Hessisches Landessozialgericht:
Urteil vom 27. März 1996
Aktenzeichen: L 7 Ka 1052/94

(Hessisches LSG: Urteil v. 27.03.1996, Az.: L 7 Ka 1052/94)

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil desSozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 1994 wird mitder Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, denKlägern weitere 2.234,91 DM an außergerichtlichen Kosten zuerstatten.

II. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kostendes Rechtsstreits zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der außergerichtlichen Kostenerstattung.

Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1993 den Widersprüchen der Kläger gegen die Bescheide vom 24. Juni 1992, 2. September 1992, 25. November 1992, 27. Januar 1993, 10. Februar 1993 ab. In diesen Widersprüchen hatten die Kläger geltend gemacht, ein vor dem 15. Mai 1992 erworbenes MR-Gerät gelte gemäß § 85 Abs. 2 a Sozialgesetzbuch € 5. Buch (SGB V) bis spätestens 31. Dezember 1998 trotz fehlender Standortgenehmigung als abgestimmt. Mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.06.1992 legten die Prozeßbevollmächtigten eine von allen Klägern unterschriebene Vollmacht und mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 1992 eine mit der Unterschrift von € und dem Stempel der Gemeinschaftspraxis versehene Vollmacht vor.

Die Kläger beantragten über ihre Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Juli 1993 bei der Beklagten die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären.

Mit Schreiben vom 16. August 1993 erklärte sich die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten bereit und teilte mit Schreiben vom 4. November 1993 einen Gegenstandswert für den Bereich der Primärkassen in Höhe von 216.048,92 DM und für den Bereich der Ersatzkassen in Höhe von 150.192,19 DM mit. Die Prozeßbevollmächtigten der Kläger erstellten daraufhin unter dem Datum vom 8. November 1993 folgende Kostennote:

GegenstandswertBetrag10,00/10 Geschäftsgebührgemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO,366.241,11 DM3.239,00 DM6,00/10 Erhöhungsgebühr, gemäß § 6 BRAGO366.241,11 DM1.943,40 DMZwischensumme5.182,40 DMAuslagen (pauschal), gemäß § 26 BRAGO40,00 DMGebühren und Auslagen (netto)5.222,40 DM15 % Mehrwertsteuer, gemäß § 25 BRAGO783,36 DMGebühren und Auslagen (brutto)6.005,76 DMEndbetrag der Rechnung6.005,76 DMDie Beklagte teilte den Klägern mit Bescheid vom 19. November 1993 mit, sie sei bereit, einen Betrag von 3.770,85 DM zu erstatten. Ein höherer Betrag könne nicht erstattet werden. Eine Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) sei vorliegend nicht angefallen, da die Kläger als Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis aufgetreten seien. Dabei verwies die Beklagte auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Hamburg im Beschluß vom 19. März 1993 € S-3 Ka 53/88 € sowie des Sozialgerichts Dortmund im Beschluß vom 27. Mai 1993 € S-22/Ka-248/92 €. Diesen Betrag überwies die Beklagte an die Prozeßbevollmächtigten der Kläger.

Dagegen haben die Kläger Widerspruch erhoben, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 1994 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, im Falle einer Gemeinschaftspraxis sei gebührenrechtlich nicht mehr als ein Auftraggeber erkennbar. Zwar seien Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis im Innenverhältnis regelmäßig in Form einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) organisiert. Dies sei vorliegend jedoch ohne Bedeutung. Die Charakterisierung der Mitglieder einer BGB-Gesellschaft als mehrere Auftraggeber im Gebührenrecht entspringe der fehlenden Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft. Diese Gesellschaft könne grundsätzlich nicht unter eigenem Namen klagen und verklagt werden. Vielmehr müßten jeweils alle Gesellschafter klagen und verklagt werden. Grundsätzlich anders sei es jedoch in den Fällen, in denen trotz fehlender Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ihr eine Beteiligtenfähigkeit im Verwaltungsverfahren eingeräumt werde, wie es in den §§ 10 Nr. 2, 12 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) geschehen sei. Die Gemeinschaftspraxis, deren vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam ausgeübt werde (§ 33 Abs. 2 Zulassungsverordnung-Ärzte) trete ihr gegenüber als Einheit auf. Die Gemeinschaftspraxis rechne alle Fälle gemeinschaftlich ab und werde insoweit auch als Einheit der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit unterzogen.

