Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juli 2001
Aktenzeichen: 34 W (pat) 40/00

(BPatG: Beschluss v. 19.07.2001, Az.: 34 W (pat) 40/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am 3. Juli 1995 angemeldete Patent 195 24 142 nach Prüfung eines Einspruchs durch Beschluß vom 23. März 2000 in vollem Umfang aufrechterhalten. Das Patent betrifft einen Brenntisch für eine Brennofenanlage.

Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 3 in der erteilten Fassung zugrunde. Der Anspruch 1 lautet:

"Für eine Brennofenanlage vorgesehener Brenntisch, der entlang einer mindestens eine Führungsrinne (42) aufweisenden Führungsbahn (8) zwischen einem Brennofen (4) und einer Be- und Entladestation (6) für Keramik- oder Porzellangegenstände verfahrbar ist, und der von einer Auflage (12) wegstehende Führungsorgane (14) aufweist, wobei jedes Führungsorgan (14) an seinem von der Auflage (12) entfernten Ende (16) eine Kugel (18) aufweist, die an diesem Ende (16) gelagert ist und in die Führungsrinne (42) hineinragt, dadurch gekennzeichnet, daß jedes Führungsorgan (14) ein hutförmiges Lagerteil (20) aufweist, in welchem die zugehörige Kugel (18) unverlierbar angeordnet und an Lagerkugeln (24) gelagert ist, wobei das jeweilige hutförmige Lagerteil (20) in einer von der Auflage (12) wegstehenden Hülse (30) angeordnet ist."

Zum Wortlaut der hierauf rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Der Beschluß ist im Wesentlichen damit begründet, daß der Einspruch zwar zulässig sei, jedoch nicht zum Erfolg geführt habe, da zum einen die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sei, daß ein Fachmann sie ausführen könne, und da zum anderen der Gegenstand des Patents gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig sei.

2. Gegen diesen Beschluß der Patentabteilung richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Zur Begründung hält sie daran fest, daß es dem Patent an einer deutlichen und vollständigen Offenbarung mangele, und bietet hierzu Beweis durch Sachverständigengutachten an.

Weiterhin sei der Gegenstand des Patents bereits vor seinem Anmeldetag durch offenkundige Vorbenutzung der Öffentlichkeit bekannt geworden. Überdies beruhe das Patent auch gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Hierzu greift sie die im Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung entgegengehaltenen Druckschriften

[D1] WO 93 / 23 714 A1

[D2] DE-Prospekt "Kugelrollen" der Interroll- Fördertechnik GmbH & Co. KG, Höferhof, Wermelskirchen 2 (Dabringhausen), Druckvermerk ITRL 1/80 auf und verweist im Wesentlichen noch auf

[D3.1] Firmenwerbung "Rehberg-Kugelrollen,"

Anschreiben an die Rechtsvorgängerin der Einsprechenden vom 29. November 1988

[D3.2A] Firmenprospekt "Rehberg-Kugelrollen", von Rehberg International GmbH, Offenbach, S 1, 2 und 3 und 16 (mit Druckvermerk Okt. 87).

Die Einsprechende beantragtden angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragtdie Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent mit den am 6. Juni 2001 eingegangenen Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß erstem, zweitem und drittem Hilfsantrag sowie jeweils noch anzupassender Beschreibung und den Figuren 1 bis 5 der Patentschrift - wobei nach Hilfsantrag 1 und 2 die Figur 3 durch die am 6. Juni 2001 eingegangene Figur 3 zu ersetzen ist - beschränkt aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.

Nach der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 11. Juli 2001 noch die Hilfsanträge 4 und 5 gestellt. Laut Schriftsatz vom 12. Juli 2001 soll der Hilfsantrag 3 dem ersten und zweiten vorangestellt werden.

Die Patentinhaberin tritt der Argumentation der Einsprechenden in allen Punkten entgegen. Sie begründet ihren Antrag damit, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl nach Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen ausreichend deutlich offenbart und auch patentfähig sei.

Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen R... und B... Beweis erhoben über die Behauptung der Einsprechenden, der Gegenstand des Patents sei durch Benutzung eines Brenntisches in einer bei der Firma R1... GmbH aufgestellten Brennofenanlage der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag zugänglich geworden. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, niedergelegt in der Sitzungsniederschrift vom 10. Juli 2001 wird Bezug genommen.

Nach der Beweisaufnahme hat die Einsprechende einen weiteren Beweisantrag gestellt (Vernehmung von Patentanwalt B1...).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt nicht zum Erfolg.

Der Einspruch ist zulässig gewesen. Die Patentinhaberin hat die Zulässigkeit des Einspruchs nicht weiter in Zweifel gezogen. Der Senat schließt sich diesbezüglich der im angefochtenen Beschluß dargelegten Argumentation an.

1. Das Patent betrifft einen Brenntisch für eine Brennofenanlage, der entlang einer Führungsbahn zwischen einem Brennofen und einer Be- und Entladestation für Keramik- oder Porzellangegenstände verfahrbar ist. Nachteilig bei bekannten Brennofenanlagen sei die begrenzte Beweglichkeit der Brenntische (Patentschrift Sp 1, Z 8/9), die entlang einer Führungsbahn zwischen einem Brennofen und einer Be- und Entladestation verfahrbar sein müssen.

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, einen vorgenannten Brenntisch zu schaffen, der eine ausgezeichnete Beweglichkeit besitzt und der bei einer Brennofenanlage verwendbar ist, die bei einem kleinen Grundflächenbedarf bezüglich ihrer Einsatzmöglichkeiten sehr variabel ist (PS Sp 1 Z 32-37).

Als Lösung schlägt das Patent gemäß Anspruch 1 (Hauptantrag) in gegliederter Form einen Brenntisch mit folgenden Merkmalen vor:

Für eine Brennofenanlage (2) vorgesehener Brenntisch (10), 1. der entlang einer mindestens eine Führungsrinne (42) aufweisenden Führungsbahn (8) zwischen einem Brennofen (4) und einer Be- und Entladestation (6) für Keramik- oder Porzellangegenstände verfahrbar ist, 2. und der von einer Auflage (12) wegstehende Führungsorgane (14) aufweist, 3. wobei jedes Führungsorgan (14) an seinem von der Auflage (12) entfernten Ende (16) eine Kugel (18) aufweist, die 3.1 an diesem Ende (16) gelagert ist und 3.2 in die Führungsrinne (42) hineinragt, dadurch gekennzeichnet, 4. daß jedes Führungsorgan (14) ein hutförmiges Lagerteil (20) aufweist, 5. in welchem die zugehörige Kugel (18)

5.1 unverlierbar angeordnet und 5.2 an Lagerkugeln (24) gelagert ist, 6. wobei das jeweilige hutförmige Lagerteil (20) in einer von der Auflage (12) wegstehenden Hülse (30) angeordnet ist.

2. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs 1 Nr. 2 PatG).

Der sich mit der Lehre des Patentgegenstandes befassende Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung im Bau und Betrieb von Durchlauföfen, insbesondere von Brennöfen für die Keramikindustrie.

Dieser wird zunächst den Begriff "Brenntisch" näher zu bestimmen haben. Bekanntlich werden in der keramischen Industrie üblicherweise Brennwägen oder Brennschlitten benutzt, die mit dem Brenngut durch den tunnelartigen Brennofen gefördert werden (vgl. Brunklaus J.H. und Stepanek F.J.: "Industrieöfen, 6. Auflage, Vulkan-Verlag Essen, 1994, S 565 bis 573). Da es sich bei einem Tisch im allgemeinen Sprachgebrauch um eine von einem Untergestell getragene Platte handelt (vgl. Brockhaus Enzyklopädie), besteht auch der patentgemäße "Brenntisch 10" aus einer plattenförmigen Auflage 12, die ganz allgemein von einem Untergestell getragen wird. Der Fachmann wird ein Untergestell verschiedenartig auszubilden wissen, beispielsweise durch Tischbeine, wangenartige Profile, Streben usw. Im patentgemäßen Fall bilden die beispielsweise tischbeinartig angeordneten Führungsorgane 14 das Untergestell des Brenntisches (vgl. insb. PS Sp 3, Z 4 bis 10 und 25 bis 28).

