Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. September 2010
Aktenzeichen: 14 W (pat) 33/06

(BPatG: Beschluss v. 10.09.2010, Az.: 14 W (pat) 33/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der Gerichtsentscheidung vom 10. September 2010 hat das Bundespatentgericht den angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Patent erteilt. Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung von Glasfaserformstäben. Die Prüfungsstelle für Klasse C03B des Deutschen Patent- und Markenamts hatte die Anmeldung zunächst zurückgewiesen, da sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen soll und der beanspruchte Gegenstand nicht neu sei. Dagegen legte die Anmelderin Beschwerde ein.

Die Anmelderin begründet ihre Beschwerde damit, dass die Vorrichtung und das Verfahren zur Herstellung von Glasfaserformstäben aus Glasrohlingen durch Pressformen nicht nahegelegt seien. Im Stand der Technik würden keine Glasfaserformstäbe hergestellt, deren innere Struktur und Topografie erhalten bleiben soll. Außerdem würden die Glasrohlinge nicht in der Pressform auf Presstemperatur aufgeheizt und darin abgekühlt. Die Anmelderin beantragt daher die Aufhebung des zurückweisenden Beschlusses und die Erteilung des Patents auf Basis der ursprünglichen Patentansprüche und der beschriebenen Zeichnungen.

Das Bundespatentgericht hebt den angefochtenen Beschluss auf und erteilt das Patent. Es stellt fest, dass die Vorrichtung und das Verfahren nach den Patentansprüchen 1 bis 19 keine Bedenken hinsichtlich der Offenbarung aufweisen. Die Ansprüche 1 bis 18 sind die ursprünglich eingereichten Ansprüche, Patentanspruch 19 lässt sich aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 19 herleiten.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorrichtung und das Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 11 neu sind. Die angeführten Druckschriften (1), (2) und (3) beschreiben zwar ähnliche Vorrichtungen und Verfahren, jedoch fehlt darin der Hinweis auf die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Pressform.

Das Gericht stellt weiterhin fest, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Die erfindungsgemäße Vorrichtung und das Verfahren ermöglichen die Herstellung von Glasfaserformstäben in verschiedenen Formen auf einfache und kostengünstige Weise.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 19 betreffen weitere Ausgestaltungen der Vorrichtung und des Verfahrens, die ebenfalls gewährbar sind.

Zusammenfassend ist das Patent für die Vorrichtung und das Verfahren zur Herstellung von Glasfaserformstäben aufgehoben und erteilt worden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.09.2010, Az: 14 W (pat) 33/06


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Vorrichtung und Verfahren zur Herstellung von Glasfaserformstäben Anmeldetag: 16. Juli 2004 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentansprüche 1 bis 18 vom 16. Juli 2004, Patentanspruch 19, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 2 bis 6 und 8 bis 12 vom 16. Juli 2004, Beschreibung Seiten 1 und 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 vom 16. Juli 2004.

Gründe

I Mit Beschluss vom 7. Juni 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse C03B des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung 10 2004 034 603.8 -45 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zur Herstellung von Glasfaserformstäben" zurückgewiesen. Die Zurückweisung ist unter Hinweis auf die Druckschrift

(1) DE 25 06 455 A1

(2) US 3 986 854 und

(3) DE 39 10 474 A1 im Wesentlichen damit begründet, die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 gemäß Hauptund Hilfsantrag beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und der Gegenstand nach Anspruch 19 beider Anträge sei nicht mehr neu.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Die Anmelderin verfolgt ihr Patentbegehren mit den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 18 und mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 19 weiter. Die Ansprüche 1, 11 und 19 haben folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung (1) zum Herstellen von Glasfaserformstäben (23) aus Glasrohlingen, mit einer Presse (2) zum Pressformen der Glasrohlinge, wobei die Presse (2) wenigstens eine Pressform (3) mit Oberund Unterform (4, 5) sowie Heizmittel (6) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberform (4) und die Unterform (5) vor dem Pressen der Glasrohlinge zunächst in eine Heizstellung verfahrbar sind und dass die Glasrohlinge in der Heizstellung in der Pressform (3) auf eine Presstemperatur aufheizbar sind und dass die gepressten Glasfaserformstäbe (23) nach dem Pressenin der Pressform (3) abkühlbar sind.

