Landesarbeitsgericht Köln:
Beschluss vom 6. Juni 2003
Aktenzeichen: 13 (3) Ta 23/03

(LAG Köln: Beschluss v. 06.06.2003, Az.: 13 (3) Ta 23/03)

1. Nur der beziffert festgesetzte Gegenstandswert eines Vergleiches entfaltet Rechtswirkung im Umfang der §§ 9, 10 BRAGO. Den einzelnen Berechnungspositionen, die das Gericht zur Bestimmung des Gesamtgegenstandswertes erläuternd angibt, kommt keine eigenständige Bedeutung, insbesondere keine Bindungswirkung zu. Das Gericht ist deshalb nicht gehindert, den Gegenstandswert für den in einem anderen Verfahren mitverglichenen Rechtsstreit nach eigenem Ermessen festzusetzen.

2. Die Anträge auf Verurteilung zum Widerruf und zur Unterlassung sind gesondert zu bewerten und fließen kumulativ in die Berechnung des Gesamtgegenstandswertes ein. Dabei wird regelmäßig von einer Gleichbewertung des Widerrufsanspruchs und des Unterlassungsanspruch auszugehen sein.

3. Ein Diebstahlsvorwurf zulasten des Arbeitgebers kann es im Einzelfall rechtfertigen, ausgehend von einem Regelwert von EUR 2.000 den Wert für einen Unterlassungs- und einen Widerrufsanspruch mit jeweils EUR 4.000 anzusetzen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägervertreters vom

09.01.2003 hin wird der Streitwertbeschluss

des Arbeitsgerichts vom 03.12.2002 in Sachen 4 Ca 4988/02 abgeändert:

Der Streitwert für das Verfahren wird auf

10.000 EUR

festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Klageschrift vom 9.10.2002 hatte der Kläger, der Leiter einer Sparkassengeschäftsstelle war, in dem Verfahren gegen eine Mitarbeiterin aus der Revisionsabteilung beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen,

"a) es ... zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und / oder aufstellen zu lassen, zu verbreiten und / oder verbreiten zu lassen, der Kläger habe der S A Geld gestohlen;

b) die Behauptung zu widerrufen, der Kläger habe der Sparkasse Aachen Geld gestohlen, wobei der Widerruf insbesondere gegenüber der Arbeitgeberin des Antragstellers (der S A ), dort gegenüber Herrn Personaldirektor J S und Frau C S , der Leiterin der Personalabteilung, erklärt werden muß;

hilfsweise

gegenüber der Arbeitgeberin des Antragstellers (der S

A ), dort gegenüber Herrn Personaldirektor J S und Frau C S , der Leiterin der Personalabteilung, zu erklären, dass die Behauptung, der Kläger habe der S A Geld gestohlen, nicht aufrechterhalten wird;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verbreitung der in Ziffer 1 genannten Behauptung entstanden ist und / oder noch entstehen wird.

Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger an, der Diebstahlsvorwurf sei geeignet, den Ruf und die wirtschaftliche Wertschätzung des Klägers zu gefährden, insbesondere da die Behauptung gegenüber der Arbeitgeberin abgegeben wurde und in direktem Zusammenhang mit der Ausübung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers stand.

Parallel dazu führte der Kläger vor dem Arbeitgericht Aachen drei Klageverfahren gegen seinen Arbeitgeber, in denen es neben diversen Abmahnungen (2 Ca 5600/02) und einer Nebentätigkeitsgenehmigung (2 Ca 5601/02) auch um eine Kündigungsschutzklage (9 Ca 5627/02) ging. Am 29.11.2002 schlossen der Kläger und sein Arbeitgeber im Gütetermin vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen, in der die Verfahren 2 Ca 5600/02 und 2 Ca 5601/02 gemeinsam verhandelt wurden, einen Beendigungsvergleich (Blatt 13/13R der Akte). Unter Ziffer 6 des Vergleiches verpflichtete sich der Kläger, die Klage in dem Verfahren 4 Ca 4988/02 H ./. H zurückzunehmen.

