Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 16/03

(BPatG: Beschluss v. 06.08.2003, Az.: 28 W (pat) 16/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts -Markenstelle für Klasse 29 - vom 29. Oktober 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Getreidepräparate; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 145 818 die Löschung der angegriffenen Marke 394 04 560 angeordnet.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen und am 15. Mai 1995 veröffentlicht wurde unter der Rollennummer 394 04 560 die Marke BOSS als Kennzeichnung für die Waren:

Biere; Eier, Essig, Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild; Fleischextrakte; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Gallerten (Gellees), Konfitüre, Fruchtsoßen; Gewürze; Hefe, Backpulver; Honig, Melassesirup; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Salz, Senf; Schokolade und Schokoladenwaren; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Speiseöle und -fette; Zuckerwaren; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); frisches Obst und Gemüse; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; land- garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner (soweit in Klasse 31 enthalten); lebende Pflanzen und natürliche Blumen.

Hiergegen hat die Inhaberin der seit dem 7. September 1989 eingetragenen Marke 1 145 818 Buss Widerspruch erhoben. Diese Marke ist unter anderem für folgende Waren eingetragen:

Fleisch-, Wurst-, Gemüse-, Obst- und Suppenkonserven, auch als Tiefkühlkost; Wurst-, Fleisch-, Geflügel- und Gemüsesalate; Ragouts und Fertiggerichte in konservierter Form, im wesentlichen bestehend aus einem Fleischanteil und mit einer Gemüse-, Kartoffel-, Reis- oder Nudelbeilage; Geflügelerzeugnisse, nämlich verarbeitetes Geflügel in essfertig zubereiteter Form, als Geflügelwurst oder -aspik; Fleisch-, Frucht- und Gemüsegallerten; Fleisch- und Fleischbrühextrakte; Suppenbrühextrakte; Fertigsuppen in konservierter Form; auf pflanzlicher Basis hergestellte verzehrfertige Mischungen, Fertiggerichte und Brotaufstriche, im wesentlichen bestehend aus Gemüse und/oder zubereitetem Obst und/oder Reis und/oder Pflanzeneiweiß und/oder Kartoffeln und/oder Hefeextrakten und/oder Getreide und/oder Stärkeprodukten und/oder Nusskernen; Teigwaren (Nudeln), Fleisch- und Wurstwaren Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn sie hält die Worte "Boss" und "Buss" auch bei identischen Waren für klanglich ausreichend unterschiedlich. Zusammen mit der Entscheidung vom 29. Oktober 2002 hat sie der Widersprechenden einen nahezu 6 Jahre alten Schriftsatz der Markeninhaberin (vom 16. Dezember 1996) zugestellt. Dieser Schriftsatz enthält ein Teilanerkenntnis der Benutzung. Die Entscheidung über die bestrittene Benutzung konnte angesichts der Verneinung der Verwechslungsgefahr dahingestellt bleiben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, denn nach ihrer Ansicht sind die Klangunterschiede von "u" und "o" kaum wahrnehmbar.

Die Markeninhaberin hingegen hält die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend und erhebt erneut die Einrede der Nichtbenutzung.

Sie hatte zunächst im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, nach Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und Benutzungsunterlagen die Benutzung anerkannt für "Fertiggerichte in konservierter Form, im wesentlichen bestehend aus einem Fleischanteil und mit einer Gemüse-, Kartoffel-, Reis oder Nudelbeilage; Fertigsuppen in konservierter Form". Im Beschwerdeverfahren wurde die Benutzung erneut "im vollen Umfange" in Abrede gestellt. Diese Einrede hält die Widersprechende für verspätet vorgetragen, legt aber gleichwohl eine neue eidesstattliche Versicherung mit Verwendungsbeispielen der Marke vor. Danach wird die Benutzung der Marke von 1993 bis 2002 für "Fertiggerichte in Konservenform" mit einem Jahres-Umsatz zwischen ... und ... ... Dosen im Jahr versichert (der größte Anteil hiervon in der Bundesrepu- blik). Eine derartige Benutzung gesteht die Markeninhaberin inzident mit ihrem letzten Schriftsatz vom 30. Juli 2003 zu.

