Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 133/01

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2002, Az.: 25 W (pat) 133/01)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. September 2000 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 30. Juni 1999 angemeldete Bezeichnung Bytes and Moresoll für

"Vorher auf physischen Gütern gespeicherte Programme für die Datenverarbeitung; Planung, Erstellung und Implementierung von Inter- und Intranetlösungen; Planung von datenverarbeitungsgestützten Verfahren, Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Überlassung von Datenverarbeitungsprogrammen; Pflege von Programmen für die Datenverarbeitung (Software-Pflege); Planung und Organisation von EDV-Anlagen, insbesondere von Netzwerken; Netzwerkmanagement (Laufende Leistungsüberwachung und Analyse des Netzwerkbetriebes, Schutz vor und Beendigung illegaler Netzwerkzugriffe, Datensicherung, Protokollierung von Datenmengen zwecks Abrechnung (Accounting), Beratung der Netzwerkbenutzer bezüglich Hard- und Softwarenutzung (Hotlinedienste), Softwarelizenzverwaltung; Bereitstellung von Datenverarbeitungsprogrammen, die über ein Netzwerk heruntergeladen werden können; Vermittlung von Verträgen über EDV-Dienstleistungen"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke mit Beschluss vom 22. September 2000 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Der angemeldeten Marke fehle die erforderliche Unterscheidungskraft. Für das Vorliegen der Unterscheidungskraft sei nicht ausschlaggebend, ob eine Wortkombination belegbar oder eine Verwendung nachweisbar sei, bzw ob es sich um eine Wortneuschöpfung handele. Die angemeldete englische Wortfolge werde spontan mit "Bytes und Mehr" übersetzt. Auf dem - auch hier relevanten - Gebiet der Elektronik und Datenverarbeitung sei der Markenbestandteil "Byte" ein Fachbegriff und bezeichne die Maßeinheit für Informationseinheiten, wobei ein "Byte" aus acht "Bits" (den kleinsten Speichereinheiten in der EDV) bestehe. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass in der Werbung und in den allgemeinen Medien unter Verwendung der Fachbegriffe "Byte" und "Bit" auf Waren und Dienstleistungen der Datenverarbeitung und Telekommunikation hingewiesen werde. Die Wortfolge "and More" vermöge die Unterscheidungskraft nicht zu begründen, zumal sie auch in der inländischen Werbesprache als Hinweis auf weiteres umfangreiches Warenangebot Verwendung finde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. September 2000 aufzuheben und die angemeldete Marke in das Markenregister einzutragen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf den Schriftsatz vom 23.09.1999 an das DPMA. Danach fehle der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Eine Internetrecherche habe - außer der Website der Firma "Bytes and More" keinen identischen Treffer ergeben. Die angemeldete Marke sei keine ohne weiteres verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe und weise - was für eine Schutzversagung erforderlich sei - keinen eindeutigen waren- oder dienstleistungsbezogenen Charakter auf. Ein Byte könne man nicht als Ware kaufen, verkaufen oder als Dienstleistung erbringen, was dem Verkehr bekannt sei. Es bestehe somit ein Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Bestandteilen der Marke. Es lasse sich aus der Bezeichnung nur andeutungsweise entnehmen, dass es um Waren oder Dienstleistungen der elektronischen Datenverarbeitung gehen könnte, soweit man "Bytes" mit EDV assoziiere.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2002 hat der Senat dem Anmelder Unterlagen zu einer Internet-Recherche übersandt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senats lässt sich mit der erforderlichen Sicherheit weder feststellen, dass der Eintragung der angemeldeten Marke das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegensteht noch dass es sich dabei um eine beschreibende freihaltungsbedürftige Angabe iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt.

Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, den betrieblichen Ursprung der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; BGH WRP 2002, 455 - OMEPRAZOK; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22 - Bravo). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22, 29 - Bravo). Nicht unterscheidungskräftig sind Ausdrücke, bei denen ein auf die Ware oder Dienstleistung bezogener Sinngehalt so stark im Vordergrund steht, dass der Gedanke fern liegt, es könnte sich um einen Herkunftshinweis handeln. Von diesen Maßstäben ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Werbeslogans auszugehen (vgl BGH MarkenR 2001, 306, 307 "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER").

