (111) und eine zweite flache Oberfläche (112) bildet, die Seite an Seite auf unterschiedlichen Niveaus, bezogen auf den unteren Deckel (3c), angeordnet sind."

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 676 763 (Streitpatents), das am 4. Juli 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier italienischer Patentanmeldungen vom 15. Juli 1994 und 19. Januar 1995 angemeldet und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:

"Container for a plurality of discs, particularly compact discs, comprising a traylike body (10, 110) defining seats for accommodating at least two discs, said traylike body (10, 110) including a first region (20) for accommodating at least one first disc (21, 121, 122) and at least a second region (30) for accommodating at least one second disc (31, 131, 132) located at a higher level than said first region (20), the discs (21, 31, 121, 131, 122, 132) being axially retained in said seats, so that each of the discs (21, 31, 121, 131, 122, 132) can be individually gripped and axially detached for removal from said seats in which they are retained, characterized in that said at least one second disc (31, 131, 132) is arranged in said second region (30) so as to be spaced from, and to partially overlap said at least one first disc (21, 121, 122) in an axially offset manner."

Wegen der Patentanspruch 1 nachgeordneten weiteren neun Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus. Außerdem sei er nicht patentfähig.

Die Beklagte hat hilfsweise das Streitpatent mit folgendem Patentanspruch 1 verteidigt, an den sich die Patentansprüche 2, 3, 4, 9 und 10 als Patentansprüche 2 bis 6 anschließen sollen:

"Behälter für zwei CD, umfassend einen tablettartigen Körper (10), der Sitze zum Aufnehmen der beiden CD bildet, wobei der tablettartige Körper (10) einen ersten Bereich (20) zum Aufnehmen einer ersten CD (21) und einen zweiten Bereich (30) zum Aufnehmen einer zweiten CD (31) aufweist, der auf einem höheren Niveau als der erste Bereich (20) liegt, wobei die CD (21, 31) axial in den Sitzen gehalten sind, so dass jede der CD (21, 31) individuell erfasst und axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind, wobei die zweite CD (31) in dem zweiten Bereich (30) derart angeordnet ist, dass sie davon unter Abstand liegt und die erste CD (21) in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt."

Das Patentgericht hat das Streitpatent, das auch für England und Wales durch Urteil des High Court und für Frankreich durch Urteil des Tribunal de Grande Instance de Rennes für nichtig erklärt worden ist, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese in erster Linie das Streitpatent in der Fassung des in erster Instanz gestellten Hilfsantrags verteidigt; hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung eines weiteren Hilfsantrags, wonach an die mit ihrem Hauptantrag verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 angefügt werden soll: "und wobei der tablettartige Körper an seinem Boden eine erste flache Oberfläche (111) und eine zweite flache Oberfläche (112) bildet, die Seite an Seite auf unterschiedlichen Niveaus, bezogen auf den unteren Deckel (3c), angeordnet sind."

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Streitpatent hat in der Fassung des Hilfsantrags Bestand.

I. Das Streitpatent betrifft einen Behälter für mehrere Platten, insbesondere Compact Discs (CD).

1. Die Streitpatentschrift bezeichnet eingangs Behälter für eine Vielzahl von CD als bekannt, die aus einem tablettartigen Körper gebildet seien, die nebeneinander liegende Ausnehmungen oder Sitze zur Aufnahme von CD bildeten. Ein solches Behältnis zeigt Figur 1 des deutschen Gebrauchsmusters 87 02 353 (D 6). An diesem beanstandet die Streitpatentschrift, dass die Anordnung der Ausnehmungen Abmessungen des Behälters zur Folge habe, die nicht nur ästhetisch unbefriedigend, sondern auch für die Aufbewahrung ungünstig seien.

2. Die Streitpatentschrift beschreibt sodann eine Reihe von Zielen (aims) der Erfindung (Sp. 1 Z. 20-40). Hieraus ergibt sich, dass das Streitpatent das technische Problem lösen will, einen Behälter für zwei oder mehrere Platten bereitzustellen, der möglichst geringe und für die Aufbewahrung günstige äußere Abmessungen hat, es ermöglicht, die Platten geschützt aufzubewahren und einzeln zu entnehmen, und möglichst einfach und kostengünstig herstellbar ist.

3. Dazu schlägt Patentanspruch 1 in der Fassung des neuen Hauptantrags einen Behälter vor, dessen Merkmale sich in Anlehnung an die auch von den Parteien herangezogene, vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Verletzungsprozess verwendete Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lassen:

(1) Der Behälter ist zur Aufnahme von zwei CD geeignet.

