Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2011
Aktenzeichen: 9 W (pat) 1/11

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2011, Az.: 9 W (pat) 1/11)

Tenor

Der Beschluss der Patentabteilung 14 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. Oktober 2010 ist unwirksam.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Gegen das Patent 10 2008 010 372 mit der Bezeichnung "Fahrzeugsitz mit einem Bediensystem", dessen Erteilung am 2. April 2009 veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende am 30. Juni 2009 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben, worauf das Patent mit Beschluss der Patentabteilung vom 8. Oktober 2010 in vollem Umfang aufrechterhalten worden ist.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Einsprechende mit ihrer Beschwerde.

Mit Bescheid vom 24. März 2011 sind die Beteiligten auf den Umstand hingewiesen und zur Stellungnahme hierzu aufgefordert, dass der Originalbeschluss der Patentabteilung in der Amtsakte nur zwei der drei erforderlichen Unterschriften der an der Beschlussfassung beteiligten Mitglieder trage. Hierauf hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 geantwortet mit dem Antrag, bei einer Zurückverweisung an das Deutsche Patentund Markenamt die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Der Vertreter der Patentinhaberin hat am 5. Mai 2011 gegenüber dem rechtskundigen Mitglied des Senats telefonisch erklärt, sie verzichte auf eine Stellungnahme.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die in zulässiger Weise erhobene Beschwerde führt zu der Feststellung, dass der angefochtene "Beschluss" unwirksam ist. Seine Unwirksamkeit ist darin begründet, dass er nicht von allen ihn erlassenden Mitgliedern der Patentabteilung unterschrieben worden ist.

1. Beschlüsse der Prüfungsabteilung sind nach §§ 59 Abs. 4, 47 Abs. 1 S.1 PatG schriftlich auszufertigen und den Beteiligten zuzustellen. Auch wenn es in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt ist, gehört zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses die Unterschrift der an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträger, ansonsten handelt es sich lediglich um einem Entwurf (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., 2008, § 47 Rn. 9; Schäfers in: Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 47 Rdn. 5).

2.

Im vorliegenden Fall erfüllt der angefochtene "Beschluss" dieses Erfordernis nicht. Vielmehr trägt er am Ende lediglich zwei der Unterschriften der drei Mitglieder, die an der Entscheidung mitgewirkt haben. Das Unterschriftsfeld über dem Namen des dritten Mitgliedes ist leer. Die fehlende Unterschrift des dritten Mitgliedes ist auch nicht durch einen Verhinderungsvermerk und die Unterschrift des Vorsitzenden der Patentabteilung ersetzt worden, was zur Folge hat, dass es sich hier wie bei einem paraphierten Schriftstück lediglich um einen Beschlussentwurf handelt (vgl. BPatG Bl.f.PMZ 2006, 415 -Paraphe -; vgl. für das zivilprozessuale Beschlussverfahren Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 329 Rn. 9 f. m. w. N.). Weil hier der Beschluss im schriftlichen Verfahren zustande kommen sollte und somit nicht schon vor seiner schriftlichen Herausgabe im Wege der Verkündung existent und wirksam werden konnte, ist überhaupt kein wirksamer Beschluss vorhanden. Allerdings steht dies der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Denn mit der Ausfertigung und Zustellung an die Beteiligten ist mindestens der äußere Anschein eines dem Patentamt zurechenbaren Aktes entstanden. Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, ist es schon deshalb geboten, in einem solchen Fall den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die auf diese Weise in Erscheinung getretene Entscheidung zu beseitigen (BGH NJW 2005, 3775; BVerfG NJW 1985, 788).

3.

Die fehlende Unterschrift kann auch nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prüfung im laufenden Beschwerdeverfahren zugänglicher Beschluss zustande kommen würde. Es ist bereits umstritten, ob dies überhaupt zulässig ist. Denn da die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich ist (vgl. BGH NJW 1998, 609 f.; Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 329 Rn. 4), müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut zugestellt werden, und er würde eine neue Beschwerdefrist in Kraft setzen (vgl. BPatGE 41, 44 f.; Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.; a. A. Busse, a. a. O., § 47 Rn. 33). Die vorliegende Beschwerde würde sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen "Beschluss" richten und wäre nicht anders zu beurteilen.

Hierauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an. Denn selbst unter Anwendung der Vorschriften der ZPO (§§ 315, 517, 548) ist eine Nachholung der Unterschrift ausgeschlossen, wenn seit der Verkündung oder Zustellung fünf Monate verstrichen sind (vgl. BGH NJW 2006, 1881; Baumbach/Lauterbach a. a. O., § 315 Rdn. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 315 Rdn. 2 m. w. N.) was hier zutrifft: der "Beschluss" ist den Beteiligten am 3. bzw. 4. November 2010 zugestellt worden.

4.

Somit bleibt es dabei, dass der angefochtene "Beschluss" der Prüfungsstelle unwirksam ist. Diese Rechtsfolge muss auf die Beschwerde der Antragstellerin ausdrücklich festgestellt werden, um auf diese Weise den durch die Zustellung entstandenen äußeren Anschein eines wirksamen Beschlusses zu beseitigen (siehe auch Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.).

Die Patentabteilung wird nunmehr über das Patent zu entscheiden haben.

5.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen.

Pontzen Bork Bülskämper Paetzold Ko






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2011
Az: 9 W (pat) 1/11


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