Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. März 2000
Aktenzeichen: 6 W (pat) 5/00

(BPatG: Beschluss v. 30.03.2000, Az.: 6 W (pat) 5/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 30. März 2000 (Aktenzeichen 6 W (pat) 5/00) den Beschluss der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 1999 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Im Fall hatte der Antragsteller beantragt, ihm die Anmeldegebühr für eine Patentanmeldung zu erlassen, da er diese nicht bezahlen konnte. Die Patentabteilung hatte den Antrag als vorläufigen Verfahrenskostenhilfeantrag gewertet und den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Vielzahl seiner Anmeldungen und Verfahrenskostenhilfeanträge ein Indiz für Mutwilligkeit sei. Zudem fehlten Angaben zu den technischen Mitteln, mit denen der angestrebte Erfolg erreicht werden könne. Mit neuen Patentansprüchen hatte der Antragsteller daraufhin erneut einen Antrag gestellt, welcher jedoch auch abgelehnt wurde.

Der Antragsteller legte Beschwerde gegen den Beschluss ein und argumentierte, dass der angegriffene Beschluss nicht objektiv sei und eine Vorverurteilung enthalte. Er behauptete, dass er die früheren Beanstandungen in den neuen Patentansprüchen berücksichtigt habe und dass seine Erfindung technologisch neu sei.

Das Bundespatentgericht urteilte, dass die Verfahrenskostenhilfe nicht allein aufgrund der ursprünglichen Patentansprüche abgelehnt werden durfte. Zudem wies es darauf hin, dass bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erteilung eines Patents nicht nur auf die Formulierung der Patentansprüche, sondern auf den technischen Inhalt der gesamten Anmeldeunterlagen abzustellen sei. Der Beschluss der Patentabteilung wurde daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 30.03.2000, Az: 6 W (pat) 5/00


Tenor

Der Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 1999 wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Am 19. Oktober 1998 hat der Antragsteller unter der Kennzeichnung "Verfahrenskostenhilfe/Anmeldegebühren" beantragt, ihm die Anmeldegebühr u.a. für die Patentanmeldung ... zu erlassen, weil er diese nicht bezahlen könne. Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat er Unterlagen beigefügt.

Am 25. Januar 1999 hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts dem Antragsteller mitgeteilt, sie werte seinen Antrag als vorläufigen Verfahrenskostenhilfeantrag, weil die Gebühren im Patenterteilungsverfahren nicht nur die Anmeldegebühr umfassten. Mit Schreiben vom 14. Juli 1999 wies sie den Antragsteller darauf hin, die Vielzahl seiner Anmeldungen und Verfahrenskostenhilfeanträge (77 in den letzten 20 Monaten) sei ein Indiz für Mutwilligkeit iSv § 130 PatG iVm § 114 Abs 1 ZPO. Es sei auch nicht zu erkennen, in welcher Weise er seine Patente wirtschaftlich verwerten wolle. Außerdem stellten die angemeldeten Patentansprüche Zielvorstellungen und Forderungen an die Installation von Schutzanlagen dar. Es fehle aber die Angabe, mit welchen technischen Mitteln der angestrebte Erfolg erreicht werden könne.

Mit Schreiben vom 30. August 1999 hat der Antragsteller am 31. August 1999 neue Patentansprüche 1 bis 11 eingereicht.

Mit dem angegriffenen Beschluß vom 2. Dezember 1999 hat die Patentabteilung 11 die Verfahrenskostenhilfe versagt, weil auch mit den neu eingereichten Patentansprüchen keine hinreichende Aussicht auf Erteilung des beantragten Patents bestehe; die andere textliche Fassung habe an der Problematik - Zielvorstellungen und Forderungen ohne Angabe der technischen Mittel - nichts geändert.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde; er beantragt sinngemäß, den Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 1999 aufzuheben und gemäß seinem Antrag in der Vorinstanz zu entscheiden.

Seiner Auffassung nach ist der angegriffene Beschluß nicht objektiv. Er enthalte eine Vorverurteilung, wenn er von fehlender Patentfähigkeit spreche. Die früheren Beanstandungen habe er in den (am 31. August 1999) neu eingereichten Patentansprüchen beachtet. Sie seien ohne aufgabenhafte Merkmale patentrechtlich "sauber". Die Erfindung sei technologisch völlig neu. Nachdem die Beschreibung nicht gerügt worden sei, gäbe es nunmehr keinen Grund, an der Patentfähigkeit zu zweifeln. Mit Scheinargumenten würde eine zeitgerechte Bearbeitung verzögert.

