Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 38/99

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2000, Az.: 20 W (pat) 38/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit Beschluß vom 12. Februar 1999 wies das Patentamt - Prüfungsstelle für die Klasse G 01 N - die Anmeldung zurück, weil der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gegen diesen Beschluß hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 25. März 1999 Beschwerde eingelegt.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den Ansprüchen 1-12 vom 17. Dezember 1999, Beschreibung Seiten 3 und 4 vom 28. Dezember 1999, 5 und 6 vom 17. Dezember 1999, im übrigen den Unterlagen der Anmeldung vom 15. Juni 1990, mit Korrektur auf Seite 4 der Beschreibung: "bis 0,27 mbar".

Der Patentanspruch 1 vom 17. Dezember 1999 lautet:

"1. Verfahren zum Imprägnieren von Gewebeproben mit Paraffin, bei dem (Verfahren) die jeweilige Gewebeprobe mit einem Fixiermittel fixiert, unter Verwendung von Alkohol entwässert und anschließend in einem geschlossenen, evakuierten Arbeitsraum (2) bei einer vorgegebenen Betriebstemperatur durch Plazieren in flüssigem Paraffin mit diesem durchtränkt wird, und zwar nach einer vorausgehenden Behandlung mit Isopropyl-Alkohol und unter Anwendung von Ultraschall auf die Gewebeprobe (3) sowie auf das diese Gewebeprobe (3) umschließende flüssige Paraffin, wobei die Betriebstemperatur niedriger ist als die Siedetemperatur des Isopropyl-Alkohols bei Normal- bzw. Atmosphärendruck, jedoch so gewählt ist, um das Paraffin im flüssigen Zustand zu halten, dadurch gekennzeichnet, daß das Vakuum im Arbeitsraum (2) so eingestellt ist, daß bei dem im Arbeitsraum (2) herrschenden Druck der Siedepunkt des Isopropyl-Alkohols gleich der Betriebstemperatur ist."

Der Anmelder ist der Ansicht, die Auswahl des Vakuums in Verbindung mit den übrigen Merkmalen sei aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt.

In der mündlichen Verhandlung wurden unter anderem die folgenden Druckschriften zum Stand der Technik erörtert:

1. DE 32 09 841 A1, 2. DE 29 32 112 A1.

II Die Beschwerde ist zulässig, führt aber nicht zum Erfolg, denn der Gegenstand des Patents ist nicht patentfähig (§§ 1, 4 PatG).

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 mag neu sein; ihm liegt jedoch keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

Aus der Druckschrift (2) ist ein Verfahren bekannt, das unstreitig die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 aufweist. Es geht um ein Verfahren zum Imprägnieren von Gewebeproben in Paraffin, bei dem:

1. die Gewebeprobe mit einem Fixiermittel fixiert, 2. unter Verwendung von Isopropyl-Alkohol entwässert, 3. durch Plazieren in flüssigem Paraffin mit diesem durchtränkt wird, 4. in einem Arbeitsraum, der 4.1 geschlossen und 4.2 evakuiert ist, 5. bei einer vorgegebenen Betriebstemperatur, die 5.1.niedriger ist als die Siedetemperatur des Isopropyl-Alkohols bei Atmosphärendruck, 5.2. das Paraffin zumindest im Arbeitsraum in flüssigem Zustand hält.

6. unter Anwendung von Ultraschall auf die Probe und das umgebende Paraffin.

Das angemeldete Verfahren nach Patentanspruch 1 ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß das Vakuum so eingestellt ist, daß der Siedepunkt des Isopropyl-Alkohols gleich der Betriebstemperatur ist.

Damit soll ein Verfahren aufgezeigt werden, welches schnell und wirtschaftlich durchführbar ist und bei kurzer Verfahrensdauer hochqualitative Gewebeschnitte ermöglicht.

Aus der Druckschrift (3) ist als Schwierigkeit bei der Imprägnierung von entwässerten Gewebeproben mit Paraffin im Vakuum bekannt, daß es bei einer schlagartigen Verdampfung des Lösungsmittels zu einer Blasenbildung kommen kann. Jedes Verfahren, das, wie die in den Druckschriften (2) und (3) beschriebenen Verfahren, auf einer Paraffindurchtränkung einer entwässerten Gewebeprobe im Vakuum beruht, muß sich mit diesem Problem auseinandersetzen. In der Druckschrift (2) ist keine Aussage darüber getroffen, wie dieses Problem zu lösen sei.