11. Verfahren zum Herstellen von Glasfaserformstäben (23) aus Glasrohlingen mit einer Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die stabförmigen Glasrohlinge zunächst in einen Formbereich der Pressform (2) eingelegt werden, dass anschließend Oberund/oder Unterform (4, 5) in die Heizstellung verfahren und einen Heizraum (15) bilden, dass die Glasrohlinge in dem Heizraum (15) mittelbar über die Oberund Unterform (4, 5) auf Presstemperatur aufgeheizt werden und dass die Glasrohlinge nach Erreichen der Presstemperatur in der Pressform (2) in eine vorbestimmte Form gepresst und anschließend in der Pressform (2) abgekühlt werden.

19. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 11 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass der Glasrohling aus einem oder mehreren gezogenen Glasstäben und/oder Glasfasern besteht, welche Kern-, Mantelund Hüllglas umfassen."

Die jeweils rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 und 12 bis 18 sind auf die weitere Ausgestaltung der Vorrichtung und des Verfahrens gerichtet.

Die Anmelderin ist der Ansicht, der Stand der Technik lege die Vorrichtung und das Verfahren zum Herstellen von Glasfaserformstäben aus Glasrohlingen durch Pressformen nicht nahe. Es würden darin zum Einen keine Glasfaserformstäbe, deren innere Struktur und Topografie erhalten bleiben solle, sondern Glaspressteile mit geringem Volumen in Form gepresst, die eine perfekte Oberfläche aufweisen müssten. Diese Produkte würden andererseits nicht in der Pressform auf Presstemperatur aufgeheizt und darin gezielt abgekühlt. Vorrichtung und Verfahren nach der Streitanmeldung ermöglichten dagegen diese Vorgehensweise, wobei für die Abkühlung eine bestimmte Temperaturdifferenz gewählt werde, die das formstabile Auslösen der Glasfaserformstäbe aus der Pressform ermögliche, gleichzeitig aber so gering gehalten werde, dass damit zudem eine beträchtliche Energieeinsparung realisiert werden könne.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 18 sowie dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 19 und der ursprünglichen Beschreibung Seiten 2 bis 6 und 8 bis 12 sowie Beschreibungsseiten 1 und 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 vom Anmeldetag.

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 18 und weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II 1.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG) und hat auch Erfolg.

2.

Bezüglich der Offenbarung der Vorrichtung und des Verfahrens nach den Patentansprüchen 1 bis 19 bestehen keine Bedenken. Die Ansprüche 1 bis 18 sind die ursprünglich eingereichten Ansprüche, Patentanspruch 19 lässt sich aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 19 herleiten.

3.

Die Vorrichtung und das Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 11 sind neu.

Entgegenhaltung 1 beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung von Präzisionspressteilen aus Glas. Das Vorprodukt wird im Unterschied zu vorliegender Vorrichtung nicht in der aus Oberstempel, Unterstempel und Buchse mit zylindrischer Bohrung bestehenden Formvorrichtung auf Presstemperatur erhitzt, sondern außerhalb in einer separaten Zuführeinrichtung (vgl. (1), S. 1, letzt. Abs.).

Die Druckschrift (2) betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines autoklavierbaren Untersuchungsinstruments mit einem Lichtwellenleiter aus Glasfasern; über das Herstellungsverfahren für den Lichtwellenleiter selbst wird in (2) lediglich ausgesagt, dass die Formgebung ein Aufheizen erfordert und dass der Glasstab nach dem Biegen abgekühlt wird (vgl. (2), Sp. 2, Z. 57 bis Sp. 3, Z. 2).

Das in (3) beschriebene ärztliche oder zahnärztliche Handstück mit einem langgestreckten Lichtleiter in Form eines Glasoder Glasfaserstabes weist einen zum Beispiel in einer Form gesinterten Lichtleiter auf (Anspr. 1). Weitere Angaben zur Ausgestaltung der Sinterform und ihrer Betriebsweise sind der Druckschrift (3) nicht zu entnehmen.

4. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, die Nachteile des in der Streitanmeldung genannten Standes der Technik zu vermeiden und eine Vorrichtung sowie ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit denen Glasfaserformstäbe mit vielfältigen Formen einfach und kostengünstig in hoher Stückzahl herstellbar sind.

Die Aufgabe wird gelöst durch die Vorrichtung und das Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 11.

