Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juli 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 76/02

(BPatG: Beschluss v. 08.07.2003, Az.: 33 W (pat) 76/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Januar 2002 teilweise, nämlich für die Ware

"Leder"

aufgehoben. Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 14. Januar 1999 erfolgte und am 18. Februar 1999 veröffentlichte Eintragung der Wort-/Bildmarke 398 59 928 siehe Abb. 1 am Endefür Sattler-, Riemer-, Täschnerwaren; Handtaschen, Reisetaschen, Einkaufstaschen, Aktentaschen; Gürtel, Börsen, Brieftaschen; Rucksäcke und Koffer; Schuhwaren und Bekleidungsstücke aus Leder; Lederist Widerspruch erhoben worden aus der seit dem 2. Juni 1987 für Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Cremes, Puder, Rouge, Augenbrauenstifte, Lidschatten, Lippenstifte, Lotions, Gesichts- und Haarwässer, Haarwaschmittel, Rasiercremes und Rasierschaum, Rasierwasser, Desodorierungsmittel für den persönlichen Gebrauch; Messerschmiedewaren, nämlich Scheren, Nagelfeilen, Rasierapparate, Handwerkzeuge; Brillen; Beleuchtungskörper, Sanitärkeramik, nämlich Waschbecken, Bidets, Badewannen, Toiletten, Armaturen für Bad und Küche; Schmuckwaren, Uhren; Verpackungsmaterial aus Papier und Pappe, Druckereierzeugnisse, insbesondere Rezepte; Reise- und Handkoffer, Taschen, Regen- und Sonnenschirme; Möbel; Bürsten, Quasten und Pinsel für die Körper- und Schönheitspflege, Waren aus Glas, Porzellan, Keramik und Steingut für Haushalt und Küche, Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Bett- und Tischdecken, Textilwaren, nämlich Gardinen, Rollos, Haushaltswäsche, Tisch- und Bettwäsche, Tapeten aus textilem Material; Bekleidungsstücke, nämlich Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Teppiche, Tapeten (ausgenommen aus textilem Material); Konfiserieartikel, nämlich Bonbons, Pralinen, Schokolade- und Marzipanwaren, Backwaren; Entwurf von Bekleidung, Lederwaren, Schmuck und Uhren sowie Industrieprodukten, Entwicklung von Parfümerien sowie Mitteln zur Körper- und Schönheitspflegeeingetragenen Wort-/Bildmarke 1 106 926 siehe Abb. 2 am Ende Das Widerspruchsverfahren ist hinsichtlich der Widerspruchsmarke am 13. Dezember 1988 abgeschlossen worden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Auch die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Verkehrsbekanntheit hat sie bestritten.

