Finanzgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 8. März 2010
Aktenzeichen: 6 K 68/07

(FG Baden-Württemberg: Urteil v. 08.03.2010, Az.: 6 K 68/07)

Tatbestand

Streitig ist, ob Aushilfslohnzahlungen der X-GmbH an verschiedene Arbeitnehmer vom Kläger dem Steuerabzug zu unterwerfen sind.

Der Kläger ist ein Landkreis und als solcher an der ...gesellschaft mbH (X-GmbH) zu 40 % beteilt; die anderen Anteilseigner sind 29 Städte und Gemeinden des Landkreises. Die X-GmbH wurde 1993 aus Anlass des Inkrafttretens der Verpackungsverordnung als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 210.000 DM gegründet, um als Vertragspartner mit Der Grüne Punkt - Duales System Deutschland AG (DSD) gegen Entgelt bestimmte Mengen verschiedener Verkaufsverpackungen und anderer Wertstoffe zu sammeln und zur Abholung bereit zu stellen. Nach dem Gesellschaftsvertrag erfordern Gesellschafterbeschlüsse eine Mehrheit von 60 % der abgegebenen Stimmen, wobei je 500 DM eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren. Der Kläger verfügt daher über 168 von 420 möglichen Stimmen.

Zum 1. April 1993 sowie zum 30. Dezember 1997 schloss der Kläger mit der X-GmbH jeweils einen Vertrag über die Erstattung von Personalkosten. Darin vereinbarten die Vertragspartner Folgendes:

I. Vorbemerkung

... Um unnötig hohe Verwaltungs- und Personalkosten zu vermeiden leiht sich die X-GmbH geeignetes Personal des Landkreises zur Erfüllung ihrer Aufgaben aus, sofern sie sich nicht eigenes Personal einstellt.

II. Personalkostenerstattungsvertrag

§ 1 Vertragsgegenstand

(1) Der Landkreis X stellt die in Anlage 1 aufgeführten Beschäftigten der X-GmbH zur Verfügung.

(2) Grundlage für diesen Kostenersatz sind die von den betroffenen Personen ermittelte Zeitwerte. Grundlage für die Zeitwerte waren die Daten einer durchschnittlicher Monatsarbeitsbelastung durch die X-GmbH.

(3) Die ermittelten Zeitwerte gelten weiter, bis sich die Vertragsparteien aufgrund geänderter Arbeitsbelastungen auf neue Zeitwerte verständigen.

§ 2 Kostenersatz

(1) Als Kostenersatz werden die in der jeweils gültigen Fassung festgesetzten Stundenwerte der VwV-Kostenfestlegung des Finanzministeriums (Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Festlegung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren und von sonstigen Entgelten für die Inanspruchnahme der Landesverwaltung) für die jeweilige Laufbahngruppe angesetzt. Dieser Ersatz versteht sich als Nettoentgelte zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Umsatzsteuer.

(2) Die Abrechnung der Kostenersätze erfolgt quartalsweise, mit einer Fälligkeit von 14 Tagen nach Rechnungsstellung.

...

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den schriftlichen Vertrag vom Dezember 1997 (Bl. 15 ff. der FG-Akten) Bezug genommen.

Unter Bezug auf diesen Vertrag teilte der Kläger der X-GmbH mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 mit, dass sich bei den Beschäftigten, die für die X-GmbH tätig sind, Veränderungen ergeben haben, weshalb eine ab dem 01.01.1999 gültige Anlage 1 zum Personalkostenerstattungsvertrag, auf die wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 13 f. der FG-Akten), übersandt werde.

Die Arbeit der Bediensteten des Klägers für die X-GmbH wurde entsprechend der Vereinbarung mit einem Zeitwert pauschal abgerechnet. Der Landkreis stellte die Kosten der Arbeitnehmerüberlassung der X-GmbH in Rechnung.

Nachdem der vereinbarte Zeitwert der tariflichen Arbeitszeit der ausgeliehenen Arbeitnehmer zur Erledigung der anfallenden Arbeit bei der X-GmbH nicht mehr ausgereicht hatte und weitere Zeitkontingente offiziell durch das Landratsamt nicht vergeben wurden, schloss die X-GmbH mit einigen dieser ausgeliehenen Arbeitnehmer (u. a. namentlich mit Herrn A.B., Herrn C., Herrn D.F., Herrn G.H., Herrn J. und Frau K.L.) Arbeitsverträge über Aushilfslohntätigkeiten ab. Auch auf diese Arbeitsverträge wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 19 ff. der Prüferhandakten). Die im Rahmen dieser Aushilfsarbeitsverträge geleistete Arbeit wurde nahezu ausschließlich freitags in den Abendstunden und an Samstagen und Sonntagen geleistet und vom Kläger als Nebentätigkeit zeitlich befristet genehmigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Zusammenstellung des Betriebsprüfers in der Prüferhandakte (Bl. 5 f.) verwiesen. Die an diese Arbeitnehmer vergüteten Aushilfslohnzahlungen wurden der pauschalen Lohnversteuerung nach § 40a Abs. 2 a. F. Einkommensteuergesetz (EStG) unterworfen.

