Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Oktober 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 6/04

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. November 2003 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 100 34 985 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von Aluminosilicatgläsern, Aluminosilicatgläser sowie deren Verwendungen"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 18 vom 21. Juni 2002 zugrunde, zu deren Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.

Der Widerruf ist im Wesentlichen damit begründet, das Verfahren nach Anspruch 2 vom 21. Juni 2002 sei gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 198 51 927 A1 nicht mehr neu.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 18 vom 8. Januar 2004 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 13 vom 8. Januar 2004 gemäß Hilfsantrag weiterverfolgt. Die Patentansprüche 9 und 12 gemäß Hauptantrag lauten:

"9. Alkalifreies Aluminosilicatglas mit einer Zusammensetzung

(in Gew.-% auf Oxidbasis)

SiO2 59 - 62 Al2O3 13,5 - 15,5 B2O3 3 - <5 MgO 2,5 - 5 CaO 8,2 - 10.5 BaO 8,5 - 9,5 ZrO2 0 - 1,5 TiO2 0 - 0,5 SnO2 0,05 - 1 12. Aluminosilicatglas nach wenigstens einem der Ansprüche 9 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass es zusätzlich enthält CeO2 0 - 0,6 MoO3 0 - 2 WO3 0 - 2 V2O5 0 - 0,2 MnO2 0 - 0,2 Fe2O3 0 - 0,5 mit CeO2 + MoO3 + WO3 + V2O5 + MnO2 + Fe2O3 0 - 3"

Die Ansprüche 7 und 8 gemäß Hilfsantrag haben mit Ausnahme der geänderten Rückbeziehung ("Anspruch 7" statt "wenigstens einem der Ansprüche 9 bis 11") den identischen Wortlaut.

Die Patentinhaberin trägt im Wesentlichen vor, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 18 nach Hauptantrag und 1 bis 13 nach Hilfsantrag sei neu und erfinderisch gegenüber der von der Patentabteilung herangezogenen Entgegenhaltung. Gegenüber der von der Einsprechenden erst mit der Entgegnung auf die Beschwerdebegründung eingeführten Entgegenhaltung D12 DE 199 39 789 A1 beantragt sie, das Vorbringen als verspätet nicht mehr im Verfahren zu berücksichtigen. Die Neuheit gegenüber dieser allein als Stand der Technik nach § 3 Abs. 2 PatG zu wertenden Druckschrift ergebe sich aus dem zwingenden Vorhandensein von MoO3 in den in D12 offenbarten Gläsern; ferner unterschieden sich sämtliche in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Gläser, auch die Vergleichsgläser, von denen des Streitpatents durch ihren SrO- und/oder BaO- und/oder B2O3- und/oder Al2O3-Gehalt.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent gemäß dem Anspruchssatz nach Hauptantrag aufrechtzuerhalten, hilfsweise gemäß dem Anspruchsatz nach Hilfsantrag.

Die Einsprechende beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält das gemäß Haupt- und Hilfsantrag beanspruchte Glas durch D12 für neuheitsschädlich vorweggenommen, im Übrigen durch den mit mehreren Veröffentlichungen belegten Stand der Technik für nahe gelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig. Sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen, weil Aluminosilicatglas nach Anspruch 12 gemäß Hauptantrag in seiner Rückbeziehung auf Anspruch 9 sowie nach Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag in seiner Rückbeziehung auf Anspruch 7 gegenüber dem gemäß § 3 Abs. 2 PatG zu berücksichtigenden Stand der Technik nach D12 nicht mehr neu ist.

Das - bezogen auf D12 - späte Vorbringen der Einsprechenden ist grundsätzlich auf seine sachliche Relevanz zu prüfen und kann nicht als verspätet übergangen werden (Schulte PatG 7. Aufl. Einl Rdn 173; vgl auch Busse PatG 6. Aufl. § 83 Rdn 34).

In der folgenden Tabelle ist die Glaszusammensetzung gemäß den Ansprüchen 9 und 12 nach Hauptantrag bzw. den Ansprüchen 7 und 8 nach Hilfsantrag der Glaszusammensetzung nach Anspruch 1 der D12 gegenübergestellt.

