Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2007
Aktenzeichen: 28 W (pat) 66/07

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2007, Az.: 28 W (pat) 66/07)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Wort WisaDeckist am 3. November 1999 für Waren der Klasse 19 zur Eintragung in das Register angemeldet und am 24. März 2000 eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 27. April 2000.

Die Marke ist jetzt noch eingetragen für die folgenden Waren:

"Baumaterialien (nicht aus Metall), nämlich Schotter, Splitt, Brechsand und Gemische aus vorgenannten Materialien, insbesondere als Deckschichten für den Wegebau; Mineralgemische für den Straßenbau, auch als Zuschlagsstoffe für Asphalt und Beton"

Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke DD 645 137.

WISA die seit dem 30. Dezember 1985 im Register eingetragen ist für die Waren der Klassen 1, 16 und 19:

"Zellulosepulpe; Klebesubstanzen, in der Klasse 1 enthalten; Papier und Pappe, alle in der Klasse 16 enthalten; Verpackungspapier und Papiersäcke und -beutel; Sperrholz, Sperrholzelemente, nämlich Türen, Innen- und Außenwandelemente, Zwischen- und Trennwandelemente, Fußbodenelemente, Dach- und Deckenelemente, Rüstungselemente, Brückenbauelemente; Hartfaserplatten, Spanholzplatten, Verbundplatten; gesägtes und bearbeitetes Nutzholz als Baumaterial, vorgefertigte Holzelemente, nämlich Holztüren und Türrahmen, Fensterrahmen; Holzbalken; Holzrüstungen."

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2000 hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke gem. §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 MarkenG bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende sowohl im patentamtlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Beschwerdeverfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht. Dazu hat die Markeninhaberin im patentamtlichen Verfahren ausdrücklich erklärt, dass sie den Nichtbenutzungseinwand aufrechterhalte.

Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen mit der Begründung, dass zwischen den Vergleichswaren allenfalls eine geringe Ähnlichkeit bestehe und deswegen die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken ausreichten, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Mai 2003 und vom 15. November 2005 aufzuheben und die Marke 399 68 630 wegen des Widerspruchs aus der Marke DD 645 137 zu löschen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und hat auch keine Anträge gestellt.

Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 4. Juni 2007 Kopie des Artikels von Schlüter, Zeichenrechtlicher Begriff und Gleichartigkeitsbereich von Baumaterialien, in Markenartikel 1973, 452 ff, zur Kenntnisnahme übersandt.

Beide Verfahrensbeteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Für die weiteren Einzelzeiten wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, weil auch nach Auffassung des Senats zwischen den Vergleichsmarken schon wegen fehlender Warenähnlichkeit keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Markeninhaberin hat in rechtswirksamer Weise die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG erhoben; denn im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke war die Widerspruchsmarke bereits länger als fünf Jahre in das Register eingetragen. Daher können bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG nur solche Waren der Widerspruchsmarke berücksichtigt werden, für die die Benutzung glaubhaft gemacht wurde.

Es kann dahinstehen, ob die von der Widersprechenden eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen insgesamt den Anforderungen des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG genügen. Darauf kommt es nicht an, weil die Waren, auf die sich diese Glaubhaftmachungsunterlagen beziehen, den Waren der angegriffenen Marke nicht ähnlich sind.

Die Widersprechende hat eidesstattliche Versicherungen vom 9. Januar 2001 und vom 6. Juli 2007 vorgelegt. Darin werden die Produkte der Widersprechenden als "Sperrhölzer" und "Holzprodukte" bezeichnet, die "zum größten Teil in der Transportmittelindustrie, in Betonschalungen und in Baukonstruktionen" ihre Anwendung finden sollen. Diesem Vortrag entsprechen die weiteren von der Widersprechenden eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen, insbesondere das Prospektmaterial. Danach sind die wichtigsten Produkte der Widersprechenden eine große Brandbreite von Sperrholzplatten für den Fahrzeugbau und für Hoch- und Tiefbau. Bestimmte Plattentypen können ohne weitere Verarbeitung als Betonschalung verwendet werden. Der Senat ist zugunsten der Widersprechenden weiter davon ausgegangen, dass die Widersprechende auch gekrümmte Betonschalungen aus weiter verarbeiteten Sperrholzplatten produziert. Die vorgenannten Waren fallen unter das "Sperrholz", die "Sperrholzelemente, nämlich ... Rüstungselemente" und die "Verbundplatten", für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist.

Dem stehen die mineralischen Materialien der angegriffenen Marke gegenüber. Bei ihnen handelt es sich um Natursteine, die entweder unbearbeitet sind oder nur in ihrer Größe bzw. Körnung bearbeitet wurden.