Die von den Arbeitnehmern im Rahmen der Arbeitsüberlassung geleisteten Arbeiten wurden ebenso wie die Arbeiten im Rahmen der Aushilfsarbeitsverhältnisse ganz überwiegend in den Räumen des Klägers (Landratsamt) ausgeübt.

Am 17. Dezember 2002 fand bei der X-GmbH eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum Januar 1998 bis Dezember 2001 statt. Anlässlich dieser Prüfung wurde der Sachverhalt ermittelt und für den Zeitraum 1999 bis 2001 eine Nachversteuerung im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung beim Kläger vereinbart. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 21. März 2003 (Bl. 14 ff. der Lohnsteuerakten) ergänzend Bezug genommen.

Aufgrund Prüfungsanordnung vom 18. Dezember 2002 führte des beklagte Finanzamt (Beklagter - FA -) am 22. Januar 2003 beim Kläger ebenfalls eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Hierbei stellte das FA fest, dass im Zeitraum 1999 bis 2002 von der X-GmbH folgende Zahlungen an folgende Arbeitnehmer ausbezahlt wurden, die jeweils auch Arbeitnehmer des Klägers sind:

Name 1999 2000 2001 2002

D.F. 6.600 DM 5.192 DM 4.488 DM 2.448 EUR

G.H. 4.321 DM 4.488 DM 4.686 DM 2.880 EUR

K.L.- - 1.122 DM 2.376 EUR

J. J. 990 DM 2.270 DM- -

Summe 11.911 DM11.950 DM10.296 DM 7.704 EUR

Zur Begründung führt der Prüfer im Prüfungsbericht aus, es handele sich hier um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem der Verleiher weiterhin Arbeitgeber bleibe. Zahlungen, die aufgrund dieser Arbeitnehmerüberlassung erfolgten, seien bei den betroffenen Arbeitnehmern als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Zahlungen vom Verleiher oder vom Entleiher erfolgten. Es handele sich um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, für das der Kläger als Verleiher den Lohnsteuerabzug vornehmen müsse. Zusätzliche Direktzahlungen der X-GmbH an die Arbeitnehmer seien vom Kläger als Sachbezüge zu versteuern.

Aufgrund dieser Feststellungen rechnete das FA die pauschal versteuerten Arbeitslöhne den vom Kläger bezahlten Arbeitslöhnen der einzelnen Beschäftigten hinzu und forderte beim Kläger die darauf entfallende Lohnsteuer samt Annexsteuern in Höhe von insgesamt 13.751,12 EUR nach.

Gegen diesen Teil des Lohnsteuernachforderungsbescheids, der die Zusatzentgelte durch die X-GmbH betrifft, legte der Kläger mit Schreiben vom 10. April 2003, das am 15. April 2003 beim FA einging, Einspruch ein mit der Begründung, die Mehrarbeit bei der X-GmbH werde nicht im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung des Klägers, sondern im Rahmen eines separaten Dienstverhältnisses erbracht. In Fällen der Arbeitnehmerüberlassung sei derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahle und dies sei im vorliegenden Fall eindeutig die X-GmbH. Aufgrund der Tatsache, dass innerhalb der X-GmbH Gesellschafterbeschlüsse eine Mehrheit von 60 % der abgegebenen Stimmen erforderten, sei der Kläger mit einer Beteiligung von 40 % kein dominierender Gesellschafter. Das Weisungsrecht des Klägers als Arbeitgeber beschränke sich auf die in den Dienstverträgen vereinbarte Arbeitszeit und umfasse nicht eine darüber hinausgehende Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers. Es sei grundsätzlich jedem Arbeitnehmer freigestellt gewesen, ein zusätzliches Arbeitsverhältnis bei der X-GmbH einzugehen. Ansonsten hätte die X-GmbH zur Bewältigung des zusätzlichen Arbeitsaufkommens andere Arbeitskräfte einstellen müssen. Aus der Ausübung der Tätigkeit unter denselben organisatorischen Bedingungen könne keine Einheitlichkeit abgeleitet werden.