Oxidgeltende Ansprüche 9/12 gemäß Hauptantrag 7/8 gemäß Hilfsantrag DE 199 39 789 A1 Anspruch 1 SiO2 59 - 62 50 - 70 Al2O3 13,5 - 15,5 10 - 25 B2O3 3 - <5 0,5 - 15 MgO 2,5 - 5 0 - 10 CaO 8,2 - 10,5 0 - 12 SrO

-

0 - 12 BaO 8,5 - 9,5 0 - 15 MgO+CaO+SrO+BaO

-

8 - 26 ZnO

-

0 - 10 ZrO2 0 - 1,5 0 - 5 TiO2 0 - 0,5 0 - 5 SnO2 0,05 - 1 0 - 2 CeO2 0 - 0,6

-

MoO3 0 - 2 0,05 - 2 WO3 0 - 2

-

V2O5 0 - 0,2

-

MnO2 0 - 0,2

-

Fe2O3 0 - 0,5

-

CeO2+MoO3+WO3+V2O5+MnO2+Fe2O3 0 - 3

(0,05 - 2)

Entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin stellt der MoO3-Gehalt von 0,05 - 2 Gew.-% beim Glas nach der Entgegenhaltung ersichtlich kein unterscheidungskräftiges Merkmal dar, denn nach dem geltenden Anspruch 12 gemäß Hauptantrag bzw. dem geltenden Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag kann der MoO3-Gehalt auch beim beanspruchten Glas bei 0 bis 2 Gew.-% liegen.

Auch im SrO-Gehalt und/oder BaO-Gehalt der Gläser nach D12 kann entgegen der Auffassung der Patentinhaberin kein Unterschied zum beanspruchten Glas gesehen werden. Dies trifft zwar für die in der Tabelle der D12 konkret aufgeführten Beispiele A1 bis A8 und Vergleichsbeispiele V1 bis V5 zu. Ausführungsbeispiele erläutern aber den Erfindungsgegenstand nicht abschließend, sondern nur exemplarisch; der Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung ist nicht auf und durch die Beispiele beschränkt (BGH GRUR 2004, 1023 Ls 1. - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung, vgl. auch T 17/85 Abl EPA 1986, 406, Nr. 7.3 der Entscheidungsgründe; T 12/81 Abl EPA 1982, 296, Nr. 7 der Entscheidungsgründe).

Durch die im Anspruch 1 der D12 angegebenen Grenzwerte sind auch alle Zwischenwerte offenbart (BGH Mitt 2002, 16 - Filtereinheit; GRUR 1992, 842 - Chrom-Nickel-Legierung). Die Abwesenheit von SrO und ZnO in den beanspruchten Gläsern kann deren Neuheit nicht begründen, da in D12 jeweils auch ein Gehalt von O für diese Bestandteile offenbart ist. Auch die in D12 mit 8 bis 26 Gew.-% angegebene Menge der Erdalkalioxide stellt keinen Unterschied zum vorliegend beanspruchten Glas dar, denn dessen Summe aus Erdalkalioxiden kann nur zwischen 19,2 Gew.-% (Summe der unteren Grenzwerte von MgO + CaO + BaO) und 25 Gew.-% (Summe der oberen Grenzwerte von MgO + CaO + BaO) liegen.

Die Ansprüche 9 und 12 gemäß Hauptantrag sowie die Ansprüche 7 und 8 gemäß Hilfsantrag sind somit mangels Neuheit ihrer Gegenstände nicht rechtsbeständig. Die übrigen den beiden Anträgen zugrundeliegenden Patentansprüche müssen mit den genannten fallen, da über die Anträge der Patentinhaberin nicht in Teilen entschieden werden kann (Schulte PatG 7. Aufl. Einl Rdn 7).

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist von der Patentinhaberin nicht beantragt und vom Senat nicht für sachdienlich erachtet worden (BGH GRUR 2000, 597 - Kupfer-Nickel-Legierung).

Schröder Wagner Harrer Gerster WA






BPatG:
Beschluss v. 06.10.2005
Az: 14 W (pat) 6/04


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