(2) Er umfasst einen tablettartigen Körper (10, 110), der

(a) Sitze zur Aufnahme von zwei CD bildet (defining seats for accommodating ... discs) und

(b) Bereiche (regions) aufweist, nämlich

(aa) einen ersten Bereich (20) zum Aufnehmen der ersten CD und

(bb) einen zweiten Bereich zum Aufnehmen der zweiten CD, wobei

(cc) der zweite Bereich auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liegt.

(3) Die CD sind axial in den Sitzen gehalten (axially retained in said seats), so dass

(a) jede der CD individuell erfasst und

(b) zur Herausnahme axial vom Sitz abgehoben werden kann (axially detached for removal from said seats).

(4) Die zweite CD ist in dem zweiten Bereich derart angeordnet, dass sie

(a) von der ersten CD unter Abstand liegt und

(b) die erste CD in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt.

4. Das Patentgericht hat Patentanspruch 1 wie folgt ausgelegt: Der Behälter weise einen tablettartigen, d.h. einen flachen, z.B. rechteckigen Körper auf, in dem zwei Bereiche zum Aufnehmen je mindestens einer Platte ausgebildet seien. Diese Bereiche lägen, bezogen auf den Boden des Körpers, in unterschiedlicher Höhe. Die zweite Platte solle von der ersten in Abstand liegen und die erste Platte in einer axial versetzten Weise überlappen. Der axiale Abstand der beiden Platten zueinander solle so beschaffen sein, dass die ersten und zweiten Platten nicht direkt übereinander lägen, sondern sich teilweise überlappten. Diese Formulierung umfasse alle Lagen, in denen zwischen den Achsen der höhenversetzt angeordneten Platten gerade noch ein Abstand bestehe bis zu einem Abstand, in dem sich die Platten gerade noch überlappten.

Dies hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz stand. Allerdings ist bei dem letztgenannten Gesichtspunkt zu berücksichtigen, dass die Überlappung einerseits eine unerwünscht große Länge des "Tabletts" entbehrlich machen soll, andererseits es noch erlauben soll (vgl. die Darstellung in Figur 3), die untere CD unabhängig von der oberen zu entnehmen. Der Fachmann muss die Überlappung daher so ausbilden, dass beide Ziele erreicht werden. Was die Bereiche anbelangt, so kann der Auslegung durch das Patentgericht nur insoweit beigetreten werden, als Merkmalsgruppe 2 unterschiedliche Höhenniveaus verlangt. Ein Bezugspunkt für die unterschiedlichen Höhenniveaus ist dagegen in Patentanspruch 1 nicht erwähnt.

Im Hinblick auf den Streit der Parteien um eine unzulässige Erweiterung bedarf ferner der Klärung, was unter der axialen Halterung der Platten in den Sitzen zu verstehen ist. Der Begriff "axial" wird in den Merkmalen 3 und 4 der obigen Merkmalsgliederung verwendet. In Merkmal 4 umschreibt der Begriff gerade nicht den axialen, sondern den radialen Versatz der beiden Plattenachsen; die Achsen der Platten sollen gegeneinander versetzt sein, so dass sich die Platten teilweise überlappen, d.h. die Achsen sollen radial gegeneinander versetzt sein. Der Begriff umschreibt damit das Konstruktionsprinzip des Überlappens. Dies zeigt, dass der Begriff "axial" in der Streitpatentschrift nicht nur in seinem engen Sinn für eine Anordnung oder Bewegung in Achsrichtung verwendet wird, sondern die funktionale Bedeutung des jeweiligen Merkmals angibt. In Merkmal 3 wird mit dem Begriff "axial" danach nicht nur eine Sicherung der Platte gegen ein Abziehen in Achsrichtung verstanden, vielmehr umschreibt dieses Merkmal die Funktion, dass die Platten in der Achse mittig in ihren Sitzen zurückgehalten werden ("axially retained in said seats"). Dafür, dass damit nicht jede Art von Halterung in - in engerem Sinne - axialer Richtung umfasst ist, spricht auch, dass alle Zeichnungen eine mittige Rosettenhalterung zeigen und auch die Beschreibung der Ausführungsbeispiele nur diese erwähnt, indem dort mehrfach davon die Rede ist, dass die Platten in an sich bekannter Weise durch eine herkömmliche mittige Kupplung gehalten sind (Sp. 3 Z. 42 und 53). Über dieses bekannte mittige Rosettenkupplungselement sagt die Beschreibung, dass es im Sinne des Streitpatents axial wirke ("that acts axially", Sp. 2 Z. 40-43). Damit umschreibt die Streitpatentschrift die Wirkung und die funktionale Bedeutung dieses Merkmals im vorstehend beschriebenen Sinne, sie besagt nicht, dass nur eine Sicherung gegen Bewegungen in Achsrichtung erreicht werden soll.