Die Widersprechende hat Unterlagen zur Benutzung ihrer Marke, darunter zwei eidesstattliche Versicherungen und mehrere Kataloge bzw. Prospekte aus der Zeit zwischen 1997 und 2002, vorgelegt. Außerdem hat sie zum Beleg der von ihr behaupteten gesteigerten Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke Auszüge aus "Brigitte - KOMMUNIKATIONSANALYSE" und "Brigitte fmk (frauen, medien, kommunikation)" aus der Zeit von 1998 bis 2002 vorgelegt, in denen der Widerspruchsmarke bei Frauen zwischen 14 und 64 Jahren für "Damenoberbekleidung, Freizeitkleidung, Jeans" und "Düfte" Bekanntheitsgrade von durchschnittlich 60% bis 70% zugeordnet worden sind.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2002 hat die Markenstelle für Klasse 18 durch ein Mitglied des Patentamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die Markenstelle hat es dahingestellt bleiben lassen, ob die vorgelegten Benutzungsunterlagen für eine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung i.S.d. §§ 43 Abs. 1, 26 MarkenG ausreichend sind. Für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Taschen sei die Benutzung der Widerspruchsmarke amtsbekannt. Da die angegriffene Marke ebenso diese Warengruppen umfasse, sei teilweise von einer Identität, im Übrigen von einer ausgeprägten Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren auszugehen. Außerdem bestehe eine hochgradige klangliche Ähnlichkeit der Marken. Erhebliche Teile des inländischen Verkehrs würden die jüngere Marke deutsch als "Lohps" aussprechen, wobei die Betonung auf der eher seltenen Buchstabenfolge "op" liege, die den Klangcharakter beider Marken präge. Die unbetonten Unterschiede am Wortanfang und -ende hätten demgegenüber keine deutlichen klanglichen Auswirkungen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung führt sie aus, dass aus den von der Widersprechenden bisher vorgelegten Unterlagen keine rechtserhaltende Benutzung hervorgehe. Insbesondere seien die Unterlagen nicht nach Warenart und jährlichen Umsätzen aufgeschlüsselt. Auch die Verwendungsart, der Inlandsbezug und Verwendungshandlungen Dritter mit Zustimmung der Widersprechenden seien nicht ersichtlich. Daher hätte die Markenstelle keinesfalls nach § 291 ZPO auf die Prüfung der Glaubhaftmachung verzichten dürfen. Im Übrigen liege auch keine Ähnlichkeit der Marken vor. Dies gelte angesichts der Abweichungen bei den Wortanfängen ("J/L") und den Zeichenendungen ("S/!") zunächst in schriftbildlicher Hinsicht, zumal hier einsilbige Kurzwortzeichen vorlägen. Auch in klanglicher Hinsicht liege keine ausreichende Ähnlichkeit vor, wobei zu berücksichtigen sei, dass die klangliche Verwechslungsgefahr gegenüber dem bei Bekleidungsstücken üblichen Kauf auf Sicht deutlich zurücktrete. Die jüngere Marke werde als fremdsprachiges Zeichenwort mit der Bedeutung "Schlinge" oder "Schleife" nur englisch ausgesprochen, was angesichts geläufiger Begriffe wie "Looping", "Pool", "Hook", "booten" oder "Footwear" auch für Verkehrsteilnehmer gelte, die die Bedeutung des Zeichenworts nicht kennen würden. Die Gegenmarke "JOOP!" hingegen werde deutsch, ähnlich wie "Boot" oder "doof", ausgesprochen. Der von der Markenstelle vorgenommene Klangvergleich "Johp"/"Lohps" trete in der Praxis nicht auf. Aber selbst, wenn die Wiedergaben "Johp" und "Lohps" zu berücksichtigen wären, sei durch die Abweichungen zwischen "J" und "L" sowie dem zusätzlichen Schlussbuchstaben "S" in der Anmeldemarke ein ausreichender klanglicher Abstand gewährleistet.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meint, dass die Markenstelle zutreffend die Benutzung der Widerspruchsmarke als amtsbekannt zugrunde gelegt habe. Auch dem Bundespatentgericht dürfte die Benutzung bekannt sein, so dass es sich um eine offenkundige Tatsache i.S.d. § 291 ZPO handele. Nur vorsorglich werde auch Glaubhaftmachungsmaterial vorgelegt.

Die Widerspruchsmarke verfüge über einen überragenden Bekanntheitsgrad. Sie werde seit vielen Jahren von der Widersprechenden und Lizenznehmern mit einer umfangreichen Produktpalette, die weltweit in speziellen "JOOP!-Stores" und weiteren Läden vertrieben werde, intensiv benutzt. Überdies sei die Bekanntheit durch die ergänzend vorgelegten Marktanalysen nachgewiesen. Andere Marken hätten daher einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten, den die jüngere Marke jedoch nicht wahre, wie sich auch aus der Entscheidung des 32. Senats des Bundespatentgerichts vom 3. Mai 2000 (32 W (pat) 56/99) ergebe, in der die Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke und dem mit der angegriffenen Marke fast übereinstimmenden Zeichen "LOOP" festgestellt worden sei. Da "LOOP" mit der Bedeutung "Schlinge, Windung" nicht zum gängigen Vokabular des Durchschnittsverbrauchers gehöre, sei mit einer Aussprache "lohps" durch weite Teile des Verkehrs zu rechnen. Darüber hinaus gebe es Verbraucher, die Markennamen aus Prinzip deutsch aussprächen. Bei dieser Aussprache seien die Marken klanglich nahezu identisch. Angesichts der gravierenden Übereinstimmung bei der betonten Vokal-Konsonantenfolge "o - p" mit gedehntem "o" blieben die Unterschiede am Wortanfang ohne Belang. Auch dem unbetonten Schlusslaut komme keine klangliche Bedeutung zu. Er werde als Genitv-S verstanden und daher nicht als zum eigentlichen Zeichen zugehörig angesehen. Wegen der Klangähnlichkeit der Vokale "o" und "u" bestehe selbst dann eine klangliche Ähnlichkeit, wenn die Marke wie "Luhps" ausgesprochen werde. Die Marken seien auch schriftbildlich ähnlich. Außerdem seien die Waren vollumfänglich identisch oder ähnlich. Es lägen klare Überschneidungen im Bereich der Warenklassen 18 und 25 vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nur teilweise, nämlich hinsichtlich der Ware "Leder" begründet. Im Übrigen hat die Markenstelle im Ergebnis zu Recht eine Verwechslungsgefahr festgestellt.