Gegen den am 21. März 1994 zugestellten Widerspruchsbescheid haben die Kläger am 15. April 1994 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, als BGB-Gesellschaft seien sie prozeßunfähig. Ein Prozeß dieser Gesellschaft könne stets nur ein Prozeß aller Gesellschafter sein. Auch ein Wechsel der Gesellschafter führe regelmäßig zu einer Klageänderung. Der Hinweis der Beklagten auf die Beteiligtenfähigkeit gehe fehl. Gerade nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB X sei auch eine BGB-Gesellschaft verhandlungsunfähig, wenn nur ein Gesellschafter verhandele. Der Grundsatz der Einheit werde im Zulassungsrecht durchbrochen, wenn es um die Zuordnung und Abrechenbarkeit einzelner Leistungen gehe. Die Erhöhungsgebühr sei auch dadurch gerechtfertigt, daß der Rechtsanwalt sich grundsätzlich mit allen Gesellschaftern abstimmen müsse.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches seien die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft generell als mehrere Auftraggeber im Sinne des § 6 BRAGO anzusehen. Vorliegend stehe jedoch die öffentlich-rechtliche Komponente aus dem Kassenarztrecht im Vordergrund. Ausschlaggebend für die Rechtsbeziehung zwischen ihr und der Gemeinschaftspraxis seien nicht der Gesellschaftsvertrag und die gesellschaftlichen Regelungen, sondern, daß die Gemeinschaftspraxis als spezifische Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Kassenrechts selbständig und unabhängig sei. Dies führe dazu, daß die Gemeinschaftspraxis auch gebührenrechtlich als ein Auftraggeber anzusehen sei. Die Gemeinschaftspraxis rechne die von ihr erbrachten Leistungen gemeinschaftlich ab und werde insoweit auch als Einheit der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigstellung unterzogen. Nicht der einzelne Arzt, sondern ausschließlich die Gemeinschaftspraxis sei Gläubiger des Honoraranspruchs. Auch erfolge die Zustellung von Bescheiden nur unter der Anschrift der Gemeinschaftspraxis und nicht an die einzelnen Ärzte, Ein Mehraufwand des Prozeßbevollmächtigten sei nicht ersichtlich. Eine unterschiedliche Qualifikation einzelner Partner einer Gemeinschaftspraxis spiele hierbei keine Rolle.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 14. September 1994 den Bescheid vom 19. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1994 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Widerspruch der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es habe in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Kassenärzte verhandelt und entschieden, da es sich um eine Angelegenheit der Kassenärzte handele. Der angefochtene Bescheid vom 19. November 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1994 sei aufzuheben, da die Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO besäßen. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß die Kläger einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 63 SGB X besäßen und die Hinzuziehung eines anwaltlichen Prozeßbevollmächtigten notwendig gewesen sei. Grundlage für die Gebühren nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung sei der zwischen dem Mandanten und dem Prozeßbevollmächtigten geschlossene Vertrag. Dieses Vertragsverhältnis sei als Dienstleistungsvertrag ausschließlich zivilrechtlich ausgerichtet. Regelungen des Kassenarztrechts könnten auf dieses Rechtsverhältnis keine Auswirkung haben, da entsprechende Regelungen im Sozialgesetzbuch 10. Buch, im Sozialgerichtsgesetz sowie im Kassenarztrecht fehlten. Normen, die für die offene Handelsgesellschaft (OHG) als Sonderform der BGB-Gesellschaft besondere Regelungen vorsehen, seien weder für eine Gemeinschaftspraxis noch für die BGB-Gesellschaft vorhanden. Die OHG könne danach nicht nur als juristische Person handeln, sondern sei auch im Prozeß parteifähig. Eine ähnliche Rechtsstellung habe die BGB-Gesellschaft im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren und im Sozialgerichtsverfahren nur partiell erhalten. Soweit die Beklagte auf § 10 Nr. 2 SGB X verweise, so gelte diese Vorschrift nur bei Verwaltungstätigkeit der Behörde und bei Durchführung bestimmter Verwaltungsverfahren. Entsprechendes gelte nach § 70 Nr. 2 SGG für das Gerichtsverfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit. Beide Bestimmungen beträfen aber nicht das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt. Eine weitergehende Regelung sehe auch § 33 Abs. 2 Zulassungsverordnung-Ärzte nicht vor. Soweit eine Gemeinschaftspraxis nach dieser Bestimmung als Einheit zu behandeln sei, werde damit den Besonderheiten des Kassenarztrechtes genüge getan. Diese Rechtsvorschrift gelte aber ausschließlich zwischen den Klägern als Ärzten und der Beklagten als Kassenärztliche Vereinigung. Das anwaltliche Vertragsverhältnis werde durch diese Regelung nicht konkretisiert. Gebührenrechtliche Sonderregelungen für den Bereich des Kassenarztrechtes habe der Gesetzgeber in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung nicht vorgesehen. Somit sei § 6 BRAGO einschlägig. Danach sei die Geschäftsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 3/10 bis zum Betrag von zwei vollen Gebühren zu erhöhen. Da die BGB-Gesellschaft zivilrechtlich nicht als Einheit auftreten könne, müsse das zivilrechtliche Verhältnis zum Rechtsanwalt durch alle Mitglieder der BGB-Gesellschaft begründet werden, was vorliegend der Fall gewesen sei. Insoweit handele es sich auch bei den Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis um mehrere Auftraggeber. Die Regelung des § 6 BRAGO gehe davon aus, daß dem Rechtsanwalt bei einer Vertretung mehrere Auftraggeber ein höherer Aufwand entstehe. Bei einer Beauftragung eines Rechtsanwalts durch alle Mitglieder der Gemeinschaftspraxis handele es sich nicht um eine formale Angelegenheit, sondern habe rechtliche Folgen. Ferner sei nicht ersichtlich weshalb die Kostenerstattung gegenüber anderen Verwaltungen anders berechnet werden sollte als gegenüber der Beklagten. Es fehle insoweit an einer gebührenrechtlichen Sondervorschrift. Die Kammer könne deshalb den Ausführungen des Sozialgerichts Dortmund im Beschluß vom 27. Mai 1993 (S-22/Ka-248/92 in MedR 1994, 169) nicht folgen. Die BGB-Gesellschaft werde im allgemeinen Rechtsverkehr gerade nicht der OHG gleichgestellt. Die spezifischen Regelungen des Kassenarztrechtes seien nicht in der Lage, den zivilrechtlichen Anwaltsvertrag zu gestalten. Ebensowenig sei den Ausführungen des Sozialgerichts Hamburg im Beschluß vom 19. März 1993 (S-3/Ka-53/88) zu folgen, wonach eine öffentlich-rechtliche Komponente nicht außer Betracht bleiben dürfe. Grundlage der Kostenerstattungspflicht seien die Gebühren, die aufgrund des zivilrechtlichen Anwaltsvertrages anfielen. Dieser Vertrag könne keine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Komponente haben. Gleichwohl habe die erkennende Kammer die den Klägern zustehende Leistung nicht im Tenor aussprechen können, da es an einem entsprechenden Antrag der Kläger gefehlt habe.

