Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 204/01

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2002, Az.: 33 W (pat) 204/01)

Tenor

Der Antragstellerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gründe

I Nach Rücknahme der Beschwerde gegen die Verwerfung des Löschungsantrags als unzulässig ist nur noch über den Kostenantrag der Antragsgegnerin zu entscheiden.

Bereits im Jahre 1993 hatte die Antragstellerin die Marke 2 031 692 - Wort-/Bildmarke "Slick 50", ebenso wie die Parallelmarken 2 030 545 - Wortmarke "Slick 50" und DD 648 724 - Wortmarke "Slick 50", erstmalig mit Löschungsanträgen wegen absoluter Schutzunfähigkeit nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 WZG angegriffen. Die Markenabteilung 3.1 wies mit Beschlüssen vom 25. November 1994 sämtliche Löschungsanträge als unbegründet zurück. Zur Begründung der nach ihrer Auffassung nicht feststellbaren Schutzunfähigkeit des Wortbestandteils der Wort-/Bildmarke 2 031 692 nahm die Markenabteilung nur auf den Inhalt des Beschlusses in der Parallelsache betreffend die Wortmarke 2 030 545 Bezug. Die Frage, ob der Bildbestandteil für sich genommen zur Zurückweisung des Löschungsantrags ausreiche, ließ die Abteilung offen.

Daraufhin hatte die Antragstellerin nur gegen den in Sachen der Wortmarke 2 030 545 erlassenen Zurückweisungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Auf die Beschwerde hin hob der 30. Senat des Bundespatentgerichts mit Beschluss vom 30. September 1996 die Zurückweisungsentscheidung der Markenabteilung auf und ordnete die teilweise Löschung der Marke an. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke blieb erfolglos (BGH GRUR 2000, 53 "SLICK 50" - Beschluß vom 1. Juli 1999, verkündet am selben Tage).

Am 8. November 1999 hat die Antragstellerin erneut einen Antrag auf (teilweise) Löschung der Wort-/Bildmarke 2 031 692 gestellt. Zur Begründung hat sie auf das seinerzeit gegen die Wortmarke 2 030 545 gerichtete Löschungsverfahren und den in dieser Sache erlassenen Beschluss des 30. Senats verwiesen. Da die Markenabteilung 3.1 bei der Zurückweisung des gegen die Wort-/Bildmarke gerichteten Löschungsantrags auf den in Sachen der Wortmarke ergangenen Beschluss Bezug genommen habe, sei der neuerliche Löschungsantrag - so die Antragstellerin sinngemäß - in entsprechender Anwendung der für Restitutionsklagen geltenden Vorschrift des § 580 Nr. 6 ZPO zulässig.

Mit Beschluss vom 25. Mai 2001 hat die Markenabteilung 3.4 den erneuten Löschungsantrag als unzulässig verworfen. Nach Auffassung der Markenabteilung kann derselbe Löschungsgrund vom selben Antragsteller nicht erneut zur Überprüfung gestellt werden, (BGH GRUR 1993, 969, 971 - Indorektal II). Der Rechtsgedanke der §§ 322, 325 ZPO stehe einer Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann entgegen, wenn in der früheren Entscheidung auf die Entscheidung in der Parallelsache Bezug genommen worden sei und das Bundespatentgericht die Parallelsache anders entschieden habe.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie aufgrund der in Sachen der Parallel-Wortmarke 2 030 545 ergangenen Entscheidung des Bundespatentgerichts einen erneuten Löschungsantrag gegen die Marke DD 648 724 gestellt habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob in diesem Fall die Voraussetzungen des § 580 Nr. 6 ZPO vorlägen, denn die Markenabteilung hätte die Löschung nach § 50 MarkenG anordnen müssen, "da der Antrag innerhalb der 10-Jahresfrist gestellt wurde". Die Beschwerde hat sie zurückgenommen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Der Antrag der Antragsgegnerin wird dahingehend ausgelegt, der Antragstellerin nur die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Zwar hat die Markeninhaberin auch im Verfahren vor der Markenabteilung einen Kostenantrag gestellt. Gegen den Beschluss der Markenabteilung, nach dessen Ziffer 2. Kosten weder auferlegt noch erstattet werden, hat sie jedoch weder eine Beschwerde eingelegt, noch hat sie zu erkennen gegeben, dass sie hiergegen eine unselbständige Anschlussbeschwerde einlegen wollte. Im Übrigen wäre einer gegen die Kostenentscheidung der Markenabteilung gerichteten unselbständigen Anschlussbeschwerde durch die zwischenzeitlich erfolgte Beschwerderücknahme der Boden entzogen.

