Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Mai 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 356/03

(BPatG: Beschluss v. 26.05.2004, Az.: 28 W (pat) 356/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 12 - vom 27. August 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke CTM 19 292 72 auch für die Waren "Fußsäcke (nicht elektrisch beheizt); Lätzchen" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke 302 46 628 angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 302 46 628 die Marke MINI STAR als Kennzeichnung für die Waren:

12: Tragbare Kindersitze, insbesondere tragbare Kindersitze zum Anschluss an einen Kinderwagen oder Buggy; Kinderwagen, Kindersportwagen, insbesondere zusammenfaltbare Kindersportwagen; Buggys;

18: Kindertragetaschen, Kindertragegestelle, Babytragen, Baby-Zubehörtaschen, Sonnenschirme für Kinderwagen;

20: Kinderbetten, insbesondere Kinderreisebetten, Laufställe, Lauflernhilfen, Babyschaukeln, Hochstühle, Tischsitze, Wippen, Wickeltische, Wiegen, Schlafsäcke für Babys und Kleinkinder; 21: Babyflaschen;

24: Krabbeldecken;

25: Fußsäcke (nicht elektrisch beheizt); Lätzchen;

28: Rasseln, Miniaturausführungen von Kindersportwagen, insbesondere zusammenfaltbaren Kindersportwagen sowie Sonnenschirme dafür, Tragetaschen, Tragegestellen, Fußsäcken, Schaukeln, Hochstühlen, Wippen, Wiegen, Betten, Reisebetten und Schlafsäcken, jeweils als Spielzeug; Spielzeugpuppen.

Die Inhaberin der rangälteren Gemeinschafts - Marke CTM 19 292 72 mini starshat hiergegen Widerspruch erhoben. Diese Marke ist eingetragen für Kl 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Kl 35: Dienstleistungen eines Einzelhandels.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn zwischen den jeweiligen Waren und Dienstleistungen bestehe keine oder eine nur ganz entfernte Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinn. Wegen der eher unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reiche der Abstand der Marken zueinander deshalb aus.

Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, alle Produkte seien für die gleiche Zielgruppe gedacht und es gebe Berührungspunkte beim Vertrieb und bei den Angebots- und Präsentationsformen. Auch sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke normal, denn die Marke habe die Bedeutung "kleine Sterne" und sei für die Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend.

Die Widersprechende hat keinen Sachantrag und insbesondere keinen Hilfsantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Fall ihres Unterliegens gestellt.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 165 Abs 4, 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat nur in geringem Umfang Erfolg. Nur bei den identischen Waren besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG; bei dem Großteil der Waren ist der Widerspruch zu Recht zurückgewiesen worden.

Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung der Faktoren Warenidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Art und Weise, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st Rspr zuletzt BGH, MarkenR 2004, 189 - Telekom).

Bei der Streitsache sind die Marken klanglich und auch schriftbildlich nahezu übereinstimmend, dh zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr dürfen die Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich sein oder es muss ein nur unterdurchschnittlicher Schutzumfang der angreifenden Marke vorliegen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bedeutet "mini stars" in bezug auf Kinderbekleidung, Kinderschuhe nichts anderes, als dass damit die Zielgruppe der Verwender, nämlich die "kleinen Stars" gemeint sind. Mit dem Begriff "mini stars" ließe sich auch ohne weiteres die Kinderabteilung in einem Kaufhaus benennen, ohne dass befürchtet werden müsste, die Kunden würden darin keinen beschreibenden Hinweis sehen. Jede andere Begriffsdeutung etwa im Sinn von "kleine Sterne" ist bei Kinderwaren fernliegend. Die Marke ist somit deutlich an eine beschreibende (Bestimmungs) Angabe angelehnt.

Angesichts dieser nur geringen Kennzeichnungskraft und des daraus folgernden eingeschränkten Schutzumfangs wird die ältere Marke nur dort von der jüngeren Marke unzulässig tangiert, wo sich identische Waren gegenüberstehen. Anders als die Markenstelle meint, ist dies bei den "Fußsäcken" und Lätzchen" der Fall. Die Widersprechende hat für ihre Marke die gesamte Warenklasse 25 geschützt. Ausweislich der "Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen, Klassifikation von Nizza" (8. Ausgabe) unterfallen die Lätzchen und Fußsäcke der Warenklasse 25 (wobei offen bleiben kann, ob man die Fußsäcke den Schuhen oder der Bekleidung zurechnet), womit wegen der (fiktiven) Vollständigkeit der Klasseneinteilung von einer Warenidentität auszugehen ist. Bei diesen beiden Waren ist demnach eine Verwechslungsgefahr der nahezu identischen Marken zu bejahen.

Anders ist dies jedoch bei den übrigen Waren. Hier gibt es, wie die Markenstelle zu Recht ausführt, derart wenig Verbindungen und Berührungspunkte, dass kaum mehr von einer Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinn gesprochen werden kann. Zwar kann es sich bei allen Waren um solche für Babys und Kinder handeln, was aber auch in Anbetracht dessen, dass sämtliche Waren in der gleichen Fachabteilung eines Warenhauses angeboten werden können, für die Bejahung einer Warenähnlichkeit nicht ausreichend ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Verbraucher - bei einer identischen Kennzeichnung - von einer wirtschaftlichen Verknüpfung der jeweiligen Hersteller ausgeht. Die hierzu notwendigen Anhaltspunkte, sind aber weder dem Gericht von Amts wegen bekannt, noch sind sie von der Widersprechenden vorgetragen worden. Der Gedanke an eine warenübergreifende Produktverantwortung der Hersteller liegt nahe, wenn es bereits mehrere Hersteller gibt, die beide der miteinander zu vergleichenden Waren produzieren, oder wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie miteinander verwendet werden können oder müssen. Dann kann der Verbraucher mit einer gemeinsamen Produktverantwortung rechnen und er wird bei einer gleichen Kennzeichnung auch von der Kontrolle ein und desselben Unternehmers ausgehen. Im vorliegenden Fall liegt keine Ergänzung der Waren in dem Sinn vor, dass sie voneinander abhängig wären, die eine Ware also der anderen bedarf. Es ist auch nicht bekannt, dass Hersteller zB von Kinderwagen oder Wippen auch Babykleidung oder Schuhe produzieren. Die Waren decken vielmehr unterschiedliche und voneinander unabhängige Bedarfsbereiche ab, so dass kaum etwas für eine Verknüpfung der Hersteller im Sinn einer Kontrollfunktion spricht. Bei diesen Waren ist eine Ähnlichkeit allenfalls in einem sehr geringen Bereich gegeben, was angesichts der Kennzeichnungsschwäche beider Marken für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr nicht ausreicht.

Was die "Dienstleistungen des Einzelhandels" der Widerspruchsmarke betrifft, so können diese - soweit es sich dabei überhaupt um eine selbständige Dienstleistung mit eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung handeln sollte, vgl hierzu Vorlagebeschluss BPatG, MarkenR 2003, 71 - als eine für den Vertrieb und Verkauf für alle Waren notwendige Dienstleistung eine Verwechslungsgefahr in bezug auf die jeweiligen Waren nicht begründen.

Die Beschwerde ist damit überwiegend ohne Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG.

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BPatG:
Beschluss v. 26.05.2004
Az: 28 W (pat) 356/03


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