Weiterhin entnimmt der Fachmann insbesondere der auf eine nicht abschließende Aufzählung abzielenden Formulierung des Anspruchs 1, wonach jedes Führungsorgan 14 ein hutförmiges Lagerteil (20) aufweist (Merkmal 4), daß das Führungsorgan auch noch aus weiteren Teilen, wie z.B. einer Hülse 30 etc., bestehen kann.

Unter "hutförmig" erkennt der Fachmann in Figur 3 ein dort gezeigtes Lagerteil, das funktionsmäßig rotationssymmetrisch aufgebaut sein muß, und das einen krempenartigen Rand aufweist. An diesem Rand stützt sich offensichtlich die Hülse 30 ab, in der das zugehörige Lagerteil festgelegt ist (vgl. Fig. 3 iVm Sp 3, Z 28 bis 30).

Entsprechend den Merkmalen 5 bis 5.2 ist in dem Lagerteil eine an Lagerkugeln 24 gelagerte Kugel 18 unverlierbar angeordnet. Dies setzt nicht zwingend voraus, daß das Lagerteil selbst die Kugel 18 halten muß. Der Fachmann wird die Kugel auch durch weitere - beispielsweise mit dem Lagerteil verbundene - Halteteile unverlierbar anordnen können, wie dies zB in dem Firmenprospekt [D3.2A] auf S 3 dargestellt ist. Auch ist, wie die Patentinhaberin sachgerecht erläuterte, ein mehrteiliger Aufbau des Lagerteils durch den Anspruch 1 nicht ausgeschlossen, wonach der krempennahe Kopfteil des hutförmigen Lagerteils so in seinem Durchmesser reduziert ist, daß eine Kugel 18 nur von der noch offenen Bodenseite her einzusetzen ist, und nach Einbringen der Lagerkugeln 24 das Lagerteil mit einem Boden verschlossen wird. Diese Überlegungen sind dem fachkundigen Betrachter der Skizze nach Figur 3 der Patentschrift offenkundig und ohne weiteres zuzumuten.

Damit sind dem Fachmann bei der fachgerechten Lektüre der Patentschrift Möglichkeiten offenbart, die einer Ausführbarkeit nicht widersprechen.

Insoweit gehen die Betrachtungen der Einsprechenden, wonach für die Unverlierbarkeit der Kugel das Lagerteil nach deren Einsetzen über ihrer Äquatorialebene kaltverformt werden müsse - und daraufhin weder die funktionsgerechte Anordnung des Lagerteils in der Hülse noch die möglichst reibungsfreie Bewegung der Kugel im Lagerteil gewährleistet sei - fehl. Da der Senat die für diesen Einzelfall geschilderten Folgen aus eigener Sachkunde durchaus als gegeben annehmen kann, wurde dem Beweisangebot durch Sachverständigengutachten nicht nachgegangen.

2. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewonnen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 vor dem Anmeldetag des Patents durch Benutzung eines Brenntisches in einer bei der Firma R1... GmbH aufgestellten Brennofenanlage oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich geworden ist.

Die Aussagen der beiden Zeugen R... und B... konnte der Senat verwerten, obwohl diese in einer Pause der mündlichen Verhandlung noch vor Eintritt in die Beweisaufnahme mit Vertretern der Patentinhaberin Gespräche geführt haben und Patentanwalt B1... mit dem Zeugen R... im Februar 2001 Kontakt aufge- nommen hat. Allerdings berücksichtigt der Senat diese Umstände, wenn er würdigt, ob die Zeugen glaubwürdig sind. Dies schließt aber die Verwertung der Zeugenaussagen nicht von vorneherein aus.