Gegen das ihr am 12. Oktober 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. November 1994 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, die zumindest im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02.09.1992 (Honorarabrechnung für das Quartal II/92) der Beklagten vorgelegte Vollmacht trage nur die Unterschrift eines Mitgliedes der Gemeinschaftspraxis €. Würde man nun der Auffassung des Sozialgerichts Frankfurt am Main folgen, dürften sich die in diesem und vergleichbaren Verfahren ergebenden Entscheidungen nur gegenüber dem Unterschriftsträger der Vollmacht auswirken. Im vorliegenden Widerspruchsverfahren sei die Absetzung kernspintomographischer Leistungen streitig gewesen. Lediglich € habe dafür die fachliche Qualifikation. Würde man hier von verschiedenen Auftraggebern ausgehen, so wäre es sachgerecht, die Widersprüche der Kläger Dr. € zurückzuweisen. Diese Vorgehensweise stehe jedoch der bisherigen Behandlung von Gemeinschaftspraxen im Abrechnungsverfahren diametral entgegen. Ginge man davon aus, daß es sich bei einer Gemeinschaftspraxis um verschiedene Auftraggeber handele, so wäre es denkbar, daß jedes Mitglied der Gemeinschaftspraxis einen eigenen Anwalt beauftrage, von denen einer eventuell einen Vergleich schließe, der andere die Klage zurücknehme und der dritte in Berufung gehen würde. Ein solches Ergebnis sei sachfremd. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 19. August 1992 (6 RKa 36/90) ausdrücklich festgestellt, daß sich die für die BGB-Gesellschaft geltende privatrechtliche Regelung nicht auf die Gemeinschaftspraxis als spezifische Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Kassenrechts übertragen lasse. Für das Verhältnis zwischen den Klägern und ihr sei ausschließlich das zulassungsrechtliche Rechtsverhältnis maßgeblich. Demzufolge trete die Gemeinschaftspraxis im Verwaltungsverfahren und auch bei der praktischen Abwicklung der Abrechnung als Einheit auf.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, den Klägern weitere 2.234,91 DM an außergerichtlichen Kosten zu erstatten, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie sind der Auffassung, auch wenn die der Beklagten für das Widerspruchsverfahren in Bezug auf die Abrechnung des Quartals II/92 vorgelegte Vollmacht nur die Unterschrift eines Klägers aufweise, so könne daraus nicht geschlossen werden, daß zwischen dem Prozeßbevollmächtigten und nur diesem Kläger ein Dienstleistungsvertrag gemäß § 611 BGB zustande gekommen sei. Die Vorlage der schriftlichen Vollmacht habe gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X den Nachweis der Bevollmächtigung zum Ziele. Durch die Vollmacht werde lediglich die Vertretungsmacht nachgewiesen. Der Dienstvertrag sei jedenfalls mit allen Klägern abgeschlossen worden. Zum einen sei darauf hinzuweisen, daß die BGB-Gesellschaft den Paradefall für den Anfall einer Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO darstelle. Selbstverständlich sei es möglich, daß jedes Mitglied einer BGB-Gesellschaft sich durch einen eigenen Anwalt vertreten lasse. Davon sei die Befugnis jedes Mitgliedes zu abstrahieren, Forderungen und Ansprüche der Gesellschaft im Namen der anderen Gesellschafter geltend zu machen. Bereits aus §§ 705 und 709 Abs. 1 BGB folge, daß die Mitglieder nur gemeinsam gegen einen Gesellschaftsschuldner vorgehen könnten. Auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. August 1992 (6 RKa 36/90 in SozR 3-2200 § 368 c RVO) führe nicht dazu, daß die Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis im Verhältnis zum Prozeßbevollmächtigten als ein Auftraggeber anzusehen seien. Die Gemeinschaftspraxis als spezifische Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Kassenarztrechts mit ihrem rechtsgeschäftlichen Auftreten nach außen stelle keine Besonderheit dar. Das von der Beklagten zitierte Urteil zeige, daß es im Rahmen einer BGB-Gesellschaft oftmals an einer gemeinsamen Willensbildung fehle. In diesem Falle habe lediglich einer der Partner der Gemeinschaftspraxis eine Gestaltungserklärung gegenüber dem Zulassungsausschuß abgegeben, die wiederum auf die Gemeinschaftspraxis als solche zurückgefallen sei. Gerade dieses Problem zeige, daß im Rahmen der Wahrnehmung der Interessen der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft regelmäßig der Anfall der Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO als begründet anzusehen sei.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte so die Akten der Widerspruchsverfahren WI 446/92, WI 67/93, WI 94/93 und WI 129/93 beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. März 1993 geltenden Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (RPflEntlG) vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main ist in dem angefochtenen Urteil vom 14. September 1994 zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Bescheid vom 19. November 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1994 aufzuheben ist. Die Kläger besitzen einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der anwaltlichen Vertretung unter Berücksichtigung des § 6 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Die Beklagte war somit antragsgemäß auf Erstattung weiterer 2.234,91 DM zu verurteilen.

