Landgericht Bamberg:
Beschluss vom 19. Juli 2010
Aktenzeichen: 2 T 3/10 WEG

Tenor

1.

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichtes Würzburg vom 24.03.2010 (Az.: 30 C 1756/09 WEG) wie folgt abgeändert:

Die von den Klägern an die Beklagte nach dem Beschluss des Amtsgerichtes Würzburg vom 08.02.2010 zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt

489,45 Euro

(i. W.: vierhundertneunundachtzig 45/100 Euro)

nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2010 festgesetzt.

2.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde zu tragen.

3.

Der Beschwerdewert wird auf 232,83 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger haben ihre Klage vom 19.06.2009 zurückgenommen, und das Amtsgericht Würzburg hat danach mit Beschluss vom 08.02.2010 ausgesprochen, dass sie die Kosten des Rechtsstreites als Gesamtschuldner zu tragen haben.

Der Beklagtenvertreter hat sodann mit Schriftsatz vom 11.02.2010 beantragt, die Kosten unter Ansatz einer 1,3 Verfahrensgebühr auf 489,45 € festzusetzen. Der Rechtspfleger hat ihn mit Verfügung vom 15.03.2010 darauf hingewiesen, dass die hälftige Geschäftsgebühr anzurechnen sei, weil die Vorschrift des § 15 a I RVG auf sog. Altfälle nicht angewendet werden könne. Dementsprechend hat er dann mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.03.2010 lediglich Anwaltskosten in Höhe von 256,62 € festgesetzt (Bl. 82 d.A.).

Gegen diesen Beschluss hat der Beklagtenvertreter am 14.04.2010 €Beschwerde bzw. das zulässige Rechtsmittel€ eingelegt. Das Amtsgericht hat diesem Rechtsmittel mit Beschluss vom 20.04.2010 nicht abgeholfen, und es hat die Sache dem Landgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 104 III 1, 567 I Nr.1, II ZPO i.V.m. § 11 I RPflG) und auch ansonsten zulässig (§§ 569 I, II, 572 II ZPO).

Sie ist auch begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1.

6a) Die Frage der Anwendbarkeit des am 30.07.2009 eingefügten § 15 a RVG auf derartige Fälle ist in der Rechtsprechung umstritten. Mit seinen Beschlüssen vom 09.12.2009 (Az.: XII ZB 175/07 in NJW 2010, 1375/1377 m.w.N.) und vom 31.03.2010 (XII ZB 230/09) hat sich der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes aber der auch vom II. Zivilsenat (Beschl. v. 02.09.2009, II ZB 35/07 in NJW 2009, 3101) befürworteten Sichtweise angeschlossen. Hiernach habe der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 15 a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz n i c h t geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits zuvor bestehende Gesetzeslage k l a r g e s t e l l t. Die Anrechnungsvorschriften beträfen grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Gegenüber dem Gegner musste und müsse daher die Verfahrensgebühr deshalb auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn schon eine Geschäftsgebühr entstanden war. Sichergestellt werde durch § 15 a II RVG lediglich, dass ein Dritter nicht mehr zu erstatten hat, als der gegnerische Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann.

7Dieser Ansicht ist nunmehr auch der IX. Zivilsenat mit seinem Beschluss vom 11.03.2010 (Az.: IX ZB 82/08) gefolgt.

8b) Die Kammer schließt sich dieser Ansicht ebenfalls an. Denn durch die genannte Entscheidung des XII. Zivilsenates wurde überzeugend dargelegt, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung keine Änderung der Rechtslage vornehmen, sondern nur eine in der Rechtsprechung entstandene Auslegung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, die seiner Intention nicht entsprach, unterbinden und das schon bisher nach seinem Willen unter dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Anlehnung an die Praxis zu § 118 II BRAGO geltende Recht klarstellen wollte.