1. Für die Entscheidung über den Widerspruch geht der Senat davon aus, dass die Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren "Taschen"(nämlich Handtaschen) und "Schuhwaren" nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG rechtserhaltend benutzt ist.

Die Markeninhaberin hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zulässig undifferenziert und somit nach beiden Alternativen des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG bestritten. Damit oblag es der Widersprechenden, die Benutzung ihrer Marke für die Zeiträume von Februar 1994 bis Februar 1999 und von Juli 1998 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung glaubhaft zu machen.

Die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung war hingegen nicht nach § 291 ZPO i.V.m. § 82 Abs. 1 MarkenG entbehrlich, wie dies die Markenstelle angenommen hat, die eine rechtserhaltende Benutzung für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren" und "Taschen" als amtsbekannt angesehen hat. Für "Bekleidungsstücke" ist dieses Vorgehen schon deshalb nicht haltbar, weil der Warenbegriff "Bekleidungsstücke" als solcher im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke nicht aufgeführt ist. Zwar wurde die Widerspruchsmarke ursprünglich gemäß § 6a WZG u.A. für "Bekleidungsstücke, einschließlich Gürtel und Kopfbedeckungen" eingetragen. In einem Widerspruchsverfahren hat jedoch die damalige Prüfungsstelle die teilweise Löschung u.A. für "Bekleidungsstücke einschließlich Gürtel" angeordnet. Die Teillöschung wurde in der (nicht ganz unproblematischen) Weise durchgeführt, dass die Angabe "Bekleidungsstücke, einschließlich Gürtel und Kopfbedeckungen" durch die Angabe "Bekleidungsstücke, nämlich Kopfbedeckungen" ersetzt wurde. Für die Ware "Bekleidungsstücke" (als solche) kann die Widersprechende damit im registerrechtlichen Widerspruchsverfahren keine Rechte mehr herleiten. Ihre Behauptung der rechtserhaltenden Benutzung und der erhöhten Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke für Bekleidungsstücke sind daher von vornherein unbehelflich. Dies gilt ebenso für die Ware "Düfte", die ebenfalls nicht im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten ist.

Aber auch für "Schuhwaren" und "Taschen" vermag der Senat nicht gemäß § 291 ZPO von einer Offenkundigkeit, d.h. Allgemeinkundigkeit oder Gerichtsbekanntheit (vgl. dazu Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 291, Rdn. 1; Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, § 291, Rdn. 1 u. 2) der rechtserhaltenden Benutzung auszugehen. Zwar ist diese Vorschrift auch im Fall der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede(n) nach § 43 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich anwendbar (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 43, Rdn. 68). Selbst bei berühmten Marken wird ihre Anwendung in der Praxis jedoch nur selten in Betracht kommen. Da die rechtserhaltende Benutzung eine "juristische Tatsache" ist (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O., Rdn. 51), müssten alle für die Benutzung i.S.d. § 26 MarkenG relevanten Tatsachen, wie die Person des Benutzers, das Benutzungsgebiet, die konkrete Art der gekennzeichneten Waren, ggf. Abweichungen von der registrierten Form, vor Allem aber die (funktionsgemäße) Art der Markenverwendung, der (Mindest-)Umfang und die (Mindest-) Dauer der Benutzung i.S.d. § 291 ZPO offenkundig sein. Im Falle der undifferenzierten Erhebung beider Nichtbenutzungseinreden müssten diese Tatsachen zudem getrennt für beide Nachweiszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG offenkundig sein, was bei längerer Verfahrensdauer für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zunehmend unwahrscheinlicher wird. Hier jedenfalls können die o.g. Tatsachen insbesondere in Bezug auf Schuhwaren und Taschen für den Senat für keinen der Nachweiszeiträume des § 43 Abs. 1 MarkenG als offenkundig angesehen werden.