Dem Angebot der Einsprechenden, Patentanwalt B1... als Zeugen darüber zu vernehmen, daß zwischen ihm und dem Zeugen R... am 16. Februar 2001 ein Gespräch des Inhalts stattgefunden hat, wie es im Schreiben von Patentanwalt B1... an die Einsprechende vom 20. Februar 2001 niedergelegt ist, braucht der Senat nicht nachgehen. Insoweit kann der Senat als wahr unterstellen, daß der Zeuge R... bei diesem Gespräch Patentanwalt B1... berichtete, daß er nicht der erste Besucher war, der den kurz zuvor in Betrieb gegangenen Ofen besichtigen konnte. Herr R... erwähnte Vertreter der Firma H..., die ebenfalls auf Einladung von Herrn G... den Ofen bereits vor Herrn R... in Augen- schein nehmen konnten.

a) Der Zeuge R..., ein Redakteur beim G1...-Verlag in B..., hat bekun- det, er habe zusammen mit Herrn G... die Firma Porzellanambiente R1... GmbH aufgesucht und die dort von der Firma G2... installierte Brennofenanlage besichtigt. Zur Geheimhaltung sei er nicht verpflichtet worden. Auf Vorhalt einer Reisevoranmeldung und einer Reisekostenabrechnung konnte der Zeuge, der zunächst von einem Besuchszeitpunkt Ende Juni 1995 gesprochen hatte, den Besuch auf den 7. Juni 1995 datieren. Nachdem der Zeuge zunächst davon ausgegangen war, daß dieser Besuch im Rahmen einer mehrtägigen Reise in die neuen Bundesländer stattgefunden hätte, bekundete er nach Vorhalt der Reisekostenabrechnung und des dort ausgewiesenen geringen Erstattungsbetrages von 35,-- DM, daß alles für eine eintägige Reise spreche. Der Zeuge bekundete weiter, er habe bei der Besichtigung sehen können, daß die Brenntische auf Kugeln gelagert waren. Über die Produktionsanlage und die Brennofenanlage habe er dann den Artikel "Rationalisierte Manufaktur mit modernstem Dekorofen" geschrieben. Herr G... habe ihm gesagt, dieser Artikel solle in das Augustheft der Zeitschrift cfi. Grund dafür sei wohl gewesen, daß Herr G... bei der Anzeigenabteilung des Verlages ein Titelblatt für das Augustheft geordert hatte, das ein Photo seines Betriebes zeigt. Er habe dann nach Abfassung seines Aufsatzes ein Exemplar an die Firma G2... zur Überprüfung gesandt. Dieses Exemplar sei korrigiert an ihn zurückgegangen. Eine Änderung sei gewesen, daß das Transportsystem "zum Patent eingereicht" sei. Beim Besuch habe man ihm noch gesagt, daß man anmelden wolle.

Der Zeuge hat sodann versucht, sich den Zeitpunkt, wann das Korrekturexemplar an ihn zurückgegangen ist, zu rekonstruieren. Da er zunächst von einem Besuch Ende Juni 1995 ausging, kam er mit Abfassen des Artikels und Korrektur, ferner unter Berücksichtigung des Redaktionsschlusses des Augustheftes, der etwa am 25. Juli 1995 war, auf einen Zeitpunkt zwischen dem 10. und 15. Juli, wobei er diesen Zeitraum eher noch nach hinten verlegte. Ausgehend vom richtigen Datum der Reise nach R... am 7. Juni 1995 meinte der Zeuge zunächst, es wäre eventuell noch möglich gewesen, den Artikel in der Juli-Ausgabe zu bringen. Da dies nicht geschehen sei, schließe er, daß das Korrekturexemplar ihm bis zum Redaktionsschluß (letztes Drittel des Monats Juni) noch nicht vorgelegen habe. Schließlich korrigierte sich der Zeuge nach Vorlesung seiner Aussage dahin, daß er keine zeitlichen Rekonstruktionen zum Eingang des Korrekturexemplars machen könne, weil Herr G... ihm ja gesagt habe, der Artikel solle in das Augustheft.

