Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 96/03

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2004, Az.: 33 W (pat) 96/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Oktober 2002 aufgehoben.

Gründe

I Am 10. November 2000 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke

"THE PAINT BOX"

für die Warenautomatisierte Maschinen zum Aufbringen von Farbenangemeldet worden.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2002 hat die Markenstelle für Klasse 7 die Anmeldung nach § 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle ist die aus Begriffen des englischen Grundwortschatzes zusammengesetzte Wortkombination "PAINT BOX" ohne Weiteres in ihrer lexikalisch nachweisbaren Bedeutung "Farbkasten" verständlich. Der vorangestellte bestimmte Artikel diene nur dazu, eine besondere Betonung auf diesen Begriff zu legen, so dass die angemeldete Gesamtmarke den Bedeutungsgehalt "der (besonders gute) Farbkasten" aufweise. Da der Bedeutungsgehalt der Marke immer in Verbindung mit den beanspruchten Waren zu beurteilen sei, liege es entgegen der Ansicht der Anmelderin fern, den angemeldeten Begriff im Sinne eines (Hand-) Malkastens zu verstehen. Vielmehr werde "PAINT BOX" allgemein als Farbkasten, also als Behälter mit Farbe, verstanden. Als Kennzeichnung der angemeldeten Waren beschreibe die Anmeldemarke lediglich deren Beschaffenheit. Die Maschinen seien nicht mit irgendeinem, sondern "mit dem bestimmten, besten Farbkasten" ausgestattet, der z. B. aufgrund seiner breiten Farbpalette oder der speziellen Beschaffenheit der Farben das Arbeitsergebnis maßgeblich beeinflusse, indem er ein besonders gutes Aufbringen der Farben ermögliche. Die Anmeldemarke weise daher werbend auf ein wesentliches Ausstattungsmerkmal der Waren hin. Die von der Anmelderin zitierten Entscheidungen des Bundespatentgerichts zu den Marken "COLOR BOX" und "Lunch Box" beträfen Marken, die einen wesentlich unschärferen Bedeutungsgehalt aufwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass die Wortfolge "paint box" bzw. "paintbox" nach verschiedenen Wörterbüchern mit "Malkasten", "Farb- oder Malkasten" oder "Tusch-, Malkasten" erläutert werde. Als einzig relevante Übersetzung der angemeldeten Marke könne daher nur "Der Malkasten" gelten. Mit dieser Bedeutung sei die Anmeldemarke jedoch nicht für die beanspruchten Waren beschreibend. Automatisierte Maschinen zum Aufbringen von Farben seien regelmäßig hochkomplexe Systeme zum selbstständigen Farbauftrag und kämen beispielsweise in der Automobilindustrie zum Einsatz. Von zentraler Bedeutung sei, dass die Maschinen automatisiert Farbe auf Oberflächen aufbrächten. Dabei handele es sich um komplexe Spezialgeräte, die von einem Handmalkasten weit entfernt seien. Insbesondere sei nicht einsehbar, dass ein "Malkasten" als Teil einer automatisierten Maschine angesehen werden könne. Ergänzend weist die Anmelderin auf verschiedene Entscheidungen des Bundespatentgerichts und Voreintragungen des Patentamts, insbesondere der Marken "COLOR BOX" für mit Farbe getränkte Stempelkissen und "Lunch Box" für "feine Back- und Konfitürewaren", hin. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die angemeldete Marke auch im englischsprachigen Ausland (Großbritannien, USA) bereits registriert worden sei. Die Beurteilung der angemeldeten Marke habe daher analog zur "The Home Depot" - Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu erfolgen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich die spezialisierten Waren ausschließlich an ein entsprechendes Fachpublikum wendeten, da sie nur in (sehr großen) Spezialbetrieben eingesetzt und in der Regel nur auf Anfrage gebaut würden. Es werde jeden Verkehrsteilnehmer verwundern, dass eine automatisierte Maschine zum Auftragen von Farbe als simpler "Malkasten" bezeichnet werde. Diese Ironie verleihe dem Zeichen eine besondere Originalität.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Der Ausdruck "paint box" ist, wovon auch die Anmelderin und die Markenstelle ausgegangen sind, ein lexikalisch belegbarer Gesamtbegriff der englischen Sprache mit der Bedeutung "Malkasten" bzw. "Farb(en)kasten" (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Engl.-Dt.; Langenscheidts Großwörterbuch Englisch (Muret- Sanders)). Mit diesem Bedeutungsgehalt, der - ungeachtet der beanspruchten industriellen Waren - zunächst auf einen kunstbezogenen Hintergrund schließen lässt, wird der Gesamtbegriff in der englischen Sprache auch umfangreich verwendet. Dies hat eine Internetrecherche des Senats bestätigt, bei der die Wortkombination "paint box" sowohl bei der Wort- wie auch bei der Bildersuche hauptsächlich als Bezeichnung für Mal- bzw. Farbkästen in der Maltechnik auffindbar war. In der angemeldeten Form mit dem vorangestellten bestimmten Artikel "the" tauchte die Wortfolge zudem als Titel für Kinderbücher, Theaterstücke, Kunstlehranstalten oder etwa Makeup-Modefotografie auf, wobei der direkte Bezug oder zumindest die Anspielung auf den Begriff des Mal-/Farbenkastens offensichtlich war.