Die Widersprechende hat jedoch nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2, 26 MarkenG glaubhaft gemacht, dass sie die Widerspruchsmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch jedenfalls für "Taschen" (nämlich Damenhandtaschen) und "Schuhwaren" rechtserhaltend benutzt hat. Glaubhaft zu machen ist die Verwendung der Marke grundsätzlich nach Art, Dauer, Ort und Umfang; diese Erfordernisse müssen insgesamt erfüllt sein (BPatGE 23, 158, 165 f. - Fludec; BPatGE GRUR 1994, 629, 630 - Duotherm).

Aus den vorgelegten Katalogen und Prospekten geht zunächst eine funktionsgemäße Verwendung der Marke als Mittel zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung hervor. So ist das Markenwort in den Katalogen für Herbst/Winter 1997 (4. Doppelseite) und Frühjahr/Sommer 1998 (etwa in der Katalogmitte), dem Prospekt "fashion notes" für Frühjahr/Sommer 2000, S. 1 Rückseite und 21 sowie im Prospekt für Frühjahr/Sommer 2002 (mittlere Doppelseite) als Einprägung in der Vorderseite (Lasche) von Handtaschen, teilweise auch in deren Schulterriemen oder Riemenschnallen, deutlich erkennbar.

Auch für Schuhwaren ist eine funktionsgemäße Verwendung glaubhaft gemacht worden. Im Katalog für Frühjahr/Sommer 1998 ist die Marke - teilweise verdeckt, aber noch lesbar - zweimal auf der Innensohle von Schuhen abgebildet. Außerdem ist sie im Prospekt "fashion notes" für Frühjahr/Sommer 2000 insgesamt siebenmal auf diese Weise an Schuhen angebracht ersichtlich.

Auch hinsichtlich der Dauer genügt die Benutzung den Anforderungen des § 26 Abs. 1 MarkenG. Denn zunächst hat der Prokurist der Widersprechenden, Herr S..., am 15. November 1999 eidesstattlich versichert, dass Lizenz- nehmer der Widersprechenden seit "Anfang der neunziger Jahre" verschiedene Produkte aus dem Lifestyle-Bereich herstellen und vertreiben, wobei er im Folgesatz ausdrücklich "Schuhe" und "Lederwaren (namentlich Handtaschen ...)" als Beispiele der bedeutendsten dieser Produkte benannt hat. Außerdem hat der Justitiar M... der Widersprechenden in seiner eidesstattlichen Versiche- rung vom 21. Oktober 2002 für die Waren "Schuhe" und "Lederwaren, namentlich ... Handtaschen" jeweils Mindestumsätze "in den vergangenen fünf Jahren" genannt und damit sinngemäß zugleich eine Benutzung für die beiden Warenarten im genannten Zeitraum dargetan. Ergänzend waren die o.g. Kataloge und Prospekte mit Abbildungen von Schuhen und Handtaschen unter Verwendung der Marke zu berücksichtigen. Aus der Gesamtheit dieser Unterlagen entnimmt der Senat mit der für eine Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Marke in der Zeit von 1995 bis 2002, mindestens aber von Herbst 1997 bis 2002 für Schuhwaren und Handtaschen benutzt worden ist. Damit ist für beide Nachweiszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG jeweils eine ausreichende Mindestdauer der Benutzung glaubhaft gemacht worden.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ist hinsichtlich dieser Waren auch dem Umfang nach eine ernsthafte Benutzung glaubhaft gemacht worden. Zwar sind in der eidesstattlichen Versicherung vom 15. November 1999 keine nach Warenarten aufgegliederten Umsatzzahlen dargelegt worden. In der eidesstattlichen Versicherung vom 21. Oktober 2002 wird jedoch vom Justitiar versichert, dass sich die Umsätze mit Schuhen in den vergangenen fünf Jahren auf einen "EURO-Betrag in ... p.a." beliefen und dass der Umsatz mit "Lederwaren, na mentlich Aktentaschen, Handtaschen,..." in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls "jeweils" deutlich über "einem EURO-Betrag in ... p.a." gelegen habe. Nach dem Inhalt dieser Versicherung sind damit in der Zeit von Herbst 1997 bis Herbst 2002 für beide Warenarten jeweils Umsätze von mindestens ... EURO pro Jahr erzielt worden. Dies geht, auch im Hinblick auf die Kontinuität der Benutzung, über eine nur der formalen Aufrechterhaltung des Schutzrechts dienende Scheinbenutzung hinaus.