II Die Beschwerde ist gemäß § 135 Absatz 3 Satz 1 PatG zulässig.

Sie hat in der Sache auch insoweit Erfolg, als die Verfahrenskostenhilfe nicht mangels hinreichender Aussicht auf Erteilung eines Patents nur deshalb versagt werden konnte, weil der Anmelder selbst die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 19 als eine Reihe von Forderungen an die Installation einer Schutzanlage zum Schutz von Menschen gekennzeichnet habe. Denn abgesehen davon, daß die geltenden, nämlich die am 31. August 1999 beim DPMA eingegangenen Patentansprüche 1 bis 11 diesen von der Patentabteilung als einzigen festgestellten Mangel gar nicht mehr aufwiesen, ist sich die Patentabteilung offenbar nicht der Kriterien bewußt, auf die sich im Rahmen eines Verfahrenskostenhilfeantrags die Prüfung auf hinreichende Aussicht auf Patenterteilung zu beschränken hat.

Gemäß § 130 Abs 1 Satz 1 PatG erhält ein Anmelder im Verfahren zur Erteilung eines Patents auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 ZPO Verfahrenskostenhilfe, wenn hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht und er die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann sowie wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 und Abs 3 sowie Art 19 Abs 4 GG gebieten eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Zwar ist es unbedenklich, die Verfahrenskostenhilfe von bestimmten Voraussetzungen, wie den Erfolgsaussichten, abhängig zu machen. Die Anforderungen daran dürfen allerdings im Hinblick auf das Verfassungsgebot nicht überspannt werden. Insbesondere dürfen dem Antragsteller aus patentrechtlich ungeschickten Formulierungen keine Nachteile entstehen. Bei der Prüfung, ob hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht, ist nämlich nicht ausschließlich auf die Formulierung der Patentansprüche abzustellen, sondern auf den technischen Inhalt der gesamten Anmeldeunterlagen. Denn auf diese kann auch im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden. Patentansprüche sind nur Formulierungsversuche.

Den Anmeldeunterlagen sind nun durchaus technische Maßnahmen und nicht nur Forderungen zu entnehmen. Im einzelnen weist die beanspruchte kombinierte Schutzanlage zumindest folgende bauliche, also technische Merkmale auf:

(a) Ausbildung der Schutzanlage aus einer industriell vorgefertigten, transportierbaren Einheit (Container) oder aus halbierten Einheiten, die zusammensetzbar sind und durch Silikon abgedichtet werden.

(b) Eine in der Erde versenkte Anordnung der Schutzanlage.

(c) Ausbildung der Einheit aus stabilem Material (vorzugsweise Beton), das Schutz gegen Waffeneinwirkung (panzerbrechende Munition und Querschläger) bietet.

(d) Spezielle Beschichtung oder Dachabdeckung der Schutzanlage gegen Aufklärung.

(e) Serienmäßig eingebaute Schutztür, die aus Stahl oder ähnlichen Materialblechen (Dural) besteht, doppelt beschichtet ist und mit einer speziellen Wabeninnenfüllung versehen ist, die vor Splittern, Kugeln und betonbrechenden Geschossen schützt, und die gegenüber dem Rahmen durch Gummi abgedichtet ist.

(f) Ausbildung einer oberen Einstiegsluke und von Sprossen mit oder ohne Handlauf.

(g) Eine Wassergewinnungsanlage, die unterhalb der Schutzanlage transportgeschützt befestigt ist.

(h) Eine Filteranlage im Einstiegsbereich zur Säuberung der Luft.

(i) Im Innenraum der Einheit vorinstallierte Leitungen für Wasser und Strom, wobei die dafür vorgesehenen Durchführungen durch spezielle Dichtungen (Gummi- oder Silikondichtungen) vor Umwelteinflüssen geschützt sind, Wasser- und E-Zähler mit Funk vorgesehen sind, um vor unbefugter Benutzung zu schützen bzw den Verbrauch festzustellen und der Verrechnungsstelle übermitteln zu können, und die Leitungen und Zähler von den Lichtverhältnissen und von der Höhe (Stehhöhe) her günstig angeordnet und ohne weiteres zugänglich sind.

(j) Eine E-Anlage mit Spannungen von 360 V, 220 V, 110 V, und 12 V.

(k) Eine Batterieeinheit, die zum Wechseln in einem herausziehbaren Gestell vorgesehen ist.