Es sei für ihn selbstverständlich, daß er Informationen so lange vertraulich behandle, bis er das korrigierte Exemplar mit der Freigabe erhalte. In der Zeit nach Eingang des Korrekturexemplars bis zur Veröffentlichung wahre er im wesentlichen Diskretion über das, was er gesehen habe, allenfalls könne es vorkommen, daß er Hinweise über Neuigkeiten gebe, wenn er gefragt werde. Im konkreten Fall des Brennofens bei der Firma R1... sei das wohl nicht der Fall gewesen.

Bei dem Besuch in R... habe ihm, wie er glaube, Herr G... gesagt, daß jemand von H... vorbeikommen wolle. In einem Gespräch mit Herrn Patentanwalt B1... auf der Messe "Ambiente" im Februar 2001 habe er die- sem wohl gesagt, Leute von H... seien bei der Firma R1... gewesen. Damit habe er ihm nur mitgeteilt, was man ihm damals beim Besuch in R... gesagt habe. Er meine nach wie vor, daß man ihm damals gesagt habe, Mitarbeiter von H... würden noch kommen. Das sei eine für ihn nebensächliche Bemerkung gewesen.

Bei der Würdigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen R... muß der Senat unter- stellen, daß er gegenüber Patentanwalt B1... im Februar 2001 Angaben zur Frage des Besuches von Leuten von H... gemacht hat, die von de- nen, die er in der Beweisaufnahme gemacht hat, abweichen. Auf diesen Teil der Aussage des Zeugen kann der Senat keine Feststellungen stützen.

Diese Abweichung macht die Aussage des Zeugen jedoch nicht insgesamt unglaubhaft. Denn es geht dabei um eine Bemerkung "vom Hörensagen", die für den Zeugen damals nebensächlich war. Auch die mehrfach geänderten Zeitangaben machen den Zeugen nicht insgesamt unglaubwürdig, weil er hier von vorneherein klargestellt und offengelegt hat, daß er sie mangels sonstiger Anhaltspunkte zumeist hat rekonstruieren müssen. Auf Vorhalt von Reiseunterlagen hat er dann solche Zeitangaben sofort korrigiert.

Auch der Kontakt zu Vertretern beider Parteien im Vorfeld der Sitzung macht die Aussage des Zeugen nicht insgesamt unglaubhaft.

Dabei ist wichtig, daß der Senat für seine Feststellungen nur den Teil der Aussage des Zeugen verwertet, der zum einen mit seiner allgemeinen Haltung und Berufsauffassung als Journalist, zum andern mit dem üblichen Ablauf der Veröffentlichung eines Artikels in der Zeitschrift zusammenhängt. Hier erscheinen dem Senat die Angaben des Zeugen durchaus verläßlich, zumal sie nicht von in der Fachzeitschriften-Branche allgemein Üblichem abweichen. Auch hatte der Zeuge hier einen verläßlichen zeitlichen Anhaltspunkt, nämlich das Datum des Redaktionsschlusses.

Nach allem steht zur Überzeugung des Senates folgendes fest: Der Zeuge R... hat jedenfalls bis zum Erhalt des korrigierten Exemplars seines Aufsatzes, also bis zur sogenannten "Freigabe", das, was er bei dem Besuch in R... gese- hen hat, vertraulich behandelt. Er hat das nicht auf eine entsprechende Aufforderung des Geschäftsführers der Patentinhaberin oder im Rahmen einer förmlichen Geheimhaltungsvereinbarung getan, sondern er wollte sich durch die etwa erforderlichen Korrekturen davor bewahren, falsche oder mißverstandene technische Informationen nach außen zu tragen. Zum Zeitpunkt, wann genau das korrigierte Exemplar an den Zeugen R... zurückging, hat die Beweisaufnahme nur ergeben, daß dies wohl vor dem Redaktionsschluß für das Augustheft geschehen ist, den der Zeuge etwa auf den 25. Juli 1995 datiert hat.