2. Der Antragstellerin sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1, 4 MarkenG). Im registerrechtlichen Verfahren vor den Patentbehörden ist allerdings von dem Grundsatz auszugehen, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter sein Interesse am Erlöschen des Markenschutzes in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation durchzusetzen versucht (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 71, Rz. 18). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Wie bereits die Markenabteilung unter Hinweis auf die "Indorektal II"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1993, 969, 971) zu Recht festgestellt hat, sind Wiederholungen des kontradiktorischen Streits über denselben Streitstoff nach dem in §§ 322, 325 ZPO zum Ausdruck kommenden nebisinidem-Gebot ausgeschlossen, was auch für markenrechtliche Löschungsverfahren gilt. Hieran haben die seit dem Erlass dieser Entscheidung vorgenommenen Gesetzesänderungen, insbesondere die Ablösung des Warenzeichengesetzes durch das Markengesetz oder die Reform der Zivilprozessordnung, nichts geändert. Die mit § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG eingeführte 10jährige Antragsfrist für Löschungsanträge wegen absoluter Schutzunfähigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG spricht vielmehr eher noch gegen eine Ausweitung von Löschungsverfahren durch wiederholte Anträge.

Soweit die Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde geltend gemacht hat, die Rechtskraft der 1994 erlassenen Zurückweisungsentscheidung der Markenabteilung 3.1 könne im Hinblick auf den Ausgang des Parallelverfahrens zur Wortmarke 2 030 545 analog § 580 Nr. 6 ZPO durchbrochen werden, ist dies schon vom Ansatz her keine ernsthaft in Betracht kommende rechtliche Erwägung. Dies gilt auch, wenn man zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt, dass die Markenabteilung 3.4 in der Begründung ihres Verwerfungsbeschlusses nicht auf die Frage eingegangen ist, warum die Vorschrift des § 580 Nr. 6 ZPO hier nicht entsprechend angewendet werden kann, obwohl die Restitutionsklage im Zivilprozess trotz des in §§ 322, 325 ZPO zum Ausdruck kommenden nebisinidem-Gebots ausdrücklich vorgesehen ist.

§ 580 Nr. 6 ZPO regelt einen Fall der Restitutionsklage und darf als außerordentlicher Rechtsbehelf aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht in anderen als den besonders angeordneten Fällen angewendet werden (vgl. Baumbach-Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Aufl., § 580, Rz. 1 m.w.N., für eine begrenzte Analogiefähigkeit allerdings Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., vor § 578, Rz. 1a m.w.N.; für die Anwendbarkeit im Verfahren vor dem Bundespatentgericht: BPatG Mitt 1978, 195). Wegen ihres Ausnahmecharakters ist die Analogiefähigkeit der Vorschrift jedenfalls äußerst zurückhaltend zu handhaben.

Vor allem aber entspricht der vorliegende Sachverhalt nicht der (Ausnahme-) Fallgestaltung, die in § 580 Nr. 6 ZPO geregelt wird. Die Vorschrift setzt voraus, dass das angefochtene rechtskräftige Urteil auf eine Vorentscheidung gegründet ist, die wiederum durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Hier aber beruht der 1994 erlassene Zurückweisungsbeschluss der Markenabteilung 3.1, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll, nicht auf dem vom Bundespatentgericht später aufgehobenen Parallelbeschluss in der Sache der Wortmarke 2 030 545. Vielmehr ergingen beide Beschlüsse der Markenabteilung zeitgleich und inhaltlich weitgehend parallel. Die Bezugnahme im Beschluss zur Wort-/Bildmarke auf den Inhalt der Begründung des Parallelbeschlusses zur Wortmarke diente erkennbar nur der Abkürzung bzw. Vermeidung gleichlautender Ausführungen zur Schutzfähigkeit des in beiden Marken identisch vorhandenen Wortbestandteils. Er führte aber nicht dazu, dass der Beschluss zur Wort-/Bildmarke auf dem Beschluss zur Wortmarke fußte oder sonst wie inhaltlich beruhte. Somit fehlt es an der für § 580 Nr. 6 ZPO wesentlichen Kausalitätsbeziehung und damit am Wegfall der Entscheidungsgrundlage (vgl. auch Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 580, Rz. 13 a.E.: "Eine Restitutionsklage kann daher nicht darauf gestützt werden, dass das Urteil in einem Parallelprozess vom Revisionsgericht aufgehoben wurde", m.w.N.). Es liegt daher kein Fall vor, der im Sinne der von der Vorschrift getroffenen Wertung gleichliegt, so dass für eine Analogie zu § 580 Nr. 6 ZPO von Anfang an kein Raum war.