An der mündlichen Verhandlung hat keine der Parteien teilgenommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache zum Teil Erfolg. Die Widerspruchsmarke ist zumindest für die ursprünglich von der Markeninhaberin anerkannten Produkte benutzt, diese unterfallen entweder den im Beschlusstenor genannten Waren, oder weisen eine derart große Nähe zu ihnen auf, dass die jüngere Marke wegen der geringen Abweichung in nur einem Buchstaben in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke eingreift. Insoweit besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. I. Durch die Zustellung des Schriftsatzes der Markeninhaberin nahezu sechs Jahre nach dessen Eingang und insbesondere nach Erlass der Entscheidung hat die Markenstelle den Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör verletzt (§ 103 Abs I GG und § 59 Abs 2 MarkenG). Dies gilt umso schwerer, als die Widersprechende im Verfahren unterlegen ist, ihr also die Möglichkeit genommen wurde, durch entsprechende Sach- und Rechtsausführungen Stellung zu den Ausführungen der Markeninhaberin zu nehmen. Gründe für die Einbehaltung des Schriftsatzes sind nicht ersichtlich. Die Markenstelle hat gegen den Grundsatz verstoßen, wonach Schriftsätze Verfahrensbeteiligter vor der Entscheidung den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu bringen sind. Nur dies gewährleistet, dass der Anspruch der Beteiligten auf ein offenes und faires Verfahren eingehalten wird. Das Marken - Widerspruchsverfahren ist ein echtes Streitverfahren, das neben dem Amtsermittlungsgrundsatz von der Verhandlungsmaxime und der Dispositionsfreiheit der Parteien bestimmt ist (vgl BGH, WRP 1998, 996 - Sanopharm, GRUR 1998, 938 - DRAGON). Die am Verfahren Beteiligten können diese Rechte aber nur wahrnehmen, wenn sie von den Äußerungen, Anträgen und Ausführungen der Gegenpartei auch Kenntnis haben. Diese Verpflichtung zur Weitergabe von Schriftsätzen, die in jedem anderen Streitverfahren eine Selbstverständlichkeit ist, mag ihre Grenze dort finden, wo es sich um bloße Rechtsausführungen und Wiederholungen handelt, die dem Gegner zB durch vorangegangene Schriftsätze bekannt sind und die Entscheidung unmittelbar bevorsteht. Das Behalten eines Schriftsatzes, der neben dem Teil- Anerkenntnis der Benutzung das Bestreiten der übrigen Benutzung beinhaltet, ist durch nichts gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn der Schriftsatz für die Entscheidung nicht von Bedeutung ist, zB weil wie hier eine Verwechslungsgefahr auch bei unterstellter Benutzung verneint wurde. Einzig die unverzügliche Weitergabe derartiger für das Verfahren (auch nur möglicherweise) bedeutsamer Erklärungen an den Gegner eröffnet der Markenstelle den vollen Entscheidungsspielraum, andernfalls könnte der Anschein einer am bisherigen Verfahrensablauf orientierten "verfahrensökonomischen" Entscheidung entstehen.