Die Widersprechende musste dabei auch keine konkreten Umsatzzahlen benennen, sondern konnte sich mit der Glaubhaftmachung von Mindestumsätzen begnügen. Denn es ist keineswegs ungewöhnlich, dass ein Markeninhaber der Öffentlichkeit und/oder dem Verfahrensgegner, bei dem es sich i.d.R. um einen Konkurrenten handelt, keine konkret bezifferten Umsatzzahlen offenbaren will und hieran auch bei der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung festhält. Sofern die mitgeteilten Mindestumsätze glaubhaft sind und für sich genommen bereits einen ernsthaften Benutzungsumfang belegen, bestehen hiergegen keine durchgreifenden Bedenken.

Ergänzend war auch mit zu berücksichtigen, dass die Widersprechende insgesamt fünf Originalprospekte aus der Zeit von 1997 bis 2002 vorgelegt hat, die nach ihrer äußeren Gestaltung und der Art der daraus ersichtlichen Warenpräsentation mit z.T. weltbekannten Models (vgl. Katalog für Frühj./Sommer 1998: Claudia Schiffer, Markus Schenkenberg) auf eine sehr aufwändige und kostenintensive Vermarktung schließen lassen. Für einen Scheinbenutzer wäre dieses Verhalten untypisch.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ist auch eine Benutzung im Inland glaubhaft gemacht worden. Zwar hat der Prokurist der Widersprechenden in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 15. November 1999 in Zusammenhag mit Schuhen und Handtaschen u.A. Miami als Standort eines "Joop!-Stores" genannt. Dennoch geht der Senat davon aus, dass die Marke im Umfang der später vom Justitiar eidesstattlich versicherten Mindestumsätze in Deutschland benutzt worden ist. Hierfür spricht bereits, dass in der Versicherung vom 15. November 1999 mit Miami nur ein ausländischer Standort, jedoch insgesamt sieben inländische Standorte von "Joop!-Stores" aufgeführt sind. Nach der Lebenserfahrung wäre der jahrelange Betrieb von sieben inländischen Geschäften unter Führung eines Sortiments mit Handtaschen und Schuhen völlig unwahrscheinlich, wenn nennenswerte Umsätze nur in Miami erzielt worden wären. Außerdem hat der Justitiar der Widersprechenden später in Zusammenhang sowohl mit Schuhen als auch mit Handtaschen eidesstattlich versichert, dass die Waren "importiert" und "an Einzelhändler in ganz Deutschland" bzw. "bundesweit" vertrieben worden sind. Die sich an diese Ausführungen jeweils anschließende Nennung von Mindestumsatzzahlen kann sich daher sinngemäß nur auf die in Deutschland vertriebenen Waren beziehen. Für die Entscheidung über den Widerspruch sind daher auf Seiten der Widerspruchsmarke Schuhe und Taschen, nämlich Handtaschen, zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

2. Zwischen den Marken besteht weitgehend die Gefahr von Verwechslungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist für die hier maßgeblichen Waren "(Hand-)Taschen" und "Schuhwaren" als normal einzustufen. Für diese Waren war eine infolge intensiver Benutzung gesteigerte Verkehrsbekanntheit weder unstreitig noch gerichtsbekannt (s.o.).

b) Abgesehen von der für die jüngere Marke eingetragenen Ware "Leder" liegen die sich gegenüberstehenden Waren teilweise im Identitätsbereich, im Übrigen im Bereich einer engeren Ähnlichkeit. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyds/Loint«s; BGH GRUR 1999, 731 - Canon II; WRP 1998, 747, 749 - GARIBALDI; WRP 2000, 1152,1153 - PAPPAGALLO; WRP 2001, 694, 695 - EVIAN/REVIAN). Auch die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungsstätten und Vertriebswege, stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwendungsweise sind relevante Gesichtspunkte.