Soweit der Zeuge zunächst versucht hat, anhand des Besuchstermins, der Zeit, die er für die Abfassung des Artikels braucht, sowie der Zeit, die vergeht, bis das Korrekturexemplar zurückkommt, das Datum der "Freigabe" zu rekonstruieren, so hat der Zeuge am Ende seiner Vernehmung selbst eingesehen, daß solche Versuche nicht plausibel sind. Denn er hatte vom Geschäftsführer der Einsprechenden die klare Vorgabe, daß der Aufsatz in das Augustheft sollte. Somit bleibt als Anhaltspunkt für das Datum der Freigabe nur der Redaktionsschluß dieses Heftes. Es ist nicht auszuschließen, ja sogar wahrscheinlich, daß das Korrekturexemplar, wie die Patentinhaberin vorträgt, erst kurz vor dem Redaktionsschluß des Augustheftes an den Zeugen R... zurückging. Der Geschäftsführer der Patentinhaberin, der die Korrekturen gemacht hat, hat in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, daß er solche Terminsachen immer erst "auf den letzten Drücker" erledigt.

Nach alledem ist davon auszugehen, daß der Zeuge R... bis zu einem Zeitpunkt, der nach dem Anmeldetag liegt, die Vertraulichkeit der erlangten Informationen gewahrt hat.

b) Der Zeuge B... ist Geschäftsführer der Firma R1... GmbH. Er hat bekundet, daß in dieser Firma im Mai/Juni 1995 von der Firma G2... eine Brennofenanlage installiert worden sei. Dabei habe es sich um eine Referenzanlage gehandelt. Er sei von Herrn G... gebeten worden, diese Anlage Besuchern nicht zu zeigen, bis er "grünes Licht" bekomme. Alle Besucher, die die Brennofenanlage gesehen hätten, seien mit der Firma G2... gekommen. Er sei sich nicht mehr sicher, ob er bei dem Besuch von Herrn R... dabei gewesen sei. Erinnern könne er sich an Besucher der Firma H..., die im Ofen Brennversuche auf eigenes Risiko durchgeführt hätten. Es seien vier oder fünf Leute gewesen, die Waren mitgebracht und Gespräche geführt hätten, nicht erinnerlich sei ihm, daß Vorstandsmitglieder der Firma H... separat in die Firma gekommen wären. Zum Zeitpunkt dieses Besuches könne er keine genauen Angaben machen. Der Brennofen sei inoffiziell bereits Mitte Juli mit der Durchführung von Probebränden in Betrieb genommen, offiziell sei er dann am 8. August 1995 in Betrieb genommen worden.

Der Zeuge B... hat zwar bestätigt, daß verschiedenen Besuchern die Brenn- ofenanlage gezeigt worden ist. Er konnte aber zum genauen Zeitpunkt dieser Besuche keine Angaben machen. Da diese Besucher aber alle von der Firma G2... gebracht worden sind und die Patentinhaberin unwiderlegt vorträgt, daß diese Besucher von der Firma G2... zur Geheimhaltung verpflichtet worden sind, konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, daß durch die Besichtigung der Brennofenanlage in R... durch Dritte, die nicht zur Geheimhaltung ver- pflichtet waren, Kenntnisse darüber in die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Eine weitere Sachaufklärung hierzu war dem Senat aufgrund der gegebenen Beweisantragslage nicht möglich.

3. Gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik ist der Gegenstand des Anspruchs 1 unstreitig neu, denn seine Merkmalsgesamtheit ist in keiner der Entgegenhaltungen offenbart.

So weist der der Gattung nächstkommende Brenntisch nach Druckschrift [D1] insbesondere nicht die kennzeichnenden Merkmale (Merkmale 4 bis 6) auf, und in den Prospekten [D2] und [D3.2A] sind keine Brenntische mit den gattungsbildenden Merkmalen (Merkmale 1 bis 3.2) angeführt.

4. Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Brenntisch nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Patent geht in der Beschreibungseinleitung Sp 1, Z 10 bis 15 von einem Stand der Technik aus, wie er durch [D1] bekannt ist. Diese Druckschrift betrifft einen Industrieofen mit Rollelementen und Laufflächen für den Transport von Brenngütern, wobei die Rollelemente aus einer Hochtemperaturkeramik oder aus einem anderen hochtemperaturbeständigen Material bestehen.

