Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. August 2007
Aktenzeichen: XII ZB 178/06

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. September 2006 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 10.319 €

Gründe

I.

Der Beklagte ist durch das ihm am 24. Juni 2006 zugestellte Urteil des Familiengerichts zu Unterhaltszahlungen verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift ging am 25. Juli 2006 (Dienstag) beim Oberlandesgericht ein. Darauf wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Beklagten mit am 10. August 2006 zugegangener Verfügung hin.

Der Beklagte, der sich als Rechtsanwalt in beiden Vorinstanzen selbst vertrat, befand sich vom 24. Juli bis 28. August 2006 auf Geschäftsreisen und anschließend im Jahresurlaub, ohne gemäß § 53 Abs. 1 BRAO einen Vertreter bestellt zu haben. Auf die gerichtliche Verfügung bat seine freie Mitarbeiterin, die am Oberlandesgericht nicht zugelassene Rechtsanwältin P., mit am gleichen Tage per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 24. August 2006, das Datum des Eingangs der Berufungsschrift zu überprüfen, da diese bereits am 20. Juli 2006 (Donnerstag) zur Post gegeben worden sei, und fügte eine Kopie des entsprechenden Eintrags im Postausgangsbuch (genauer: der Kostenerfassung für die Portokosten) bei.

Mit am gleichen Tage per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 7. September 2006 beantragte der Beklagte, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Zugleich bat er, die bis zum 25. September 2006 verlängerte Frist zur Begründung nochmals zu verlängern, und zwar bis einen Monat nach rechtskräftiger Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch. Dieser Antrag ist bislang nicht beschieden.

Mit Beschluss vom 13. September 2006 wies das Oberlandesgericht das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.

Sie ist jedoch insgesamt unzulässig, weil es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - an einem Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Ein solcher ist auch erforderlich, soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss richtet (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 155, 21, 22).

Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Insbesondere hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht den Zugang zur Berufungsinstanz aufgrund überspannter Anforderungen versagt (vgl. BGHZ 151, 221, 226 f.).

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hat und dahinstehen kann, ob das Schreiben der Rechtsanwältin P. vom 24. August 2006 als Antrag auf Wiedereinsetzung auszulegen ist, weil sie nicht am Berufungsgericht zugelassen war und schon deshalb ein solches Gesuch nicht wirksam stellen konnte. Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

Auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kam nicht in Betracht, da innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein rechtzeitiger Posteinwurf der Berufungsschrift, der die Verspätung als unverschuldet hätte erscheinen lassen können, nicht glaubhaft gemacht war. Die am 24. August 2006 übersandte Kopie aus dem "Posteingangsbuch" belegt nur, dass am 20. Juli 2006 Portokosten in dieser Sache erfasst wurden, nicht aber, dass die Berufungsschrift auch tatsächlich noch an diesem Tage in den Briefkasten eingeworfen wurde. Die erforderliche Glaubhaftmachung erfolgte insoweit erst mit dem Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten vom 7. September 2006.

2. Es stellt auch keinen Zulassungsgrund dar, dass das Berufungsgericht das Wiedereinsetzungsgesuch vom 7. September 2006 als verspätet angesehen hat, weil die unverschuldete Unkenntnis vom verspäteten Eingang der Berufungsschrift bereits mit dem Zugang des gerichtlichen Hinweises am 10. August 2006 entfallen sei, und insoweit auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt hat.

a) Die Rechtsbeschwerde sieht unter anderem die Frage als rechtsgrundsätzlich an, ob den Beklagten an der Fristversäumnis (hier: der Wiedereinsetzungsfrist) schon deshalb ein Verschulden trifft, weil er für die Zeit seiner Abwesenheit keinen ebenfalls vor dem Oberlandesgericht postulationsfähigen Vertreter bestellt hat. Sie macht insoweit geltend, dessen hätte es nicht bedurft, weil das vorliegende Verfahren das einzige vom Beklagten geführte Berufungsverfahren gewesen sei und er davon habe ausgehen dürfen, dass in dieser Sache bis zu seiner Urlaubsrückkehr keine weitere Tätigkeit erforderlich gewesen sei.

Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Bei mehr als einwöchiger Abwesenheit hat der Rechtsanwalt für seine Vertretung zu sorgen, § 53 Abs. 1 BRAO. Hatte er keinen Rechtsanwalt, auch nicht Rechtsanwältin P., mit seiner Vertretung beauftragt, liegt bereits darin ein Organisationsverschulden, dessen Ursächlichkeit für die Fristversäumnis nicht ausgeschlossen werden kann. Hatte er Rechtsanwältin P. hingegen allgemein oder zumindest in dieser Sache mit seiner Vertretung beauftragt, muss er sich deren Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2001 - XI ZB 14/00 - NJW 2001, 1575 f.).

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist ein Zulassungsgrund auch weder darin zu sehen, dass das Berufungsgericht den Zugang seines Hinweises am 10. August 2006 als den Zeitpunkt angesehen hat, in dem die Unkenntnis vom verspäteten Eingang der Berufungsschrift mit der Folge entfiel, dass die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit diesem Tage begann, noch darin, dass das Berufungsgericht auch deren Versäumung als unverschuldet hätte ansehen müssen.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, unter den hier gegebenen Umständen (Absendung der Berufungsschrift vier Werktage vor Fristablauf) habe Rechtsanwältin P. den Hinweis des Gerichts als Versehen ansehen und zunächst Nachfrage halten dürfen, ob die Berufungsschrift tatsächlich erst am 25. Juli 2006 bei Gericht eingegangen sei. Deshalb habe die Wiedereinsetzungsfrist erst am 28. August 2006 zu laufen begonnen, als dem Beklagten auf telefonische Nachfrage vom Vorsitzenden des Berufungssenats bestätigt worden sei, dass das mitgeteilte Eingangsdatum zutreffe und insoweit kein Irrtum vorliege.

Anlass zu einer Nachfrage bei Gericht mag für den Rechtsanwalt bestehen, wenn ihm trotz frühzeitiger Absendung einer Rechtsmittelbegründung eine Mitteilung des Gerichts zugeht, die Begründungsfrist sei abgelaufen, ohne dass bislang eine Begründungsschrift eingegangen sei. Dann mag immerhin nicht ganz fernliegend erscheinen, dass der Schriftsatz vorliegt, aber versehentlich noch nicht zu der dem Berufungsgericht bereits vorliegenden Akte gelangt ist. Auch dies entbindet den Rechtsanwalt jedoch nicht von der Pflicht, vorsorglich rechtzeitig Wiedereinsetzung zu beantragen (oder durch einen anderen postulationsfähigen Anwalt beantragen zu lassen), wenn ihm innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist keine Bestätigung zugeht, dass der Schriftsatz inzwischen aufgefunden worden sei und die Begründungsfrist gewahrt habe.

Ist jedoch eine Berufungsschrift bei Gericht eingegangen und teilt der Vorsitzende des Berufungssenats dem Rechtsanwalt wie hier unter Angabe des Eingangsdatums mit, sie sei verspätet eingegangen, liegt die Annahme eines Irrtums fern. Der Rechtsanwalt handelt daher schuldhaft, wenn er nicht schon aufgrund dieses Hinweises innerhalb von zwei Wochen Wiedereinsetzung beantragt, sondern erst, nachdem ihm die Richtigkeit des Hinweises bestätigt wurde.

Die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beginnt nämlich bereits mit der bloßen gerichtlichen Mitteilung des Eingangsdatums, wenn der Rechtsanwalt daraus unschwer erkennen kann, dass die Berufung verspätet eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1992 - VIII ZB 3/92 - NJW 1992, 2098, 2099). Dies gilt erst recht, wenn nicht etwa die Geschäftsstelle das Eingangsdatum ohne weiteren Hinweis mitteilt, sondern der Vorsitzende des Berufungssenats das Eingangsdatum mitteilt und zugleich ausdrücklich darauf hinweist, damit sei die Berufungsfrist nicht gewahrt.

Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vezina Dose Vorinstanzen:

AG Zwickau, Entscheidung vom 14.06.2006 - 10 F 1463/04 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 13.09.2006 - 20 UF 503/06 -






BGH:
Beschluss v. 15.08.2007
Az: XII ZB 178/06


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