Unter diesen Voraussetzungen kann aufgrund der ermittelten Tatsachenbasis der angemeldeten Marke als Gesamtbezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, zumal es zur Begründung von Unterscheidungskraft auch keines weiteren Phantasieüberschusses, sonstiger besonderer Auffälligkeiten oder Besonderheiten der Markenbildung bedarf (vgl auch zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c GMV: EuG MarkenR 2001, 181, 184 Tz 39 und Tz 40 - EASYBANK) und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (vgl BGH MarkenR 2001, 368, 369 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" mwN).

Zwar können die einzelnen Markenbestandteile, nämlich "Bytes" als Fachbegriff für Bezeichnung einer Maßeinheit für Informationseinheiten bzw Speichereinheiten in der EDV sowie die Wortfolge "and More" als werbeüblicher und häufig auf verschiedensten Waren- und Dienstleistungsgebieten verwendeter Ausdruck und Hinweis auf zusätzliche Eigenschaften bzw ein erweitertes Leistungs- und Angebotsspektrum jeweils beschreibenden Charakter haben und für sich genommen wohl auch nicht eintragungsfähig sein. Dieser Umstand spricht aber weder unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Unterscheidungskraft noch unter dem eines Freihaltungsbedürfnisses für sich zwingend gegen die Eintragungsfähigkeit der Gesamtbezeichnung.

Eine gegenwärtige beschreibende Verwendung der Gesamtbezeichnung "Bytes and More" für die konkret beanspruchten Dienstleistungen konnte von der Markenstelle nicht belegt werden. Eine vom Senat aktuell durchgeführte Recherche im Internet hat ergeben, dass die angemeldete Bezeichnung zwar als solche benutzt wird. Die Fundstellen lassen jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf eine unmittelbare Verwendung des Ausdrucks in Verbindung mit diesen Dienstleistungen als eine im Vordergrund stehenden Sachangabe oder als Hinweis auf deren Gegenstand oder Inhalt zu, sondern können auch als firmenmäßige Kennzeichnung verstanden werden.

Allerdings bedarf es zur Zurückweisung der Anmeldung des Nachweises einer bereits erfolgten beschreibenden Verwendung der angemeldeten Marke dann nicht, wenn deren Sinngehalt feststeht oder eine Wortverbindung eine verständliche beschreibende Gesamtaussage vermittelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 74 mwN). Dies ist hier ebenfalls nicht der Fall. Unter Berücksichtigung der auch nach der og Rechtsprechung des BGH für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG maßgeblichen Grundsätze kann nämlich eine im Vordergrund stehende Sachaussage der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen nicht hinreichend sicher belegt werden. Wenn auch der Fachausdruck "Bytes" allgemein im Zusammenhang mit den Bereichen der elektronischen Datenverarbeitung und Informationstechnologie, denen die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zuzurechnen sind, verwendet wird, stellt die Wortfolge "Bytes and More" als Gesamtbezeichnung für die relevanten Waren und Dienstleistungen jedoch eine ungewöhnliche Wortkombination dar, die dem angesprochenen Verkehr zwar eine gewisse, wenn auch eher vage Vorstellung über die Art, Eigenschaften bzw dem Gegenstand oder Inhalt der Waren und Dienstleistungen vermitteln mag, einen hinreichend konkreten beschreibenden Aussagehalt über deren Merkmale aber nicht ohne weiteres und nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit erkennen lässt. Jedenfalls ergäbe sich eine im Vordergrund stehende Sachaussage zumindest nicht ohne gedankliche Ergänzungen, Zwischenschritte oder eine gewisse analysierende Betrachtung, die aber bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit nicht zum Maßstab gemacht werden kann. Die Wortfolge "Bytes and More" vermittelt damit einen noch hinreichend phantasievollen Gesamteindruck, um über einen beschreibenden Anklang hinaus als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden.

Stellt die angemeldete Bezeichnung danach keine sprachübliche, konkrete und unmittelbar beschreibende Sachangabe dar, steht der Eintragung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht entgegen. Die angemeldete Wortfolge besteht nicht im Sinne dieser Vorschrift ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können (vgl WRP 2000, 1140, 1141 "Bücher für eine bessere Welt" mwN). Anhaltspunkte dafür, dass die beanspruchte Wortverbindung von Mitbewerbern zur Beschreibung der in Rede stehenden Dienstleistung gegenwärtig oder im Hinblick auf eine künftige beschreibende Verwendung benötigt bzw bereits tatsächlich verwendet wird, sind nicht ersichtlich.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 auf die Beschwerde des Anmelders aufzuheben.

Kliems Engels Brandt Ko






BPatG:
Beschluss v. 10.10.2002
Az: 25 W (pat) 133/01


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