Die 2. Kammer setzte für die Verfahren 2 Ca 5600/02 und 2 Ca 5601/02 den Streitwert auf 14.400 EUR bzw. 10.800 EUR fest. Der Streitwert für den vorgenannten Vergleich wurde auf insgesamt 53.200 EUR festgesetzt. Zur Begründung des Mehrwertes des Vergleichs führte die 2. Kammer aus, dass streitwerterhöhend unter anderem auch 4.000 EUR hinsichtlich des Verfahrens 4 Ca 4988/02 berücksichtigt wurden. Mit Schriftsatz vom 29.11.2002 nahm der Kläger im Verfahren 4 Ca 4988/02 die Klage zurück und beantragte Streitwertfestsetzung in diesem Verfahren. Mit Schreiben vom 03.12.2002 teilte das Arbeitsgericht den Parteien mit, dass beabsichtigt sei, den Streitwert für das Verfahren auf 4.000 EUR festzusetzen. Der Klägervertreter gab unter dem 07.12.2002 eine Gegenvorstellung ab und beantragte, den Streitwert auf 10.000 EUR festzusetzen. Zur Begründung verwies er auf die beiden Ehrenschutzanträge, die entsprechend § 13 Abs. 1 S. 2 GKE mit jeweils mit 4.000 EUR in Ansatz zu bringen seien. Dieser Wert von 8.000 EUR sei wegen der beantragten Feststellung und der Schwere des Vorwurfs um den halben Ausgangswert (2.000 EUR) auf insgesamt 10.000 EUR zu erhöhen. Unter Hinweis auf die - von den Parteien nicht monierte - Kostenfestsetzung anlässlich des Vergleichsabschlusses vor der 2. Kammer teilte das Arbeitsgericht dem Klägervertreter mit, dass es schwer zu rechtfertigen sei, den Gegenstandswert unterschiedlich festzusetzen. Mit Beschluss vom 03.01.2003 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren 4 Ca 4988/02 auf 4.000 EUR festgesetzt.

Mit seiner Beschwerde in eigener Sache vom 09.01.2003 beantragt der Klägervertreter die Abänderung des Streitwertbeschlusses entsprechend seiner Gegenvorstellung vom 07.12.2002. Zur Begründung führt er aus, dass die Festsetzung des Gegenstandswertes in der Sache 2 Ca 5600/02 keine Bindungswirkung für die streitgegenständliche Festsetzung im vorliegenden Verfahren entfalte.

Die Beschwerde des Klägervertreters ist gemäß § 9 Abs. 2 BRAGO, 25 GKG statthaft und zulässig; insbesondere ist die Ausschlussfrist des § 25 Abs. 3 S. 3 in Verbindung mit Abs. 2 S. 3 GKG gewahrt. Denn die Beschwerde wurde binnen 6 Monaten nach Erledigung des Verfahrens infolge der Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 29.11.2002 eingelegt.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Beschwerdegericht teilt nicht die Ansicht des Arbeitsgerichts, bei der Festsetzung des Gegenstandswertes für das vorliegende Verfahren durch den Beschluss der 2. Kammer gebunden zu sein. Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen hat weder den Gegenstandswert für das Verfahren 4 Ca 4988/02 festgesetzt noch auf sonstige Weise eine Bindungswirkung geschaffen. Im Einzelnen:

Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen hat im Verfahren 2 Ca 5600/02 die Gegenstandswerte für die beiden bei ihr anhängigen Verfahren sowie einen Gesamtgegenstandswert für den geschlossenen Vergleich festgesetzt. Zur Berechnung des Mehrwertes des Vergleiches erläutert die 2. Kammer, dass das Verfahren 4 Ca 4988/02 mit einem Wert von 4.000 EUR in den Gesamtgegenstandswert einfließt. Damit entfaltet zwar der festgesetzte Gegenstandswert für den Vergleich Rechtswirkung im Umfang der §§ 9, 10 BRAGO. Hingegen kommt den einzelnen Berechnungspositionen keine eigenständige Bedeutung zu, sofern sie nicht selbst durch Beschluss als Gegenstandswerte festgesetzt worden sind. Auch tritt durch die bloß erläuternde Auflistung der einzelnen, unselbstständigen Berechnungselemente keine Bindungswirkung ein. Das Gericht war deshalb nicht gehindert, den Gegenstandswert für den in einem anderen Verfahren mitverglichenen Rechtsstreit nach eigenem Ermessen festzusetzen.

Vorliegend kommt noch hinzu, dass die Parteien der beiden Verfahren nicht identisch waren. Dies steht der Annahme einer Bindungswirkung ebenfalls entgegen.

Bei dem Klageantrag zu 1) aus der Klageschrift vom 9.10.2002 handelt es sich mit dem Unterlassungs- und dem Widerrufsantrag aus Anlass ehrkränkender Behauptungen um zwei selbständige Klageansprüche. Die Anträge auf Verurteilung zum Widerruf und zur Unterlassung sind somit jeweils gesondert zu bewerten. Die jeweiligen Einzelwerte sind gemäß § 5 ZPO zusammenzu

rechnen und fließen kumulativ in die Berechnung des Gegenstandswertes ein (KG JurBürO 69,320; Hillach/Rohs, Handbuch zum Streitwert, § 39 A II; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 5 Rn. 13; OLG Düsseldorf, Anw. Bl. 1980, 358).