Auf S 9, Z 4/5 von [D1] werden im Zusammenhang mit der in Figur 4 gezeigten Ausführung Schubbalken 15 beschrieben, die Bestandteil eines (darüber befestigten) Brenngutträgers sein können. Es handelt sich folglich dabei um einen Brenntisch im oben dargelegten streitpatentgemäßen Sinne, der offenbar für eine Brennofenanlage vorgesehen ist. Dieser Brenntisch ist entlang einer mindestens eine Führungsrinne aufweisende Führungsbahn verfahrbar (vgl. dort Spurschiene 12). Daß dieser Brenntisch zwischen dem Brennofen und einer Be- und Entladestation verfahrbar ist, versteht sich für den Fachmann von selbst, der dieses Merkmal für den zweckgemäßen Einsatz eines derartigen Brenntisches in einer Brennofenanlage mitliest (streitpatentgemäßes Merkmal 1).

Die vorgenannten Schubbalken 15 stellen die von einer Auflage (Brenngutträger) (nach unten) wegstehenden Führungsorgane dar (Merkmal 2).

Auch sind bei dem in Figur 4 dargestellten Beispiel Kugeln (kugelige Rollelemente 11) vorgesehen, die in eine Führungsrinne (Spurschiene 12) hineinragen (Merkmal 3.2).

Von diesem bekannten Brenntisch unterscheidet sich der patentgemäße Brenntisch schon gattungsgemäß dadurch, daß jedes Führungsorgan an seinem von der Auflage entfernten Ende eine Kugel aufweist, die an diesem Ende gelagert ist (Merkmale 3 und 3.1), wohingegen bei dem bekannten Brenntisch eine Vielzahl von Kugeln vorgesehen sind, die nicht an dem Schubbalken 15 gelagert sind, sondern ungefaßt in der Spurschiene 12 aufgereiht sind und auf denen der Schubbalken lose aufliegt (was bei einem gedachten Hochheben des Brenntisches deutlich wird).

Weiterhin sind unstreitig die kennzeichnenden Merkmale des angefochtenen Anspruchs 1, also diejenigen Merkmale, die eine sogenannte "Kugelrolle" betreffen, aus dieser Druckschrift nicht bekannt.

Es mag dahinstehen, ob die in der Aufgabenstellung angesprochene Beweglichkeit des Brenntisches bereits einen Teil der Lösung enthält, jedenfalls war der Einsatz von bekannten Kugelrollen bei Brenntischen für Keramikofenanlagen nicht naheliegend. Zwar erkennt der Fachmann, daß der Einsatz von Kugeln einen weiteren Freiheitsgrad gegenüber Rollen bei der Bewegungsrichtung eines Brenntisches zuläßt, jedoch führt ihn die Offenbarung der alternativ einzusetzenden kugeligen Rollelemente nach [D1] nicht zur streitpatentgemäßen Lösung.

Sollte sich nämlich bei dem Brennofen nach [D1] herausstellen, daß das Herausfallen dieser kugeligen Rollelemente am Ofenende verbesserungswürdig ist, so bekommt der Fachmann eine Vielzahl von gleichwirkenden Alternativen in dieser Druckschrift gelehrt, wovon jedoch keine auf Kugelrollen hinweist, die im Führungsorgan selbst gelagert sind. Vielmehr handelt es sich stets um Lösungen mit zylindrischen Rollelementen, die insbesondere für eine gerade Bewegungsrichtung des Brenntisches ausgelegt sind.

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, daß der Einsatz von beispielsweise aus [D3.2A] bekannten Kugelrollen bei dem Brenntisch nach [D1] direkt zum Streitgegenstand führe, zumal diese der Rechtsvorgängerin der Einsprechenden, einer Industrieofenbau-Firma, angeboten wurden.

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.

Aus dem Firmenprospekt [D3.2A], dessen Vorveröffentlichung nun auch die Patentinhaberin nicht mehr in Zweifel gezogen hat, ist auf der Seite 3 unten mittig eine Kugelrolle, Ausführung SB, bekannt, die ein hutförmiges Lagerteil (Gehäuse) aufweist (Merkmal 4 teilweise), in dem - durch eine der Hutkrempe übergeformte Manschette - die zugehörige Kugel unverlierbar angeordnet (Merkmal 5.1) und an Lagerkugeln gelagert ist (Merkmal 5.2).