Dieser Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005, auf die wegen weiterer Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Mit seiner am 28. Oktober 2005 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung des Lohnsteuernachforderungsbescheids bezüglich des Teilbetrags von 13.751,12 EUR. Die X-GmbH sei ein eigenständiges Unternehmen und erledige sämtliche Aufgaben in eigenem Namen und in eigener Regie; dem Kläger oblägen keinerlei Verpflichtungen im Bereich der von der X-GmbH wahrgenommenen Aufgaben. Als Folge der Ausweitung des Geschäftsumfangs der X-GmbH hätten zur Erfüllung ihrer Aufgaben weitere Mitarbeiter gefunden werden müssen. Nachdem eine Ausweitung der Zeitkontingente der vom Landratsamt zur Verfügung gestellten Mitarbeiter nicht möglich gewesen sei, da diese auch Aufgaben für das Landratsamt zu erfüllen hatten, hätten sich einige Mitarbeiter dazu bereit erklärt, zusätzliche Arbeit zu leisten, wozu Aushilfsarbeitsverhältnisse abgeschlossen worden seien. Dem Kläger könne die Lohnsteuer der auf die Arbeitnehmer bei der X-GmbH erzielten Bezüge nicht zugerechnet werden, da die Einnahmen den Arbeitnehmern nicht im Rahmen ihres Dienstverhältnisses beim Kläger zugeflossen seien. Vielmehr handele es sich um gesonderte Beschäftigungsverhältnisse mit der rechtlich selbständigen X-GmbH, die Aufgaben wahrnehme, die nicht in die Zuständigkeit des Landkreises fallen, sondern in vielen anderen Landkreisen von privaten Entsorgungsbetrieben wahrgenommen würden. Die Bezüge der X-GmbH stünden in keinem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis beim Landkreis.

Der Kläger beantragt, den Lohnsteuernachforderungsbescheid für 1999 bis 2002 vom 20. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005 insoweit aufzuheben, als darin 12.223,49 EUR Lohnsteuer, 427,66 EUR ev. Kirchensteuer, 427,66 EUR rk. Kirchensteuer und 672,31 EUR Solidaritätszuschlag gefordert werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Neben den in der Einspruchsentscheidung vertretenen Argumenten führt der Beklagte aus, dass die Identität der Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer einerseits im Rahmen des Aushilfsarbeitsverhältnisses und andererseits im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ausgeübt hätten, steuerrechtlich zu einer einheitlichen Behandlung führen müssten.

Die Sach- und Rechtslage wurde am 24. November 2008 vor der Berichterstatterin des Senats ausführlich erörtert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom FA vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin und die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.

Kläger ist der Landkreis X, der als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts aktivlegitimiert ist.

II. Die Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid ist rechtswidrig, soweit das FA darin Lohnsteuer, ev. und rk. Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag auf den Arbeitslohn nachfordert, den die X-GmbH gemäß § 40a EStG aufgrund der zwischen ihr und den Arbeitnehmern D.F., G.H., K.L. und J. J. geschlossenen Arbeitsverträgen in den Streitjahren ausbezahlt hat. Der Kläger schuldet keine Lohnsteuer aus diesen Beschäftigungsverhältnissen, weil er insoweit nicht Arbeitgeber im Sinne der §§ 38 ff. EStG ist.

1. Der lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff ist im EStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gilt grundsätzlich der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff, der abgeleitet wird aus den in § 1 und 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) enthaltenen Begriffen Arbeitnehmer und Dienstverhältnis (siehe BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BStBl II 2004, 620, 621 m.w.N.; und vom 17. Februar 1995 VI R 41/92, BStBl II 1995, 390; siehe auch Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 4). Danach ist Arbeitgeber derjenige, zu dem eine bestimmte Person, um deren Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitnehmerverhältnis steht. Erst in der für die Streitjahre noch nicht gültigen Gesetzesfassung ab 2004 ist in Fällen von grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz der sog. abkommensrechtliche wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff zugrunde zu legen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 2004).

Im Rahmen von Dreiecksverhältnissen - wie sie z. B. bei Arbeitnehmerüberlassungen vorliegen -, sieht der BFH maßgeblich denjenigen als Arbeitgeber an, der dem Arbeitnehmer den Lohn in eigenem Namen und für eigene Rechnung (unmittelbar) auszahlt (BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BStBl II 2004, 620, 621; vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41, 43; Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 11). Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber in der auf die Streitjahre nicht anwendbaren, erst ab dem 20. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung des § 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 EStG verschärft.