Die nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren "Taschen, nämlich Handtaschen" und "Schuhwaren" sind identisch mit den für die jüngere Marke eingetragenen Waren "Handtaschen" und "Schuhwaren".

Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen Waren "Sattler, Riemer-, Täschnerwaren", soweit hier nicht schon Identität unter dem Gesichtspunkt des Oberbegriffs besteht, mit Handtaschen und Schuhwaren zumindest hochgradig ähnlich. Es handelt sich beiderseits um Gebrauchsgegenstände, die aus Leder gearbeitet werden, so dass wirtschaftliche Berührungspunkte hinsichtlich der stofflichen Beschaffenheit und - je nach Art der unter den Oberbegriff "Sattler, Riemer-, Täschnerwaren" fallenden Einzelware - Gemeinsamkeiten beim Verwendungszweck, den Vertriebsorten und den Abnehmerkreisen vorliegen können. In ständiger Rechtsprechung werden daher Sattler- Riemer-, Täschnerwaren allgemein mit Lederwaren als ähnlich angesehen (Richter/Stoppel, 12. Aufl., S. 288 li. Sp., S. 281 re. Sp., S. 326 re. Sp.).

Auch die für die jüngere Marke eingetragenen Waren "Reisetaschen, Einkaufstaschen, Aktentaschen, Gürtel, Börsen, Brieftaschen, Rucksäcke, Koffer" sind hochgradig mit Handtaschen ähnlich, da die beiderseitigen Waren aus Leder gearbeitete Handgepäckstücke und Behältnisse für den persönlichen Gebrauch darstellen und damit nach fast allen Kriterien der Warenähnlichkeit (Herstellungsbetriebe, Verwendungszweck, stoffliche Beschaffenheit, Vertriebsstätten, Abnehmerkreise) Übereinstimmungen aufweisen (zur Ähnlichkeit zwischen Gürteln und ledernen Taschen vgl. Richter/Stoppel, a.a.O., S. 164 li. Sp. u.).

Schließlich besteht auch eine hochgradige Ähnlichkeit zwischen den für die jüngere Marke eingetragenen Waren "Bekleidungsstücke aus Leder" mit Handtaschen. Denn Handtaschen stellen typische Modeaccessoires für Bekleidungsstücke dar und werden häufig von großen Modehäusern wie Chanel, Chloe, Calvin Klein oder Prada unter derselben Marke in gleichen Vertriebsstätten angeboten. Daher werden Taschen als mit Bekleidungsstücken ähnlich angesehen (vgl. Richter/Stoppel, a.a.O., S. 326, mittl. Sp.). Als weitere Gemeinsamkeit kommt bei Bekleidungsstücken aus Leder noch die Übereinstimmung in der stofflichen Beschaffenheit mit (Leder-)Handtaschen hinzu.

b) Die angegriffene Marke hält insoweit den danach erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein.