Den nächst liegenden Stand der Technik beschreibt die Entgegenhaltung (1). Sie lehrt den Fachmann, einen in der Herstellung von Präzisionsgläsern erfahrenen Glastechniker, wie Präzisionsteile aus Glas, an die hohe Anforderungen bezüglich der geforderten Maßtoleranzen gestellt werden, möglichst ohne Nachbearbeitung hergestellt werden können (vgl. (1), S. 1, Abs. 1 bis 5). Die Herstellung der Teile erfolgt gemäß (1) in einer Formvorrichtung, die aus Oberstempel, Unterstempel und einer Buchse mit zylindrischer Bohrung besteht. Die Buchse ist stationär angeordnet, Oberund Unterstempel sind bewegliche Teile, wobei der Unterstempel im stationären Teil der Buchse geführt wird (vgl. (1), S. 2, Abs. 3 bis 6 und S. 3, letzt. Abs. i. V. m. Fig.). Die Stempel dienen als Pressform (vgl. (1), S. 2, Abs. 5 und 6). Die Vorrichtung weist ferner eine Zuführeinrichtung zu der Formvorrichtung auf, die das Vorprodukt während dessen Zuführung zur Pressform erhitzt (vgl. (1), S. 3, vorl. Abs.). Die vor nahezu 30 Jahren angemeldete Vorrichtung (1) unterscheidet sich somit von der beanspruchten Vorrichtung dadurch, dass die Erhitzung des Vorprodukts, dort ein Glasposten mit einer Viskosität kleiner 104 Poise, d. h. etwa der Viskosität von Honig entsprechend, in der Zuführeinrichtung erfolgt, wobei das flüssige Produkt sodann in die aus der zylindrischen Bohrung der Buchse und dem Unterstempel gebildete Formvertiefung sinken kann, bevor es durch das Zusammenwirken von Oberstempel und Unterstempel in Form gepresst wird (vgl. (1), S. 1, letzt. Abs. i. V. m. S. 2, vorl. Abs.). Die Vorrichtung (1) weist zwar zudem auch eine Erhitzungsvorrichtung, die Temperaturverluste in der Formvorrichtung ausgleichen soll, auf und auch Erwärmungsoder Kühleinrichtungen, die die formbildenden Teile auf Temperatur halten (vgl. (1), S. 4, Abs. 5 und 6). Diese Einrichtungen sind jedoch zusätzlich zu der mit einer Heizeinrichtung ausgestatteten Zuführeinrichtung vorhanden, so dass der Fachmann -wie die Anmelderin geltend macht -beim Betrieb der bekannten Vorrichtung nicht die Energieeinsparung erzielen kann, die mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung möglich ist.

Eine Anregung dahingehend, die Oberform und die Unterform vor dem Pressen der Glasrohlinge zunächst in eine Heizstellung zu verfahren und die Glasrohlinge in der Heizstellung in der Pressform auf eine Presstemperatur aufzuheizen und sodann darin abzukühlen, ist der Druckschrift (1) indessen nicht zu entnehmen.

Einen Hinweis auf diese Ausgestaltung der Pressform erhält der Fachmann auch aus den Entgegenhaltungen (2) und (3) nicht. Zudem erfolgte vor der Verwendung der erfindungsgemäßen Vorrichtung, so hat die Anmelderin vorgetragen, die Formgebung der Glasfaserformstäbe manuell, indem die Glasstäbe erwärmt und gezogen, dabei in ihrem Querschnitt verändert bzw. verjüngt und an der verjüngten Stelle gebogen wurden. Diese Fertigung hat nicht nur den Nachteil aufwändig zu sein, so dass nur geringe Stückzahlen herstellbar waren. Es gelingt insbesondere damit nicht, die Topografie des Glasfaserformstabes beim Biegen an den Biegestellen unverändert zu erhalten.

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Für das Verfahren nach Anspruch 11 gelten die vorstehend dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen.

Da die Vorrichtung und das Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 11 somit gegenüber dem Stand der Technik (1) bis (3) neu sind und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, sind die Ansprüche gewährbar.

5. Die auf die Patentansprüche 1 und 11 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 19 betreffen weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausgestaltungen der Vorrichtung und des Verfahrens; die Ansprüche sind daher ebenfalls gewährbar.

Schröder Harrer Schuster Münzberg Fa






BPatG:
Beschluss v. 10.09.2010
Az: 14 W (pat) 33/06


Link zum Urteil:
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