II. Für die Entscheidung kann dahinstehen, ob die Markeninhaberin trotz der Teilanerkennung der Benutzung erneut die Nichtbenutzungseinrede erheben konnte ("verspätet" und deshalb zurückzuweisen ist sie schon deshalb nicht, weil sich die Widersprechende dazu geäußert hat), denn die Benutzung ist für beide Zeiträume des § 43 Abs 1 MarkenG ausreichend belegt. Die vorgelegten Umsatzzahlen lassen keine Zweifel an einer ernsthaften wirtschaftlichen Verwendung der Marke im Verkehr aufkommen. Zweifelhaft ist lediglich, ob die nunmehr von der Markeninhaberin erneut nicht in Abrede gestellte Benutzung von "Fertiggerichten in Konservenform" neben den im Warenverzeichnis der Widersprechenden ausdrücklich genannten "Fertiggerichten in konservierter Form..." und "Fertigsuppen in konservierter Form" auch die Oberbegriffe "Fleischwaren" oder "Getreidepräparate" erfassen. Das wird dann zu bejahen sein, wenn die Fertiggerichte nach Auffassung der allgemeinen Verkehrskreise zum "gleichen" Bereich gehören (vgl BGH, GRUR 19990, 39 - TAURUS), wofür zB bei einem "Gulaschgericht" oder einem "Nudeltopf" in Dosenform vieles spricht. Aber auch dies kann letztlich dahinstehen, denn selbst wenn man es allein bei Benutzung der "Fertiggerichte in Konservenform" belässt, so ist deren Nähe zu den nunmehr gelöschten Waren überaus groß. Fleisch, Fisch Geflügel, Wild usw, sowie Gemüse und Nudeln können Hauptbestandteil und damit wesensbestimmend für ein Fertiggericht sein. Bei einer derartigen Warennähe müssen die Marken einen deutlichen Abstand zueinander haben, was hier nicht vorliegt.

Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich, was auch für die übrigen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebenden Umstände (Durchschnittsverbraucher, Waren des täglichen Gebrauchs, durchschnittliche Aufmerksamkeit beim Kauf usw) zutrifft.

Der Abstand der Worte "Buss" und "Boss" ist vor diesem Hintergrund deutlich zu gering. Das gilt sowohl in klanglicher als auch schriftbildlicher Hinsicht. "u" und "o" sind beides dunkle Vokale, im Schriftbild sind sie insbesondere dann nicht auseinander zu halten, wenn das "o" - wie häufig - oben nicht geschlossen geschrieben wird. Auch wenn man das Wort "Boss" kennt und es sich leicht merken kann, so reicht dies allein bei der Fülle der übrigen Gemeinsamkeiten nicht mehr aus um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, zumal es auch an einem ohne weiteres erkennbaren Bedeutungsgehalt fehlt, da beide Markenwörter in keinerlei Sinnbezug zu den Waren stehen.

In Hinblick auf die übrigen Waren ist der Schutzbereich der älteren Marke nicht tangiert, denn sie liegen im allenfalls mittleren Warenähnlichkeitsbereich.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Na






BPatG:
Beschluss v. 06.08.2003
Az: 28 W (pat) 16/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1fbdafbd5792/BPatG_Beschluss_vom_6-August-2003_Az_28-W-pat-16-03


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft


service@admody.com

0511 60 49 81 27 ☏

Kontaktformular ✎

Rückrufbitte ✆

Admody RAe AG
Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland

www.admody.com ▸





Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



 



§
Justitia

Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Wettbewerbsrecht
  • Markenrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht



Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share









Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft






Jetzt Kontakt aufnehmen:


service@admody.com

☏ 0511 60 49 81 27

✎ Kontaktformular

✆ Rückrufbitte





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [BPatG: Beschluss v. 06.08.2003, Az.: 28 W (pat) 16/03] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

29.03.2024 - 02:39 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
LG Köln, Urteil vom 14. März 2013, Az.: 14 O 320/12BPatG, Beschluss vom 25. März 2004, Az.: 5 W (pat) 420/03BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2001, Az.: 28 W (pat) 112/00BPatG, Beschluss vom 26. Februar 2003, Az.: 32 W (pat) 176/01OLG München, Beschluss vom 6. Oktober 2010, Az.: 31 Wx 143/10Hessischer VGH, Urteil vom 16. März 1993, Az.: 11 UE 295/92BPatG, Beschluss vom 22. Februar 2010, Az.: 30 W (pat) 4/08BGH, Urteil vom 3. November 2014, Az.: AnwSt (R) 5/14OLG Hamburg, Beschluss vom 22. April 2005, Az.: 8 W 62/05OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9. März 2005, Az.: 2 Ws 15/05