Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 13/02

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2002, Az.: 15 W (pat) 13/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 9. November 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zur Aufbereitung biologischer Proben für die DNA-Analyse"

ein, die am 17. Mai 2001 in Form der deutschen Offenlegungsschrift 199 54 840 veröffentlicht wurde.

Mit Beschluss vom 15. November 2001 wies die Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung zurück. Dem Beschluss lagen die am 9. November 1999 eingegangenen ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 7 zugrunde. Sie haben bei Korrektur eines offensichtlichen Fehlers folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung zur Aufbereitung biologischer Proben für die DNA-Analyse, umfassend eine bidirektionale Fördereinrichtung (11) für Probenbehälter (6), eine Qualitätsmess-Station (9), eine Quantitätsmess-Station (10), mindestens einen Reagenzienbehälter (3) mit nachgeordneter Dosiereinrichtung (2) und eine Steuerung (4).

2. Vorrichtung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die bidirektionale Fördereinrichtung (11) ringförmig ausgebildet ist.

3. Vorrichtung gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass Probeneingang (7) und Probenausgang (8) an derselben Position angeordnet sind.

4. Vorrichtung gemäß einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Qualitätsmess-Station (9) und/oder die Quantitätsmess-Station (10) mindestens eine fotometrische, fluorometrische, potentiometrische, elektrochemische, densitometrische und/oder refraktometrische Messeinrichtung umfasst.

5. Vorrichtung gemäß einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Dosiereinrichtung (2) ein elektrisch oder pneumatisch gesteuertes Ventil, eine Schlauchpumpe, eine Kolbenpumpe oder eine Zahnradpumpe ist.

6. Vorrichtung gemäß einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (4) ein Computer ist.

7. Vorrichtung gemäß einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (4) mit einer Schnittstelle (5) verbunden ist, wobei die Schnittstelle (5) mit weiteren Analysegeräten und/oder Laborrobotern in Verbindung steht und Mess- und Steuerwerte von diesen erhält oder an diese weiterleitet."

Der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle, dem die ursprünglichen Unterlagen zugrunde lagen, ist aus den im Bescheid vom 4. Februar 2000 ausgeführten Gründen ergangen. Dem betreffenden Bescheid ist zu entnehmen, dass aus jeder der Druckschriften DE 38 05 808 A1 (1), EP 644 426 A1 (2) oder WO 93/25912 A2 (3) eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 bekannt und der Anspruch aus diesem Grunde wegen mangelnder Neuheit seines Gegenstandes nicht gewährbar sei. Desweiteren sei nicht ersichtlich, dass durch Aufnahme von Merkmalen der Unteransprüche oder der Beschreibung in den Anspruch 1 eine Vorrichtung entstehen könnte, die gegenüber den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften die zur Patenterteilung notwendige erfinderische Tätigkeit aufweise.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt und beantragt,

- der Beschwerde abzuhelfen,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den in der Beschwerdebegründung eingereichten Unterlagen zu erteilen,

- hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, sofern der Beschwerde nicht abgeholfen wird.

Die Anmelderin wurde mit Schreiben vom 2. Mai 2002 zur mündliche Verhandlung am 11. Juli 2002 ordnungsgemäß geladen. Mit der Terminsladung wurde die Anmelderin auch an die noch fehlende Beschwerdebegründung erinnert und um Eingabe derselben zur Akte gebeten.

Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2002, der vorab per Fax am gleichen Tag einging, bat die Anmelderin um Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung und beantragte das Ruhen des Verfahrens. Sie begründete ihren Antrag mit der Absicht, aus der Patentanmeldung ein Gebrauchsmuster abzuzweigen und die Patentanmeldung dann fallen zu lassen.

Mit Zwischenverfügung vom 4. Juli 2002 teilte der Vorsitzende des 15. Senats der Anmelderin mit, dass die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO nicht vorliegen würden und der Verhandlungstermin vom 11. Juli 2002 bestehen bleibe, da wichtige Gründe, die eine Aufhebung des Termins rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich seien.

Die Anmelderin ist, wie sie im übrigen unmittelbar vor Verhandlungstermin fernmündlich mitteilte, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie führt jedoch nicht zum Erfolg.