II. Das Streitpatent ist - was das Patentgericht hat dahinstehen lassen - nicht wegen unzulässiger Erweiterung seines Gegenstands für nichtig zu erklären. Die Ausführungen in Spalte 2 Zeilen 40 bis 43 finden sich identisch in der Anmeldung (s. Sp. 2 Z. 42-46 der Veröffentlichung der Patentanmeldung).

III. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu.

1. Die in der Streitpatentschrift erwähnte PCT-Anmeldung 92/15505 (D 3) beschreibt Behälter u.a. für CD. Es sind Ausführungsformen für eine (Figur 1) und für zwei CD (Figur 2) beschrieben. Bei der letzteren werden die beiden Aufnahmebereiche (retention parts 3, 24) aus dem Grundkörper herausgeklappt. Es fehlt jedenfalls an einer überlappenden Anordnung nach Merkmal 4 b.

2. Das US-Patent 5 322 162 (D 7) beschreibt einen Behälter zur Aufbewahrung einer Mehrzahl von Platten, insbesondere CD. Eine Mehrzahl von Trägern wird koaxial schwenkbar in einem Gehäuse aufgenommen (vgl. Figur 2), wobei in einer Ebene zwei Träger für jeweils eine CD nebeneinander angeordnet werden können (Figur 14). Auch hier ist jedenfalls keine überlappende Anordnung offenbart.

3. Das deutsche Gebrauchsmuster 86 25 285 (D 5) beschreibt ein Sammelalbum, insbesondere für CD, das aus mindestens zwei auf- und zusammenklappbaren, mit Hilfe eines rückenartigen Zwischenteils verbundenen Trageteilen mit je mehreren Steckfächern für die Platten besteht, die jedenfalls nicht axial gehalten werden (Merkmal 3).

4. Das vom Patentgericht zur Begründung des Naheliegens herangezogene Gebrauchsmuster 87 02 353 (D 6) betrifft eine Aufbewahrungshülle insbesondere für CD und Tonbandkassetten. Es wird bemängelt, dass die für CD üblichen Kunststoffbehältnisse leicht zerspringen könnten und durch Abnutzung ihre Transparenz verlören; auch die Scharniere könnten leicht beschädigt werden. Aufbewahrungsbehälter für mehr als eine Platte seien besonders aufwendig herzustellen und erforderten zwei Sätze von Scharnieren. Umfangreichere Textbücher seien nur schwer unterzubringen, und es sei schwierig, sie herauszunehmen und wiedereinzusetzen. Für eine Lagerung in üblichen Systemen hätten die Behälter die falsche Größe. Es wird daher eine Aufbewahrungshülle für Platten vorgeschlagen, die buchförmig mit zwei über einen Buchrücken oder ein Gelenk miteinander verbundenen Teilen ausgebildet ist. Das in Figur 1 dargestellte Ausführungsbeispiel zeigt zwei nebeneinander liegende Vertiefungen (26) für die Aufnahme von zwei CD in der linken "Buchinnenseite", in deren Mitte jeweils eine Eingriffsvorrichtung (34) für die reibschlüssige Verbindung mit der Öffnung einer CD angebracht ist. Die Vertiefungen sind jeweils mit zwei Fingerhöhlungen (28) zur Entnahme der Platte versehen. Bei dieser Entgegenhaltung fehlt es sowohl an unterschiedlichen Höhenniveaus der Aufnahmebereiche (Merkmal 2 b cc) als auch an einer Überlappung (Merkmal 4 b).

5. Die nach der Behauptung der Klägerin seit 1992 von dem Unter- nehmen S. GmbH & Co. KG in B. vertriebene gleich- falls buchförmige Kunststoffhülle ("S. I") weist in einer der "Buchinnen- seiten" zwei rechteckige Vertiefungen auf, die jeweils zur Aufnahme von 3,5-Zoll-Disketten bestimmt und an der Unterseite der oberen Vertiefung und der Oberseite der unteren Vertiefung jeweils mit einer Grifföffnung zur Entnahme der Disketten versehen sind. Auf einer etwas höheren Ebene ist auf derselben "Buchseite" mittig eine gleichfalls rechteckige Vertiefung angebracht, die nach der Behauptung der Klägerin zur Aufnahme von 5-Zoll-Floppy-Discs bestimmt war. Hierbei können die Platten jedenfalls nicht sämtlich individuell erfasst werden (Merkmal 3 a), denn wenn eine oder mehrere Floppy Discs eingelegt sind, sind die Grifföffnungen zur Entnahme der Disketten überdeckt und damit nicht zugänglich.