Eine Analogie zu dem Kostenerstattungsanspruch einer Offenen Handelsgesellschaft, die die Anwendung des § 6 BRAGO ausschließen würde, scheidet vorliegend aus. Der erkennende Senat weist die Berufung aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 1994 zurück und verweist deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen ausführlichen und überzeugenden Ausführungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß dieser Entscheidung die Prozeßfähigkeit der BGB-Gesellschaft im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 71 Abs. 3 SGG und auf die Regelung des § 33 Zulassungsverordnung-Ärzte nicht entgegensteht. Ausschlaggebend ist hierfür, daß zwischen dem Rechtsverhältnis, welches zwischen der Beklagten und den Klägern sowie zwischen dem Prozeßbevollmächtigten und den Klägern besteht, zu unterscheiden ist. Das Rechtsverhältnis der Beklagten zu den Klägern ist gekennzeichnet durch das öffentlich-rechtliche Kassenarztrecht. Die Gemeinschaftspraxis der Kläger ist zwar in der Form einer BGB-Gesellschaft organisiert (vgl. dazu BSGE 55, 97). Diese tritt aber gegenüber der Beklagten im Rahmen des Kassenarztrechts als Einheit insoweit auf, als die Gemeinschaftspraxis eine Abrechnungsnummer besitzt und unter dieser Nummer gemeinschaftlich abgerechnet wird. Diese Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft €Gemeinschaftspraxis€ im Kassenarztrecht hat auch im sozialgerichtlichen Verfahrensrecht sein Pendant. Nach § 71 Abs. 3 SGG ist eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung wie die BGB-Gesellschaft prozeßfähig.