1. Die Anmelderin hat, wie angekündigt, den anberaumten Verhandlungstermin nicht wahrgenommen. Für die Entscheidung sind deshalb die zuletzt eingegangenen Anträge, Patentansprüche und Beschreibungsunterlagen sowie alle in den Akten befindlichen Eingaben und Schriftsätze zu berücksichtigen. Die Behebung bestehender Mängel zwecks Schaffung formal zulässiger und für die Erteilung eines Patents geeigneter Unterlagen war jedoch ausgeschlossen, da sich die Anmelderin einer diesbezüglichen Erörterung der Sach- und Rechtslage, die ihr durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (PatG § 78 Nr 3 iVm ZPO § 139) eingeräumt worden ist, entzogen hat.

Es liegen dem Senat weder die angekündigte Beschwerdebegründung noch geänderte Unterlagen vor. Es gelten deshalb die mit Beschwerdeschriftsatz vom 27. Dezember 2001 eingereichten Anträge, darunter der Antrag auf Patenterteilung, der mangels anderweitigem Vorbringen als Antrag auf Patenterteilung auf Grundlage der ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 7 und der ursprünglichen Beschreibung auszulegen ist.

Gegenstand der Entscheidung sind danach die am Anmeldetag eingegangenen Patentansprüche 1 bis 7 mit den Beschreibungsseiten 1 bis 6 und der Figur 1.

Patentanspruch 1 betrifft demgemäß

(1) eine Vorrichtung zur Aufbereitung biologischer Proben für die DNA-Analyseumfassend

(2) eine bidirektionale Fördereinrichtung 11 für Probenbehälter 6

(3) eine Qualitätsmess-Station 9

(4) eine Quantitätsmess-Station 10

(5) mindestens einen Reagenzienbehälter 3

(6) mit nachgeordneter Dosiereinrichtung 2

(7) und eine Steuerung 4.

Die Anmelderin hat dadurch, dass sie keine Beschwerdebegründung eingereicht hat und von der anberaumten mündlichen Verhandlung ferngeblieben ist, von sich aus nicht dazu beigetragen, die im Zurückweisungsbeschluss angeführten patenthindernden Mängel auszuräumen.

Die Überprüfung des Sachverhalts durch den Senat hat nun ergeben, dass kein Anlass besteht, der Beschwerde stattzugeben und ein Patent gemäß geltendem Antrag zu erteilen.

Was die Frage der Neuheit anbelangt, so kann dahinstehen, ob sämtliche Merkmale 1 bis 7 der beanspruchten Vorrichtung expressis verbis und somit ohne weiteres aus jeder einzelnen der Druckschriften DE 38 05 808 A1 (1), EP 644 426 A1 (2) oder WO 93/25912 A2 (3) zu entnehmen sind und der geltende Patentanspruch 1 dem Ergebnis des Prüfungsbescheids entsprechend wegen mangelnder Neuheit nicht gewährbar ist.

Denn eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die EP 644 426 A1 (2) betrifft ein Analysengerät mit einer Vorrichtung zur Suspension von Partikeln und ein Verfahren zur Durchführung der Suspension, das ua in einer Bearbeitungsstation zur automatisierten Durchführung von DNA-Detektionen (vgl aaO Sp 1 Z 1 bis 10) und somit der Zweckangabe gemäß Merkmal 1 des geltenden Patentanspruchs 1 entsprechend anwendbar ist. Als weitere Einrichtungen weist dieses Analysengerät Reagenzienbehälter als Merkmal 5, ein Photometer als Merkmal 3 oder 4, eine für den Transfer von Proben, Reagenzien sowie von Reaktionsgefässen vorgesehene, im xy Koordinatensystem bewegbare Transporteinrichtung als Merkmal 2 und als Merkmal 7 eine CPU (Central Processing Unit) als Steuerung auf (vgl aaO Sp 4 Z 2 bis 26). Wegen ihrer uneingeschränkten Bewegbarkeit im xy Koordinatensystem handelt es sich dabei - ebenso wie im Merkmal 2 des geltenden Patentanspruchs 1 - um eine bidirektionale Transport- bzw Fördereinrichtung (vgl aaO Sp 4 Z 11 bis 14). Zwangsläufig verfügen mit Reagenzienbehältern ausgestattete Analysenautomaten auch über eine für den Transfer von Reagenz vorgesehene Dosiereinrichtung, so zB in (2) über einen nachgeordneten dosierbaren Pipettiermechanismus und damit auch über eine Einrichtung gemäß Merkmal 6 (vgl aaO Sp 4 Z 11 bis 17 iVm Sp 1 Z 54 bis Sp 2 Z 6 sowie Sp 2 Z 30 bis 57 insbes Z 41 bis 44 und Z 51 bis 54). Da ein übliches Photometer darüber hinaus die technischen Voraussetzungen besitzt, um damit sowohl eine qualitative als auch eine quantitativen Analyse durchzuführen, ist aus (2) somit eine Bearbeitungsstation zur gattungsgemäßen Verwendung zu entnehmen, die auch die Merkmale 2, 3 oder 4, sowie 5 bis 7 aufweist, und von der sich die beanspruchte Vorrichtung nur in einer zweiten Messstation unterscheidet.