6. Schließlich beschreibt das japanische Gebrauchsmuster Sho-63-7692 (D 19) nach der von der Klägerin vorgelegten englischsprachigen Übersetzung (D 19T) - abweichend von Merkmal 1 des Streitpatents - einen Behälter für "Floppy Discs", bei denen nach der Darstellung in den Figuren 9 und 10 die (weichen) Magnetaufzeichnungsträger wie bei den bekannten 3,5-Zoll-Disketten in einem im wesentlichen rechteckigen Gehäuse untergebracht sind. Sie sind in dem Gehäuse drehbar gelagert und mit dem Mittelkern (center core 16) verbunden, der seinerseits lose in einer Ausnehmung des Gehäuses aufgenommen ist. Wie die Beklagte zutreffend dargestellt hat, wird herausgearbeitet, dass durch die Reibung des Mittelkerns an der Kante der Ausnehmung Abrieb entstehen kann, der die Signalqualität beeinträchtigt. Ferner wird bemängelt, dass bei der üblichen Aufbewahrung der Disketten in Stapeln in einer Schachtel oder dergleichen Informationen nicht zugänglich sind, die auf dem Diskettengehäuse in Form einer Beschriftung angebracht sind. Dementsprechend wird es als zu lösendes Problem bezeichnet, ein Behältnis bereitzustellen, bei dem die auf den Disketten befindlichen Informationen besser ablesbar sind, bei dem die Handhabung der Disketten erleichtert ist und schließlich das Klappern des Magnetaufzeichnungsträgers innerhalb des Gehäuses verhindert wird. Dazu wird ein Behälter mit einem tablettartigen Körper vorgeschlagen, in den geneigte Sitze so eingearbeitet sind, dass die Disketten einander schuppenartig überlappend in die Sitze eingelegt werden können (vgl. Figuren 1 bis 8). Die angestrebte Lesbarkeit von Informationen auf den Disketten wird dadurch erreicht, dass diese auf den Sitzen eine Position einnehmen, in der die Beschriftung nicht von der benachbarten Diskette abgedeckt ist und damit lesbar bleibt. Zugleich können die Disketten einzeln entnommen werden. In Figur 6 ist eine Ausführungsform dargestellt, bei der auf das Tablett ein der Form der schuppenartig eingelegten Disketten angepasster Deckel aufgesetzt werden kann. Hierdurch soll das unerwünschte Klappern verhindert werden; außerdem könnten die Disketten bei einer Aufstellung des Tabletts in vertikaler Ausrichtung nicht durcheinander geraten (D 19T, S. 6 unten). Schließlich ist in den Figuren 7 und 8 eine Ausführungsform gezeigt, bei der die Ablageflächen Vorsprünge (6) aufweisen, die als Halteeinrichtung für die Mittelkerne dienen sollen, die auf den Vorsprüngen mit Spiel aufliegen sollen ("so that the center core is loosely fitted to the projection 6"). Auch dies soll das Klappern verhindern und außerdem dafür sorgen, dass die Disketten nicht herausfallen, wenn das Behältnis geneigt wird (S. 7, 1. vollst. Abs.).

IV. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem Hauptantrag war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt.

1. Das Patentgericht hat dazu ausgeführt, der Behälter nach Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Techniker oder Designer mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet von Produktverpackungen, durch die Entgegenhaltungen D 6 und D 19 nahegelegt gewesen. Aus der D 6 sei ein Behälter für Platten, z.B. für CD, bekannt, der einen tablettartigen Körper mit zwei Sitzen zum Aufnehmen von zwei Platten aufweise, die axial in den Sitzen gehalten und individuell erfasst und in axialer Richtung abgenommen werden könnten. Ausgehend von dem Wunsch, einen Behälter zu schaffen, bei dem die äußeren Abmessungen reduziert seien, gebe die Entgegenhaltung D 19 dem Fachmann die Anregung, den aus der D 6 bekannten Behälter hinsichtlich der Lage der Sitze abzuwandeln. Die D 19 zeige dem Fachmann, dass sich die gewünschte Reduzierung der äußeren Abmessungen des Behälters schon dann ergebe, wenn die Platten nicht nebeneinander, sondern unter axialem Abstand und teilweise überlappend angeordnet würden. Dabei erkenne der Fachmann, dass die Reduzierung der Abmessungen unabhängig davon eintrete, ob die Sitze bzw. Achsen der Platten wie bei der D 19 geneigt seien oder unter entsprechendem Höhenversatz senkrecht auf der Tablettebene stünden. Dabei habe der Fachmann absehen können, dass eine solche Gestaltung die geforderte individuelle Erfassbarkeit und Abnehmbarkeit der Platten in axialer Richtung nicht beeinträchtige.