Dies bedeutet jedoch nicht, daß diese Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft €Gemeinschaftspraxis€ des öffentlich-rechtlichen Kassenarztrechts auf das zivilrechtlich ausgestaltete Rechtsverhältnis zwischen den Prozeßbevollmächtigten und den Klägern übertragen werden kann. Allein die rechtliche Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses ist vorliegend maßgeblich. Die in dem Rechtsverhältnis der Kläger und ihren Prozeßbevollmächtigten im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnis (zur rechtlichen Einordnung des Mandatsverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant vgl. Putzo in Palandt, BGB, GG Einf. v. § 611 Rdnr. 21) erbrachten Leistung des Prozeßbevollmächtigten sind von den Klägern nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zu vergüten. Dies hat zur Folge, daß der Erstattungsanspruch der Kläger gegenüber der Beklagten nach den Grundsätzen zu bestimmen ist, welches dem Rechtsverhältnis zwischen ihnen und ihren Prozeßbevollmächtigten zugrunde liegt. Die Beklagte hat den Klägern die Kosten der Mandatserteilung in dem Umfange zu erstatten, wie sie gegenüber ihrem Prozeßbevollmächtigten zur Entlohnung ihrer Dienste verpflichtet sind. Insoweit besteht allein ein zivilrechtliches Verhältnis, in dem die BGB-Gesellschaft unstreitig als Gemeinschaft nicht rechtsfähig ist, sondern nur durch ihre Mitglieder handeln kann (so auch Hansen in JurBüro 1995, 586 f.; Mümmer in JurBüro 1994, 731). Die Frage, ob es sich bei der Mehrheit der Kläger überwiegend um €mehrere Auftraggeber€ im Sinne von § 6 Abs. 1 BRAGO handelt, ist somit allein aus dem Dienstleistungsverhältnis zwischen den Klägern und ihren Prozeßbevollmächtigten und nicht aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Beklagen und den Klägern zu beantworten.Der getroffenen Entscheidung steht auch nicht entgegen, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 1992 lediglich eine Vollmacht mit der Unterschrift nur eines der Kläger vorlegte. Mit der zusätzlichen Verwendung des Stempels der Gemeinschaftspraxis wurde für die Beklagte erkennbar, daß Dr. A. im Namen aller Gesellschafter der BGB-Gesellschaft die Rechtsanwälte mit der Vertretung aller beauftragte.

€ ist somit nach außen für alle Mitglieder der BGB-Gesellschaft gegenüber den Rechtsanwälten aufgetreten, zumal die vorher ausgestellte Vollmacht für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Juni 1992 von allen unterschrieben wurde und der Widerspruch von der gleichen Begründung getragen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Satz 2 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen.






Hessisches LSG:
Urteil v. 27.03.1996
Az: L 7 Ka 1052/94


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