Ausgehend von der Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Vorrichtung zu schaffen, die bei der Aufbereitung und/oder Konditionierung von DNA-Proben einen hohen Automatisierungsgrad bewirkt (vgl OS Sp 1 Z 29 bis 32), wird der Fachmann - hier ein mit der Analytik von DNA befasster und vertrauter Chemiker oder Biologe - einer Bearbeitungsstation gemäß (2) bei Bedarf eine oder mehrere weitere Messstationen hinzufügen, ohne dass hierzu erfinderisches Zutun erforderlich ist.

Dies kann beispielsweise bereits dadurch geschehen, dass er in die aus (2) bekannte Anlage entsprechend der DE 34 02 304 A1 (9) - darin ist ua ein Analysenautomat mit mehreren als Kolorimeter ausgebildeten Messstationen ausgestattet (vgl aaO insbes Fig 10 Merkmale 84 A,B,C) - ein weiteres Photometer als Bestandteil integriert.

Dies kann aber auch dadurch geschehen, dass er zur Probenaufbereitung mehrere Trenneinrichtungen einschließlich Messstationen mit unterschiedlichem Messprinzip und damit unterschiedlichem Zweck vorsieht, so zB entsprechend der US 5 935 522 (6), in der eine Vorrichtung zur automatisierten Aufbereitung biologischer Proben einschließlich online DNA-Analyse beschrieben ist, die ua sowohl eine Einrichtung zur Trennung mittels Flüssigchromatographie als auch eine Einrichtung zur Gel-Elektrophorese mit einem zur Quantifizierung geeigneten, empfindlichen Vier-Kanal-Laser-Fluoreszenz-Detektor aufweist (vgl aaO Anspr 1 insbes Sp 18 Z 51 bis 55 und Z 66 bis 67, Sp 19 Z 5 bis 6 iVm Anspr 2 und 3 sowie Sp 18 Z 13 bis 16), wobei die Kontrolle der Flüssigchromatographie-Trennung, zB Hochdruck-Gelfiltration, wie zur qualitativen Bestimmung von DNA üblich, über einen UV-Detektor als Messstation bei 260 nm im Säulenauslauf erfolgt (vgl aaO Fig 2 iVm Sp 9 Z 34 bis 45).

Nach alledem beruht eine für die Aufbereitung biologischer Proben für die DNA-Analyse vorgesehene Vorrichtung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher nicht gewährbar.

Die echten Unteransprüche 2 bis 7 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1 (BGH "Elektrisches Speicherheizgerät", GRUR 1997, 120).

2. Dem Antrag der Anmelderin auf Ruhen des Verfahrens war nicht stattzugeben, da Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO nicht vorliegen.

Ebensowenig war der Bitte der Anmelderin um Aufhebung des Termins für die mündliche Verhandlung zu entsprechen. Wichtige Gründe, die eine Aufhebung des Termins hätten rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich.

Ein Grund für eine Verzögerung des Verfahrens ist aber auch nicht in der fernmündlich angekündigten und mit Schriftsatz vom 4. Juli 2002 bestätigten Absicht der Anmelderin zu erkennen, aus der vorliegenden Anmeldung ein Gebrauchsmuster abzuzweigen, da nach rechtskräftiger Erledigung des vorliegenden Erteilungsbeschwerdeverfahrens immer noch zwei Monate und somit ausreichend Zeit für die Einreichung der beabsichtigten Gebrauchsmusterabzweigung besteht.

Niklas Jordan Hock Egerer Pü






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2002
Az: 15 W (pat) 13/02


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