9Hieraus folgt, dass auch für Kostenfestsetzungsverfahren v o r Inkrafttreten der Vorschrift des § 15 a RVG (sog. €Altfälle€) gilt, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 IV RVG-VV grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betrifft und sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, regelmäßig n i c h t auswirkt.

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist somit ausnahmsweise nur dann möglich, wenn eine der drei in § 15 a II RVG abschließend aufgeführten Fallgestaltungen vorliegt, wenn also ein Dritter den Anspruch auf eine dieser Gebühren bereits erfüllt hat, gegen ihn wegen eines dieser Ansprüche bereits ein Vollstreckungstitel besteht oder gegen ihn beide Gebühren in demselben Verfahren geltend gemacht werden.

2.

11Dies hat im vorliegenden Fall zur Folge, dass das Amtsgericht mit seiner angefochtenen Entscheidung die geltend gemachte Verfahrensgebühr zu Unrecht gekürzt hat. Denn ein Ausnahmefall nach § 15 a II RVG liegt unstreitig nicht vor.

12Diese Entscheidung ist deshalb abzuändern, und die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten sind auf 489,45 € festzusetzen. Denn bei ungekürzter Berücksichtigung der von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensgebühr mit dem Betrag von 391,30 € errechnet sich der zu erstattende Betrag zuzüglich der Kommunikationspauschale von 20,00 € und der Mehrwertsteuer von 19% auf insgesamt 489,45 €.

3.

13Außerdem ist der Kostenfestsetzungsbeschluss auch in der Weise abzuändern, dass die Kläger für die Erstattung nicht als Gesamtschuldner einzustehen haben.

Zwar hat dies das Amtsgericht in seiner Kostengrundentscheidung mit Beschluss vom 08.02.2010 so ausgesprochen. Dies ist jedoch mit der geltenden Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. Denn die Vorschrift des § 100 IV ZPO gilt ausdrücklich nur für mehrere B e k l a g t e, die für die Kostenerstattung haften. Sie ist deshalb auf mehrere unterliegende K l ä g e r nicht anwendbar (vgl. Zöller ZPO 28.A. § 100, 13).

15Das Beschwerdegericht ist deshalb (anders als der Rechtspfleger, vgl. OLG Frankfurt/Main JurBüro 1982, 744) berechtigt und gehalten, diesem rechtlichen Mangel von Amts wegen abzuhelfen und im Kostenerstattungsverfahren eine rechtswidrige Inanspruchnahme der Kläger zu verhindern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

IV.

Der Beschwerdewert entspricht dem Interesse der Beklagten, das sie mit der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgt (§ 3 ZPO). Er beträgt daher 232,83 €. Denn dies ist der Betrag, den die Beklagte zusätzlich als erstattungsfähig anerkannt haben will.

V.

Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, weil die Voraussetzungen des § 574 II, III 1 ZPO nicht vorliegen. Denn die Kammer folgt bei der Entscheidung in dieser Sache der aktuellen, zu der neu eingefügten Vorschrift des § 15 a RVG ergangenen Rechtsprechung des II., IX. und XII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes.

Dass ein Senat des BGH hierzu jetzt eine andere Ansicht vertreten würde, ist derzeit nicht ersichtlich. Die von dem Rechtspfleger zitierten Entscheidungen des VIII. und III. Zivilsenates vom 22.01.2008 (NJW 2008, 1323) bzw. 30.04.2008 (NJW-RR 2008, 1095) sind nämlich über ein Jahr vor Inkrafttreten des § 15 a RVG ergangen.

Lediglich der X. Zivilsenat hat sich in seinem Beschluss vom 29.09.2009 gegen diese Ansicht gewendet. Allerdings war dies nicht entscheidungserheblich, weil in dem betreffenden Fall die Ausnahmeregelung des § 15 a II 3. Alt. RVG eingegriffen hat (vgl. NJW 2010, 76).






LG Bamberg:
Beschluss v. 19.07.2010
Az: 2 T 3/10 WEG


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