2. Im Streitfall liegen zivilrechtlich zwei separate Arbeitsverhältnisse mit den jeweiligen Arbeitnehmern vor: Zum Einen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kläger und zum Anderen zwischen dem Arbeitnehmer und der X-GmbH. Diesen zivilrechtlich gültigen Verträgen ist steuerlich Rechnung zu tragen.

a) Soweit der Kläger aufgrund der Personalkostenerstattungsverträge vom 1. April 1993 bzw. vom 30. Dezember 1997 die Arbeitnehmer an die X-GmbH mit den angegebenen Zeitkontingenten zur Verfügung gestellt hat bleibt er aufgrund der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze Arbeitgeber, weil der Arbeitlohn insoweit weiterhin vom Kläger an die Arbeitnehmer ausbezahlt worden ist. Es handelt sich hierbei um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Lohnzahlung weiterhin dem Verleiher obliegt. Es liegt damit weder eine unechte (siehe ausführlich Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 9) und schon gar keine echte Lohnzahlung durch Dritte (a.a.O. Rn. 10) vor. Die X-GmbH leistete an den Kläger lediglich Kostenersatz und ist daher nicht Arbeitgeber geworden.

b) Soweit die X-GmbH jedoch in den Streitjahren in eigenem Namen und für eigene Rechnung Arbeitsverträge mit den genannten Arbeitnehmern abgeschlossen hat, ist der Kläger nicht Arbeitgeber geworden. Insoweit liegt kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vor. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erfüllt (Beschäftigung in geringem Umfang und gegen geringes Entgelt), weil der Arbeitslohn bei den einzelnen Arbeitnehmern in ihrem jeweiligen Verhältnis zur X-GmbH die Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM bzw. 325 EUR im Monat nicht überstiegen hat. Nach § 40a Abs. 2 EStG a. F. ist bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen nur der Arbeitgeber berechtigt, pauschale Lohnsteuer zu entrichten, und nur vom Arbeitgeber kann sie bei einem Verstoß gegen diese Entrichtungspflicht nachgefordert werden. In diesem Verhältnis war die X-GmbH Arbeitgeber. Sie ist ihrer Entrichtungspflicht nachgekommen.

c) Die X-GmbH ist nicht Dritter i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002. Nach dieser Vorschrift können grundsätzlich auch Zuwendungen eines Dritten Arbeitslohn sein, wenn sie Entgelt für eine Leistung sind, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines individuellen Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt. Hierzu muss jedoch ein Zusammenhang zwischen der Leistung des Dritten und dem Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber dergestalt gewahrt sein, dass die Zuwendung wirtschaftlich als Frucht der Dienstleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber betrachtet werden kann (ausführlich BFH-Urteil vom 7. August 1987 VI R 53/84, BFHE 150, 555, BStBl II 1987, 822; siehe auch Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 27. Aufl. 2008 zur Rechtslage vor 2004, § 38 Rn. 10).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass aufgrund der Personalerstattungsverträge ein Zusammenhang zwischen der Zahlung der X-GmbH an die Arbeitnehmer und deren Dienstverhältnis mit dem Kläger besteht. Aufgrund dieses Zusammenhangs können die Zahlungen der X-GmbH an die Arbeitnehmer wirtschaftlich aber nicht als Frucht derer Dienstleistungen für den Kläger betrachtet werden, denn die Zahlungen der X-GmbH beruhen auf eigenen, unmittelbaren, rechtlichen Beziehungen zwischen der X-GmbH und den Arbeitnehmern, nämlich den separat geschlossenen, zivilrechtlich wirksamen Arbeitsverträgen.

Die Arbeitnehmer haben im Rahmen dieser Arbeitsverhältnisse mit der X-GmbH unstreitig die gleiche inhaltliche Tätigkeit ausgeübt wie im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Allein aufgrund der Gleichartigkeit der Tätigkeit kann bei separaten und zivilrechtlich gültigen Arbeitsverträgen aber kein einheitliches Beschäftigungsverhältnis angenommen werden. Hierfür müsste die X-GmbH dergestalt im Lager des Klägers stehen, dass deren Lohnzahlungen dem Kläger wirtschaftlich zugerechnet werden können. Das ist vom Beklagten aber weder vorgetragen, noch aus den Umständen ersichtlich. Die Tätigkeiten innerhalb der jeweiligen Arbeitsverhältnisse waren entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung abgrenzbar und tatsächlich so ausgestaltet, dass sie eindeutig dem jeweiligen zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zugerechnet werden konnten. Die Tätigkeiten im Rahmen der Aushilfsarbeitsverhältnisse erfolgten nachweislich der Zeitaufschriebe außerhalb der Rahmenarbeitszeit der Vollzeitarbeitsverhältnisse ganz überwiegend abends und an den Wochenenden. Nach den Richtlinien über die gleitende Arbeitszeit für die Bediensteten des Landsratsamtes X bedurften Arbeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit sowie an Samstagen und Sonntagen der Genehmigung der Fachbereichsleitung bzw. des Fachbereichs Personal (Punkt 8.7 bzw. 9.10, Bl. 51 ff der FG-Akten). Diese Genehmigungen wurden jeweils nicht eingeholt, weil eben diese Arbeiten im Rahmen eines anderes Arbeitsverhältnisses erfolgt sind. Entgegen der Ansicht des Beklagten war der Kläger hinsichtlich dieser Arbeiten auch nicht weisungsbefugt, sondern allein die X-GmbH. Folgerichtig hat der Kläger als Arbeitgeber der Vollzeitarbeitsverträge die Tätigkeit im Rahmen der Aushilfsarbeitsverhältnisse als Nebentätigkeit genehmigt.

