Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Januar 2007
Aktenzeichen: 32 W (pat) 129/05

(BPatG: Beschluss v. 31.01.2007, Az.: 32 W (pat) 129/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 8. September 2004 für die Waren

"Schokolade, Pralinen, Marzipan, Zuckerwaren, Bonbons, Gummisüßwaren, Schaumzuckerwaren, Lakritz, nicht für medizinische Zwecke, Back- und Konditorwaren, Nüsse in Schokoladenhülle und dragiert, Rosinen in Schokoladenhülle"

angemeldete Wortmarkefruit'n mintist von der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts nach vorangegangener Beanstandung mit zwei Beschlüssen vom 10. März 2005 und vom 19. September 2005, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, unter Hinweis auf die vom EuGH verlangte strenge und vollständige Prüfung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Der Ausdruck "fruit'n mint" bedeute zu deutsch "Frucht und Minze" und werde von beachtlichen Teilen des Verkehrs auch so verstanden. Die Verbindung der Worte durch "'n" anstelle eines "und" oder "and" sei dem Verkehr geläufig. "fruit'n mint" oder "Frucht und Minze" seien Angaben über die stoffliche Beschaffenheit und die Geschmacksrichtung der unter der Bezeichnung angebotenen Schokoladewaren, Bonbons, Lakritze und der übrigen beanspruchten Waren.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Bezeichnung "fruit'n mint" stelle für die beanspruchten Waren keine übliche Art und Weise der Bezeichnung dieser Waren oder ihrer Merkmale dar. Dies ergebe sich aus einer von der Anmelderin durchgeführten Recherche in der Suchmaschine Google, wonach es zu der Bezeichnung keinen Treffer gebe. Hinzu komme, dass Dritte die Bestandteile "fruit" und "mint" weiterhin verwenden könnten. Auch wenn dem Verbraucher die Bedeutung der beiden Wörter bekannt sein dürfte, seien die Einzelwörter "fruit" und "mint" in der Zusammensetzung mit "'n" eine ungewöhnliche Verbindung und kein bekannter Ausdruck der deutschen Sprache. In ihrer Gesamtheit könne die Bezeichnung nicht als beschreibend angesehen werden. Zur Begründung ihres Eintragungsbegehrens stützt sich die Anmelderin weiterhin auf die Eintragungspraxis des HABM und des Deutschen Patent- und Markenamts bei vergleichbaren Marken, wie z. B. der EU-Marke "Fit'n Fresh".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet, weil der als Marke angemeldeten Bezeichnung - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Markenstelle - für sämtliche beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517, Nr. 40 - Linde, Winward und Rado; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH, a. a. O., - Cityservice; GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006).

Was die Anforderungen an die Prüfung der Unterscheidungskraft anbelangt, geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. z. B. 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257, 258 - Bürogebäude). Diese Formulierungen sind weitgehend der amtlichen Begründung zum Markengesetz entnommen (vgl. BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64), die sich ihrerseits darauf beruft, dass das europäische Recht, insbesondere die Markenrechts-Richtlinie, eine solche Auslegung fordere. Das trifft jedoch so nicht zu. Der Satz, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, findet sich weder im Wortlaut der Markenrechts-Richtlinie noch in der für deren Auslegung maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Auffassung geht vielmehr auf eine entsprechende Meinung im deutschen Schrifttum zurück (s. dazu ausführlich Hacker GRUR 2001, 630, 631 f.). Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 604, 608 Nr. 59 - Libertel; GRUR 2004, 674, 680 Nr. 123 - Postkantoor). Dies weist eher in Richtung eines weniger großzügigen Prüfungsmaßstabes (vgl. BPatG GRUR 2006, 946, 947 - Taschenlampen II).

Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil der Beschwerde auch bei Anlegung des vom Bundesgerichtshofs geforderten großzügigen Maßstabes der Erfolg versagt bleiben muss. Die Bezeichnung "fruit'n mint" stellt eine englischsprachige Wortfolge dar. Die von den Waren angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise werden die zum Grundwortschatz dieser Sprache gehörende Wortfolge ohne weiteres in dem von der Markenstelle aufgezeigten Sinn - Frucht und Minze - verstehen. Einem entsprechendem Verständnis steht der mittlere Bestandteil "'n" - entgegen der Auffassung der Anmelderin - nicht entgegen, da dieser Bestandteil dem Verkehr als Abkürzung für "and" (= und) geläufig ist (vgl. BPatG 28 W (pat) 153/01 - Crisp'n fresh; 32 W (pat) 341/03 MarkenR 2006, 37 - Choco 'n' Cream). In der letztgenannten Entscheidung hat der Senat dies u. a. mit der Bekanntheit der Wortbildung "Rock 'n' Roll" begründet.

Für sämtliche beanspruchten Waren beschreibt die Bezeichnung "fruit'n mint" in ihrer Gesamtheit deren Geschmacksrichtung, da die Waren ausnahmslos nach Frucht und Minze schmecken können.

Ob der angemeldeten Wortfolge für die beanspruchten Waren zusätzlich auch das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

Aus der Schutzgewährung für andere, vermeintlich ähnliche deutsche, ausländische oder europäische Marken vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Registrierung abzuleiten. Die deutsche Rechtsprechung geht von jeher davon aus, dass Voreintragungen - selbst identischer Marken - weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben (vgl. z. B BGH BlPMZ 1998, 248 - Today; BPatGE 32, 5 - CREATION GROSS). Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (Markenrichtlinie, GMV) gilt nichts Abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. z. B. GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR2004, 428, Nr. 63 - Henkel). Eintragungen von Marken in das Gemeinschaftsmarkenregister oder in das Register einzelner Staaten können zwar Beachtung finden, führen aber nicht zu einer rechtlichen Bindung der nationalen Markenämter.






BPatG:
Beschluss v. 31.01.2007
Az: 32 W (pat) 129/05


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