Nicht offenbart ist dort, daß diese Kugelrolle (mit ihrem hutförmigen Lagerteil) in einer von der Auflage eines Brenntisches wegstehenden Hülse angeordnet werden kann (Merkmal 6) und so ein Führungsorgan bildet (Merkmal 4 teilweise). Vielmehr wird dort lediglich die Montage in einer Montagebohrung gezeigt (zB S 5, 14 und 15). Zwar ist auf der Seite 3 ein kopfstehender Einbau erwähnt, dieser wird jedoch in den Einsatzbeispielen (Seite 4) nicht gezeigt.

Somit würde selbst eine hypothetische Zusammenschau der Druckschriften [D3.2A] mit [D1] noch nicht den Gegenstand des Anspruchs 1 ergeben. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob der Fachmann die noch verbleibenden Merkmale (Merkmale 3, 3.1, 4 teilweise und 6) aufgrund seines Fachwissens ergänzen würde, da eine derartige Zusammenschau nicht im Rahmen fachüblichen Handelns lag.

So stellt das Anschreiben [D3.1] vom 29. November 1988 an eine Ofenbaufirma mit dem Hinweis auf eine Verwendung von Kugelrollen in allen Industriezweigen noch keine hinreichende Offenbarung hinsichtlich der Verwendung bei einem Brenntisch dar, da eine derartige gedankliche Verbindung von einer Kugelrolle zu einem Brenntisch dann erst die Rechtsvorgängerin der Einsprechenden hätte vollziehen und das Ergebnis der Öffentlichkeit in geeigneter Form übermitteln müssen.

Die im Einspruchsverfahren genannte Druckschrift [D2], deren Kugelrollenausführung weiter ab liegt als die nach [D3.2A], zeigt zwar auf der S 101 auch einen kopfständigen Einbau von Kugelrollen, jedoch ist auch hier keinerlei Hinweis auf deren Verwendung an einem Brenntisch gegeben.

Vielmehr spricht die Tatsache, daß es sowohl Kugelrollen mehr als 33 Jahre vor dem Anmeldetag gab (vgl. [D3.2A], S 3, le. Abs iVm dem Druckvermerk Okt. 87) als auch daneben Brenntische von Brennofenanlagen ohne Kugelrollen mindestens ebenso lange bekannt waren, dafür, daß die Verwendung derartiger Kugelrollen für dieses Einsatzgebiet nicht auf der Hand lag.

Gerade durch die gedankliche Abkehr von der geraden Förderrichtung hin zu einer davon abweichenden Konzeption, den Brenntisch bei Einsatz von Kugelrollen durch eine beliebig vorgegebene Führungskurve möglichst reibungsfrei führen zu können, stellt den eigentlichen erfinderischen Gedanken der streitpatentgemäßen Lösung dar (vgl. PS Sp 1, Z 43 bis 59).

Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn der Inhalt der noch im Prüfungsverfahren weiterhin genannten Druckschriften DE 38 06 520 A1 DE 29 24 792 A1 FR 1 110 834 mit einbezogen wird, da dieser noch weiter ab liegt als die Lehre des vorher abgehandelten Standes der Technik. Diese Druckschriften wurden von der Einsprechenden auch nicht aufgegriffen.

Der Anspruch 1 hat somit Bestand.

5. Mit dem Hauptanspruch haben auch die hierauf rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 Bestand, die den Brenntisch gemäß Anspruch 1 mit vorteilhaften Merkmalen weiterbilden.

Da das Patent in der erteilten Fassung Bestand hat, ist über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden. Dies gilt auch für die nach der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich eingereichten Hilfsanträge. Aus diesem Grund war auch die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen.

Ch. Ulrich Hövelmann Ihsen Dr. W.Maierprö






BPatG:
Beschluss v. 19.07.2001
Az: 34 W (pat) 40/00


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