Auch wenn die beiderseitigen Waren im Wesentlichen auf Sicht gekauft zu werden pflegen, ist dennoch auch hier die Gefahr klanglicher Verwechslungen zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions). Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die angegriffene Marke vom wohl überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise englisch "luup" ausgesprochen wird, entweder weil der jeweilige Verkehrsteilnehmer über gute Englischkenntnisse verfügt und ihm das englische Wort "loop" (Schleife, Schlinge) geläufig ist, oder weil er angesichts des einsilbigen Markenworts mit dem Doppelvokal "oo" an Begriffe wie z.B. "pool", "foot" oder "good" erinnert wird und unwillkürlich von einem ihm unbekannten englischen Begriff oder Phantasiewort ausgeht. Greift man diese durchaus nachvollziehbare Argumentation der Markeninhaberin auf, so liegt auf der Hand, dass auch die Widerspruchsmarke "Joop!" dann in beachtlichem Umfang ebenfalls englisch "dschuup" ausgesprochen wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine erhöhte Verkehrsbekanntheit, die den Verkehr veranlassen würde, "Joop!" als Nachnamen des deutschen Modeschöpfers Wolfgang Joop deutsch auszusprechen nicht berücksichtigt wird, zumal sie von der Widersprechenden bestritten worden ist und für die rechtserhaltend benutzten Waren auch vom Senat nicht bejaht werden kann.

Hierauf und auf die Frage der klanglichen Ähnlichkeit beider Marken in englischer Aussprache braucht jedoch nicht weiter eingegangen zu werden. Denn es kann nicht unterstellt werden, dass der Verkehr die angegriffene Marke "LOOP«S" nahezu einhellig englisch aussprechen wird. Bei "loop" handelt es sich um keinen Begriff des englischen Grundwortschatzes. Auch gibt es deutsche Wörter, die auf ähnliche Weise gebildet werden, wie etwa die von der Widersprechenden genannten Begriffe "Boot" oder "doof". Daher wird immer noch ein zumindest nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs verbleiben, der "LOOP«S" nicht als englisches Wort auffasst und die Marke deutsch ausspricht.

Für diesen Verkehrsteil besteht angesichts erheblicher Annäherungen nach dem Gesamtklangcharakter eine mittel- bis hochgradige klangliche Ähnlichkeit zwischen den Marken. Der einzige (Doppel-) Vokal ist einschließlich seiner Betonung und der gedehnten Aussprache identisch. Hinzu kommt die Einsilbigkeit und der Laut "p" am Wortende. Trotz der Kürze der Zeichenwörter sind die Abweichungen am Wortanfang bei den klangschwachen und weichen Anfangskonsonanten "l"/"j" nicht so deutlich hörbar, dass sie den Gesamtklangcharakter wesentlich zu beeinflussen vermögen. Der in der jüngeren Marke zusätzlich vorhandene Schlusslaut "s" ist stimmlos und kann an dieser Stelle leicht verschluckt oder überhört werden. Hinsichtlich der o.g. Waren besteht damit eine Verwechslungsgefahr, so dass die Beschwerde weitgehend erfolglos bleiben musste.

3. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Ware "Leder", besteht schon mangels jeglicher Ähnlichkeit mit den rechtserhaltend benutzten Waren der Widersprechenden keine Verwechslungsgefahr. Leder ist für Handtaschen und Schuhe ein reines Vorprodukt. Es dient der Weiterverarbeitung und hat damit einen anderen Verwendungszweck als Taschen oder Schuhe. Der Endverbraucher, an den sich die letztgenannten Waren wenden, wird auch davon ausgehen, dass Taschen- und Schuhhersteller Abnehmer von Leder sind, dieses aber nicht selbst anbieten. Ob namhafte Modehersteller sowohl Bekleidung als auch Stoffe (in bestimmter Qualität bzw. mit bestimmten Designs) nebeneinander anbieten, wie dies die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, mag dahinstehen. Leder wird jedenfalls vom Endverbraucher nicht in beachtlichem Umfang selbst weiterverarbeitet. Auch ist nicht bekannt, dass neben Designerstoffen in nennenswertem Umfang auch "Designerleder" von Endkunden gekauft und sodann von Schuhmachern oder Täschnern im Kundenauftrag zu Schuhen oder Taschen maßgefertigt wird. Daher wird eine Ähnlichkeit zwischen Leder und Lederwaren, einschließlich Schuhwaren, in ständiger Rechtsprechung verneint (vgl. Richter/Stoppel, a.a.O., S. 214 re. Sp., S. 215 li. Sp.). Auf die Beschwerde der Markeninhaberin war der angefochtene Beschluss damit für die Ware "Leder" aufzuheben.

4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)76-02.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)76-02.2.3.gif






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Beschluss v. 08.07.2003
Az: 33 W (pat) 76/02


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