2. Dies hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz im Ergebnis stand.

Für den Fachmann - gegen dessen Definition durch das Patentgericht sich die Parteien nicht wenden und gegen die keine Bedenken bestehen -, dem es darum ging, die äußeren Abmessungen des aus der D 6 bekannten Behälters zu verringern, gab es nur die Möglichkeit, die beiden CD nicht nebeneinander, sondern ganz oder teilweise übereinander anzuordnen. Er hatte daher Veranlassung, sich (auch) an Behältern zu orientieren, die eine überlappende Anordnung von Platten oder vergleichbaren Gegenständen vorsehen. Solche nach dem Ordnungsprinzip einer fächerförmigen Anordnung ausgestalteten Behälter waren für verschiedene Verwendungszwecke bekannt und werden von mehreren der entgegengehaltenen Druckschriften angegeben, darunter auch von der D 19. Dass diese die Aufbewahrung von Floppy Discs betrifft, stand ihrer Berücksichtigung nicht entgegen. Für den Fachmann war erkennbar, dass die D 19 der dort ausdrücklich genannten Zielsetzung entsprechend die Handhabbarkeit der einzelnen Platten verbessert und es zugleich durch die schuppenartige Überlappung der gelagerten Platten mit einfachen Mitteln ermöglicht, sich überlagernde Aufnahmebereiche zu schaffen, die es dennoch erlauben, die Platten unabhängig voneinander zu entnehmen. Allerdings war dem Fachmann geläufig, dass CD gegen Beschädigungen empfindlich sind und deshalb davor geschützt werden müssen, einander zu berühren. Zur Vermeidung solcher Berührungen war ihm jedoch bekannt, die CD mit einer Rosettenhalterung in einer Position zu sichern, in der sie auch bei überlappender Anordnung voneinander beabstandet bleiben. Die Figuren 7 und 8 der D 19 zeigen zu ähnlichen Zwecken, nämlich als Halteeinrichtung Vorsprünge (6) auf den Ablageflächen, die zugleich das unerwünschte Klappern, verursacht durch die gegenseitige Berührung von Magnetaufzeichnungsträger und Gehäuse, verhindern. Bei einer - anders als in der D 6 beschriebenen - überlappenden Lagerung von zwei CD bot es sich daher an, die aus der D 19 bekannten Vorsprünge in die für CD geläufige und in der Streitpatentschrift auch allein als solche genannte Rosettenhalterung umzugestalten, um unerwünschte Berührungen der CD auszuschließen. Damit gelangte der Fachmann zum Gegenstand des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung.

V. In der Fassung des Hilfsantrags ist Patentanspruch 1 hingegen patentfähig.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Gegenstand des Hauptantrags dadurch, dass ein weiteres Merkmal hinzutritt, dass nämlich die Sitzflächen parallel zur Tablettebene, mithin waagerecht auf unterschiedlichen Niveaus, bezogen auf den unteren Deckel, angeordnet sind. Zwar mag es sich, wie das Patentgericht dies gesehen hat, für den Fachmann ohne weiteres erschlossen haben, dass geneigte Sitzflächen und in der Höhe zueinander versetzte, zur Tablettebene parallele Sitzflächen identische Zwecke erfüllen. Er hatte jedoch keine Veranlassung, dieses zusätzliche Merkmal vorzusehen. Alle aus den Entgegenhaltungen bekannten Lösungen sehen ein schräges geneigtes Überlappen der Platten vor. Für die Kombination des teilweisen Überlappens mit einer waagerechten Relativlage der ersten und zweiten Oberfläche, bezogen auf den unteren Deckel, fand der Fachmann dort kein Vorbild und keine Anregung. Dieser Schritt mag zwar einfach umzusetzen gewesen sein, und es mag erkennbar gewesen sein, dass dieselben Zwecke erreicht würden. Der Fachmann fand im Stand der Technik jedoch keine Hinweise, die ihn zu dieser Ausgestaltung hätten führen können.

VI. Patentansprüche 2, 3, 4, 9 und 10, die sich an den Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags anschließen sollen und die weitere Ausgestaltung des Gegenstands des Streitpatents zum Gegenstand haben, haben mit diesem Bestand.

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 ZPO.

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Gröning Bacher Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.02.2008 - 2 Ni 1/06 (EU) -






BGH:
Urteil v. 29.07.2010
Az: Xa ZR 85/08


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