Der Kläger und die X-GmbH sind keine verbundenen Unternehmen i. S. d. § 15 Aktiengesetz (AktG), die eine wirtschaftliche Zurechnung evtl. rechtfertigen könnten. Der Kläger ist an der X-GmbH lediglich zu 40 % beteiligt, so dass keine Mehrheitsbeteiligung gemäß § 16 Abs. 1 AktG vorliegt. Es sind auch keine Umstände vorgetragen oder erkennbar, die auf einen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss des Klägers auf die X-GmbH im Sinne des § 17 AktG schließen lassen, denn nach dem Gesellschaftsvertrag bedürfen Gesellschafterbeschlüsse einer Mehrheit von 60 % aller Stimmen. Der Kläger verfügt aber nur über 40% Stimmanteil. Damit wäre nicht einmal nach der deutlich verschärften Lohnsteuerabzugspflicht in der auf die Streitjahre nicht anwendbaren, erst ab dem 20. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung des § 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 EStG eine Arbeitgebereigenschaft des Klägers gegeben. Das gilt erst recht für die geringere Anforderungen an die Arbeitgebereigenschaft stellende Gesetzesfassung, die in den Streitjahren anzuwenden ist.

d) Es liegt auch kein verdecktes Arbeitsverhältnis vor. Dieses ist nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Dritter in Erfüllung der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers - ohne selbst Arbeitgeber zu werden - den Arbeitslohn an den Arbeitnehmer ausbezahlt (grundlegend BFH-Urteil vom 1. April 1999 VII R 51/98, BFH/NV 2000, 46). Im Streitfall ist die X-GmbH nicht lediglich Zahlstelle, sondern Vertragspartner eines zivilrechtlich gültigen Arbeitsverhältnisses zwischen der X-GmbH und den Arbeitnehmern. Ein verdecktes Arbeitsverhältnis scheidet daher aus.

III. Der Beklagte trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Sinn und Zweck der Vollstreckbarkeit von Kostenentscheidungen ist es, den siegreichen Beteiligten vor kostenmäßiger Benachteiligung für die Dauer des Revisionsverfahrens zu schützen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 248/69, BFHE 101, 478, BStBl II 1971, 426). Davon ausgehend ist § 708 Nr. 10 ZPO "sinngemäß" auf Urteile des Finanzgerichts anwendbar, da auch gegen Urteile des Finanzgerichts nur die Revision statthaft ist (§ 115 FGO). Insoweit sind die Urteile der Finanzgerichte den Berufungsurteilen der Land- und Oberlandesgerichte vergleichbar (siehe auch FG Nürnberg, Urteil vom 1. April 2008 IV 278/2005, EFG 2009, 611; FG München, Urteil vom 20. Januar 2005 3 K 4519/01, EFG 2005, 969; FG Hamburg, Urteil vom 29. November 2004 III 493/01, EFG 2005, 1434). Das Interesse des Beklagten ist unabhängig von der Anwendung der alten oder neuen Version des § 708 Nr. 10 ZPO dadurch gewahrt, dass er aufgrund der sinngemäßen Anwendung des § 711 Satz 1 ZPO durch einfache Erklärung die Vollstreckung abwenden darf. Einer Sicherheitsleistung oder Hinterlegung bedarf es nicht, wenn nicht der Kostengläubiger (Kläger) vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Insoweit folgt der Senat der Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 26. Februar 1991 4 K 23/90 (EFG 1991, 338), auf das wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird.






FG Baden-Württemberg:
Urteil v. 08.03.2010
Az: 6 K 68/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/202f22bf87b3/FG-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_8-Maerz-2010_Az_6-K-68-07




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