Die Druckschrift (3) schlägt vor, den Druck im Arbeitsraum schrittweise so weit zu vermindern, daß die Verdampfung langsam vonstatten geht; die zur Blasenbildung führenden flüchtigen Stoffe, also die im Vakuum ihren Siedepunkt erreichenden Entwässerungsmittel, werden nach dem vorgeschlagenen Verfahren zu Beginn des Evakuierungsvorgangs bei niedrigem Teilvakuum abgesaugt, ohne daß es zu schädlichen Gewebezerstörungen oder Blasenbildungen kommt (s insbes S 6).

Für den Fachmann, einen in der Technik der Aufbereitung von Gewebeproben für die Histologie erfahrenen Mediziner, mußte sich damit im Umgang mit dem Verfahren nach Druckschrift (2) die Überlegung, bei der Bestimmung des Vakuums, mit dem gearbeitet werden sollte, entsprechend dem Vorschlag aus der Druckschrift (3) vorzugehen, geradezu aufdrängen. In dieser Druckschrift ist eine sichere Lösung für das Problem der schlagartigen Verdampfung mit der Folge einer Gewebeschädigung angegeben: Bis zum weitgehenden Verdampfen des Entwässerungsmittels ist mit einem schonenden Teilvakuum zu arbeiten, das um des langsamen Verdampfens willen notwendigerweise gerade im Bereich des Siedepunkts des Entwässerungsmittels liegen muß. Daß in der Druckschrift (3) als Entwässerungsmittel vor allem Azeton genannt ist, konnte für den Fachmann keinen Grund darstellen, die Anregungen aus dieser Druckschrift für die praktische Ausführung des Isopropyl-Alkohol verwendenden Verfahrens nach Druckschrift (2) zu verwerfen, denn Azeton ist dort nur als Beispiel für hygroskopische Flüssigkeiten zur Entwässerung genannt (S 4). Dasselbe gilt für den Vorschlag in der Druckschrift (3), die Evakuierung in einem späteren Verfahrensschritt gegebenenfalls bis zu einem Bereich von 0,05 bis 0,2 Torr fortzusetzen. Dieser Bereich ist zum einen nur beispielhaft genannt; zum anderen ist für die schonende Evakuierung in der Siedephase des Lösungsmittels die weitere Evakuierung ohne Belang.

Für den Fachmann, der ausgehend von der Druckschrift (2) den Einsatz von Isopropanol als Entwässerungsmittel und die Lage der Betriebstemperatur unter der Siedetemperatur des Isopropanols bei Normaldruck beibehält, lag es nahe, die in der Druckschrift (3) genannte Erkenntnis zu nutzen und die Evakuierung so zu steuern, daß der Siedepunkt des Isopropanols bei dieser Betriebstemperatur kontrolliert erreicht und gehalten wird, so daß die in der Druckschrift (3) geforderte und beschriebene schonende Verdampfung ablaufen kann.

Daß bei dem angemeldeten Verfahren aus dem Verfahren nach Druckschrift (3) nur der erste Schritt übernommen und auf die vorgeschlagene weitere Absenkung des Vakuums verzichtet wird, kann eine erfinderische Tätigkeit auch nicht begründen. Es wird damit zwar der in der Druckschrift (3) genannte Vorteil der besonders schnellen Durchtränkung mit Paraffin - möglicherweise zugunsten eines einfacheren Aufbaus der Vorrichtung im Hinblick auf die Erzeugung des Vakuums - aufgegeben, doch stellt sich das bloße Inkaufnehmen von Nachteilen oder der Verzicht auf Vorteile nicht als erfinderisch dar (BGH GRUR 1996, 857 - Rauchgasklappe).

Vorsitzender Richter Dr. Anders ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit an der Unterschriftsleistung verhindert.

Dr. Greis Dr. Greis Dr. Hartung Dr. van Radenbe






BPatG:
Beschluss v. 12.01.2000
Az: 20 W (pat) 38/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1b86ab2b9e0f/BPatG_Beschluss_vom_12-Januar-2000_Az_20-W-pat-38-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share