(l) Ein unterhalb des Fußbodens vorgesehener Lagerraum und ein Wasserbehälter, wobei der Fußboden von nicht behandelten, herausnehmbaren Holzbohlen und die Wandungen von einer 250 mm starken Betonwand oder von einer gemauerten Wand mit wasserundurchlässigem Estrich mit Silberbeschichtung oder mit Plasteauskleidung gebildet werden.

(m) Ein oberer Stauraum mit herausnehmbaren Holzelementen.

(n) Wandisolierungen und nicht imprägnierte bzw gestrichene Holzverkleidungen oder Verkleidungen aus Plastematerial.

(o) Handelsübliche eingebaute Küchenschränke (angedübelt), Herd und Sanitäreinrichtungen (chemische Toiletten) sowie Heizkörper, wobei die Küchenschränke und der Herd über dem Wasserbehälter angeordnet sind und einen abgedichteten Abschluß (Silikon) aufweisen.

Aus dieser doch erheblichen Anzahl von technischen Merkmalen dürfte es dem Antragsteller im Prüfungsverfahren nicht schwer fallen, eine Kombination herauszufinden, die durch den von der Patentabteilung genannten Stand der Technik (deutsche Offenlegungsschriften 31 43 129 und 34 03 197) weder vorweggenommen noch nahegelegt ist und demgemäß einen Überschuß gegenüber dem Stand der Technik ergibt, für den die Erteilung eines Patents nicht ausgeschlossen erscheint.

Aus der DE-OS 31 43 129 ist eine Schutzanlage bekannt, die ganz unterirdisch angeordnet sowie wasserdicht, staubdicht und druckfest ist. Die Schutzanlage kann dabei Einzelräume mit Ver- und/oder Entsorgungseinrichtungen, insbesondere mit Wasserzu- und -ableitungen aufweisen sowie Küchen, Bäder, Toiletten und Vorratsräume umfassen. Zudem können im Schutzbunker Wasservorräte und Notstromaggregate vorgesehen sein. Die DE-OS 31 43 129 gibt somit direkte oder indirekte Hinweise für die Merkmale Versenkbarkeit, Verwendung stabilen Materials, Abdichtung, E-Anlage und Anordnung von Schränken sowie Herd und Wasserbehälter.

Die Ausbildung eines Raumfilters für Schutzräume ist aus der DE-OS 34 03 197 bekannt.

Die anmeldungsgemäße Schutzanlage weist darüber hinaus noch eine Reihe von weiteren Merkmalen auf. Vor dem Hintergrund des bisher genannten Standes der Technik und bei Berücksichtigung des Fachkönnens des Durchschnittsfachmannes (mit der Ausbildung von Schutzräumen befaßter Architekt) ist es mit der für die Versagung von Verfahrenskostenhilfe geforderten Sicherheit nicht auszuschließen, daß eine Kombination mit verschiedenen oder sämtlichen Merkmalen zum Erfolg führen kann, selbst wenn man berücksichtigt, daß das eine oder andere Merkmal eher selbstverständlich oder wenig überzeugend sein mag. Der Gedanke der Containerausbildung und der vorinstallierten Innen- und Versorgungseinrichtungen sowie der Wandisolierungen mit Holzverkleidungen ist in der Bautechnik an sich nichts besonderes, doch geht es im weiteren auch darum, daß in den Schutzraumkörper eine Wassergewinnungsanlage durch unterseitige Anordnung integriert ist und die Lagerräume und der Wasserbehälter durch herausnehmbare Fußbodenbohlen abgetrennt werden und der Wasserbehälter zusätzlich durch die Küchenzeile abgedeckt wird. Diese und weitere offenbarte Merkmale mögen in ihrer Anwendung auf eine Schutzanlage durchaus die Erteilung eines Patents begründen können.

Eine die Verfahrenskostenhilfe verhindernde Mutwilligkeit hat die Patentabteilung im angegriffenen Beschluß nicht mehr angeführt. § 114 ZPO verlangt jedoch ohnehin die Prüfung der Erfolgsaussicht vor der des Mutwillens (vgl BPatGE 38, 227; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl, § 114 Rdn 7).

Nach allem war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache gemäß § 79 Abs 3 Nr 1 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Dieses hat dann zu überprüfen, ob alle Voraussetzungen zur Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erfüllt sind.

Rübel Trüstedt Dr. Albrecht Sperling Cl






BPatG:
Beschluss v. 30.03.2000
Az: 6 W (pat) 5/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1bafd3a02058/BPatG_Beschluss_vom_30-Maerz-2000_Az_6-W-pat-5-00




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