Soweit sich "paint box" im Internet verschiedentlich auch als Bezeichnung für technische Vorrichtungen belegen ließ, handelt es sich zumeist um - hier nicht relevante - grafische Softwaretools sowie (in zumeist markenmäßiger Verwendung) um Vorrichtungen, bei denen es um die Auswahl aus einer Farbenpalette geht. Auch insoweit findet also eine Übertragung des künstlerisch bzw. maltechnisch belegten Begriffs "Farbmalkasten" in die Technik statt. So wird etwa die Farbenauswahl bzw. Farbpalette im Grafikprogramm "Paint" von Microsoft mit "paint box" bezeichnet (vgl. z.B. www.2simsisters.com/Tutorials/BeginnerTutorials7/...).

Es hat sich hingegen nicht belegen lassen, dass "paint box" gerade in der industriellen Farbauftragstechnik einen Fachbegriff darstellt. Insbesondere ist "paint box" in technisch orientierten Fachwörterbüchern der englischen Sprache nicht als erläuterter Begriff aufgenommen worden (vgl. Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik; Oppermann, Wörterbuch der modernen Technik, 2. Aufl.; Langenscheidts Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften). Hingegen werden Geräte oder sonstige Vorrichtungen für den Farbauftrag in solchen Nachschlagewerken mit anderen englischen Fachbegriffen erläutert, etwa mit "paint equipment", "painting plant", "paint shop", "painting robot". Selbst Vorrichtungen für die Aufbewahrung oder den Transport von aufzubringenden Farben, die nach ihrer Funktion noch am ehesten dem Farbenkasten aus der Maltechnik entsprechen müssten, werden mit anderen Wortkombinationen als "paint box" erläutert (z.B. "paint container", "paint cup", "paint reservoir", "paint saucer", vgl. o.g. Fachwörterbücher).

Auch im Internet haben sich für maschinelle Farbauftragsvorrichtungen ebenfalls nur andere Fachbegriffe auffinden lassen ("coating machinery", "painting machines", "paint machine", "painting equipment", "spray machines", "spray paint machine" usw., vgl. z.B. www.manufacturers.com.tw/machinery/coatingpaintingfinishingequipmet.htm; www.decotools.com/products/spray/spray.htm; vgl. a. www.tcids.utk.edu/cgibin/tcids/access/career_query.pl€number=441: "Job Description: Painting machine operators use ... They may also be called coating machine operator or spraying machine operators."). Der Begriff "paint box" tauchte auf diesen Webseiten hingegen nicht auf.

Auch eine rein ergänzende Recherche nach Verwendungen des Begriffs "Paint Box" durch die Anmelderin selbst führte nur zum Internetauftritt ihrer englischen Konzerntochter "ADAC PaintBox Group (UK)", wobei sich außer der o.g. firmenmäßigen Verwendung keine Hinweise auf eine möglicherweise beschreibende Bedeutung in der Farbauftragstechnik entnehmen ließen (vgl. www.adacplastics.com/paintbox.html und weiterführende Links).

Nachdem auch die Markenstelle keine Belege für eine beschreibende Verwendung des Begriffs "paint box" im Bereich der industriellen Farbauftragstechnik beigebracht hat, ist ein Freihaltungsbedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG damit nicht erkennbar.

Die angemeldete Marke weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Weder konnte ihr ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Hinsichtlich etwaiger tatsächlicher Anhaltspunkte für eine beschreibende Bedeutung kann zunächst auf die obenstehenden Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis verwiesen werden. Ergänzend ist anzumerken, dass sich auch aus (deutschsprachigen) Fachbüchern zur Anstrich- und Lackiertechnik, soweit sie dem Senat zur Verfügung standen, keine Hinweise, wie etwa eine beschreibende Verwendung von Wörtern wie "Farbkasten" o.Ä., ergaben, die für den Verkehr auf diesem Fachgebiet ein Verständnis der englischen Fassung "paint box" als beschreibenden Begriff nahegelegt hätten. Damit muss davon ausgegangen werden, dass der aus der Kunst bzw. Maltechnik bekannte englische Begriff "paint box" durch seine Übertragung in den Bereich der industriellen Farbauftragstechnik eine zwar sprechende (Farbauswahl), jedoch ohne Weiteres noch fantasievolle betriebherkunftshinweisende Wirkung entfalten kann. Ihm kann daher nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2004
Az: 33 W (pat) 96/03


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