Die Aussichtslosigkeit des Vorbringens der Antragstellerin steht auch im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 582 und 586 ZPO außer Frage. Aufgrund der Hilfsnatur der Restitutionsklage ist diese nach § 582 ZPO unzulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Berufung geltend zu machen. Nur wenn der Grund auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht schon im Verfahren selbst hätte geltend gemacht werden können, soll es zur Wiederaufnahme kommen (vgl. Zöller a.a.O., § 582, Rz. 1; BPatG, a.a.O., S 196). Lässt sich die Antragstellerin auf die parallele Führung von mehreren Löschungsverfahren ein, so entspricht es der sorgfältigen Verfahrensführung, gegen alle Entscheidungen, die sie beseitigen will, rechtzeitig das dafür vorgesehene Rechtsmittel einzulegen. Den Wiederaufnahmekläger trifft die Beweislast für sein Nichtverschulden (vgl. Zöller, a.a.O., Rz. 3); hierfür ist nichts vorgetragen worden.

Außerdem wäre der Restitutionsantrag außerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO (analog) erhoben worden. Nach § 586 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tage, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Da die Antragstellerin die Aufhebung des Parallelbeschlusses als Anfechtungsgrund geltend macht, käme es auf ihre Kenntnis hiervon an. Von der rechtskräftigen Aufhebung des Parallelbeschlusses in Sachen der Wortmarke 2 030 545 hat die Antragstellerin mit Verkündung des Beschlusses Kenntnis erhalten, mit dem die gegen den Aufhebungsbeschluss gerichtete Rechtsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, also am 1. Juli 1999. Der erneute Löschungsantrag ist am 8. November 1999 und damit außerhalb der Einmonatsfrist des § 586 Abs. 1 ZPO gestellt worden.

Die Berufung der Antragstellerin auf § 580 Nr. 6 ZPO war mithin unter verschiedenen Gesichtspunkten kein ernsthaft erfolgversprechender rechtlicher Ansatzpunkt. Vielmehr liegt offensichtlich ein Versuch vor, in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtlosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation das Interesse am Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen, zumal die Antragstellerin auch weder ausgeführt hat, wie eine Analogie zu § 580 Nr. 6 ZPO methodisch hergeleitet werden kann, noch wie die Zulässigkeitsschranken der §§ 582 und 586 ZPO überbrückt werden können.

Der in der Beschwerdebegründung außerdem enthaltene Hinweis, dass die Markenabteilung die Löschung nach § 50 MarkenG hätte anordnen müssen, "da der Antrag innerhalb der 10-Jahresfrist gestellt wurde", ist vom Senat nicht nachvollziehbar. Soweit die Antragstellerin damit vortragen wollte, dass die Markenabteilung nach Bekannt werden des Beschlusses des 30. Senats vom 30. September 1996 (der innerhalb der 10-Jahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG erlassen worden ist), von Amts wegen eine Teillöschung der Parallelmarken hätte vornehmen müssen, wäre diese Auffassung weder mit den in § 50 Abs. 3 MarkenG genannten Löschungsgründen noch mit der zweijährigen Ausschlussfrist des § 50 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG vereinbar.

Nach alledem würde es nicht der Billigkeit entsprechen, wenn die Verfahrensgegnerin die ihr erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst zu tragen hätte. Der Antragstellerin waren daher die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






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