Beide Warengruppen gehören zu den Baumaterialien der Klasse 19. Die Zugehörigkeit zur selben Warenklasse begründet noch keine Warenähnlichkeit i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 9 Rdnr. 57). Vielmehr ist für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren zweier Marken jeweils konkret zu prüfen, ob bei Berücksichtigung ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Nutzung und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die beteiligten Verkehrskreise zu der Meinung kommen könnten, die Waren stammten aus demselben Unternehmen, sofern sie - was bei dieser Prüfung zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet wären (std. Rspr., vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 9 Rdnr. 44 ff mit weiteren Nachw.). Bei einer Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall treten als erstes die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Vergleichswaren in Erscheinung - auf der einen Seite anspruchsvoll und aufwendig verarbeitetes organisches Holz, auf der anderen Seite unbearbeitete oder lediglich behauene, bzw. gekörnte Natursteine. Gleichzeitig legen diese wesentlichen und offenkundigen Unterschiede auf Anhieb nahe, dass beide Warengruppen aus grundsätzlich andersartigen Unternehmen mit anderen Vertriebswegen stammen: Der Handel mit Natursteinen wird in der Regel von den Inhabern der Steinbrüche betrieben, in denen die Steine gebrochen werden. Soweit die Steine auf andere Weise gewonnen wurden, z. B. Kiesel aus Flußbetten, wird der Handel mit ihnen regelmäßig in lokaler Nähe zu den Fundorten betrieben. Im Vergleich dazu verlangt die Verarbeitung von Holz zu Sperrholz technisch voll ausgerüsteten Produktionsstätten und entweder eine eigene Holzgewinnung oder Zulieferung von Holz.

Tatsächlich kann es zwischen den Vergleichswaren nur insoweit zu praktischen Berührungspunkten kommen, wie ihre Nutzung für den Hoch- und Tiefbau in Frage kommt. Da Art und Zahl der Stoffe und Materialien und dementsprechend auch Art und Zahl der potentiellen Zulieferer für solche Bauvorhaben unübersehbar groß geworden sind, kann die Zweckbestimmung "Baumaterial" allein keine alleinige Grundlage mehr für die Feststellung der Warenähnlichkeit sein; vielmehr muss anhand der bereits genannten Kriterien geprüft werden, ob die konkrete Verwendung der Vergleichswaren auf derselben Baustelle bei den angesprochenen Verkehrskreisen - Identität der Marken unterstellt - den Eindruck erwecken kann, beide Waren kämen aus demselben Unternehmen (vgl. bereits Schlüter, Zeichenrechtlicher Begriff und Gleichartigkeitsbereich von Baumaterialien, Markenartikel 1973, 452 ff, 454 re. Sp.).

Diese Frage ist vorliegend mit "nein" zu beantworten. Schon die Beschaffung der Vergleichswaren für deren Einsatz auf derselben Baustelle kann nur über getrennte Produktions- und Vertriebsstätten erfolgen. Und auch dort, wo die Vergleichswaren, z.B. beim Fußbodenaufbau für ein Gebäude oder beim Straßenbau, im Zuge derselben Bauphase gleichzeitig und von denselben Arbeitern zur Verwendung kommen, bleiben die bereits festgestellten wesentlichen Unterschiede klar erkennbar und führen im Übrigen zu deutlichen Unterschieden in der technischen Funktion: Auch bei werkseitig rudimentärer Bearbeitung bleiben die Waren der angegriffenen Marke Rohstoffe; dagegen werden die Waren der Widersprechenden ausnahmslos für die eigentliche Baukonstruktion eingesetzt. Sofern die Widersprechende einen Anknüpfungspunkt für die von ihr angenommene Warennähe in der Möglichkeit sieht, dass die Vergleichswaren jedenfalls dort auf ähnliche Weise genutzt werden können, wo die Produkte der Widersprechenden als Betonschalungen eingesetzt werden, verkennt sie, dass Beton nicht zu den Waren der angegriffenen Marke gehört. Beton ist ein künstliches Gestein, das aus Zement, Betonzuschlag und Wasser hergestellt wird. Die Waren der Widersprechenden kommen nur als Zuschlagsstoffe für Beton in Betracht.

Aus den vorstehenden Feststellungen folgt im Übrigen, dass erst recht keine Warenähnlichkeit bestehen kann, wo die Waren der Widersprechenden für den Fahrzeugbau eingesetzt werden. Denn in diesem Zusammenhang gibt es zwischen den Vergleichswaren überhaupt keine Berührungspunkte.

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BPatG:
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Az: 28 W (pat) 66/07


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