Das Begehren des Klägers auf Widerruf und Unterlassung ist gerichtet sowohl auf den Schutz der persönlichen Ehre als auch auf den Schutz seiner beruflichen Existenz. Damit macht der Kläger nicht nur einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der persönlichen Ehre) geltend, sondern auch einen vermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der beruflichen Existenz). In derartigen Fällen kommt neben dem § 12 Abs. 2 GKG für den nicht vermögensrechtlichen Teil auch eine Streitwertberechnung nach § 3 ZPO für den vermögensrechtlichen Teil zum Tragen. Beim Zusammentreffen von nichtvermögensrechtlichem Anspruch mit einem vermögensrechtlichen Anspruch ist nur der höhere Wert maßgebend, § 12 Abs. 3 GKG.

Eine Bewertung der Streitwerte für den Widerrufs- und Unterlassungsanspruch in Höhe von jeweils 4.000 EUR ist angemessen.

Als Ausgangswert für einen Widerrufsanspruch wegen ehrverletzender Äußerungen wird regelmäßig ein Betrag von 2.000 EUR angesetzt, der entsprechend den Einzelfallumständen ermäßigt oder erhöht werden kann. Maßgeblich für die Wertbestimmung beim Widerruf ist die zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beantragten Verhalten des Prozessgegners zu besorgen ist und die mit der jeweils begehrten Maßnahme beseitigt werden soll (Zöller/Herget, ZPO, 23. Auflage, § 3 Rdnr. 16 Stichwort Widerruf). Der von der Beklagten gegenüber dem Arbeitgeber geäußerte Diebstahlsvorwurf zulasten des Arbeitgebers ist erkennbar geeignet, den Kläger als Sparkassenangestellten in herausgehobener Position nachhaltig in seiner Ehre zu verletzen. Nicht zuletzt die damit verbundene Belastung seines Beschäftigungsverhältnisses lässt eine Verdopplung des Regelwertes von 2.000 EUR für den Widerruf als sachgerecht

erscheinen. Da gemäß § 12 Abs. 3 GKG der nichtvermögensrechtliche und der vermögensrechtliche Aspekt des Widerrufsanspruchs nicht kumulativ erfasst werden, beträgt der Gegenstandswert für den Widerrufsantrag einheitlich 4.000 EUR.

Entsprechend ist der Gegenstandswert auch für den Unterlassungsanspruch mit 4.000 EUR in Ansatz zu bringen. Die Streitwerte von sachgleichen Widerrufs- und Unterlassungsansprüchen sind aneinander zu orientieren. Dabei steht im Regelfall der Widerrufsanspruch in seiner Bedeutung für den Betroffenen dem Unterlassungsanspruch gleich (Hanseatisches Oberlandesgericht 29.01.1988, AfP 1988, 353 - 354). Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass, von einer Gleichbewertung von Widerrufsanspruch und Unterlassungsanspruch abzuweichen; es ist daher sachgerecht, beide mit dem Antrag zu 1) verfolgten Klageansprüche mit jeweils 4.000 EUR in Ansatz zu bringen und nach § 5 ZPO zu addieren.

Neben dem Wert von 8.000 EUR für den Antrag zu 1) kommt der eigenständige Klageantrag zu 2), der als Feststellungsantrag mit 2.000 EUR ebenfalls angemessen in Ansatz gebracht ist. Zusammen gerechnet ergibt sich somit für das Verfahren ein Gesamtstreitwert von 10.000 EUR. Auf die Beschwerde des Klägervertreters war daher der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und wie vorstehend tenoriert neu zu fassen.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Daher war über seine Zulassung nach § 574 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO n. F. nicht zu befinden. Auch nach der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts (567 ff. ZPO n. F., § 78 S. 1 und 2 ArbGG n. F. ist eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts in Wertfestsetzungsverfahren nicht statthaft. Auf Grund der Regelungen in § 10 BRAGO, §§ 25, 5 GKG ist die

Rechtsbeschwerde bei Streitwertbeschlüssen spezialgesetzlich ausgeschlossen (BAG, Beschluss vom 17.03.2003 - 2 AZB 21/02).

(Dr. Brondics)

Geschäftsnummer:

13 (3) Ta 23/03

4 Ca 4988/02

ArbG Aachen

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

In dem Beschwerdeverfahren






LAG Köln:
Beschluss v. 06.06.2003
Az: 13 (3) Ta 23/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/248f83c78d4f/LAG-Koeln_Beschluss_vom_6-Juni-2003_Az_13-3-Ta-23-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share